Zweiter Aufzug

 
Einleitung.
 

Erste Szene

Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen.
Helle, anmutige Sommernacht.
An der geöffneten Türe ist eine brennende Fackel aufgesteckt.
Jagdgetön.
Brangäne, auf den Stufen am Gemach, späht dem immer entfernter vernehmbaren Jagdtrosse nach. - Brangäne blickt ängstlich in das Gemach zurück, darin sie Isolde nahen sieht.
Isolde tritt feurig bewegt aus dem Gemach zu Brangäne.

 Q 

Brangäne

<- Isolde

 

ISOLDE

Hörst du sie noch?  

Mir schwand schon fern der Klang.

BRANGÄNE

(lauschend)

Noch sind sie nah:

deutlich tönt's da her.

ISOLDE

(lauschend)

Sorgende Furcht

beirrt dein Ohr.

Dich täuscht des Laubes

säuselnd Getön,

das lachend schüttelt der Wind.

BRANGÄNE

Dich täuscht des Wunsches

Ungestüm,

zu vernehmen, was du wähnst.

(Sie lauscht.)

Ich höre der Hörner Schall.

ISOLDE

(wieder lauschend)

Nicht Hörnerschall

tönt so hold,

des Quelles sanft

rieselnde Welle

rauscht so wonnig daher.

Wie hört' ich sie,

tosten noch Hörner?

In schweigender Nacht

nur lacht mir der Quell:

der meiner harrt

in schweigender Nacht,

als ob Hörner noch nah dir schallten,

willst du ihn fern mir halten?

BRANGÄNE

Der deiner harrt -

o hör mein Flehen! -

des harren Späher zur Nacht.

Weil du erblindet,

wähnst du den Blick

der Welt erblödet für euch? -

Als dort an Schiffes Bord,

von Tristans bebender Hand,

die bleiche Braut,

kaum ihrer mächtig,

König Marke empfing, -

als Alles verwirrt

auf die Wankende sah,

der güt'ge König,

mild besorgt,

die Mühen der langen Fahrt,

die du littest, laut beklagt':

ein Einz'ger war's, -

ich achtet' es wohl, -

der nur Tristan faßt' ins Auge.

Mit böslicher List

lauerndem Blick

sucht' er in seiner Miene

zu finden, was ihm diene.

Tückisch lauschend

treff ich ihn oft:

der heimlich euch umgarnt,

vor Melot seid gewarnt.

ISOLDE

Meinst du Herrn Melot?

O, wie du dich trügst!

Ist er nicht Tristans

treuester Freund?

Muß mein Trauter mich meiden,

dann weilt er bei Melot allein.

BRANGÄNE

Was mir ihn verdächtig,

macht dir ihn teuer!

Von Tristan zu Marke

ist Melots Weg;

dort sät er üble Saat.

die heut im Rat

dies nächtliche Jagen

so eilig schnell beschlossen,

einem edlern Wild,

als dein Wähnen meint,

gilt ihre Jägerslist.

ISOLDE

Dem Freund zu Lieb

erfand diese List

aus Mit-Leid

Melot, der Freund.

Nun willst du den Treuen schelten?

Besser als du

sorgt er für mich;

ihm öffnet er,

was mir du sperrst.

O spare mir des Zögerns Not!

Das Zeichen, Brangäne!

O gib das Zeichen!

Lösche des Lichtes

letzten Schein!

Daß ganz sie sich neige,

winke der Nacht.

Schon goß sie ihr Schweigen

durch Hain und Haus,

schon füllt sie das Herz

mit wonnigem Graus:

O lösche das Licht nun aus,

lösche den scheuchenden Schein!

Laß meinen Liebsten ein!

BRANGÄNE

O laß die warnende Zünde,

laß die Gefahr sie dir zeigen! -

O wehe! Wehe!

Ach mir Armen!

Des unseligen Trankes!

Daß ich untreu

einmal nur

der Herrin Willen trog!

Gehorcht' ich taub und blind,

dein - Werk

war dann der Tod.

