Dritter Aufzug

 

Szene I

Elisabeth. Wolfram. Die älteren Pilger.
Tal vor der Wartburg, links der Hörselberg, wie am Schlusse des ersten Aufzugs, nur in herbstlicher Färbung.
Ein Tag neigt sich zum Abend.
Auf dem kleinen Bergvorsprunge rechts, vor dem Marienbilde, liegt Elisabeth in brünstigem Gebete dahingestreckt.
Wolfram kommt links von der waldigen Höhe herab.
Auf halber Höhe hält er an, als er Elisabeth gewahrt.

 Q 

Elisabeth

<- Wolfram

 

WOLFRAM

Wohl wüsst ich hier sie im Gebet zu finden,  

wie ich so oft sie treffe, wenn ich einsam

aus wald'ger Höh mich in das Tal verirre!

Den Tod, den er ihr gab, im Herzen,

dahingestreckt in brünst'gen Schmerzen,

fleht für sein Heil sie Tag und Nacht:

o heil'ger Liebe ew'ge Macht!

Von Rom zurück erwartet sie die Pilger,

schon fällt das Laub, die Heimkehr steht bevor!

Kehrt er mit den Begnadigten zurück?

Dies ist ihr Fragen, dies ihr Flehen,

ihr Heil'gen, lasst erfüllt es sehen!

Bleibt auch die Wunde ungeheilt,

o, würd' ihr Lindrung nur erteilt!

 
(Als er tiefer in das Tal hinabsteigenwill, vernimmt er den Gesang der Pilger und hält an.)
 

GESANG DER ÄLTEREN PILGER

Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen    

Und grüßen froh deine lieblichen Auen;

Nun lass’ ich ruhn den Wanderstab,

Weil Gott getreu ich gepilgert hab’.

Zusammen

ELISABETH UND WOLFRAM

Elisabeth

(erhebt sich, dem Gesange lauschend)

Dies ist ihr Sang!

Wolfram

(während der Gesang sich langsam nähert)

Die Pilger sind’s,

Elisabeth

Sie sind's!

Wolfram

es ist die fromme Weise,

Die der empfangnen Gnade Heil verkündet.

Elisabeth

Sie kehren heim!

Beide

Elisabeth

Ihr Heil’gen, zeigt mir jetzt mein Amt,

daß ich mit Würde es erfülle!

Wolfram

O Himmel, stärke jetzt ihr Herz

für die Entscheidung ihres Lebens!

S

 
Die älteren Pilger mit dem Gesang anfangs aus der Ferne sich nähern, dann von dem Vordergrunde rechts her die Bühne erreichen und das Tal entlang der Wartburg zuziehen.

<- Pilger

 

GESANG DER ÄLTEREN PILGER

Durch Sühn’ und Buß’ hab ich versöhnt  

Den Herren, dem mein Herze frönt,

Der meine Reu’ mit Segen krönt,

Den Herren, dem mein Lied ertönt,

Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden,

Er geht einst ein in den Seligen Frieden!

Vor Höll’ und Tod ist ihm nicht bang’,

Drum preis’ ich Gott mein Lebenlang.

Halleluja in Ewigkeit!

Halleluja in Ewigkeit!

 
(Die älteren Pilger hinter dem Bergvorsprunge im Hintergrunde verschwinden.)

Pilger ->

 
(Elisabeth hat von ihrem erhöhten Standpunkte herab mit größter Aufregung unter dem Zuge der Pilger nach Tannhäuser geforscht.
Der Gesang verhallt allmählich; die Sonne geht unter.)
 

ELISABETH

(in schmerzlicher, aber ruhiger Fassung)  

Er kehret nicht zurück!

(Sie senkt sich mit großer Feierlichkeit auf die Knie.)

 

GESANG DER ÄLTEREN PILGER

Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen,

und grüssen froh deine lieblichen Auen!

Nun lass ich ruhn den Wanderstab!

 

ELISABETH

Allmächt’ge Jungfrau, hör’ mein Flehen!    

Zu dir, Gepries’ne, rufe ich!

Lass mich im Staub vor dir vergehen,

o nimm von dieser Erde mich!

Mach, daß ich rein und engelgleich

Eingehe in dein selig’ Reich!

Wenn je, in tör’gem Wahn befangen,

Mein Herz sich abgewandt von dir,

Wenn je ein sündiges Verlangen,

Ein weltlich Sehnen keimt’ in mir, -

so rang ich unter tausend Schmerzen,

daß ich es töt' in meinem Herzen!

