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Tristan und Isolde

TRISTAN UND ISOLDE

Musikdrama in drei Aufzügen.

Syntetische Fassung herausgegeben von null www.operalib.eu.

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Text und Musik Wilhelm Richard WAGNER.
Uraufführung: 10. Juni 1865, München.


Personen:

TRISTAN Neffe von König Marke

Tenor

König MARKE von Cornwall

Bass

ISOLDE Prinzessin von Irland

Sopran

KURWENAL Begleiter Tristans

Bariton

MELOT ein Höfling

Tenor

BRANGÄNE Vertraute Isoldes

Mezzosopran

Ein HIRT

Tenor

Ein STEUERMANN

Bariton

STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES

Tenor


Schiffsvolk, Ritter, Knappen und Isoldes Frauen.

Schauplätze:

Erster Aufzug
Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der Überfahrt von Irland nach Kornwall.

Zweiter Aufzug
In der Königlichen Burg Markes in Kornwall.

Dritter Aufzug
Tristans Burg in der Bretagne.


Erster Aufzug

Einleitung.

Erste Szene

Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes, reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab.
Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. Brangäne, einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord.

STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES

(aus der Höhe, wie vom Maste her, vernehmbar)

West-wärts

schweift der Blick;

ostwärts

streicht das Schiff.

Frisch weht der Wind

der Heimat zu: -

mein irisch Kind,

wo weilest du?

Sind's deiner Seufzer Wehen,

die mir die Segel blähen? -

Wehe, wehe, du Wind!

Weh, ach wehe, mein Kind!

Irische Maid,

du wilde, minnige Maid!

ISOLDE

(jäh auffahrend)

Wer wagt mich zu höhnen?

(Sie blickt verstört um sich.)

Brangäne, du? -

Sag, wo sind wir?

BRANGÄNE

(an der Öffnung)

Blaue Streifen

stiegen im Westen auf;

sanft und schnell

segelt das Schiff:

auf ruhiger See vor Abend

erreichen wir sicher das Land.

ISOLDE

Welches Land?

BRANGÄNE

Kornwalls grünen Strand.

ISOLDE

Nimmermehr!

Nicht heut noch morgen!

BRANGÄNE

(Läßt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde.)

Was hör ich! Herrin! Ha!

ISOLDE

(wild vor sich hin)

Entartet Geschlecht!

Unwert der Ahnen!

Wohin, Mutter,

vergabst du die Macht

über Meer und Sturm zu gebieten?

O zahme Kunst

der Zauberin,

die nur Balsamtränke noch braut!

Erwache mir wieder,

kühne Gewalt;

herauf aus dem Busen,

wo du dich bargst!

Hört meinen Willen,

zagende Winde!

Heran zu Kampf

und Wettergetös!

Zu tobender Stürme

wütendem Wirbel!

Treibt aus dem Schlaf

dies träumende Meer,

weckt aus dem Grund

seine grollende Gier!

Zeigt ihm die Beute,

die ich ihm biete!

Zerschlag es, dies trotzige Schiff,

des zerschellten Trümmer verschling's!

Und was auf ihm lebt,

den wehenden Atem,

den laß ich euch Winden zum Lohn!

BRANGÄNE

(im äußersten Schreck um Isolde sich bemühend)

O weh!

Ach! Ach!

Des Übels, das ich geahnt!

Isolde Herrin!

Teures Herz!

Was bargst du mir so lang?

Nicht eine Träne

weintest du Vater und Mutter;

kaum einen Gruß

den Bleibenden botest du.

Von der Heimat scheidend

kalt und stumm,

bleich und schweigend

auf der Fahrt;

ohne Nahrung,

ohne Schlaf;

starr und elend,

wild verstört:

wie ertrug ich,

so dich sehend,

nichts dir mehr zu sein,

fremd vor dir zu stehn?

O, nun melde,

was dich müht!

Sage, künde,

was dich quält!

Herrin Isolde!

trauteste Holde!

Soll sie wert sich dir wähnen,

vertraue nun Brangänen!

ISOLDE

Luft! Luft!

Mir erstickt das Herz!

Öffne! Öffne dort weit!

(Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte auseinander.)

Zweite Szene

Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont.
Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert, von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal. - Vom Maste her, aus der Höhe, vernimmt man wieder die Stimme des jungen Seemanns.

STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES

(auf dem Maste, unsichtbar)

Frisch weht der Wind

der Heimat zu: -

Mein irisch Kind,

wo weilest du?

Sind's deiner Seufzer Wehen,

die mir die Segel blähen? -

Wehe, wehe du Wind!

Weh, ach wehe, mein Kind!

ISOLDE

(deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich)

Mir erkoren, -

mir verloren, -

hehr und heil -

kühn und feig! -

Tod geweihtes Haupt!

Tod geweihtes Herz!

(Zu Brangäne, unheimlich lachend.)

Was hältst du von dem Knechte?

BRANGÄNE

(ihrem Blicke folgend)

Wen meinst du?

ISOLDE

Dort den Helden,

der meinem Blick

den seinen birgt,

in Scham und Scheue

abwärts schaut?

Sag, wie dünkt er dich?

BRANGÄNE

Frägst du nach Tristan,

teure Frau?

Dem Wunder aller Reiche,

dem hochgepries'nen Mann?

Dem Helden ohne Gleiche,

des Ruhmes Hort und Bann?

ISOLDE

(sie verhöhnend)

Der zagend vor dem Streiche

sich flüchtet, wo er kann,

weil eine Braut er als Leiche

für seinen Herrn gewann! -

Dünkt es dich dunkel,

mein Gedicht?

Frag ihn denn selbst,

den freien Mann,

ob mir zu nah'n er wagt?

Der Ehren Gruß

und zücht'ge Acht

vergißt der Herrin

der zage Held,

daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche -

den Helden ohne Gleiche!

Oh, er weiß

wohl, warum! -

Zu dem Stolzen geh,

meld ihm der Herrin Wort!

Meinem Dienst bereit,

schleunig soll er mir nah'n.

BRANGÄNE

Soll ich ihn bitten,

dich zu grüßen?

ISOLDE

Befehlen ließ

dem Eigenholde

Furcht der Herrin

ich, Isolde!

(Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet.)

KURWENAL

(der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande)

Hab acht, Tristan!

Botschaft von Isolde.

TRISTAN

(auffahrend)

Was ist? - Isolde? -

(Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt.)

Von meiner Herrin? -

Ihr gehorsam

was zu hören

meldet höfisch

mir die traute Magd?

BRANGÄNE

Mein Herre Tristan,

euch zu sehen

wünscht Isolde,

meine Frau.

TRISTAN

Grämt sie die lange Fahrt,

die geht zu End;

eh noch die Sonne sinkt,

sind wir am Land.

Was meine Frau mir befehle,

treulich sei's erfüllt.

BRANGÄNE

So mög' Herr Tristan

zu ihr gehn:

das ist der Herrin Will'.

TRISTAN

Wo dort die grünen Fluren

dem Blick noch blau sich färben,

harrt mein König

meiner Frau:

zu ihm sie zu geleiten,

bald nah ich mich der Lichten;

keinem gönnt ich

diese Gunst.

BRANGÄNE

Mein Herre Tristan,

höre wohl:

deine Dienste

will die Frau,

daß du zur Stell ihr nahtest,

dort, wo sie deiner harrt.

TRISTAN

Auf jeder Stelle

wo ich steh,

getreulich dien ich ihr,

der Frauen höchster Ehr;

ließ ich das Steuer

jetzt zur Stund,

wie lenkt' ich sicher den Kiel

zu König Markes Land?

BRANGÄNE

Tristan, mein Herre!

Was höhnst du mich?

Dünkt dich nicht deutlich

die tör'ge Magd,

hör meiner Herrin Wort!

So hieß sie, sollt ich sagen: -

«Befehlen ließ

dem Eigenholde

Furcht der Herrin

sie, Isolde.»

KURWENAL

(aufspringend)

Darf ich die Antwort sagen?

TRISTAN

(ruhig)

Was wohl erwidertest du?

KURWENAL

Das sage sie

der Frau Isold! -

Wer Kornwalls Kron'

und Englands Erb'

an Irlands Maid vermacht,

der kann der Magd

nicht eigen sein,

die selbst dem Ohm er schenkt.

Ein Herr der Welt

Tristan der Held!

Ich ruf's: du sag's, und grollten

mir tausend Frau Isolden!

(Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:)

KURWENAL

«Herr Morold zog

zu Meere her,

in Kornwall Zins zu haben;

ein Eiland schwimmt

auf ödem Meer,

da liegt er nun begraben!

Sein Haupt doch hängt

im Irenland,

als Zins gezahlt

von Engeland:

hei! unser Held Tristan,

wie der Zins zahlen kann!»

(Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den Schiffsraum hinabgestiegen)

Brangäne, in Bestürzung zu Isolde zurückgekehrt, schließt hinter sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft außen sich hören läßt.)

ALLE MÄNNER

«Sein Haupt doch hängt

im Irenland,

als Zins gezahlt

von Engeland:

wie der Zins zahlen kann!

hei! unser Held Tristan,

wie der Zins zahlen kann!»

Dritte Szene

Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. Isolde erhebt sich mit verzweiflungsvoller Wutgebärde.

BRANGÄNE

(ihr zu Füßen stürzend)

Weh, ach wehe!

dies zu dulden!

ISOLDE

(Dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend.)

Doch nun von Tristan!

Genau will ich's vernehmen.

BRANGÄNE

Ach, frage nicht!

ISOLDE

Frei sag's ohne Furcht!

BRANGÄNE

Mit höf'schen Worten

wich er aus.

ISOLDE

Doch als du deutlich mahntest?

BRANGÄNE

Da ich zur Stell'

ihn zu dir rief:

wo er auch steh -

so sagte er,

getreulich dien' er ihr,

der Frauen höchster Ehr';

ließ' er das Steuer

jetzt zur Stund,

wie lenkt' er sicher den Kiel

zu König Markes Land?

ISOLDE

(schmerzlich bitter)

«Wie lenkt'er sicher den Kiel

zu König Markes Land» -

(Grell und heftig.)

Den Zins ihm auszuzahlen,

den er aus Irland zog!

BRANGÄNE

Auf deine eig'nen Worte,

als ich ihm die entbot,

ließ seinen Diener Kurwenal. -

ISOLDE

Den hab ich wohl vernommen,

kein Wort das mir entging.

Erfuhrest du meine Schmach,

nun höre, was sie mir schuf. -

Wie lachend sie

mir Lieder singen,

wohl könnt' auch ich erwidern: -

Von einem Kahn,

der klein und arm

an Irlands Küsten schwamm,

darinnen krank

ein siecher Mann

elend im Sterben lag.

Isoldes Kunst

ward ihm bekannt;

mit Heil-Salben

und Balsam-Saft

der Wunde, die ihn plagte,

getreulich pflag sie da.

Der «Tantris»

mit sorgender List sich nannte,

als Tristan

Isold' ihn bald erkannte,

da in des Müß'gen Schwerte

eine Scharte sie gewahrte,

darin genau

sich fügt ein Splitter,

den einst im Haupt

des Iren-Ritter,

zum Hohn ihr heimgesandt,

mit kund'ger Hand sie fand. -

Da schrie's mir auf

aus tiefstem Grund!