Doch, deine Schmach,

deine schmählichste Not, -

mein - Werk

muß ich Schuld'ge es wissen!

ISOLDE

Dein - Werk?

O tör'ge Magd!

Frau Minne kenntest du nicht?

Nicht ihres Zaubers Macht?

 

Des kühnsten Mutes  

Königin?

Des Weltenwerdens

Walterin?

Leben und Tod

sind untertan ihr,

die sie webt aus Lust und Leid,

in Liebe wandelnd den Neid.

Des Todes Werk,

nahm ich's vermessen zur Hand, -

Frau Minne hat es

meiner Macht entwandt.

Die Todgeweihte

nahm sie in Pfand,

faßte das Werk

in ihre Hand.

Wie sie es wendet,

wie sie es endet,

was sie mir küre,

wohin mich führe,

ihr ward ich zu eigen: -

Nun laß mich Gehorsam zeigen.

 

BRANGÄNE

Und mußte der Minne  

tückischer Trank

des Sinnes Licht dir verlöschen;

darfst du nicht sehen

wenn ich dich warne:

nur heute hör,

o hör mein Flehen!

Der Gefahr leuchtendes Licht, -

nur heute, heut, -

die Fackel dort lösche nicht!

 

ISOLDE

Die im Busen mir

die Glut entfacht,

die mir das Herze

brennen macht,

die mir als Tag

der Seele lacht, -

Frau Minne will:

es werde Nacht,

daß hell sie dorten leuchte,

(Während sie auf die Fackel zueilt.)

wo sie dein Licht verscheuchte.

(Sie nimmt die Fackel von der Tür.)

 

ISOLDE

Zur Warte du:

dort wache treu!

Die Leuchte, -

und wär's meines Lebens Licht, -

lachend

sie zu löschen zag ich nicht!

 
(Sie wirft die Fackel zur Erde, wo sie allmählich verlischt.)
 
(Brangäne wendet sich bestürzt ab, um auf einer äußeren Treppe die Zinne zu ersteigen, wo sie langsam verschwindet.

Brangäne ->

Isolde lauscht und späht, zunächst schüchtern, in einen Baumgang. Von wachsendem Verlangen bewegt, schreitet sie dem Baumgang näher und späht zuversichtlicher. Sie winkt mit dem Tuche, erst seltener, dann häufiger, und endlich, in leidenschaftlicher Ungeduld, immer schneller. Eine Gebärde des plötzlichen Entzückens sagt, daß sie den Freund in der Ferne gewahr geworden. Sie streckt sich höher und, um besser den Raum zu übersehen, eilt sie zur Treppe zurück, von deren oberster Stufe aus sie dem Herannahenden zuwinkt.)
 

Zweite Szene

Jetzt springt sie ihm entgegen.

<- Tristan

 

TRISTAN

(stürzt herein)  

Isolde!

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN UND ISOLDE

Geliebter!

 
(Stürmische Umarmungen Beider, unter denen sie in den Vordergrund gelangen.)
 

ISOLDE

Bist du mein?

TRISTAN

Hab ich dich wieder?

ISOLDE

Darf ich dich fassen?

TRISTAN

Kann ich mir trauen?

ISOLDE

Endlich! Endlich!

TRISTAN

An meiner Brust!

ISOLDE

Fühl ich dich wirklich?

TRISTAN

Seh ich dich selber?

ISOLDE

Dies deine Augen?

TRISTAN

Dies dein Mund?

ISOLDE

Hier deine Hand?

TRISTAN

Hier dein Herz?

ISOLDE

Bin ich's? Bist du's?

Halt ich dich fest?

Ist es kein Traum?

Zusammen

TRISTAN

Bin ich's? Bist du's?

Ist es kein Trug?

Ist es kein Traum?

 

TRISTAN UND ISOLDE

O Wonne der Seele,

o süße, hehrste,

kühnste, schönste,

seligste Lust!

TRISTAN

Ohne Gleiche!

ISOLDE

Überreiche!

TRISTAN

Überselig!

ISOLDE

Ewig!

TRISTAN

Ewig!

ISOLDE

Ungeahnte,

nie gekannte!