Doch, konnt’ ich jeden Fehl nicht büßen,

so nimm dich gnädig meiner an!

Daß ich mit demutvollem Grüßen,

als würd’ge Magd dir nahen kann,

um deiner Gnaden reichste Huld

nur anzuflehn für seine Schuld!

(Sie verbleibt eine Zeitlang wie in andächtiger Entrücktheit; als sie sich dann langsam erhebt, erblickt sie Wolfram, welcher sich genähert und sie mit inniger Rührung beobachtet hat. Als er sie anreden zu wollen scheint, bittet sie ihn durch eine Gebärde, nicht mit ihr zu sprechen.)

S

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WOLFRAM

Elisabeth, dürft’ ich dich nicht geleiten?

 
(Elisabeth drückt ihm abermals durch Gebärde aus: sie danke ihm und seiner treuen Liebe aus vollem Herzen; ihr Weg führe sie aber gen Himmel, wo sie ein hohes Amt zu verrichten habe; er solle sie daher ungeleitet gehen lassen, ihr auch nicht folgen. Sie geht langsam auf dem Bergwege, auf welchem sie noch lange in der Entfernung gesehen wird, der Wartburg zu.)

Elisabeth ->

 

Szene II

Wolfram allein.

 
(Wolfram ist zurückgeblieben; er hat Elisabeth lange nachgesehen, setzt sich links am Fuße des Talhügels nieder, ergreift die Harfe, und beginnt nach einem Vorspiele.)
 

 

Wie Todesahnung Dämmerung deckt die Lande,  

umhüllt das Tal mit schwärzlichem Gewande;

der Seele, die nach jenen Höhn verlangt,

vor ihrem Flug durch Nacht und Grausen bangt.

Da scheinest du, o lieblichster der Sterne,

dein sanftes Licht entsendest du der Ferne;

die nächt’ge Dämmerung teilt dein lieber Strahl,

und freundlich zeigst du den Weg aus dem Tal. -

 

O du, mein holder Abendstern,  

wohl grüßt’ ich immer dich so gern,

vom Herzen, das sie nie verriet,

grüße sie, wenn sie vorbei dir zieht,

wenn sie entschwebt dem Tal der Erden,

ein sel’ger Engel dort zu werden! -

(Er verbleibt mit gen Himmel gerichtetem Auge, auf der Harfe fortspielend.)

S

 

Szene III

Tannhäuser. Wolfram. Später Venus, Walter, der Schreiber, Biterolf, Reinmar, der Landgraf, Pilger und Edle.

<- Tannhäuser

 
Es ist gänzlich Nacht geworden. Tannhäuser tritt auf. Er trägt zerrissene Pilgerkleidung, sein Antlitz ist bleich und entstellt; er wankt matten Schrittes an seinem Stabe gestützt.
 

TANNHÄUSER

Ich hörte Harfenschlag,  

wie klang er traurig!

Der kam wohl nicht von ihr!

WOLFRAM

Wer bist du, Pilger, der du so einsam wanderst?

TANNHÄUSER

Wer ich bin? Kenn’ ich doch dich recht gut!

Wolfram bist du,

(höhnisch)

der wohlgeübte Sänger!

WOLFRAM

(heftig auffahrend)

Heinrich! Du?

Was bringt dich her in diese Nähe? Sprich!

Wagst du es, unentsündigt noch den Fuß

nach dieser Gegend herzulenken?

TANNHÄUSER

Sei außer Sorg’, mein guter Sänger!

Nicht such’ ich dich, noch deiner Sippschaft Einen. -

(mit unheimlicher Lüsternheit)

Doch such’ ich wen, der mir den Weg wohl zeige,

den Weg, den einst so wunderleicht ich fand. -

WOLFRAM

Und welchen Weg?

TANNHÄUSER

Den Weg zum Venusberg!

WOLFRAM

Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!

Treibt es dich dahin?

TANNHÄUSER

Kennst du wohl den Weg?

WOLFRAM

Wahnsinn’ger! Grauen faßt mich, hör’ ich dich!

Wo warst du? Zogst du denn nicht nach Rom?

TANNHÄUSER

(wütend)

Schweig’ mir von Rom!

WOLFRAM

Warst nicht beim heil’gen Feste?

TANNHÄUSER

Schweig’ mir von ihm!