Mit dem hellen Schwert

ich vor ihm stund,

an ihm dem Über-Frechen

Herrn Morolds Tod zu rächen.

Von seinem Lager

blickt' er her, -

nicht auf das Schwert,

nicht auf die Hand, -

er sah mir in die Augen.

Seines Elendes

jammerte mich;

das Schwert - ich ließ es fallen!

Die Morold schlug, die Wunde,

sie heilt' ich, daß er gesunde,

und heim nach Hause kehre, -

mit dem Blick mich nicht mehr beschwere!

BRANGÄNE

O Wunder! Wo hatt ich die Augen?

Der Gast, den einst

ich pflegen half? -

ISOLDE

Sein Lob hörtest du eben: -

«Hei! unser Held Tristan!» -

der war jener traur'ge Mann! -

Er schwur mit tausend Eiden

mir ew'gen Dank und Treue!

Nun hör wie ein Held

Eide hält! -

Den als Tantris

unerkannt ich entlassen,

als Tristan

kehrt er kühn zurück;

auf stolzem Schiff,

von hohem Bord,

Irlands Erbin

begehrt er zur Eh'

für Kornwalls müden König,

für Marke, seinen Ohm. -

Da Morold lebte,

wer hätt es gewagt

uns je solche Schmach zu bieten?

Für der zinspflicht'gen

Kornen Fürsten

um Irlands Krone zu werben!

Ach, wehe mir!

Ich ja war's,

die heimlich selbst

die Schmach sich schuf!

Das rächende Schwert,

statt es zu schwingen,

machtlos ließ ich's fallen! -

Nun dien ich dem Vasallen!

BRANGÄNE

Da Friede, Sühn und Freundschaft

von Allen ward beschworen

wir freuten uns all des Tags;

wie ahnte mir da,

daß dir es Kummer schüf'?

ISOLDE

O blinde Augen!

Blöde Herzen!

Zahmer Mut,

verzagtes Schweigen!

Wie anders prahlte

Tristan aus,

was ich verschlossen hielt!

Die schweigend ihm

das Leben gab,

vor Feindes Rache

ihn schweigend barg;

was stumm ihr Schutz

zum Heil ihm schuf, -

mit ihr - gab er es preis!

Wie Sieg-prangend

heil und hehr,

laut und hell

wies er auf mich.

«Das wär' ein Schatz,

mein Herr und Ohm;

wie dünkt euch die zur Eh'?

Die schmucke Irin

hol ich her;

mit Steg und Wegen

wohlbekannt,

ein Wink, ich flieg

nach Irenland;

Isolde, die ist euer:

mir lacht das Abenteuer!» -

ISOLDE

Fluch dir Verruchter!

Fluch deinem Haupt!

Rache! Tod!

Tod uns Beiden!

BRANGÄNE

(mit ungestümer Zärtlichkeit sich auf Isolde stürzend)

O Süße! Traute!

Teure! Holde!

Gold'ne Herrin!

Lieb' Isolde!

(Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett.)

Hör mich! Komme!

Setz dich her! -

Welcher Wahn!

Welch eitles Zürnen!

Wie magst du dich betören,

nicht hell zu seh'n noch hören?

Was je Herr Tristan

dir verdankte,

sag, konnt er's höher lohnen,

als mit der herrlichsten der Kronen?

So dient' er treu

dem edlen Ohm;

dir gab er der Welt

begehrlichsten Lohn:

dem eig'nen Erbe,

ächt und edel,

entsagt er zu deinen Füßen,

als Königin dich zu grüßen!

(Da Isolde sich abwendet, fährt sie immer traulicher fort.)

Und warb er Marke

dir zum Gemahl,

wie wolltest du die Wahl doch schelten,

muß er nicht wert dir gelten?

Von edler Art

und mildem Mut,

wer gliche dem Mann

an Macht und Glanz?

Dem ein hehrster Held

so treulich dient,

wer möchte sein Glück nicht teilen,

als Gattin bei ihm weilen?

ISOLDE

(starr vor sich hinblickend)

Ungeminnt

den hehrsten Mann

stets mir nah zu sehen! -

wie könnt' ich die Qual bestehen?

BRANGÄNE

Was meinst du, Arge?

Ungeminnt? -

(Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolden.)

Wo lebte der Mann,

der dich nicht liebte?

Der Isolden säh,

und in Isolden

selig nicht ganz verging?

Doch, der dir erkoren,

wär er so kalt,

zög ihn von dir

ein Zauber ab:

den bösen wüßt ich

bald zu binden,

ihn bannte der Minne Macht.

(Mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz nah zu Isolden.)

Kennst du der Mutter

Künste nicht?

Wähnst du, die Alles

klug erwägt,

ohne Rat in fremdes Land

hätt sie mit dir mich entsandt?

ISOLDE

(düster)

Der Mutter Rat

gemahnt mich recht;

willkommen preis ich

ihre Kunst: -

Rache für den Verrat, -

Ruh in der Not dem Herzen! -

Den Schrein dort bring mir her!

BRANGÄNE

Er birgt, was Heil dir frommt.

(Sie holt eine kleine gold'ne Truhe herbei, öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt.)

So reihte sie die Mutter,

die mächt'gen Zaubertränke.

Für Weh und Wunden

Balsam hier;

für böse Gifte

Gegen-Gift. -

(Sie zieht ein Fläschchen hervor.)

Den hehrsten Trank,

ich halt ihn hier.

ISOLDE

Du irrst, ich kenn ihn besser;

ein starkes Zeichen

schnitt ich ihm ein.

(Sie ergreift ein Fläschchen und zeigt es.)

Der Trank ist's, der mir taugt.

BRANGÄNE

(entsetzt zurückweichend)

Der Todestrank!

(Isolde hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt jetzt mit wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffsvolkes.)

Zusammen

SCHIFFSVOLK

(außen)

- Ho! he! ha! he!

Ho! he! ha! he!

- Am Untermast

die Segel ein!

ISOLDE

Das deutet schnelle Fahrt!

ISOLDE

Weh mir! Nahe das Land!

Vierte Szene

Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal herein.

KURWENAL

Auf! Auf! Ihr Frauen!

Frisch und froh!

Rasch gerüstet!

Fertig nun, hurtig und flink!

(Gemessener.)

Und Frau Isolden

sollt ich sagen

von Held Tristan,

meinem Herrn: -

Vom Mast der Freude Flagge,

sie wehe lustig ins Land;

in Markes Königschlosse

mach' sie ihr Nah'n bekannt.

Drum Frau Isolde

bät' er eilen,

fürs Land sich zu bereiten,

daß er sie könnt geleiten.

ISOLDE

(nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer zusammengefahren, gefaßt und mit Würde)

Herrn Tristan bringe

meinen Gruß,

und meld ihm, was ich sage. -

Sollt ich zur Seit ihm gehen,

vor König Marke zu stehen,

nicht möcht es nach Zucht

und Fug geschehn,

empfing ich Sühne

nicht zuvor

für ungesühnte Schuld: -

drum such er meine Huld.

(Kurwenal macht eine trotzige Gebärde.

Isolde fährt mit Steigerung fort.)

Du merke wohl,

und meld es gut! -

Nicht wollt ich mich bereiten,

ans Land ihn zu begleiten;

(Sich mäßigend.)

nicht werd ich zur Seit ihm gehen,

vor König Marke zu stehen;

begehrte Vergessen

und Vergeben

nach Zucht und Fug

er nicht zuvor

für ungebüßte Schuld: -

die böt ihm meine Huld.

KURWENAL

Sicher wißt,

das sag ich ihm;

nun harrt, wie er mich hört!

(Er geht schnell zurück.)

ISOLDE

(eilt auf Brangäne zu und umarmt sie heftig.)

Nun leb wohl, Brangäne!

Grüß mir die Welt,

grüße mir Vater und Mutter!

BRANGÄNE

Was ist? Was sinnst du?

Wolltest du fliehn?

Wohin soll ich dir folgen?

ISOLDE

(schnell gefaßt)

Hörtest du nicht?

Hier bleib ich,

Tristan will ich erwarten.

Getreu befolg,

was ich befehl':

den Sühne-Trank

rüste schnell, -

du weißt, den ich dich wies?

BRANGÄNE

Und welchen Trank?

ISOLDE

(entnimmt dem Schrein das Fläschchen)

Diesen Trank!

In die gold'ne Schale

gieß ihn aus;

gefüllt faßt sie ihn ganz.

BRANGÄNE

(voll Grausen das Fläschchen empfangend)

Trau ich dem Sinn?

ISOLDE

Sei du mir treu!

BRANGÄNE

Der Trank - für wen?

ISOLDE

Wer mich betrog.

BRANGÄNE

Tristan?

ISOLDE

Trinke mir Sühne!

BRANGÄNE

(zu Isoldes Füßen stürzend)

Entsetzen! Schone mich Arme!

ISOLDE

(sehr heftig)

Schone du mich,

untreue Magd! -

Kennst du der Mutter

Künste nicht?

Wähnst du, die Alles

klug erwägt,

ohne Rat in fremdes Land

hätt sie mit dir mich entsandt?

Für Weh und Wunden

gab sie Balsam,

für böse Gifte

Gegengift:

für tiefstes Weh,

für höchstes Leid -

gab sie den Todes-Trank.

Der Tod nun sag' ihr Dank!

BRANGÄNE

(kaum ihrer mächtig)

O tiefstes Weh!

ISOLDE

Gehorchst du mir nun?

BRANGÄNE

O höchstes Leid!

ISOLDE

Bist du mir treu?

BRANGÄNE

Der Trank?

KURWENAL

(eintretend)

Herr Tristan!

(Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt.)

ISOLDE

(sucht mit furchtbarer Anstrengung sich zu fassen)

Herr Tristan trete nah.

(Kurwenal geht wieder zurück.)

Fünfte Szene

Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund. Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich stützend, sie den Blick fest dem Eingange zuwendet.

Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingang stehen.

(Isolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick versunken. - Langes Schweigen.)

TRISTAN

Begehrt, Herrin,

was Ihr wünscht.

ISOLDE

Wüßtest du nicht,

was ich begehre,

da doch die Furcht,

mir's zu erfüllen,

fern meinem Blick dich hielt?

TRISTAN

Ehr-Furcht

hielt mich in Acht.

ISOLDE

Der Ehre wenig

botest du mir;

mit offnem Hohn

verwehrtest du

Gehorsam meinem Gebot.

TRISTAN

Gehorsam einzig

hielt mich in Bann.

ISOLDE

So dankt ich Geringes

deinem Herrn,

riet dir sein Dienst

Un-Sitte

gegen sein eigen Gemahl?

TRISTAN

Sitte lehrt,

wo ich gelebt:

zur Brautfahrt

der Brautwerber

meide fern die Braut.

ISOLDE

Aus welcher Sorg?

TRISTAN

Fragt die Sitte!

ISOLDE

Da du so sittsam,

mein Herr Tristan,

auch einer Sitte

sei nun gemahnt:

den Feind dir zu sühnen,

soll er als Freund dich rühmen.

TRISTAN

Und welchen Feind?

ISOLDE

Frag deine Furcht!

Blut-Schuld

schwebt zwischen uns.