Freude-Jauchzen!

Himmel-höchstes

Welt-Entrücken!

Mein!

Tristan mein!

Mein und dein!

Ewig!

Tristan mein,

Isolde ewig dein!

Zusammen

TRISTAN

Überschwenglich

hoch erhab'ne!

Lust-Entzücken!

Himmel-höchstes

Welt-Entrücken!

Mein!

Isolde mein!

Mein und dein!

Ewig!

Isolde mein!

 

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN

Isolde!

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN

Isolde!

ISOLDE UND TRISTAN

Ewig, ewig ein!

ISOLDE

Wie lange fern!

Wie fern so lang!

TRISTAN

Wie weit, so nah!

So nah, wie weit!

ISOLDE

O Freundesfeindin,

böse Ferne!

Träger Zeiten

zögernde Länge!

TRISTAN

O Weit und Nähe!

Hart entzweite!

Holde Nähe!

Öde Weite!

ISOLDE

Im Dunkel du,

im Lichte ich!

TRISTAN

Das Licht! Das Licht!

Oh, dieses Licht,

wie lang verlosch es nicht!

Die Sonne sank,

der Tag verging,

doch seinen Neid

erstickt er nicht:

sein scheuchend Zeichen

zündet er an,

und steckt's an der Liebsten Türe,

daß nicht ich zu ihr führe.

ISOLDE

Doch der Liebsten Hand

löschte das Licht;

wes die Magd sich wehrte,

scheut ich mich nicht:

in Frau Minnes Macht und Schutz

bot ich dem Tage Trutz!

TRISTAN

Dem Tage! Dem Tage!

Dem tückischen Tage,

dem härtesten Feinde

Haß und Klage!

Wie du das Licht,

o könnt ich die Leuchte,

der Liebe Leiden zu rächen,

dem frechen Tage verlöschen!

Gibt's eine Not,

gibt's eine Pein,

die er nicht weckt

mit seinem Schein?

Selbst in der Nacht

dämmernder Pracht

hegt' ihn Liebchen am Haus,

streckt mir drohend ihn aus!

ISOLDE

Hegt' ihn die Liebste

am eig'nen Haus,

im eig'nen Herzen

hell und kraus

hegt ihn trotzig

einst mein Trauter:

Tristan, - der mich verriet!

War's nicht der Tag,

der aus ihm log,

als er nach Irland

werbend zog,

für Marke mich zu frein,

dem Tod die Treue zu weihn?

TRISTAN

Der Tag! Der Tag,

der dich umgliß,

dahin, wo sie

der Sonne glich,

in höchster Ehren

Glanz und Licht

Isolden mir entrückt!

Was mir das Auge

so entzückt',

das Herze tief

zur Erde drückt':

in lichten Tages Schein

wie war Isolde mein?

ISOLDE

War sie nicht dein,

die dich erkor?

Was log der böse

Tag dir vor,

daß, die für dich beschieden,

die Traute du verrietest?

TRISTAN

Was dich umgliß

mit hehrster Pracht,

der Ehre Glanz,

des Ruhmes Macht,

an sie mein Herz zu hangen

hielt mich der Wahn gefangen.

Die mit des Schimmers

hellstem Schein

mir Haupt und Scheitel

licht beschien,

der Welten-Ehren

Tages-Sonne,

mit ihrer Strahlen

eitler Wonne,

durch Haupt und Scheitel

drang mir ein,

bis in des Herzens

tiefsten Schrein.

Was dort in keuscher Nacht

dunkel verschlossen wacht,

was ohne Wiss' und Wahn

ich dämmernd dort empfahn:

ein Bild, das meine Augen

zu sehn sich nicht getrauten,

von des Tages Schein betroffen

lag mir's da schimmernd offen.

Was mir so rühmlich

schien und hehr,

das rühmt ich hell

vor allem Heer;

vor allem Volke

pries ich laut

der Erde schönste

Königsbraut.