WOLFRAM

So warst du nicht? - Sag’, ich beschwöre dich!

TANNHÄUSER

(nach einer Pause, wie sich besinnend, mit schmerzlichem Ingrimm)

Wohl war auch ich in Rom...

WOLFRAM

So sprich! Erzähle mir! Unglücklicher,

Mich faßt ein tiefes Mitleid für dich an.

TANNHÄUSER

(nachdem er Wolfram lange mit gerührter Bewunderung betrachtet hat)

Wie sagst du, Wolfram? Bist du nicht mein Feind?

WOLFRAM

Nie war ich es, so lang’ ich fromm dich wähnte.

Doch sag’, du pilgertest nach Rom?

TANNHÄUSER

Nun denn! Hör’ an! Du, Wolfram, du sollst es erfahren.

(Er läßt sich erschöpft am Fuße des vorderen Bergvorsprunges nieder. Wolfram will sich an seiner Seite niedersetzen.)

Zurück von mir! Die Stätte, wo ich raste,

Ist verflucht!

Hör’ an, Wolfram, hör’ an!

 
(Wolfram bleibt in geringer Entfernung vor Tannhäuser stehen.)
 

Inbrunst im Herzen, wie kein Büßer noch    

sie je gefühlt, sucht’ ich den Weg nach Rom.

Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz

dem Übermütigen entwunden;

für ihn wollt’ ich in Demut büßen,

das Heil erflehn, das mir verneint,

um ihm die Träne zu versüßen,

die er mir Sünder einst geweint!

Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger

die Straße wallt’, erschien mir allzu leicht -

betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen,

der nackten Sohle sucht’ ich Dorn und Stein;

ließ Labung er am Quell den Mund genießen,

sog ich der Sonne heißes Glühen ein;

wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,

vergoß mein Blut ich zu des Höchsten Preis;

als im Hospiz der Müde sich erquickte,

die Glieder bettet’ ich in Schnee und Eis;

verschloss’nen Aug’s, ihr Wunder nicht zu schauen,

durchzog ich blind Italiens holde Auen.

Ich tat’s, denn in Zerknirschung wollt’ ich büßen,

Um meines Engels Tränen zu versüßen!

Nach Rom gelangt’ ich so zur heil’gen Stelle,

lag betend auf des Heiligtumes Schwelle;

der Tag brach an; da läuteten die Glocken,

hernieder tönten himmlische Gesänge;

da jauchzt’ es auf in brünstigem Frohlocken,

denn Gnad’ und Heil verhießen sie der Menge.

Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,

vor ihm all Volk im Staub sich niederließ.

Und Tausenden er Gnade gab, ensündigt

er Tausende sich froh erheben hieß.

Da naht’ auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde,

klagt’ ich mich an mit jammernder Gebärde

der bösen Lust, die meine Sinn’ empfanden,

des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt;

und um Erlösung aus den heißen Banden

rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt.

Und er, den so ich bat, hub an:

"Hast du so böse Lust geteilt,

dich an der Hölle Glut entflammt,

hast du im Venusberg geweilt:

so bist nun ewig du verdammt!

Wie dieser Stab in meiner Hand

nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,

kann aus der Hölle heißem Brand

Erlösung nimmer dir erblühn!"

Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,

die Sinne schwanden mir... Als ich erwacht,

auf ödem Platze lagerte die Nacht,

von fern her tönten frohe Gnadenlieder.

Da ekelte mich der holde Sang!

Von der Verheißung lügnerischem Klang,

der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,

trieb Grauen mich hinweg mit wildem Schritt!

Dahin zog’s mich, wo ich der Wonn’ und Lust

so viel genoß, an ihre warme Brust!

(In grauenhafter Begeisterung)

Zu dir, Frau Venus, kehr’ ich wieder,

in deiner Zauber holde Nacht;

zu deinem Hof steig’ ich darnieder,

wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

S

 

WOLFRAM

Halt’ ein! Halt’ ein, Unseliger!  

Zusammen

TANNHÄUSER

Ach, laß mich nicht vergebens suchen!

 

WOLFRAM

Halt’ ein!

TANNHÄUSER

Wie leicht fand ich doch einstens dich!

WOLFRAM

Unseliger!

TANNHÄUSER

Du hörst, daß mir die Menschen fluchen,

nun, süße Göttin, leite mich!

 
(Finstere Nacht; leichte Nebel verhüllen allmählich die Szene.)
 