TRISTAN

Die ward gesühnt.

ISOLDE

Nicht zwischen uns!

TRISTAN

Im offnen Feld

von allem Volk

ward Ur-Fehde geschworen.

ISOLDE

Nicht da war's,

wo ich Tantris barg,

wo Tristan mir verfiel.

Da stand er herrlich,

hehr und heil;

doch was er schwur,

das schwor ich nicht: -

zu schweigen hatt' ich gelernt.

Da in stiller Kammer

krank er lag,

mit dem Schwerte stumm

ich vor ihm stund:

schwieg da mein Mund,

bannt ich meine Hand,

doch was einst mit Hand

und Mund ich gelobt,

das schwur ich schweigend zu halten.

Nun will ich des Eides walten.

TRISTAN

Was schwurt Ihr, Frau?

ISOLDE

Rache für Morold!

TRISTAN

Müht Euch die?

ISOLDE

Wagst du zu höhnen?

Angelobt war er mir,

der hehre Irenheld;

seine Waffen hatt ich geweiht;

für mich zog er zum Streit.

Da er gefallen,

fiel meine Ehr;

in des Herzens Schwere

schwur ich den Eid,

würd ein Mann den Mord nicht sühnen,

wollt ich Magd mich dess' erkühnen. -

Siech und matt

in meiner Macht,

warum ich dich da nicht schlug?

Das sag dir selbst mit leichtem Fug.

Ich pflag des Wunden,

daß den Heilgesunden

rächend schlüge der Mann,

der Isolden ihm abgewann. -

Dein Los nun selber

magst du dir sagen!

Da die Männer sich all ihm vertragen,

wer muß nun Tristan schlagen?

TRISTAN

(bleich und düster)

War Morold dir so wert,

nun wieder nimm das Schwert,

und führ es sicher und fest,

(Er reicht ihr sein Schwert dar.)

daß du nicht dir's entfallen läßt!

ISOLDE

Wie sorgt' ich schlecht

um deinen Herren;

was würde König

Marke sagen,

erschlüg ich ihm

den besten Knecht,

der Kron und Land ihm gewann,

den allertreusten Mann?

Dünkt dich so wenig,

was er dir dankt,

bringst du die Irin

ihm als Braut,

daß er nicht schölte,

schlüg ich den Werber,

der Urfehde-Pfand

so treu ihm liefert zur Hand? -

Wahre dein Schwert!

Da einst ich's schwang,

als mir die Rache

im Busen rang: -

als dein messender Blick

mein Bild sich stahl,

ob ich Herrn Marke

taug als Gemahl: -

das Schwert - da ließ ich's sinken.

Nun laß uns Sühne trinken!

(Sie winkt Brangänen. Diese schaudert zusammen, schwankt und zögert in ihrer Bewegung.

Isolde treibt sie mit gesteigerter Gebärde an.

Als Brangäne zur Bereitung des Trankes sich anläßt, vernimmt man den Ruf:)

STIMMEN DES SCHIFFSVOLKES

(außen)

- Ho - he - ha - he!

Ho - ha - ha - he!

- Am Obermast

die Segel ein!

TRISTAN

(aus düstrem Brüten auffahrend)

Wo sind wir?

ISOLDE

Hart am Ziel!

Tristan, gewinn ich Sühne?

Was hast du mir zu sagen?

TRISTAN

(finster)

Des Schweigens Herrin

heißt mich schweigen:

faß ich, was sie verschwieg,

verschweig ich, was sie nicht faßt.

Zusammen

ISOLDE

Dein Schweigen faß ich,

weichst du mir aus.

Weigerst du die Sühne mir?

SCHIFFSVOLK

(außen)

Ho - he - ha - he!

(Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht Brangäne ihr die gefüllte Trinkschale.)

ISOLDE

(mit dem Becher zu Tristan tretend, der ihr starr in die Augen blickt)

Du hörst den Ruf?

Wir sind am Ziel: -

in kurzer Frist

(Sehr ernst.)

stehn wir -

(Mit leisem Hohne.)

vor König Marke.

Geleitest du mich,

dünkt dich's nicht lieb,

darfst du so ihm sagen?

«Mein Herr und Ohm,

sieh die dir an!

Ein sanftres Weib

gewännst du nie.

Ihren Angelobten

erschlug ich ihr einst,

sein Haupt sandt ich ihr heim;

die Wunde, die

seine Wehr mir schuf,

die hat sie hold geheilt;

mein Leben lag

in ihrer Macht,

das schenkte mir

die milde Magd,

und ihres Landes

Schand und Schmach,

die gab sie mir darein, -

dein Ehgemahl zu sein.

So guter Gaben

holden Dank

schuf mir ein süßer

Sühnetrank;

den bot mir ihre Huld,

zu sühnen alle Schuld.»

SCHIFFSVOLK

(außen)

Auf das Tau!

Anker los!

TRISTAN

(wild auffahrend)

Los den Anker!

Das Steuer dem Strom!

Den Winden Segel und Mast! -

(Er entreißt Isolden ungestüm die Trinkschale.)

Wohl kenn ich Irlands

Königin

und ihrer Künste

Wunderkraft.

Den Balsam nützt ich,

den sie bot:

den Becher nehm ich nun,

daß ganz ich heut genese!

Und achte auch

des Sühne-Eids,

den ich zum Dank dir sage, -

Tristans Ehre -

höchste Treu'!

Tristans Elend -

kühnster Trotz!

Trug des Herzens!

Traum der Ahnung!

Ew'ger Trauer

einz'ger Trost,

Vergessens güt'ger Trank!

Dich trink ich sonder Wank!

(Er setzt an und trinkt.)

ISOLDE

Betrug auch hier?

Mein die Hälfte!

(Sie entwindet ihm den Becher.)

Verräter! Ich trink sie dir!

Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. - Beide, von Schauer erfaßt, blicken sich mit höchster Aufregung, doch mit starrer Haltung unverwandt in die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz bald der Liebesglut weicht. - Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhaft an das Herz - und führen die Hand wieder an die Stirn. - Dann suchen sie sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander.

ISOLDE

(mit bebender Stimme)

Tristan!

TRISTAN

(überströmend)

Isolde!

ISOLDE

(an seine Brust sinkend)

Treuloser Holder!

TRISTAN

(er umfaßt sie mit Glut)

Seligste Frau!

(Sie verbleiben in stummer Umarmung.

Aus der Ferne vernimmt man Trompeten.)

RUF DER MÄNNER

(von außen auf dem Schiffe)

Heil! König Marke Heil!

BRANGÄNE

(Die mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung versunkenen Paares zu und stürzt händeringend voll Verzweiflung in den Vordergrund.)

Wehe! Weh!

Unabwendbar

ew'ge Not

für kurzen Tod!

Tör'ger Treue

trugvolles Werk

blüht nun jammernd empor!

(Beide fahren verwirrt aus der Umarmung auf.)

TRISTAN

Was träumte mir

von Tristans Ehre?

ISOLDE

Was träumte mir

von Isoldes Schmach?

TRISTAN

Du mir verloren?

ISOLDE

Du mich verstoßen?

Zusammen

TRISTAN

Trügenden Zaubers

tückische List!

Isolde!

Süßeste Maid!

ISOLDE

Törigen Zürnens

eitles Dräu'n!

Tristan!

Trautester Mann!

TRISTAN UND ISOLDE

Wie sich die Herzen

wogend erheben,

wie alle Sinne

wonnig erbeben!

Sehnender Minne

schwellendes Blühen,

schmachtender Liebe

seliges Glühen!

Jach in der Brust

jauchzende Lust!

Isolde! Tristan!

Tristan! Isolde!

Welten-entronnen

du mir gewonnen!

Du mir einzig bewußt,

höchste Liebes-Lust!

Die Vorhänge werden weit auseinander gerissen. Das ganze Schiff ist von Rittern und Schiffsleuten erfüllt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt.

Tristan und Isolde bleiben, in ihren gegenseitigen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie Vorgehenden.

BRANGÄNE

(zu den Frauen, die auf ihren Wink aus dem Schiffsraum heraufsteigen)

Schnell, den Mantel,

den Königsschmuck!

(Zwischen Tristan und Isolde stürzend.)

Unsel'ge! Auf!

Hört, wo wir sind!

(Sie legt Isolden, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an.

Trompeten und Posaunen, vom Lande her, immer deutlicher.)

ALLE MÄNNER

(auf dem Schiff)

Heil! Heil! Heil!

König Marke Heil!

Heil dem König!

KURWENAL

(lebhaft herantretend)

Heil Tristan!

Glücklicher Held!

ALLE MÄNNER

(auf dem Schiff)

Heil König Marke!

KURWENAL

Mit reichem Hofgesinde

dort auf Nachen

naht Herr Marke.

Hei! wie die Fahrt ihn freut,

daß er die Braut sich freit!

TRISTAN

(in Verwirrung aufblickend)

Wer naht?

KURWENAL

Der König!

TRISTAN

Welcher König?

(Kurwenal deutet über Bord.)

ALLE MÄNNER

(die Hüte schwenkend)

Heil! König Marke

Heil!

(Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande.)

ISOLDE

(in Verwirrung)

Was ist, Brangäne?

Welcher Ruf?

BRANGÄNE

Isolde! Herrin!

Fassung nur heut!

ISOLDE

Wo bin ich? Leb ich?

Ha! welcher Trank?

BRANGÄNE

(verzweiflungsvoll)

Der Liebestrank!

(Isolde starrt entsetzt auf Tristan.)

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN

Isolde!

ISOLDE

Muß ich leben?

(Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust.)

BRANGÄNE

(zu den Frauen)

Helft der Herrin!

TRISTAN

O Wonne voller Tücke!

O Trug-geweihtes Glücke!

(Ausbruch allgemeinen Jauchzens.)

ALLE MÄNNER

Kornwall Heil!

(Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Brücke ausgelegt, und die Haltung Aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten.)

Zweiter Aufzug

Einleitung.

Erste Szene

Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen.
Helle, anmutige Sommernacht.
An der geöffneten Türe ist eine brennende Fackel aufgesteckt.
Jagdgetön.
Brangäne, auf den Stufen am Gemach, späht dem immer entfernter vernehmbaren Jagdtrosse nach. - Brangäne blickt ängstlich in das Gemach zurück, darin sie Isolde nahen sieht.
Isolde tritt feurig bewegt aus dem Gemach zu Brangäne.

ISOLDE

Hörst du sie noch?

Mir schwand schon fern der Klang.

BRANGÄNE

(lauschend)

Noch sind sie nah:

deutlich tönt's da her.

ISOLDE

(lauschend)

Sorgende Furcht

beirrt dein Ohr.

Dich täuscht des Laubes

säuselnd Getön,

das lachend schüttelt der Wind.

BRANGÄNE

Dich täuscht des Wunsches

Ungestüm,

zu vernehmen, was du wähnst.

(Sie lauscht.)

Ich höre der Hörner Schall.

ISOLDE

(wieder lauschend)

Nicht Hörnerschall

tönt so hold,

des Quelles sanft

rieselnde Welle

rauscht so wonnig daher.

Wie hört' ich sie,

tosten noch Hörner?

In schweigender Nacht

nur lacht mir der Quell:

der meiner harrt

in schweigender Nacht,

als ob Hörner noch nah dir schallten,

willst du ihn fern mir halten?