Dem Neid, den mir

der Tag erweckt';

dem Eifer, den

mein Glücke schreckt';

der Mißgunst, die mir Ehren

und Ruhm begann zu schweren:

denen bot ich Trotz,

und treu beschloß,

um Ehr und Ruhm zu wahren,

nach Irland ich zu fahren.

ISOLDE

O eitler Tagesknecht!

Getäuscht von ihm,

der dich getäuscht,

wie mußt' ich liebend

um dich leiden,

den, in des Tages

falschem Prangen,

von seines Gleißens

Trug befangen,

dort, wo ihn Liebe

heiß umfaßte,

im tiefsten Herzen

hell ihn haßte.

Ach, in des Herzens Grunde

wie schmerzte tief die Wunde!

Den dort ich heimlich barg,

wie dünkt' er mich so arg,

wenn in des Tages Scheine

der treu gehegte Eine

der Liebe Blicken schwand,

als Feind nur vor mir stand!

Das als Verräter

dich mir wies,

dem Licht des Tages

wollt ich entfliehn,

dorthin in die Nacht

dich mit mir ziehn,

wo der Täuschung Ende

mein Herz mir verhieß;

wo des Trugs geahnter

Wahn zerrinne;

dort dir zu trinken

ew'ge Minne,

mit mir dich im Verein

wollt ich dem Tode weihn.

TRISTAN

In deiner Hand

den süßen Trank,

als ich ihn erkannt,

den sie mir bot;

als mir die Ahnung

hehr und gewiß

zeigte, was mir

die Sühne verhieß:

da erdämmerte mild

erhab'ner Macht

im Busen mir die Nacht;

mein Tag war da vollbracht.

ISOLDE

Doch ach, dich täuschte

der falsche Trank,

daß dir von neuem

die Nacht versank:

dem einzig am Tode lag,

den gab er wieder dem Tag!

TRISTAN

O Heil dem Tranke!

Heil seinem Saft!

Heil seines Zaubers

hehrer Kraft!

Durch des Todes Tor,

wo er mir floß,

weit und offen

er mir erschloß,

darin ich sonst nur träumend gewacht,

das Wunderreich der Nacht;

von dem Bild in des Herzens

bergendem Schrein

scheucht' er des Tages

täuschenden Schein,

daß nachtsichtig mein Auge

wahr es zu sehen tauge.

ISOLDE

Doch es rächte sich

der verscheuchte Tag;

mit deinen Sünden

Rats er pflag:

was dir gezeigt

die dämmernde Nacht,

an des Tagsgestirnes

Königsmacht

mußtest du's übergeben, -

um einsam

in öder Pracht

schimmernd dort zu leben. -

Wie ertrug ich's nur?

Wie ertrag' ich's noch?

TRISTAN

O nun waren wir

Nacht-geweihte!

Der tückische Tag,

der Neid-bereite,

trennen konnt uns sein Trug,

doch nicht mehr täuschen sein Lug!

Seine eitle Pracht,

seinen prahlenden Schein

verlacht, wem die Nacht

den Blick geweiht.

Seines flackernden Lichtes

flüchtige Blitze

blenden uns nicht mehr.

Wer des Todes Nacht

liebend erschaut,

wem sie ihr tief

Geheimnis vertraut:

des Tages Lügen,

Ruhm und Ehr,

Macht und Gewinn,

so schimmernd hehr,

wie eitler Staub der Sonnen

sind sie vor dem zersponnen!

In des Tages eitlem Wähnen

bleibt ihm ein einzig Sehnen, -

das Sehnen hin

zur heil'gen Nacht,

wo ur-ewig,

einzig wahr,

Liebes-Wonne ihm lacht!

 
(Tristan zieht Isolde sanft zur Seite auf eine Blumenbank nieder, senkt sich vor ihr auf die Knie und schmiegt sein Haupt in ihren Arm.)
 

TRISTAN UND ISOLDE

O sink hernieder,    

Nacht der Liebe,

gib Vergessen,

daß ich lebe,

nimm mich auf

in deinen Schoß,

löse von

der Welt mich los!