WOLFRAM

(in heftigem Grausen)

Wahnsinniger, wen rufst du an?

TANNHÄUSER

Ha! fühltest du nicht milde Lüfte?

WOLFRAM

Zu mir! Es ist um dich getan!

TANNHÄUSER

Und atmest du nicht holde Düfte?

 
(Die Nebel beginnen in rosiger Dämmerung zu erglühen.)
 

TANNHÄUSER

Hörst du nicht die jubelnden Klänge?

WOLFRAM

In wildem Schauer bebt die Brust!

TANNHÄUSER

(immer aufgeregter, je näher der Zauber kommt)

Das ist der Nymphen tanzende Menge!

Herbei! Herbei!

Herbei, herbei zu Wonn und Lust!

 
(Wirre Bewegungen tanzender Gestalten werden erkennbar.)
 

WOLFRAM

Weh, böser Zauber tut sich auf!

Die Hölle naht mit wildem Lauf!

TANNHÄUSER

Entzücken dringt durch alle Sinne,

Gewahr ich diesen Dämmerschein!

Dies ist das Zauberreich der Minne,

(außer sich)

Im Venusberg drangen wir ein!

 
In heller, rosiger Beleuchtung wird Venus, auf einem Lager ruhend, sichtbar.

<- Venus

 

VENUS

Willkommen, ungetreuer Mann!  

Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?

Und findest nirgends du Erbarmen,

suchst Liebe du in meinen Armen?

 

TANNHÄUSER

Frau Venus, o, Erbarmungsreiche!

Zu dir, zu dir zieht es mich hin!

Zusammen

WOLFRAM

Zauber der Hölle, weiche, weiche!

Berücke nicht des Reinen Sinn!

 

VENUS

Nahst du dich wieder meiner Schwelle,

sei dir dein Übermut verziehn;

ewig fließe dir der Freuden Quelle,

und nimmer sollst du von mir fliehn!

 

TANNHÄUSER

(indem er sich in wilder Entschlossenheit von Wolfram losreißt)

Mein Heil, mein Heil hab’ ich verloren,

Nun sei der Hölle Lust erkoren!

(zu Wolfram)

Laß ab! Laß ab von mir!

VENUS

O komm! O komm!

Auf ewig sei nun mein!

Zusammen

WOLFRAM

(ihn heftig zurückhaltend)

Allmächt’ger, steh’ dem Frommen bei!

Heinrich, ein Wort, es macht dich frei!

Dein Heil!

 

TANNHÄUSER

Lass’ ab von mir!

WOLFRAM

Noch soll das Heil dir Sünder werden!

 
(Tannhäuser und Wolfram ringen heftig.)
 

VENUS

O komm!

TANNHÄUSER

Nie, Wolfram, nie! Ich muß dahin!

WOLFRAM

Ein Engel bat für dich auf Erden,

Bald schwebt er segnend über dir:

VENUS

Komm’, o komm!

Zusammen

TANNHÄUSER

(zu Wolfram)

Laß mich!

 

VENUS

Zu mir! Zu mir!

WOLFRAM

Elisabeth!

TANNHÄUSER

(der sich soeben von Wolfram losgerissen, bleibt, wie von einem heftigen Schlage gelähmt, an die Stelle geheftet)

Elisabeth!

WOLFRAM

(in erhabender Rührung)

Dein Engel fleht für dich an Gottes Thron,

Er wird erhört!

Zusammen

MÄNNERGESANG

(aus dem Hintergrunde)

Der Seele Heil, die nun entflohn

dem Leib der frommen Dulderin!

 

VENUS

Weh! Mir verloren!

Zusammen

WOLFRAM

Heinrich, du bist erlöst!

 
(Venus verschwindet und mit ihr die ganze zauberische Erscheinung.)

Venus ->

 
Das Tal, vom Morgenrot erleuchtet, wird wieder sichtbar: von der Wartburg her schreitet ein Trauerzug mit Fackeln der Tiefe des Tales zu.

<- Trauerzug

 

MÄNNERGESANG

Ihr ward der Engel sel’ger Lohn,

himmlischer Freuden Hochgewinn.

WOLFRAM

(Tannhäuser in den Armen sanft umschlossen haltend)

Und hörst du den Gesang?

TANNHÄUSER

Ich höre!

(ersterbend)

 
Von hier an betritt der Trauerzug die Tiefe des Tales, die älteren Pilger voran; den offenen Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger geleiten ihn zur Seite, Grafen und Edle folgen.