BRANGÄNE

Der deiner harrt -

o hör mein Flehen! -

des harren Späher zur Nacht.

Weil du erblindet,

wähnst du den Blick

der Welt erblödet für euch? -

Als dort an Schiffes Bord,

von Tristans bebender Hand,

die bleiche Braut,

kaum ihrer mächtig,

König Marke empfing, -

als Alles verwirrt

auf die Wankende sah,

der güt'ge König,

mild besorgt,

die Mühen der langen Fahrt,

die du littest, laut beklagt':

ein Einz'ger war's, -

ich achtet' es wohl, -

der nur Tristan faßt' ins Auge.

Mit böslicher List

lauerndem Blick

sucht' er in seiner Miene

zu finden, was ihm diene.

Tückisch lauschend

treff ich ihn oft:

der heimlich euch umgarnt,

vor Melot seid gewarnt.

ISOLDE

Meinst du Herrn Melot?

O, wie du dich trügst!

Ist er nicht Tristans

treuester Freund?

Muß mein Trauter mich meiden,

dann weilt er bei Melot allein.

BRANGÄNE

Was mir ihn verdächtig,

macht dir ihn teuer!

Von Tristan zu Marke

ist Melots Weg;

dort sät er üble Saat.

die heut im Rat

dies nächtliche Jagen

so eilig schnell beschlossen,

einem edlern Wild,

als dein Wähnen meint,

gilt ihre Jägerslist.

ISOLDE

Dem Freund zu Lieb

erfand diese List

aus Mit-Leid

Melot, der Freund.

Nun willst du den Treuen schelten?

Besser als du

sorgt er für mich;

ihm öffnet er,

was mir du sperrst.

O spare mir des Zögerns Not!

Das Zeichen, Brangäne!

O gib das Zeichen!

Lösche des Lichtes

letzten Schein!

Daß ganz sie sich neige,

winke der Nacht.

Schon goß sie ihr Schweigen

durch Hain und Haus,

schon füllt sie das Herz

mit wonnigem Graus:

O lösche das Licht nun aus,

lösche den scheuchenden Schein!

Laß meinen Liebsten ein!

BRANGÄNE

O laß die warnende Zünde,

laß die Gefahr sie dir zeigen! -

O wehe! Wehe!

Ach mir Armen!

Des unseligen Trankes!

Daß ich untreu

einmal nur

der Herrin Willen trog!

Gehorcht' ich taub und blind,

dein - Werk

war dann der Tod.

Doch, deine Schmach,

deine schmählichste Not, -

mein - Werk

muß ich Schuld'ge es wissen!

ISOLDE

Dein - Werk?

O tör'ge Magd!

Frau Minne kenntest du nicht?

Nicht ihres Zaubers Macht?

Des kühnsten Mutes

Königin?

Des Weltenwerdens

Walterin?

Leben und Tod

sind untertan ihr,

die sie webt aus Lust und Leid,

in Liebe wandelnd den Neid.

Des Todes Werk,

nahm ich's vermessen zur Hand, -

Frau Minne hat es

meiner Macht entwandt.

Die Todgeweihte

nahm sie in Pfand,

faßte das Werk

in ihre Hand.

Wie sie es wendet,

wie sie es endet,

was sie mir küre,

wohin mich führe,

ihr ward ich zu eigen: -

Nun laß mich Gehorsam zeigen.

BRANGÄNE

Und mußte der Minne

tückischer Trank

des Sinnes Licht dir verlöschen;

darfst du nicht sehen

wenn ich dich warne:

nur heute hör,

o hör mein Flehen!

Der Gefahr leuchtendes Licht, -

nur heute, heut, -

die Fackel dort lösche nicht!

ISOLDE

Die im Busen mir

die Glut entfacht,

die mir das Herze

brennen macht,

die mir als Tag

der Seele lacht, -

Frau Minne will:

es werde Nacht,

daß hell sie dorten leuchte,

(Während sie auf die Fackel zueilt.)

wo sie dein Licht verscheuchte.

(Sie nimmt die Fackel von der Tür.)

ISOLDE

Zur Warte du:

dort wache treu!

Die Leuchte, -

und wär's meines Lebens Licht, -

lachend

sie zu löschen zag ich nicht!

(Sie wirft die Fackel zur Erde, wo sie allmählich verlischt.)

(Brangäne wendet sich bestürzt ab, um auf einer äußeren Treppe die Zinne zu ersteigen, wo sie langsam verschwindet.

Isolde lauscht und späht, zunächst schüchtern, in einen Baumgang. Von wachsendem Verlangen bewegt, schreitet sie dem Baumgang näher und späht zuversichtlicher. Sie winkt mit dem Tuche, erst seltener, dann häufiger, und endlich, in leidenschaftlicher Ungeduld, immer schneller. Eine Gebärde des plötzlichen Entzückens sagt, daß sie den Freund in der Ferne gewahr geworden. Sie streckt sich höher und, um besser den Raum zu übersehen, eilt sie zur Treppe zurück, von deren oberster Stufe aus sie dem Herannahenden zuwinkt.)

Zweite Szene

Jetzt springt sie ihm entgegen.

TRISTAN

(stürzt herein)

Isolde!

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN UND ISOLDE

Geliebter!

(Stürmische Umarmungen Beider, unter denen sie in den Vordergrund gelangen.)

ISOLDE

Bist du mein?

TRISTAN

Hab ich dich wieder?

ISOLDE

Darf ich dich fassen?

TRISTAN

Kann ich mir trauen?

ISOLDE

Endlich! Endlich!

TRISTAN

An meiner Brust!

ISOLDE

Fühl ich dich wirklich?

TRISTAN

Seh ich dich selber?

ISOLDE

Dies deine Augen?

TRISTAN

Dies dein Mund?

ISOLDE

Hier deine Hand?

TRISTAN

Hier dein Herz?

Zusammen

ISOLDE

Bin ich's? Bist du's?

Halt ich dich fest?

Ist es kein Traum?

TRISTAN

Bin ich's? Bist du's?

Ist es kein Trug?

Ist es kein Traum?

TRISTAN UND ISOLDE

O Wonne der Seele,

o süße, hehrste,

kühnste, schönste,

seligste Lust!

TRISTAN

Ohne Gleiche!

ISOLDE

Überreiche!

TRISTAN

Überselig!

ISOLDE

Ewig!

TRISTAN

Ewig!

Zusammen

ISOLDE

Ungeahnte,

nie gekannte!

Freude-Jauchzen!

Himmel-höchstes

Welt-Entrücken!

Mein!

Tristan mein!

Mein und dein!

Ewig!

Tristan mein,

Isolde ewig dein!

TRISTAN

Überschwenglich

hoch erhab'ne!

Lust-Entzücken!

Himmel-höchstes

Welt-Entrücken!

Mein!

Isolde mein!

Mein und dein!

Ewig!

Isolde mein!

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN

Isolde!

ISOLDE

Tristan!

TRISTAN

Isolde!

ISOLDE UND TRISTAN

Ewig, ewig ein!

ISOLDE

Wie lange fern!

Wie fern so lang!

TRISTAN

Wie weit, so nah!

So nah, wie weit!

ISOLDE

O Freundesfeindin,

böse Ferne!

Träger Zeiten

zögernde Länge!

TRISTAN

O Weit und Nähe!

Hart entzweite!

Holde Nähe!

Öde Weite!

ISOLDE

Im Dunkel du,

im Lichte ich!

TRISTAN

Das Licht! Das Licht!

Oh, dieses Licht,

wie lang verlosch es nicht!

Die Sonne sank,

der Tag verging,

doch seinen Neid

erstickt er nicht:

sein scheuchend Zeichen

zündet er an,

und steckt's an der Liebsten Türe,

daß nicht ich zu ihr führe.

ISOLDE

Doch der Liebsten Hand

löschte das Licht;

wes die Magd sich wehrte,

scheut ich mich nicht:

in Frau Minnes Macht und Schutz

bot ich dem Tage Trutz!

TRISTAN

Dem Tage! Dem Tage!

Dem tückischen Tage,

dem härtesten Feinde

Haß und Klage!

Wie du das Licht,

o könnt ich die Leuchte,

der Liebe Leiden zu rächen,

dem frechen Tage verlöschen!

Gibt's eine Not,

gibt's eine Pein,

die er nicht weckt

mit seinem Schein?

Selbst in der Nacht

dämmernder Pracht

hegt' ihn Liebchen am Haus,

streckt mir drohend ihn aus!

ISOLDE

Hegt' ihn die Liebste

am eig'nen Haus,

im eig'nen Herzen

hell und kraus

hegt ihn trotzig

einst mein Trauter:

Tristan, - der mich verriet!

War's nicht der Tag,

der aus ihm log,

als er nach Irland

werbend zog,

für Marke mich zu frein,

dem Tod die Treue zu weihn?

TRISTAN

Der Tag! Der Tag,

der dich umgliß,

dahin, wo sie

der Sonne glich,

in höchster Ehren

Glanz und Licht

Isolden mir entrückt!

Was mir das Auge

so entzückt',

das Herze tief

zur Erde drückt':

in lichten Tages Schein

wie war Isolde mein?

ISOLDE

War sie nicht dein,

die dich erkor?

Was log der böse

Tag dir vor,

daß, die für dich beschieden,

die Traute du verrietest?

TRISTAN

Was dich umgliß

mit hehrster Pracht,

der Ehre Glanz,

des Ruhmes Macht,

an sie mein Herz zu hangen

hielt mich der Wahn gefangen.

Die mit des Schimmers

hellstem Schein

mir Haupt und Scheitel

licht beschien,

der Welten-Ehren

Tages-Sonne,

mit ihrer Strahlen

eitler Wonne,

durch Haupt und Scheitel

drang mir ein,

bis in des Herzens

tiefsten Schrein.

Was dort in keuscher Nacht

dunkel verschlossen wacht,

was ohne Wiss' und Wahn

ich dämmernd dort empfahn:

ein Bild, das meine Augen

zu sehn sich nicht getrauten,

von des Tages Schein betroffen

lag mir's da schimmernd offen.

Was mir so rühmlich

schien und hehr,

das rühmt ich hell

vor allem Heer;

vor allem Volke

pries ich laut

der Erde schönste

Königsbraut.

Dem Neid, den mir

der Tag erweckt';

dem Eifer, den

mein Glücke schreckt';

der Mißgunst, die mir Ehren

und Ruhm begann zu schweren:

denen bot ich Trotz,

und treu beschloß,

um Ehr und Ruhm zu wahren,

nach Irland ich zu fahren.

ISOLDE

O eitler Tagesknecht!

Getäuscht von ihm,

der dich getäuscht,

wie mußt' ich liebend

um dich leiden,

den, in des Tages

falschem Prangen,

von seines Gleißens

Trug befangen,

dort, wo ihn Liebe

heiß umfaßte,

im tiefsten Herzen

hell ihn haßte.

Ach, in des Herzens Grunde

wie schmerzte tief die Wunde!

Den dort ich heimlich barg,

wie dünkt' er mich so arg,

wenn in des Tages Scheine

der treu gehegte Eine

der Liebe Blicken schwand,

als Feind nur vor mir stand!