S

TRISTAN

Verloschen nun

die letzte Leuchte;

ISOLDE

was wir dachten,

was uns deuchte;

TRISTAN

all Gedenken -

ISOLDE

all Gemahnen -

TRISTAN UND ISOLDE

heil'ger Dämm'rung

hehres Ahnen

löscht des Wähnens Graus

welt-erlösend aus.

ISOLDE

Barg im Busen

uns sich die Sonne,

leuchten lachend

Sterne der Wonne.

TRISTAN

Von deinem Zauber

sanft umsponnen,

vor deinen Augen

süß zerronnen;

ISOLDE

Herz an Herz dir,

Mund an Mund;

TRISTAN

eines Atems

ein'ger Bund;

TRISTAN UND ISOLDE

bricht mein Blick sich

Wonn-erblindet,

erbleicht die Welt

mit ihrem Blenden:

ISOLDE

die uns der Tag

trügend erhellt,

TRISTAN

zu täuschendem Wahn

entgegen gestellt,

TRISTAN UND ISOLDE

selbst dann

bin ich die Welt:

wonnehehrstes Weben,

Liebe-heiligstes Leben,

Nie-wieder-Erwachens

wahnlos

hold bewußter Wunsch.

 
(Tristan und Isolde versinken wie in gänzlicher Entrücktheit, in der sie, Haupt an Haupt auf die Blumenbank zurückgelehnt, verweilen.)
 

BRANGÄNE

(von der Zinne her unsichtbar)  

Einsam wachend

in der Nacht,

wem der Traum

der Liebe lacht,

hab der Einen

Ruf in Acht,

die den Schläfern

Schlimmes ahnt,

bange zum

Erwachen mahnt.

Habet Acht!

Habet Acht!

Bald entweicht die Nacht!

Sfondo schermo () ()

S

 

ISOLDE

Lausch, Geliebter!  

TRISTAN

Laß mich sterben!

ISOLDE

(allmählich sich ein wenig erhebend)

Neid'sche Wache!

TRISTAN

(zurückgelehnt bleibend)

Nie erwachen!

ISOLDE

Doch der Tag

muß Tristan wecken?

TRISTAN

(ein wenig das Haupt erhebend)

Laß den Tag

dem Tode weichen!

ISOLDE

Tag und Tod,

mit gleichen Streichen,

sollten unsre

Lieb' erreichen?

TRISTAN

(sich mehr aufrichtend)

Unsre Liebe?

Tristans Liebe?

Dein und mein,

Isoldes Liebe?

Welches Todes Streichen

könnte je sie weichen?

Stünd er vor mir,

der mächt'ge Tod,

wie er mir Leib

und Leben bedroht, -

die ich so willig

der Liebe lasse,

wie wäre seinen Streichen

die Liebe selbst zu erreichen?

(Immer inniger mit dem Haupt sich an Isolde schmiegend.)

Stürb ich nun ihr,

der so gern ich sterbe,

wie könnte die Liebe

mit mir sterben,

die ewig lebende

mit mir enden?

Doch, stürbe nie seine Liebe,

wie stürbe dann Tristan

seiner Liebe?

ISOLDE

Doch - unsre Liebe,

heißt sie nicht Tristan

und - Isolde?

Dies süße Wörtlein: und,

was es bindet,

der Liebe Bund,

wenn Tristan stürb,

zerstört es nicht der Tod?

TRISTAN

Was stürbe dem Tod,

als was uns stört,

was Tristan wehrt,

Isolde immer zu lieben,

ewig ihr nur zu leben?

ISOLDE

Doch, dieses Wörtlein: und,

wär es zerstört,

wie anders als

mit Isoldes eig'nem Leben

wär Tristan der Tod gegeben?

 
(Tristan zieht, mit bedeutungsvoller Gebärde, Isolde sanft an sich.)
 

TRISTAN

So starben wir,  

um ungetrennt,

ewig einig

ohne End',

ohn Erwachen,

ohn Erbangen,

namenlos

in Lieb' umfangen,

ganz uns selbst gegeben,

der Liebe nur zu leben!

