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Erste Szene |
Mariens Stube. Es ist Nacht. Kerzenlicht. Marie sitzt am Tisch, blättert in der Bibel; das Kind in der Nähe. |
Q
Marie, Mariens Knabe
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MARIE |
(liest in der Bibel)
"Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden worden..."
Herr-Gott! Herr-Gott! Sieh' mich nicht an!
(blättert weiter)
"Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm,
so im Ehebruch lebte." Jesus aber sprach:
"So verdamme ich dich auch nicht, geh' hin,
und sündige hinfort nicht mehr."
Herr-Gott!
(schlägt die Hände vors Gesicht. Das Kind drängt sich an Marie)
Der Bub' gibt mir einen Stich in's Herz. Fort!
(stösst das Kind von sich)
Das brüst' sich in der Sonne!
(plötzlich milder)
Nein, komm, komm her!
(zieht das Kind an sich)
Komm zu mir!
(gesprochen)
"Es war einmal ein armes Kind
und hatt' keinen Vater und keine Mutter...
war Alles tot und war Niemand auf der Welt,
und es hat gehungert und geweint Tag und Nacht.
Und weil es Niemand mehr hatt' auf der Welt..."
Der Franz ist nit kommen, gestern nit, heut' nit...
(blättert hastig in der Bibel)
Wie steht es geschrieben von der Magdalena?...
"Und kniete hin zu seinen Füssen
und weinte und küsste seine Füsse
und netzte sie mit Tränen und salbte sie mit Salben".
(schlägt sich auf die Brust)
Heiland! Ich möchte Dir die Füsse salben!
Heiland! Du hast Dich ihrer erbarmt,
erbarme Dich auch meiner!
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Der Vorhang fällt langsam. | |
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Orchester-Nachspiel. | |
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Zweite Szene |
Waldweg am Teich. Es dunkelt. Marie kommt mit Wozzeck von rechts. |
Q
(kein)
<- Wozzeck, Marie
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MARIE |
Dort links geht's in die Stadt.
's ist noch weit. Komm schneller!
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WOZZECK |
Du sollst dableiben, Marie. Komm, setz' Dich.
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MARIE |
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WOZZECK |
Komm.
(sie setzen sich)
Bist weit gegangen, Marie.
Sollst Dir die Füsse nicht mehr wund laufen.
's ist still hier! Und so dunkel.
Weisst noch, Marie, wie lang' es jetzt ist,
dass wir uns kennen?
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MARIE |
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WOZZECK |
Und was meinst, wie lang' es noch dauern wird?
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MARIE |
(springt auf)
Ich muss fort.
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WOZZECK |
Fürchst Dich, Marie? Und bist doch fromm?
(lacht)
Und gut! Und treu!
(zieht sich wieder auf den Sitz; neigt sich, wieder ernst, zu Marie)
Was Du für süsse Lippen hast, Marie!
(küsst sie)
Den Himmel gäb' ich drum und die Seligkeit,
wenn ich Dich noch oft so küssen dürft!
Aber ich darf nicht! Was zitterst?
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MARIE |
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WOZZECK |
(flüstert vor sich hin)
Wer kalt ist, den friert nicht mehr!
Dich wird beim Morgentau nicht frieren.
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MARIE |
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WOZZECK |
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| (Langes Schweigen. Der Mond geht auf.) | |
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MARIE |
Wie der Mond rot aufgeht!
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WOZZECK |
Wie ein blutig Eisen!
(zieht ein Messer)
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MARIE |
Was zitterst?
(springt auf)
Was willst?
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WOZZECK |
Ich nicht, Marie! Und kein Andrer auch nicht!
(packt sie an und stösst ihr das Messer in den Hals)
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MARIE |
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| (sinkt nieder. Wozzeck beugt sich über sie. Marie stirbt.) | |
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WOZZECK |
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| (richtet sich scheu auf und stürzt geräuschlos davon) | Wozzeck ->
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Vorhang zu. | |
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Orchester-Uberleitung. | |
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Dritte Szene |
Eine Schenke. Nacht. Schwaches Licht. Dirnen, unter ihnen Margret, und Burschen tanzen eine wilde Schnellpolka. Wozzeck sitzt an einem der Tische. |
Q
Wozzeck, Margret, Burschen, Dirnen
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WOZZECK |
Tanzt Alle;
tanzt nur zu,
springt, schwitzt und stinkt,
es holt Euch doch
noch einmal der Teufel!
(stürzt ein Glas Wein hinunter; den Klavierspieler überschreiend)
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Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin da kehrten sie ein.
Mein Wein ist gut, mein Bier ist klar,
Mein Töchterlein liegt auf der...
| (♦)
(♦)
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Verdammt!
(springt auf)
Komm, Margret!
(tanzt mit Margret ein paar Sprünge. Bleibt plötzlich stehen)
Komm, setz Dich her, Margret!
(führt sie an seinen Tisch und zieht sie auf seinen Schoss nieder)
Margret, Du bist so heiss
(drückt sie an sich; lässt sie los)
Wart nur, wirst auch kalt werden! Kannst nicht singen?
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MARGRET
(vom Klavierspieler auf der Bühne begleitet, singt)
In's Schwabenland, da mag ich nit,
Und lange Kleider trag ich nit,
Denn lange Kleider, spitze Schuh,
Die kommen keiner Dienstmagd zu.
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WOZZECK |
(auffahrend)
Nein! keine Schuh,
man kann auch blossfüssig in die Höll' geh'n!