Das als Verräter

dich mir wies,

dem Licht des Tages

wollt ich entfliehn,

dorthin in die Nacht

dich mit mir ziehn,

wo der Täuschung Ende

mein Herz mir verhieß;

wo des Trugs geahnter

Wahn zerrinne;

dort dir zu trinken

ew'ge Minne,

mit mir dich im Verein

wollt ich dem Tode weihn.

TRISTAN

In deiner Hand

den süßen Trank,

als ich ihn erkannt,

den sie mir bot;

als mir die Ahnung

hehr und gewiß

zeigte, was mir

die Sühne verhieß:

da erdämmerte mild

erhab'ner Macht

im Busen mir die Nacht;

mein Tag war da vollbracht.

ISOLDE

Doch ach, dich täuschte

der falsche Trank,

daß dir von neuem

die Nacht versank:

dem einzig am Tode lag,

den gab er wieder dem Tag!

TRISTAN

O Heil dem Tranke!

Heil seinem Saft!

Heil seines Zaubers

hehrer Kraft!

Durch des Todes Tor,

wo er mir floß,

weit und offen

er mir erschloß,

darin ich sonst nur träumend gewacht,

das Wunderreich der Nacht;

von dem Bild in des Herzens

bergendem Schrein

scheucht' er des Tages

täuschenden Schein,

daß nachtsichtig mein Auge

wahr es zu sehen tauge.

ISOLDE

Doch es rächte sich

der verscheuchte Tag;

mit deinen Sünden

Rats er pflag:

was dir gezeigt

die dämmernde Nacht,

an des Tagsgestirnes

Königsmacht

mußtest du's übergeben, -

um einsam

in öder Pracht

schimmernd dort zu leben. -

Wie ertrug ich's nur?

Wie ertrag' ich's noch?

TRISTAN

O nun waren wir

Nacht-geweihte!

Der tückische Tag,

der Neid-bereite,

trennen konnt uns sein Trug,

doch nicht mehr täuschen sein Lug!

Seine eitle Pracht,

seinen prahlenden Schein

verlacht, wem die Nacht

den Blick geweiht.

Seines flackernden Lichtes

flüchtige Blitze

blenden uns nicht mehr.

Wer des Todes Nacht

liebend erschaut,

wem sie ihr tief

Geheimnis vertraut:

des Tages Lügen,

Ruhm und Ehr,

Macht und Gewinn,

so schimmernd hehr,

wie eitler Staub der Sonnen

sind sie vor dem zersponnen!

In des Tages eitlem Wähnen

bleibt ihm ein einzig Sehnen, -

das Sehnen hin

zur heil'gen Nacht,

wo ur-ewig,

einzig wahr,

Liebes-Wonne ihm lacht!

(Tristan zieht Isolde sanft zur Seite auf eine Blumenbank nieder, senkt sich vor ihr auf die Knie und schmiegt sein Haupt in ihren Arm.)

TRISTAN UND ISOLDE

O sink hernieder,

Nacht der Liebe,

gib Vergessen,

daß ich lebe,

nimm mich auf

in deinen Schoß,

löse von

der Welt mich los!

TRISTAN

Verloschen nun

die letzte Leuchte;

ISOLDE

was wir dachten,

was uns deuchte;

TRISTAN

all Gedenken -

ISOLDE

all Gemahnen -

TRISTAN UND ISOLDE

heil'ger Dämm'rung

hehres Ahnen

löscht des Wähnens Graus

welt-erlösend aus.

ISOLDE

Barg im Busen

uns sich die Sonne,

leuchten lachend

Sterne der Wonne.

TRISTAN

Von deinem Zauber

sanft umsponnen,

vor deinen Augen

süß zerronnen;

ISOLDE

Herz an Herz dir,

Mund an Mund;

TRISTAN

eines Atems

ein'ger Bund;

TRISTAN UND ISOLDE

bricht mein Blick sich

Wonn-erblindet,

erbleicht die Welt

mit ihrem Blenden:

ISOLDE

die uns der Tag

trügend erhellt,

TRISTAN

zu täuschendem Wahn

entgegen gestellt,

TRISTAN UND ISOLDE

selbst dann

bin ich die Welt:

wonnehehrstes Weben,

Liebe-heiligstes Leben,

Nie-wieder-Erwachens

wahnlos

hold bewußter Wunsch.

(Tristan und Isolde versinken wie in gänzlicher Entrücktheit, in der sie, Haupt an Haupt auf die Blumenbank zurückgelehnt, verweilen.)

BRANGÄNE

(von der Zinne her unsichtbar)

Einsam wachend

in der Nacht,

wem der Traum

der Liebe lacht,

hab der Einen

Ruf in Acht,

die den Schläfern

Schlimmes ahnt,

bange zum

Erwachen mahnt.

Habet Acht!

Habet Acht!

Bald entweicht die Nacht!

ISOLDE

Lausch, Geliebter!

TRISTAN

Laß mich sterben!

ISOLDE

(allmählich sich ein wenig erhebend)

Neid'sche Wache!

TRISTAN

(zurückgelehnt bleibend)

Nie erwachen!

ISOLDE

Doch der Tag

muß Tristan wecken?

TRISTAN

(ein wenig das Haupt erhebend)

Laß den Tag

dem Tode weichen!

ISOLDE

Tag und Tod,

mit gleichen Streichen,

sollten unsre

Lieb' erreichen?

TRISTAN

(sich mehr aufrichtend)

Unsre Liebe?

Tristans Liebe?

Dein und mein,

Isoldes Liebe?

Welches Todes Streichen

könnte je sie weichen?

Stünd er vor mir,

der mächt'ge Tod,

wie er mir Leib

und Leben bedroht, -

die ich so willig

der Liebe lasse,

wie wäre seinen Streichen

die Liebe selbst zu erreichen?

(Immer inniger mit dem Haupt sich an Isolde schmiegend.)

Stürb ich nun ihr,

der so gern ich sterbe,

wie könnte die Liebe

mit mir sterben,

die ewig lebende

mit mir enden?

Doch, stürbe nie seine Liebe,

wie stürbe dann Tristan

seiner Liebe?

ISOLDE

Doch - unsre Liebe,

heißt sie nicht Tristan

und - Isolde?

Dies süße Wörtlein: und,

was es bindet,

der Liebe Bund,

wenn Tristan stürb,

zerstört es nicht der Tod?

TRISTAN

Was stürbe dem Tod,

als was uns stört,

was Tristan wehrt,

Isolde immer zu lieben,

ewig ihr nur zu leben?

ISOLDE

Doch, dieses Wörtlein: und,

wär es zerstört,

wie anders als

mit Isoldes eig'nem Leben

wär Tristan der Tod gegeben?

(Tristan zieht, mit bedeutungsvoller Gebärde, Isolde sanft an sich.)

TRISTAN

So starben wir,

um ungetrennt,

ewig einig

ohne End',

ohn Erwachen,

ohn Erbangen,

namenlos

in Lieb' umfangen,

ganz uns selbst gegeben,

der Liebe nur zu leben!

ISOLDE

(wie in sinnender Entrücktheit zu ihm aufblickend)

So stürben wir,

um ungetrennt,

TRISTAN

ewig einig

ohne End,

ISOLDE

ohn Erwachen,

TRISTAN

ohn Erbangen,

ISOLDE

namenlos

TRISTAN UND ISOLDE

in Lieb' umfangen,

ganz uns selbst gegeben,

der Liebe nur zu leben!

(Isolde neigt wie überwältigt das Haupt an seine Brust.)

BRANGÄNE

(wie vorher)

Habet Acht!

Habet Acht!

Schon weicht dem Tag die Nacht!

TRISTAN

(lächelnd zu ihr geneigt)

Soll ich lauschen?

ISOLDE

(schwärmerisch zu ihm aufblickend)

Laß mich sterben!

TRISTAN

(ernster)

Muß ich wachen?

ISOLDE

(bewegter)

Nie erwachen!

TRISTAN

(drängender)

Soll der Tag

noch Tristan wecken?

ISOLDE

(begeistert)

Laß den Tag

dem Tode weichen!

TRISTAN

Des Tages Dräuen

nun trotzten wir so?

ISOLDE

(mit wachsender Begeisterung)

Seinem Trug ewig zu fliehn.

TRISTAN

Sein dämmernder Schein

verscheuchte uns nie?

ISOLDE

(mit großer Gebärde ganz sich erhebend)

Ewig wär uns die Nacht!

TRISTAN UND ISOLDE

O ew'ge Nacht,

süße Nacht!

Hehr erhab'ne

Liebes-Nacht!

ISOLDE

Wen du umfangen,

TRISTAN

Wem du gelacht,

TRISTAN UND ISOLDE

wie - wär ohne Bangen

aus dir er je erwacht?

Nun banne das Bangen,

holder Tod,

sehnend verlangter

Liebestod!

In deinen Armen,

dir geweiht,

urheilig Erbarmen,

von Erwachens Not befreit!

TRISTAN

Wie sie fassen,

wie sie lassen,

diese Wonne,

TRISTAN UND ISOLDE

fern der Sonne,

der Tage

Trennungsklage!

ISOLDE

Ohne Wähnen,

TRISTAN

sanftes Sehnen;

ISOLDE

ohne Bangen,

TRISTAN

süß Verlangen;

ohne Wehen

TRISTAN UND ISOLDE

hehr Vergehen;

ISOLDE

ohne Schmachten

TRISTAN UND ISOLDE

hold Umnachten;

TRISTAN

ohne Meiden,

TRISTAN UND ISOLDE

ohne Scheiden,

traut allein,

ewig heim,

in ungemess'nen Räumen

übersel'ges Träumen.

Zusammen

ISOLDE

Du Isolde,

Tristan ich,

nicht mehr Isolde!

Ohne Nennen,

ohne Trennen,

neu Erkennen,

neu Entbrennen;

endlos ewig

ein-bewußt:

heiß erglühter Brust

höchste Liebes-Lust!

TRISTAN

Du Tristan,

Isolde ich,

nicht mehr Tristan!

Ewig!

Endlos!

endlos ewig

ein-bewußt:

heiß erglühter Brust

höchste Liebes-Lust!

Dritte Szene

Sie verbleiben in verzückter Stellung.
Brangäne stößt einen grellen Schrei aus.

KURWENAL

(stürzt mit entblößtem Schwerte herein)

Rette dich, Tristan!

(Er blickt mit Entsetzen hinter sich in die Szene zurück.)

Marke, Melot und Hofleute in Jägertracht kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Vordergrunde und halten entsetzt der Gruppe der Liebenden gegenüber an.

Brangäne kommt zugleich von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu. Diese, von unwillkürlicher Scham ergriffen, lehnt sich, mit abgewandtem Gesicht, auf die Blumenbank. Tristan, in ebenfalls unwillkürlicher Bewegung, streckt mit dem einen Arme den Mantel breit aus, so daß er Isolde vor den Blicken der Ankommenden verdeckt. In dieser Stellung verbleibt er längere Zeit, unbeweglich den starren Blick auf die Männer gerichtet, die in verschiedener Bewegung die Augen auf ihn heften.

Morgendämmerung.

TRISTAN

Der öde Tag

zum letzten Mal!