ISOLDE

(wie in sinnender Entrücktheit zu ihm aufblickend)

So stürben wir,

um ungetrennt,

TRISTAN

ewig einig

ohne End,

ISOLDE

ohn Erwachen,

TRISTAN

ohn Erbangen,

ISOLDE

namenlos

TRISTAN UND ISOLDE

in Lieb' umfangen,

ganz uns selbst gegeben,

der Liebe nur zu leben!

 
(Isolde neigt wie überwältigt das Haupt an seine Brust.)
 

BRANGÄNE

(wie vorher)

Habet Acht!

Habet Acht!

Schon weicht dem Tag die Nacht!

TRISTAN

(lächelnd zu ihr geneigt)

Soll ich lauschen?

ISOLDE

(schwärmerisch zu ihm aufblickend)

Laß mich sterben!

TRISTAN

(ernster)

Muß ich wachen?

ISOLDE

(bewegter)

Nie erwachen!

 

TRISTAN

(drängender)  

Soll der Tag

noch Tristan wecken?

ISOLDE

(begeistert)

Laß den Tag

dem Tode weichen!

TRISTAN

Des Tages Dräuen

nun trotzten wir so?

ISOLDE

(mit wachsender Begeisterung)

Seinem Trug ewig zu fliehn.

TRISTAN

Sein dämmernder Schein

verscheuchte uns nie?

ISOLDE

(mit großer Gebärde ganz sich erhebend)

Ewig wär uns die Nacht!

TRISTAN UND ISOLDE

O ew'ge Nacht,

süße Nacht!

Hehr erhab'ne

Liebes-Nacht!

ISOLDE

Wen du umfangen,

TRISTAN

Wem du gelacht,

TRISTAN UND ISOLDE

wie - wär ohne Bangen

aus dir er je erwacht?

Nun banne das Bangen,

holder Tod,

sehnend verlangter

Liebestod!

In deinen Armen,

dir geweiht,

urheilig Erbarmen,

von Erwachens Not befreit!

 

TRISTAN

Wie sie fassen,  

wie sie lassen,

diese Wonne,

TRISTAN UND ISOLDE

fern der Sonne,

der Tage

Trennungsklage!

ISOLDE

Ohne Wähnen,

TRISTAN

sanftes Sehnen;

ISOLDE

ohne Bangen,

TRISTAN

süß Verlangen;

ohne Wehen

TRISTAN UND ISOLDE

hehr Vergehen;

ISOLDE

ohne Schmachten

TRISTAN UND ISOLDE

hold Umnachten;

TRISTAN

ohne Meiden,

TRISTAN UND ISOLDE

ohne Scheiden,

traut allein,

ewig heim,

in ungemess'nen Räumen

übersel'ges Träumen.

ISOLDE

Du Isolde,

Tristan ich,

nicht mehr Isolde!

Ohne Nennen,

ohne Trennen,

neu Erkennen,

neu Entbrennen;

endlos ewig

ein-bewußt:

heiß erglühter Brust

höchste Liebes-Lust!

Zusammen

TRISTAN

Du Tristan,

Isolde ich,

nicht mehr Tristan!

Ewig!

Endlos!

endlos ewig

ein-bewußt:

heiß erglühter Brust

höchste Liebes-Lust!

 
 

Dritte Szene

Sie verbleiben in verzückter Stellung.
Brangäne stößt einen grellen Schrei aus.

<- Kurwenal

 

KURWENAL

(stürzt mit entblößtem Schwerte herein)  

Rette dich, Tristan!

 
(Er blickt mit Entsetzen hinter sich in die Szene zurück.)
 
Marke, Melot und Hofleute in Jägertracht kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Vordergrunde und halten entsetzt der Gruppe der Liebenden gegenüber an.

<- Marke, Melot, Hofleute

 
Brangäne kommt zugleich von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu. Diese, von unwillkürlicher Scham ergriffen, lehnt sich, mit abgewandtem Gesicht, auf die Blumenbank. Tristan, in ebenfalls unwillkürlicher Bewegung, streckt mit dem einen Arme den Mantel breit aus, so daß er Isolde vor den Blicken der Ankommenden verdeckt. In dieser Stellung verbleibt er längere Zeit, unbeweglich den starren Blick auf die Männer gerichtet, die in verschiedener Bewegung die Augen auf ihn heften.