<- Pilger, Landgraf, Sänger, Grafen, Edle

 

MÄNNERGESANG

Heilig die Reine, die nun, vereint  

göttlicher Schar, vor dem Ewigen steht!

Selig der Sünder, dem sie geweint,

dem sie des Himmels Heil erfleht!

 
(Auf Wolframs Bedeuten ist der Sarg in der Mitte der Bühne niedergesetzt worden. Wolfram geleitet Tannhäuser zu der Leiche, an welcher dieser niedersinkt.)
 

TANNHÄUSER

Heilige Elisabeth, bitte für mich!

(Er stirbt.)

 

DIE JUNGEREN PILGER

(auf dem vorderen Bergvorsprunge einherziehend und in ihrer Mitte einen neu ergrünten Priesterstab tragend)  

Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!

Erlösung ward der Welt zuteil!

Es tat in nächtlich heil’ger Stund’s

der Herr sich durch ein Wunder kund:

den dürren Stab in Priesters Hand

hat er geschmückt mit frischem Grün:

dem Sünder in der Hölle Brand

soll so Erlösung neu erblühn!

Ruft ihm es zu durch alle Land’,

der durch dies Wunder Gnade fand!

Hoch über aller Welt ist Gott,

und sein Erbarmen ist kein Spott!

 

LANDGRAF, SÄNGER, RITTER, DIE ÄLTEREN PILGER

(in höchster Ergriffenheit)

Der Gnade Heil ward dem Büßer beschieden,

nun geht er ein in den Seligen Frieden!

Zusammen

DIE JUNGEREN PILGER

Halleluja! Halleluja! Halleluja!

 
(Der Vorhang fällt.)
 

Schluß des Ur-Tannhäuser

von 1845

 

TANNHÄUSER

(in grauenhafter Begeisterung)  

Zu deinem Hof, Frau Venus, steig’ ich nieder,

wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

Ach! kaum erkennst den Buhlen du wohl wieder,

der Ärmste! Sieh, was sie aus ihm gemacht!

(Er sinkt erschöpft zusammen.)

WOLFRAM

(dumpf vor sich hin)

Entsetzlich! ist’s ein Traum, was ich erlebe?

TANNHÄUSER

(sehr matt beginnend und sich immer mehr steigernd)

Nun wandr’ ich Tag und Nacht, den holden Berg

Zu finden, die süßen Töne zu vernehmen,

Die mich das erstemal so zaubertrunken

Geleitet in das Reich der Freud’ und Lust.

Hast, Wolfram, du die Klänge nie gehört?

WOLFRAM

(mit feierlichem Entschluß)

Unsel’ger! halt! Hier sei der Irrfahrt Ziel!

Wehr’ der Versuchung, blicke auf zu Gott!

TANNHÄUSER

O! spotte mein! Du weißt, ich bin verflucht!

WOLFRAM

Verflucht bist du, wenn du der Hölle Zauber

Nicht kräftig widerstehst!

TANNHÄUSER

Kein Widerstand!

Der Zauber ist so hold: - willst du ihn kennen?

Komm’ mit, Wolfram! Laß dich von mir geleiten,

Zu namenlosen Wonnen führ’ ich dich!

 
(Man vernimmt Klänge aus dem Hörselberg. Dieser, der in immer zunehmender rosiger Glut erglüht, erscheint nach und nach durchsichtig, so daß man in ihm wie tanzende Gestalten zu erblicken vermag.)
 

TANNHÄUSER

Horch! Vernimmst du nicht die jubelnden Klänge?

Atmest du nicht entzückend holde Düfte?

Sieh dort! dort! Ich geleitete dich schnell:

Das ist der Berg, der süße Venusberg!

WOLFRAM

Allmächt’ger, steh’ dem Frommen bei!

Dem Himmel beut die Hölle Spott!

Getrotzt sei ihrer Zauberei!

Auf, Heinrich! Wende dich zu Gott!

TANNHÄUSER

(dem Berge zugewendet)

Frau Venus! O Erbarmungsreiche!

Dein Buhle naht - zu dir! zu dir!

WOLFRAM

(Tannhäuser heftig zurückhaltend)

Verzweiflungs-Wahnsinn! Weiche! Weiche!

Heinrich! Dein Heil!

TANNHÄUSER

(sich wehrend)

Laß ab von mir!