MELOT

(zu Marke)

Das sollst du, Herr, mir sagen,

ob ich ihn recht verklagt;

das dir zum Pfand ich gab,

ob ich mein Haupt gewahrt?

Ich zeigt' ihn dir

in off'ner Tat:

Namen und Ehr

hab ich getreu

vor Schande dir bewahrt.

(nach tiefer Erschütterung, mit bebender Stimme)

MARKE

Tatest du's wirklich?

Wähnst du das?

Sieh ihn dort,

den treu'sten aller Treuen;

blick auf ihn,

den freundlichsten der Freunde:

seiner Treue

frei'ste Tat

traf mein Herz

mit schmerzlichstem Verrat!

Trog mich Tristan,

sollt' ich hoffen,

was sein Trügen

mir getroffen,

sei durch Melots Rat

redlich mir bewahrt?

TRISTAN

(krampfhaft heftig)

Tagsgespenster!

Morgenträume! -

täuschend und wüst -!

Entschwebt! Entweicht!

MARKE

(mit tiefer Ergriffenheit)

Mir dies?

Dies, Tristan, mir?

Wohin nun Treue,

da Tristan mich betrog?

Wohin nun Ehr

und echte Art,

da aller Ehren Hort,

da Tristan sie verlor?

Die Tristan sich

zum Schild erkor,

wohin ist Tugend

nun entflohn,

da meinen Freund sie flieht,

da Tristan mich verriet?

(Tristan senkt langsam den Blick zu Boden; in seinen Mienen ist, während Marke fortfährt, zunehmende Trauer zu lesen.)

Wozu die Dienste

ohne Zahl,

der Ehren Ruhm,

der Größe Macht,

die Marken du gewannst;

mußt' Ehr und Ruhm,

Größ' und Macht,

mußte die Dienste

ohne Zahl

dir Markes Schmach bezahlen?

Dünkte zu wenig

dich mein Dank,

daß, was du mir erworben,

Ruhm und Reich,

ich zu Erb' und Eigen dir gab?

Da kinderlos einst

schwand sein Weib,

so liebt' er dich,

daß nie auf's neu

sich Marke wollt vermählen.

Da alles Volk

zu Hof und Land

mit Bitt' und Dräuen

in ihn drang,

die Königin dem Lande

die Gattin sich zu kiesen;

da selber du

den Ohm beschworst,

des Hofes Wunsch,

des Landes Willen

gütlich zu erfüllen;

in Wehr wider Hof und Land,

in Wehr selbst gegen dich,

mit List und Güte

weigerte er sich, -

bis, Tristan, du ihm drohtest,

für immer zu meiden

Hof und Land,

würdest du selber

nicht entsandt,

dem König die Braut zu frei'n.

Da ließ er's denn so sein. -

Dies wundervolle Weib,

das mir dein Mut gewann,

wer durft es sehen,

wer es kennen,

wer mit Stolze

sein es nennen,

ohne selig sich zu preisen?

Der mein Wille

nie zu nahen wagte,

der mein Wunsch

ehrfurchtscheu entsagte,

die so herrlich,

hold erhaben

mir die Seele

mußte laben,

trotz Feind und Gefahr

die fürstliche Braut

brachtest du mir dar.

Nun, da durch solchen

Besitz mein Herz

du fühlsamer schufst

als sonst dem Schmerz,

dort, wo am weichsten,

zart und offen,

würd' ich getroffen,

nie zu hoffen,

daß je ich könnte gesunden:

warum so sehrend,

Unseliger,

dort nun mich verwunden?

Dort mit der Waffe

quälendem Gift,

das Sinn und Hirn

mir sengend versehrt,

das mir dem Freund

die Treue verwehrt,

mein off'nes Herz

erfüllt mit Verdacht,

daß ich nun heimlich

in dunkler Nacht

den Freund lauschend beschleiche, -

meiner Ehren Ende erreiche?

Die kein Himmel erlöst,

warum mir diese Hölle?

Die kein Elend sühnt,

warum mir diese Schmach?

Den unerforschlich tief

geheimnisvollen Grund,

wer macht der Welt ihn kund?

TRISTAN

(mitleidig das Auge zu Marke erhebend)

O König, das

kann ich dir nicht sagen;

und was du frägst,

das kannst du nie erfahren.

(Er wendet sich zu Isolde, die sehnsüchtig zu ihm aufblickt.)

Wohin nun Tristan scheidet,

willst du, Isold', ihm folgen?

Dem Land, das Tristan meint,

der Sonne Licht nicht scheint:

es ist das dunkel

nächt'ge Land,

daraus die Mutter

mich entsandt,

als, den im Tode

sie empfangen,

im Tod sie ließ

an das Licht gelangen.

Was, da sie mich gebar,

ihr Liebesberge war,

das Wunderreich der Nacht,

aus der ich einst erwacht:

das bietet dir Tristan,

dahin geht er voran:

ob sie ihm folge

treu und hold?

Das sag' ihm nun Isold'!

ISOLDE

Als für ein fremdes Land

der Freund sie einstens warb,

dem Unholden

treu und hold

mußt' Isolde folgen.

Nun führst du in dein Eigen,

dein Erbe mir zu zeigen;

wie flöh' ich wohl das Land,

das alle Welt umspannt?

Wo Tristans Haus und Heim,

da kehr Isolde ein;

auf dem sie folge

treu und hold,

den Weg nun zeig Isold'!

(Tristan neigt sich langsam über sie und küßt sie sanft auf die Stirn. Melot fährt wütend auf.)

MELOT

(das Schwert ziehend)

Verräter! ha!

Zur Rache, König!

Duldest du diese Schmach?

(Tristan zieht sein Schwert und wendet sich schnell um.)

TRISTAN

Wer wagt sein Leben an das meine?

(Er heftet den Blick auf Melot.)

Mein Freund war der,

er minnte mich hoch und teuer;

um Ehr und Ruhm

mir war er besorgt wie keiner:

zum Übermut

trieb er mein Herz,

die Schar führt' er,

die mich gedrängt,

Ehr und Ruhm mir zu mehren,

dem König dich zu vermählen! -

Dein Blick, Isolde,

blendet' auch ihn;

aus Eifer verriet

mich der Freund -

dem König, den ich verriet!

(Er dringt auf Melot ein.)

Wehr dich, Melot!

(Als Melot ihm das Schwert entgegenstreckt, läßt Tristan das seinige fallen und sinkt verwundet in Kurwenals Arme. Isolde stürzt sich an seine Brust. Marke hält Melot zurück.)

Der Vorhang fällt schnell.

Dritter Aufzug
Erste Szene

Burggarten.
Zur einen Seite hohe Burggebäude, zur andern eine niedrige Mauerbrüstung, von einer Warte unterbrochen; im Hintergrunde das Burgtor. Die Lage ist auf felsiger Höhe anzunehmen; durch Öffnungen blickt man auf einen weiten Meereshorizont. Das Ganze macht den Eindruck der Herrenlosigkeit, übel gepflegt, hie und da schadhaft und bewachsen. Im Vordergrunde, an der inneren Seite, liegt Tristan, unter dem Schatten einer großen Linde, auf einem Ruhebett schlafend, wie leblos ausgestreckt. Zu Häupten ihm sitzt Kurwenal, in Schmerz über ihn hingebeugt und sorgsam seinem Atem lauschend. - Von der Außenseite hört man einen Hirtenreigen geblasen.

Der Hirt erscheint mit dem Oberleibe über der Mauerbrüstung und blickt teilnehmend herein.

HIRT

(leise)

Kurwenal! He!

Sag, Kurwenal!

Hör doch, Freund! -

(Kurwenal wendet ein wenig das Haupt nach ihm.)

Wacht er noch nicht?

KURWENAL

(schüttelt traurig mit dem Kopf)

Erwachte er,

wär's doch nur

um für immer zu verscheiden,

erschien zuvor

die Ärztin nicht,

die einz'ge, die uns hilft.

Sahst du noch nichts?

Kein Schiff noch auf der See? -

HIRT

Eine andre Weise

hörtest du dann,

so lustig, als ich sie nur kann. -

Nun sag auch ehrlich,

alter Freund:

was hat's mit uns'rem Herrn?

KURWENAL

Laß die Frage; -

du kannst's doch nie erfahren. -

Eifrig späh',

und siehst du ein Schiff,

so spiele lustig und hell!

HIRT

(sich wendet und mit der Hand über'm Auge, nach dem Meer spähend)

Öd und leer das Meer! -

(Er setzt die Schalmei an den Mund und entfernt sich blasend.)

TRISTAN

(nach langem Schweigen, ohne Bewegung, dumpf)

Die alte Weise -

was weckt sie mich?

(Die Augen aufschlagend und das Haupt wendend)

Wo bin ich?

KURWENAL

(fährt erschrocken auf)

Ha! - diese Stimme!

Seine Stimme!

Tristan! Herre!

Mein Held! Mein Tristan!

TRISTAN

(mit Anstrengung)

Wer - ruft mich?

KURWENAL

Endlich! Endlich!

Leben, o Leben -

Süßes Leben -

meinem Tristan neu gegeben!

TRISTAN

(ein wenig auf dem Lager sich erhebend, matt)

Kurwenal - du?

Wo war ich? -

Wo - bin ich?

KURWENAL

Wo du bist?

In Frieden, sicher und frei!

Kareol, Herr:

kennst du die Burg

der Väter nicht?

TRISTAN

Meiner Väter?

KURWENAL

Sieh dich nur um!

TRISTAN

Was erklang mir?

KURWENAL

Des Hirten Weise,

hörtest du wieder;

am Hügel ab

hütet er deine Herde.

TRISTAN

Meine Herde?

KURWENAL

Herr, das mein' ich!

Dein das Haus,

Hof und Burg!

Das Volk, getreu

dem trauten Herrn,

so gut es konnt',

hat's Haus und Hof gepflegt,

das einst mein Held

zu Erb' und Eigen

an Leut' und Volk verschenkt,

als Alles er verließ,

in fremde Land' zu ziehn.

TRISTAN

In welches Land?

KURWENAL

Hei! Nach Kornwall:

kühn und wonnig,

was sich da Glanzes,

Glückes und Ehren

Tristan, mein Held, hehr ertrotzt!

TRISTAN

Bin ich in Kornwall?

KURWENAL

Nicht doch: in Kareol!

TRISTAN

Wie kam ich her?

KURWENAL

Hei nun, wie du kamst?

Zu Roß rittest du nicht;

ein Schifflein führte dich her;

doch zu dem Schifflein

hier auf den Schultern

trug ich dich: die sind breit,

sie trugen dich dort zum Strand. -

Nun bist du daheim, daheim zu Land:

im echten Land,

im Heimat-Land,

auf eig'ner Weid' und Wonne,

im Schein der alten Sonne,

darin von Tod und Wunden

du selig sollst gesunden.

(Er schmiegt sich an Tristans Brust.)

TRISTAN

(nach einem kleinen Schweigen)

Dünkt dich das, -

ich weiß es anders,

doch kann ich's dir nicht sagen.

Wo ich erwacht,

weilt' ich nicht;

doch, wo ich weilte,

das kann ich dir nicht sagen.

Die Sonne sah ich nicht,

noch sah ich Land und Leute:

doch, was ich sah -

das kann ich dir nicht sagen.