<- Brangäne

 
Morgendämmerung.
 

TRISTAN

Der öde Tag  

zum letzten Mal!

MELOT

(zu Marke)

Das sollst du, Herr, mir sagen,

ob ich ihn recht verklagt;

das dir zum Pfand ich gab,

ob ich mein Haupt gewahrt?

Ich zeigt' ihn dir

in off'ner Tat:

Namen und Ehr

hab ich getreu

vor Schande dir bewahrt.

(nach tiefer Erschütterung, mit bebender Stimme)

MARKE

Tatest du's wirklich?  

Wähnst du das?

S

 

Sieh ihn dort,  

den treu'sten aller Treuen;

blick auf ihn,

den freundlichsten der Freunde:

seiner Treue

frei'ste Tat

traf mein Herz

mit schmerzlichstem Verrat!

Trog mich Tristan,

sollt' ich hoffen,

was sein Trügen

mir getroffen,

sei durch Melots Rat

redlich mir bewahrt?

 

TRISTAN

(krampfhaft heftig)  

Tagsgespenster!

Morgenträume! -

täuschend und wüst -!

Entschwebt! Entweicht!

MARKE

(mit tiefer Ergriffenheit)

Mir dies?

Dies, Tristan, mir?

Wohin nun Treue,

da Tristan mich betrog?

Wohin nun Ehr

und echte Art,

da aller Ehren Hort,

da Tristan sie verlor?

Die Tristan sich

zum Schild erkor,

wohin ist Tugend

nun entflohn,

da meinen Freund sie flieht,

da Tristan mich verriet?

 
(Tristan senkt langsam den Blick zu Boden; in seinen Mienen ist, während Marke fortfährt, zunehmende Trauer zu lesen.)
 

Wozu die Dienste  

ohne Zahl,

der Ehren Ruhm,

der Größe Macht,

die Marken du gewannst;

mußt' Ehr und Ruhm,

Größ' und Macht,

mußte die Dienste

ohne Zahl

dir Markes Schmach bezahlen?

Dünkte zu wenig

dich mein Dank,

daß, was du mir erworben,

Ruhm und Reich,

ich zu Erb' und Eigen dir gab?

Da kinderlos einst

schwand sein Weib,

so liebt' er dich,

daß nie auf's neu

sich Marke wollt vermählen.

Da alles Volk

zu Hof und Land

mit Bitt' und Dräuen

in ihn drang,

die Königin dem Lande

die Gattin sich zu kiesen;

da selber du

den Ohm beschworst,

des Hofes Wunsch,

des Landes Willen

gütlich zu erfüllen;

in Wehr wider Hof und Land,

in Wehr selbst gegen dich,

mit List und Güte

weigerte er sich, -

bis, Tristan, du ihm drohtest,

für immer zu meiden

Hof und Land,

würdest du selber

nicht entsandt,

dem König die Braut zu frei'n.

Da ließ er's denn so sein. -

Dies wundervolle Weib,

das mir dein Mut gewann,

wer durft es sehen,

wer es kennen,

wer mit Stolze

sein es nennen,

ohne selig sich zu preisen?

Der mein Wille

nie zu nahen wagte,

der mein Wunsch

ehrfurchtscheu entsagte,

die so herrlich,

hold erhaben

mir die Seele

mußte laben,

trotz Feind und Gefahr

die fürstliche Braut

brachtest du mir dar.

Nun, da durch solchen

Besitz mein Herz

du fühlsamer schufst

als sonst dem Schmerz,

dort, wo am weichsten,

zart und offen,

würd' ich getroffen,

nie zu hoffen,

daß je ich könnte gesunden:

warum so sehrend,

Unseliger,

dort nun mich verwunden?

Dort mit der Waffe

quälendem Gift,

das Sinn und Hirn

mir sengend versehrt,

das mir dem Freund

die Treue verwehrt,

mein off'nes Herz

erfüllt mit Verdacht,

daß ich nun heimlich

in dunkler Nacht

den Freund lauschend beschleiche, -

meiner Ehren Ende erreiche?