WOLFRAM

Noch soll das Heil dir Sünder werden!

TANNHÄUSER

Nie, Wolfram! Nie! Ich muß zu ihr!

WOLFRAM

Ein Engel bat für dich auf Erden,

Bald schwebt er segnend über dir:

Elisabeth!

TANNHÄUSER

(wie von einem Schlage gelähmt, festgewurzelt stehen bleibend)

Elisabeth!

 
(Die zauberische Erscheinung des Hörselberges erbleicht allmählich vor der anbrechenden Morgendämmerung.)
 

WOLFRAM

Dein Engel fleht für dich vor Gottes Thron,

Er wird erhört: Heinrich! Du bist erlöst!

MÄNNERCHOR

(gleichzeitig, auf der Wartburg)

Der Seele Heil, die nun entfloh’n

Dem Leib der frommen Dulderin!

Sie wird der Engel sel’ger Lohn,

Himmlischer Freuden Hochgewinn!

 
(Fackelschein leuchtet aus dem Hofe der Wartburg auf; man hört von dorther während des Chorgesanges das Toten-Glöcklein läuten.)
 

TANNHÄUSER

(sinkt in Wolframs Armen langsam zur Erde)

Heilige Elisabeth, bitte für mich!

(Er stirbt.)

 

<- Die jungeren Pilger

DIE JUNGEREN PILGER

(nähern sich der Bühne, treten dann rechts auf und ziehen während des Sonnenaufganges das Tal entlang)  

Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!

Erlösung ward der Welt zuteil.

Es tat in nächtlich heil’ger Stund’

der Herr sich durch ein Wunder kund:

den dürren Stab in Priesters Hand

dat er geschmückt mit frischem Grün:

dem Sünder in der Hölle Brand

soll so Erlösung neu erblüh’n!

Ruft ihm es zu durch alle Land’,

der durch dies Wunder Gnade fand!

Hoch über aller Welt ist Gott,

und sein Erbarmen ist kein Spott!

Halleluja! Halleluja! Halleluja!

 
(Die Sonne geht auf, die ganze Gegend erglüht im feurigsten Morgenrot. Die jüngeren Pilger, von denen eine Anzahl auf dem Seitenwege bei dem Marienbilde aufgetreten ist, verteilen sich über Tal und Anhöhe, so daß beides von ihnen angefüllt ist. Von der Wartburg her auf dem Bergwege sieht man die älteren Pilger ihnen entgegen ziehen. Wolfram kniet neben Tannhäusers Leiche betend, die Augen gen Himmel gerichtet.)
 

Ende (Dritter Aufzug)

Erster Aufzug Zweiter Aufzug Dritter Aufzug

Tal vor der Wartburg, links der Hörselberg, wie am Schlusse des ersten Aufzugs, nur in herbstlicher Färbung. Ein Tag neigt sich zum Abend.

Elisabeth
 
Elisabeth
<- Wolfram

Wohl wüsst ich hier sie im Gebet zu finden

Elisabeth, Wolfram
<- Pilger
Elisabeth, Wolfram
Pilger ->

Er kehret nicht zurück!

 

Wolfram
Elisabeth ->
Wolfram
<- Tannhäuser

Ich hörte Harfenschlag

Halt’ ein! Halt’ ein, Unseliger!

Wolfram, Tannhäuser
<- Venus

 

Wolfram, Tannhäuser
Venus ->
Wolfram, Tannhäuser
<- Trauerzug
Wolfram, Tannhäuser, Trauerzug
<- Pilger, Landgraf, Sänger, Grafen, Edle

Zu deinem Hof, Frau Venus, steig’ ich nieder

Wolfram, Tannhäuser, Trauerzug, Pilger, Landgraf, Sänger, Grafen, Edle
<- Die jungeren Pilger
 
Szene I Szene II Szene III Schluß des Ur-Tannhäuser
Die Bühne stellt das Innere des Venusberges dar. Weite Grotte, welche sich im Hintergrunde durch... Ein schönes Tal versetzt. Blauer Himmel, heitere Sonnenbeleuchtung. Rechts im Hintergrunde die Wartburg,... Die Sängerhalle auf der Wartburg; nach hinten freie Aussicht auf den Burghof und das Tal. Tal vor der Wartburg, links der Hörselberg, wie am Schlusse des ersten Aufzugs, nur in herbstlicher Färbung....
Erster Aufzug Zweiter Aufzug

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