Ich war -

wo ich von je gewesen,

wohin auf je ich geh:

im weiten Reich

der Welten Nacht.

Nur ein Wissen

dort uns eigen:

göttlich ew'ges

Ur-Vergessen, -

wie schwand mir seine Ahnung?

Sehnsücht'ge Mahnung,

nenn ich dich,

die neu dem Licht

des Tags mich zugetrieben?

Was einzig mir geblieben,

ein heiß-inbrünstig Lieben,

aus Todes Wonne-Grauen

jagt's mich, das Licht zu schauen,

das trügend hell und golden

noch dir, Isolden, scheint!

(Kurwenal birgt, von Grausen gepackt, sein Haupt.)

(allmählich sich immer mehr aufrichtend)

Isolde noch

im Reich der Sonne!

Im Tagesschimmer

noch Isolde!

Welches Sehnen,

welches Bangen,

sie zu sehen

welch Verlangen!

Krachend hört' ich

hinter mir

schon des Todes

Tor sich schließen:

weit nun steht es

wieder offen,

der Sonne Strahlen

sprengt' es auf:

mit hell erschloss'nen Augen

muß ich der Nacht enttauchen, -

sie zu suchen,

sie zu sehen,

sie zu finden,

in der einzig

zu vergehen,

zu entschwinden

Tristan ist vergönnt.

Weh, nun wächst,

bleich und bang

mir des Tages

wilder Drang!

Grell und täuschend

sein Gestirn

weckt zu Trug

und Wahn mir das Hirn!

Verfluchter Tag

mit deinem Schein!

Wach'st du ewig

meiner Pein?

Brennt sie ewig,

diese Leuchte,

die selbst Nachts

von ihr mich scheuchte!

Ach, Isolde,

Süße! Holde!

Wann - endlich,

wann, ach wann?

löschest du die Zünde,

(Immer mehr ermattend)

daß sie mein Glück mir künde?

Das Licht - wann löscht es aus?

(Er sinkt erschöpft leise zurück)

Wann wird es Ruh im Haus?

KURWENAL

(nach großer Erschütterung aus der Niedergeschlagenheit sich aufraffend)

Der einst ich trotzt,

aus Treu' zu dir,

mit dir nach ihr

nun muß ich mich sehnen.

Glaub meinem Wort,

du sollst sie sehen,

hier ─ und heut ─

den Trost kann ich dir geben,

ist sie nur selbst noch am Leben.

TRISTAN

(sehr matt)

Noch losch das Licht nicht aus,

noch ward's nicht Nacht im Haus.

Isolde lebt und wacht,

sie rief mich aus der Nacht.

KURWENAL

Lebt sie denn,

so laß dir Hoffnung lachen. -

Muß Kurwenal dumm dir gelten,

heut sollst du ihn nicht schelten.

Wie tot lagst du

seit dem Tag,

da Melot, der Verruchte

dir eine Wunde schlug.

Die böse Wunde,

wie sie heilen?

Mir tör'gem Manne

dünkt es da,

wer einst dir Morolds

Wunde schloß,

der heilte leicht die Plagen

von Melots Wehr geschlagen.

Die beste Ärztin

bald ich fand;

nach Kornwall hab ich

ausgesandt:

ein treuer Mann

wohl übers Meer

bringt dir Isolden her.

TRISTAN

(außer sich)

Isolde kommt!

Isolde naht! -

(Er ringt gleichsam nach Sprache)

O Treue! hehre,

holde Treue!

(Er zieht Kurwenal an sich und umarmt ihn)

Mein Kurwenal,

du trauter Freund!

Du Treuer ohne Wanken,

wie soll dir Tristan danken?

Mein Schild, mein Schirm,

im Kampf und Streit,

zu Lust und Leid

mir stets bereit:

wen ich gehaßt,

den haßtest du;

wen ich geminnt,

den minntest du.

Dem guten Marke,

dient' ich ihm hold,

wie warst du ihm treuer als Gold!

Mußt ich verraten

den edlen Herrn,

wie betrog'st du ihn da so gern!

Dir nicht eigen,

einzig mein,

mit leidest du,

wenn ich leide:

nur - was ich leide,

das - kannst du nicht leiden!

Dies furchtbare Sehnen,

das mich sehrt;

dies schmachtende Brennen,

das mich zehrt:

wollt ich dir's nennen,

könntest du's kennen, -

nicht dort würdest du weilen;

zur Warte müßtest du eilen, -

mit allen Sinnen

sehnend von hinnen

nach dorten trachten und spähen,

wo ihre Segel sich blähen,

wo vor den Winden,

mich zu finden,

von der Liebe Drang befeuert,

Isolde zu mir steuert! -

Es naht! Es naht

mit mutiger Hast!

Sie weht, sie weht -

die Flagge am Mast.

Das Schiff, Das Schiff!

Dort streicht es am Riff!

Sieh'st du es nicht?

(Heftig)

Kurwenal! Siehst du es nicht?

(Da Kurwenal, um Tristan nicht zu verlassen, zögert und dieser in schweigender Spannung auf ihn blickt, ertönt, wie zu Anfang, näher, dann ferner, die klagende Weise des Hirten.)

KURWENAL

(niedergeschlagen)

Noch ist kein Schiff zu sehn!

TRISTAN

(hat mit abnehmender Aufregung gelauscht und beginnt nun mit wachsender Schwermut)

Muß ich dich so verstehn,

du alte, ernste Weise,

mit deiner Klage Klang? -

Durch Abendwehen

drang sie bang,

als einst dem Kind

des Vaters Tod verkündet:

durch Morgengrauen

bang und bänger,

als der Sohn

der Mutter Los vernahm.

Da er mich zeugt' und starb,

sie sterbend mich gebar,

die alte Weise

sehnsuch-tbang

zu ihnen wohl

auch klagend drang,

die einst mich frug,

und jetzt mich frägt,

zu welchem Los erkoren,

ich damals wohl geboren?

Zu welchem Los? -

Die alte Weise

sagt mir's wieder: -

mich sehnen - und sterben!

Nein! Ach nein!

So heißt sie nicht:

Sehnen! Sehnen!

Im Sterben mich zu sehnen,

vor Sehnsucht nicht zu sterben! -

Die nie erstirbt,

sehnend nun ruft

um Sterbens Ruh

sie der fernen Ärztin zu. -

Sterbend lag ich

stumm im Kahn,

der Wunde Gift,

dem Herzen nah:

Sehnsucht klagend

klang die Weise;

das Segel blähte der Wind

hin zu Irlands Kind.

Die Wunde, die

sie heilend schloß,

riß mit dem Schwert

sie wieder los;

das Schwert dann aber

ließ sie sinken,

den Gifttrank gab sie

mir zu trinken;

wie ich da hoffte,

ganz zu genesen,

da war der sehrendste

Zauber erlesen,

daß nie ich sollte sterben,

mich ew'ger Qual vererben!

Der Trank! Der Trank!

Der furchtbare Trank!

Wie vom Herz zum Hirn

er wütend mir drang!

Kein Heil nun kann,

kein süßer Tod

je mich befrei'n

von der Sehnsucht Not.

Nirgends, ach nirgends

find' ich Ruh:

mich wirft die Nacht

dem Tage zu,

um ewig an meinen Leiden

der Sonne Auge zu weiden.

O dieser Sonne

sengender Strahl,

wie brennt mir das Hirn

seine glühende Qual!

Für dieser Hitze

heißes Verschmachten,

ach! keines Schattens

kühlend Umnachten!

Für dieser Schmerzen

schreckliche Pein,

welcher Balsam sollte

mir Lind'rung verleih'n?

Den furchtbaren Trank,

der der Qual mich vertraut,

ich selbst, ich selbst,

ich hab' ihn gebraut!

Aus Vaters-Not

und Mutter-Weh,

aus Liebestränen

eh und je,

aus Lachen und Weinen,

Wonnen und Wunden,

hab' ich des Trankes

Gifte gefunden!

Den ich gebrau't,

der mir geflossen,

den Wonne-schlürfend

je ich genossen, -

verflucht sei, furchtbarer Trank!

Verflucht, wer dich gebraut!

(Er sinkt ohnmächtig zurück.)

KURWENAL

(der vergebens Tristan zu mäßigen suchte, schreit entsetzt laut auf)

Mein Herre! Tristan!

Schrecklicher Zauber! -

O Minne-Trug!

O Liebes-Zwang!

Der Welt holdester Wahn,

Wie ist's um dich getan! -

Hier liegt er nun,

der wonnige Mann,

der wie keiner geliebt und geminnt!

Nun seht, was von ihm

sie Dankes gewann,

was je Minne je gewinnt!

(Mit schluchzender Stimme)

Bist du nun tot?

Lebst du noch?

Hat dich der Fluch entführt? -

(Er lauscht seinem Atem.)

O Wonne! Nein!

Er regt sich, er lebt! -

(zart)

Wie sanft er die Lippen rührt!

TRISTAN

(langsam wieder zu sich kommend)

Das Schiff? - sieh'st du's noch nicht?

KURWENAL

Das Schiff? Gewiß,

es naht noch heut':

es kann nicht lang mehr säumen.

TRISTAN

Und drauf Isolde,

wie sie winkt -

wie sie hold

mir Sühne trinkt?

siehst du sie?

Siehst du sie noch nicht?

Wie sie selig,

hehr und milde

wandelt durch

des Meers Gefilde?

Auf wonniger Blumen

lichten Wogen

kommt sie sanft

ans Land gezogen:

Sie lächelt mir Trost

und süße Ruh;

sie führt mir letzte

Labung zu.

Isolde! Ach, Isolde,

wie schön bist du! -

Und Kurwenal, wie?

du sähst sie nicht?

Hinauf zur Warte,

du blöder Wicht,

Was so hell und licht ich sehe,

daß das dir nicht entgehe.

Hörst du mich nicht?

Zur Warte schnell!

Eilig zur Warte!

Bist du zur Stell'?

Das Schiff, das Schiff?

Isoldens Schiff -

Du mußt es sehen,

Mußt es sehen!

Das Schiff? Sähst du's noch nicht?

(Während Kurwenal noch zögernd mit Tristan ringt, läßt der Hirt von außen die Schalmei ertönen.)

KURWENAL

(freudig aufspringend und der Warte zueilend)

O Wonne! Freude!

Ha! Das Schiff!

Von Norden seh ich's nahn.

TRISTAN

(mit wachsender Begeisterung)

Wußt ich's nicht?

Sagt ich's nicht?

Daß sie noch lebt,

noch Leben mir webt?

Die mir Isolde

einzig enthält,

wie wär Isolde

mir aus der Welt?

KURWENAL

(von der Warte zurückrufend, jauchzend)

Hahei! Heiha!

Wie es mutig steuert!

Wie stark das Segel sich bläht!

Wie es jagt, wie es fliegt!

TRISTAN

Die Flagge? Die Flagge?

KURWENAL

Der Freude Flagge

am Wimpel lustig und hell.

TRISTAN

(auf dem Lager hoch sich aufrichtend)

Hahei der Freude!

Hell am Tage

zu mir Isolde,

Isolde zu mir! -

Siehst du sie selbst?

KURWENAL

Jetzt schwand das Schiff

hinter dem Fels.

TRISTAN

Hinter dem Riff?

Bringt es Gefahr?