Die kein Himmel erlöst,

warum mir diese Hölle?

Die kein Elend sühnt,

warum mir diese Schmach?

Den unerforschlich tief

geheimnisvollen Grund,

wer macht der Welt ihn kund?

 

TRISTAN

(mitleidig das Auge zu Marke erhebend)  

O König, das

kann ich dir nicht sagen;

und was du frägst,

das kannst du nie erfahren.

(Er wendet sich zu Isolde, die sehnsüchtig zu ihm aufblickt.)

Wohin nun Tristan scheidet,

willst du, Isold', ihm folgen?

S

 

Dem Land, das Tristan meint,  

der Sonne Licht nicht scheint:

es ist das dunkel

nächt'ge Land,

daraus die Mutter

mich entsandt,

als, den im Tode

sie empfangen,

im Tod sie ließ

an das Licht gelangen.

Was, da sie mich gebar,

ihr Liebesberge war,

das Wunderreich der Nacht,

aus der ich einst erwacht:

das bietet dir Tristan,

dahin geht er voran:

ob sie ihm folge

treu und hold?

Das sag' ihm nun Isold'!

 

ISOLDE

Als für ein fremdes Land

der Freund sie einstens warb,

dem Unholden

treu und hold

mußt' Isolde folgen.

 

Nun führst du in dein Eigen,  

dein Erbe mir zu zeigen;

wie flöh' ich wohl das Land,

das alle Welt umspannt?

Wo Tristans Haus und Heim,

da kehr Isolde ein;

auf dem sie folge

treu und hold,

den Weg nun zeig Isold'!

 
(Tristan neigt sich langsam über sie und küßt sie sanft auf die Stirn. Melot fährt wütend auf.)
 

MELOT

(das Schwert ziehend)  

Verräter! ha!

Zur Rache, König!

Duldest du diese Schmach?

 
(Tristan zieht sein Schwert und wendet sich schnell um.)
 

TRISTAN

Wer wagt sein Leben an das meine?

(Er heftet den Blick auf Melot.)

Mein Freund war der,

er minnte mich hoch und teuer;

um Ehr und Ruhm

mir war er besorgt wie keiner:

zum Übermut

trieb er mein Herz,

die Schar führt' er,

die mich gedrängt,

Ehr und Ruhm mir zu mehren,

dem König dich zu vermählen! -

Dein Blick, Isolde,

blendet' auch ihn;

aus Eifer verriet

mich der Freund -

dem König, den ich verriet!

(Er dringt auf Melot ein.)

Wehr dich, Melot!

 
(Als Melot ihm das Schwert entgegenstreckt, läßt Tristan das seinige fallen und sinkt verwundet in Kurwenals Arme. Isolde stürzt sich an seine Brust. Marke hält Melot zurück.)
 
Der Vorhang fällt schnell.
 

Ende (Zweiter Aufzug)

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Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen. Helle, anmutige Sommernacht. An der geöffneten Türe ist eine brennende Fackel aufgesteckt.

Brangäne
 
Brangäne
<- Isolde

Hörst du sie noch?

Und mußte der Minne

 

Isolde
Brangäne ->
Isolde
<- Tristan

Isolde! / Tristan! / Geliebter!

Tristan und Isolde
O sink hernieder

Lausch, Geliebter!

Tristan und Isolde, Brangäne
So starben wir

Soll der Tag

Tristan und Isolde
Wie sie fassen
Isolde, Tristan
<- Kurwenal

Rette dich, Tristan!

Isolde, Tristan, Kurwenal
<- Marke, Melot, Hofleute
Isolde, Tristan, Kurwenal, Marke, Melot, Hofleute
<- Brangäne

Der öde Tag

Tagsgespenster!

O König, das

Verräter! ha!

 
Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene
Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes, reich mit Teppichen behangen, beim Beginn... Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen. Helle,... Burggarten. Zur einen Seite hohe Burggebäude, zur andern eine niedrige...
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