Ich möcht heut raufen, raufen...
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MARGRET |
Aber was hast Du an der Hand?
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WOZZECK |
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MARGRET |
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WOZZECK |
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| (Es stellen sich Leute um sie.) | |
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MARGRET |
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WOZZECK |
Ich glaub', ich hab' mich geschnitten...
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WOZZECK
...da an der rechten Hand...
Ich hab's daran abgewischt.
Was wollt Ihr? Was geht's Euch an?
Bin ich ein Mörder?
Platz! oder es geht wer zum Teufel!
BURSCHEN
Mit der rechten Hand am rechten Arm?
Blut, Blut, Blut, Blut!
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Zusammen
MARGRET
Wie kommt's denn zum Ellenbogen?
Puh! Puh!
Da stinkt's nach Menschenblut!
DIRNEN
Freilich, da stinkt's nach Menschenblut!
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| (Wozzeck stürzt hinaus.) | Wozzeck ->
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Orchester-Nachspiel. | |
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Vierte Szene |
Waldweg am Teich. Mondnacht wie vorher. Wozzeck kommt schnell herangewankt. Bleibt suchend stehen. |
Q
Wozzeck
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WOZZECK |
Das Messer?
Wo ist das Messer? Ich hab's dagelassen...
Näher, noch näher.
Mir graut's!
Da regt sich was.
(laut geflüstert)
Still! Alles still und tot...
(geschrien)
Mörder! Mörder!
(wieder geflüstert)
Ha! Da ruft's. Nein, ich selbst.
(wankt suchend ein paar Schritte weiter und stösst auf die Leiche)
Marie!
Marie! Was hast Du für eine rote Schnur um den Hals?
Hast Dir das rote Halsband verdient, wie die Ohrringlein,
mit Deiner Sünde!
Was hängen Dir die schwarzen Haare so wild?!
Mörder! Mörder! Sie werden nach mir suchen.
Das Messer verrät mich!
(sucht fieberhaft)
Da, da ist's.
(am Teich)
So! Da hinunter
(wirft das Messer hinein)
Es taucht ins dunkle Wasser wie ein Stein.
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| (Der Mond bricht blutrot hinter den Wolken hervor. Wozzeck blickt auf.) | |
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Aber der Mond verrät mich...
der Mond ist blutig.
Will denn die ganze Welt es ausplaudern?!
Das Messer, es liegt zu weit vorn,
sie finden's beim Baden
oder wenn sie nach Muscheln tauchen.
(geht in den Teich hinein)
Ich find's nicht.
Aber ich muss mich waschen.
Ich bin blutig. Da ein Fleck... und noch einer.
Weh! Weh!
ich wasche mich mit Blut!
Das Wasser ist Blut... Blut...
(Er ertrinkt.)
| Wozzeck ->
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Der Doktor tritt auf, der Hauptmann folgt ihm. | <- Doktor, Hauptmann
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HAUPTMANN |
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DOKTOR |
(bleibt stehen)
Hören Sie? Dort!
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HAUPTMANN |
Jesus! Das war ein Ton.
(bleibt ebenfalls stehen)
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DOKTOR |
(auf den Teich zeigend)
Ja, dort!
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HAUPTMANN |
Es ist das Wasser im Teich. Das Wasser ruft.
Es ist schon lange Niemand ertrunken.
Kommen Sie, Doktor! Es ist nicht gut zu hören.
(will den Doktor mit sich ziehen)
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DOKTOR |
(bleibt aber stehen und lauscht)
Das stöhnt als stürbe ein Mensch.
Da ertrinkt jemand!
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HAUPTMANN |
Unheimlich! Der Mond rot und die Nebel grau.
Hören Sie? jetzt wieder das Ächzen.
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DOKTOR |
Stiller... jetzt ganz still.
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HAUPTMANN |
Kommen Sie! Kommen Sie schnell.
(zieht den Doktor mit sich)
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| Hauptmann, Doktor ->
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Orchester-Uberleitung. | |
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Fünfte Szene |
Strasse vor Mariens Tür. Heller Morgen. Sonnenschein. Kinder spielen und lärmen. Mariens Knabe auf einem Steckenpferd reitend. |
Q
Kinder, Mariens Knabe
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DIE SPIELENDER KINDER
Ringel, Ringel, Rosenkranz,
Ringelreih'n!
Ringel, Ringel, Rosenkranz,
Rin...
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Unterbrechen Gesang und Spiel, andere Kinder stürmen herein. | <- andere Kinder
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EINS VON IHNEN |
Du Käthe!... Die Marie...
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ZWEITES KIND |
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ERSTES KIND |
Weisst' es nit? Sie sind schon Alle 'naus.
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DRITTES KIND |
(zu Mariens Knaben)
Du! Dein Mutter ist tot!
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MARIENS KNABE |
(immer reitend)
Hopp, hopp! Hopp, hopp! Hopp, hopp!
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ZWEITES KIND |
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ERSTES KIND |
Drauss' liegt sie, am Weg, neben dem Teich.
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DRITTES |
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| (Alle Kinder laufen davon.) | Kinder ->
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MARIENS KNABE |
(reitet)
Hopp, hopp! Hopp, hopp! Hopp, hopp!
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| (zögert einen Augenblick und reitet dann den anderen Kindern nach) | Mariens Knabe ->
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Leere Bühne. | |
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Vorhang zu. | |
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Einige Schlußtakte des Orchesters. | |
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