Dort wütet die Brandung,

scheitern die Schiffe. -

Das Steuer, wer führt's?

KURWENAL

Der sicherste Seemann.

TRISTAN

Verriet er mich?

Wär er Melots Genoß?

KURWENAL

Trau ihm wie mir!

TRISTAN

Verräter auch du! -

Un-seliger!

Siehst du sie wieder?

KURWENAL

Noch nicht.

TRISTAN

Verloren!

KURWENAL

(jauchzend)

Heiha! Heihahaha!

Vorbei! Vorbei!

Glücklich vorbei!

TRISTAN

(jauchzend)

Heihahaha! Kurwenal!

treuester Freund!

All mein Hab und Gut

vererb ich noch heute.

KURWENAL

Sie nahen im Flug.

TRISTAN

Sieh'st du sie endlich?

Sieh'st du Isolde?

KURWENAL

Sie ist's! Sie winkt!

TRISTAN

O seligstes Weib!

KURWENAL

Im Hafen der Kiel!

Isolde - ha!

mit einem Sprung

springt sie vom Bord an Land.

TRISTAN

Herab von der Warte!

müßiger Gaffer!

Hinab! Hinab

an den Strand!

Hilf ihr! Hilf meiner Frau!

KURWENAL

Sie trag' ich herauf:

trau meinen Armen!

Doch du, Tristan,

bleib mir treulich am Bett!

(Kurwenal eilt durch das Tor hinab.)

Zweite Szene

TRISTAN

(in höchster Aufregung auf dem Lager sich mühend)

O diese Sonne!

Ha! dieser Tag!

Ha, dieser Wonne

sonnigster Tag!

Jagendes Blut,

jauchzender Mut!

Lust ohne Maßen,

freudiges Rasen:

Auf des Lagers Bann

wie sie ertragen?

Wohlauf und daran,

wo die Herzen schlagen!

Tristan, der Held,

in jubelnder Kraft,

hat sich vom Tod

emporgerafft!

(Er richtet sich hoch auf.)

Mit blutender Wunde

bekämpft' ich einst Morolden:

mit blutender Wunde

erjag' ich mir heut Isolden!

(Er reißt sich den Verband der Wunde auf.)

Heia, mein Blut,

Lustig nun fließe!

(Er springt vom Lager herab und schwankt vorwärts.)

Die mir die Wunde

ewig schließe,

sie naht wie ein Held,

sie naht mir zum Heil:

Vergeh die Welt

meiner jauchzenden Eil!

(Er taumelt nach der Mitte der Bühne.)

ISOLDE

(von außen rufend)

Tristan! Geliebter!

TRISTAN

(in der furchtbarsten Aufregung)

Wie, hör' ich das Licht?

Die Leuchte - ha!

Die Leuchte verlischt!

Zu ihr! Zu ihr!

Isolde eilt atemlos herein. Tristan, seiner nicht mächtig, stürzt sich ihr schwankend entgegen. In der Mitte der Bühne begegnen sie sich; sie empfängt ihn in ihren Armen. - Tristan sinkt langsam in ihren Armen zu Boden.

ISOLDE

Tristan! Ha!

TRISTAN

(sterbend zu ihr aufblickend)

Isolde! -

(Er stirbt.)

ISOLDE

Ha! Ich bin's, ich bin's -,

süßester Freund!

Auf! noch einmal

Hör meinen Ruf!

Isolde ruft:

Isolde kam,

mit Tristan treu zu sterben. -

Bleibst du mir stumm?

Nur eine Stunde. -

Nur eine Stunde

bleib mir wach!

So bange Tage

wachte sie sehnend,

um eine Stunde

mit dir noch zu wachen.

Betrügt Isolden,

betrügt sie Tristan

um dieses einz'ge

ewig kurze

letzte Welten-Glück? -

Die Wunde - wo?

Laß sie mich heilen,

daß wonnig und hehr

die Nacht wir teilen.

Nicht an der Wunde,

an der Wunde stirb mir nicht!

uns beiden vereint

erlösche das Lebenslicht! -

Gebrochen der Blick -!

Still das Herz! -

Nicht eines Atems

flücht'ges Wehn!

Muß sie nun jammernd

vor dir stehn,

die sich wonnig dir zu vermählen

mutig kam über's Meer?

Zu spät!

Trotziger Mann!

Strafst du mich so

mit härtestem Bann?

Ganz ohne Huld

meiner Leidens-Schuld?

Nicht meine Klagen

darf ich dir sagen?

Nur einmal, ach!

nur einmal noch! -

Tristan! - Ha!

Horch! - Er wacht!

Geliebter. -

(Sie sinkt bewußtlos über der Leiche zusammen.)

Dritte Szene

Kurwenal war sogleich hinter Isolde zurückgekommen; sprachlos in furchtbarer Erschütterung hat er dem Auftritte beigewohnt, und bewegungslos auf Tristan hingestarrt. - Aus der Tiefe hört man jetzt dumpfes Getümmel und Waffengeklirr. -

Der Hirt kommt über die Mauer gestiegenhastig und leise sich zu Kurwenal wendend.

HIRT

Kurwenal!

Hör!

Ein zweites Schiff.

(Kurwenal fährt heftig auf und blickt über die Brüstung, während der Hirt aus der Ferne erschüttert auf Tristan und Isolde sieht.)

KURWENAL

Tod und Hölle!

(In Wut ausbrechend)

Alles zur Hand!

Marke und Melot

hab' ich erkannt. -

Waffen und Steine!

Hilf mir! Ans Tor!

(Er sprigt mit dem Hirt an das Tor, das Feide in der Hast zu verrammeln suchen)

STEUERMANN

(stürzt herein)

Marke mir nach

mit Mann und Volk!

Vergebne Wehr!

Bewältigt sind wir.

KURWENAL

Stell dich, und hilf! -

So lang ich lebe,

lugt mir keiner herein!

BRANGÄNE

(stimme)

(außen, von unten her)

Isolde! Herrin!

KURWENAL

Brangänens Ruf?

(Hinabrufend)

Was suchst du hier?

BRANGÄNE

Schließ nicht, Kurwenal!

Wo ist Isolde?

KURWENAL

Verrät'rin auch du?

Weh dir, Verruchte!

MELOT

(von außen)

Zurück, du Tor!

Stemm dich nicht dort!

KURWENAL

(wütend auflachend)

Heiahaha! dem Tag,

an dem ich dich treffe!

Melot, mit gewaffneten Männern, erscheint unter dem Tor. Kurwenal stürzt sich auf ihn und streckt ihn zu Boden. Stirb, schändlicher Wicht!

KURWENAL

Stirb, schändlicher Wicht!

MELOT

(sterbend)

Weh mir! - Tristan!

BRANGÄNE

(immer noch außen)

Kurwenal! Wütender!

Hör, du betrügst dich!

KURWENAL

Treulose Magd! -

(Zu den Seinen.)

Drauf! Mir nach!

Werft sie zurück!

(Sie kämpfen)

MARKE

(von außen)

Halte, Rasender!

Bist du von Sinnen?

KURWENAL

Hier wütet der Tod!

Nichts andres, König,

ist hier zu holen:

willst du ihn kiesen, so komm!

(Er dringt auf Marke und dessen Gefolge ein.)

MARKE

(unter dem Tore mit Gefolge erscheinend)

Zurück! Wahnsinniger!

BRANGÄNE

(hat sich seitwärts über die Mauer geschwungen und eilt in den Vordergrund.)

Isolde! Herrin!

Glück und Heil! -

Was seh ich, ha!

Lebst du? Isolde!

(Sie stürzt auf Isolde, und müht sich um sie. - Wärend dem hat Marke mit seinem Gefolge Kurwenal mit dessen Helfern zurückgetrieben, und dringt herein. Kurwenal, schwer verwundet, schwankt vor ihm her nach dem Vordergrunde.)

MARKE

O Trug und Wahn!

Tristan! Wo bist du?

KURWENAL

Da liegt er -

hier - wo ich - liege.

(Er sinkt bei Tristans Füßen zusammen.)

MARKE

Tristan! Tristan!

Isolde! Weh!

KURWENAL

(nach Tristans Hand fassend)

Tristan! Trauter!

Schilt mich nicht,

daß der Treue auch mit kommt!

(Er stirbt.)

MARKE

Tot denn alles!

Alles tot?

Mein Held! Mein Tristan!

Trautester Freund!

Auch heute noch

mußt du den Freund verraten?

Heut, wo er kommt

die höchste Treu' zu bewähren?

Erwache! Erwache!

Erwache meinem Jammer,

(Schluchzend über die Leiche sich herabbeugend.)

Du treulos treuster Freund!

BRANGÄNE

(die in ihren Armen Isolde wieder zu sich gebracht)

Sie wacht! Sie lebt!

Isolde! Hör mich,

vernimm meine Sühne!

Des Trankes Geheimnis

entdeckt' ich dem König:

mit sorgender Eil'

stach er in See

dich zu erreichen,

dir zu entsagen,

dir zuzuführen den Freund.

MARKE

Warum, Isolde,

warum mir das?

Da hell mir enthüllt,

was zuvor ich nicht fassen konnt',

wie selig, daß den Freund

ich frei von Schuld da fand!

Dem holden Mann,

dich zu vermählen,

mit vollen Segeln

flog ich dir nach.

Doch Unglückes

Ungestüm,

wie erreicht es, wer Frieden bringt?

Die Ernte mehrt' ich dem Tod:

der Wahn häufte die Not.

BRANGÄNE

Hörst du uns nicht?

Isolde! Traute!

Vernimmst du die Treue nicht?

ISOLDE

(Die nichts um sie her vernommen, heftet das Auge mit wachsender Begeisterung auf Tristans Leiche.)

Mild und leise

wie er lächelt,

wie das Auge

hold er öffnet:

seht ihr's, Freunde,

säht ihr's nicht?

Immer lichter

wie er leuchtet,

Stern-umstrahlet

hoch sich hebt?

Seht ihr's nicht?

Wie das Herz ihm

mutig schwillt,

voll und hehr

im Busen ihm quillt?

Wie den Lippen,

wonnig mild

süßer Atem

sanft entweht: -

Freunde, seht -

fühlt und seht ihr's nicht? -

Höre ich nur

diese Weise,

die so wunder-

voll und leise,

Wonne klagend,

Alles sagend,

mild versöhnend

aus ihm tönend

in mich dringet,

auf sich schwinget,

hold erhallend

um mich klinget?

Heller schallend,

mich umwallend,

sind es Wellen

sanfter Lüfte?

Sind es Wolken

wonniger Düfte?

Wie sie schwellen,

mich umrauschen,

soll ich atmen,

soll ich lauschen?

Soll ich schlürfen,

untertauchen?

Süß in Düften

mich verhauchen?

In dem wogenden Schwall,

in dem tönenden Schall,

in des Welt-Athems

wehendem All -

ertrinken -

versinken -

unbewußt -

höchste Lust!

Isolde verklärt sinkt sie sanft in Brangänes Armen, auf Tristans Leiche. - Große Rührung und Entrücktheit unter den Umstehenden. Marke segnet die Leichen. - Der Vorhang fällt langsam.

Ende.

Generazione pagina: 25/11/2018
Pagina: ridotto, rid
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