TANNHÄUSER
Grosse romantische Oper in drei Akten.
Syntetische Fassung herausgegeben von null www.operalib.eu.
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Text und Musik Wilhelm Richard WAGNER.
Uraufführung: 19.October 1845, Dresden.
Personen:
Hermann, LANDGRAF von Thüringen |
Bass |
TANNHÄUSER Ritter und Sänger |
Tenor |
WOLFRAM von Eschenbach, Ritter und Sänger |
Bariton |
WALTHER von der Vogelweide, Ritter und Sänger |
Tenor |
BITEROLF Ritter und Sänger |
Bass |
Heinrich DER SCHREIBER Ritter und Sänger |
Tenor |
REINMAR von Zweter, Ritter und Sänger |
Bass |
ELISABETH Nichte des Landgrafen |
Sopran |
VENUS |
Sopran |
Ein junger HIRT |
Sopran |
Vier Edelknaben (Sopran und Alt).
Thüringische Ritter. Grafen und Edelleute.
Edelfrauen. Edelknaben.
Ältere und jüngere Pilger.
Sirenen. Najaden. Nymphen. Amoretten. Bacchantinnen. Satyren und Faunen.
Thüringen, Wartburg. Im Anfange des 13. Jahrhunderts.
Erster Aufzug: Das Innere des Hörselberges bei Eisenach; ein Tal vor der Wartburg.
Zweiter Aufzug: Auf der Wartburg.
Dritter Aufzug: Tal vor der Wartburg.
Das Innere des Venusberges. Weite Grotte.
Die ganze Grotte ist durch rosiges Licht erleuchtet.
Venus. Tannhäuser. Najaden. Sirenen. Nymphen. Liebende Paare.
Die Bühne stellt das Innere des Venusberges dar. Weite Grotte, welche sich im Hintergrunde durch eine Biegung nach rechts wie unabsehbar dahinzieht. Im fernsten sichtbaren Hintergrunde dehnt sich ein bläulicher See aus; in ihm erblickt man die badenden Gestalten von Najaden; auf seinen erhöhten Ufervorsprüngen sind Sirenen gelagert. Im äußersten Vordergrunde links liegt Venus auf einem Lager ausgestreckt, vor ihr halb kniend Tannhäuser, das Haupt in ihrem Schoße. Die ganze Grotte ist durch rosiges Licht erleuchtet. Den Mittelgrund nimmt eine Gruppe tanzender Nymphen ein; auf etwas erhöhten Vorsprüngen an den Seiten der Grotte sind liebende Paare gelagert, von denen sich einzelne nach und nach in den Tanz der Nymphen mischen.
Ein Zug von Bacchantinnen kommt aus dem Hintergrunde in wildem Tanze dahergebraust; sie durchziehen mit trunkenen Gebärden die Gruppen der Nymphen und liebenden Paare, welche durch sie bald zu größerem Ungestüm hingerissen werden.
Dem immer wilder gewordenen Tanze antwortet, wie im Echo, der Gesang der Sirenen.
SIRENEN
Naht euch dem Strande!
(Die Tanzenden halten in der leidenschaftlichsten Gruppe plötzlich an und lauschen dem Gesange.)
Naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erwarmen
still' eure Triebe!
(Von neuem belebt sich der Tanz und gelangt zu dem äußersten Grade wilden Ungestüms.)
(Mit dem Momente der trunkensten bacchantischen Wut tritt eine schnell um sich greifende Erschlaffung ein. Die liebenden Paare scheiden sich nach und nach vom Tanze aus und lagern sich wie in angenehmer Ermattung auf den Vorsprüngen der Grotte.)
Der Zug der Bacchantinnen verschwindet nach dem Hintergrunde zu, vor welchem sich ein immer dichter werdender Duft ausbreitet. Auch im Vordergrunde senkt sich allmählich ein dichterer Duft herab und verhüllt die Gruppen der Schlafenden wie in rosige Wolken, so daß endlich der sichtbare Teil der freigelassenen Bühne sich nur noch auf einen kleinen Raum beschränkt, in welchem bloß Venus und Tannhäuser in ihrer früheren Stellung zurückbleiben.
SIRENEN
(in weiter Ferne)
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!
Venus. Tannhäuser.
(Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem Traume auf. Venus zieht ihn schmeichelnd zurück. Tannhäuser führt die Hand über die Augen, als suche er ein Traumbild festzuhalten.)
VENUS
Geliebter, sag’, wo weilt dein Sinn?
TANNHÄUSER
(schnell)
Zuviel! Zuviel!
(langsamer und leise)
O, daß ich nun erwachte!
VENUS
Sag’, was kümmert dich?
TANNHÄUSER
Im Traum war mir’s, als hörte ich
was meinem Ohr so lange fremd
als hörte ich der Glocken frohes Geläute!
O, sag’! Wie lange hört’ ich’s doch nicht mehr?
VENUS
Wohin verlierst du dich? Was faßt dich an?
(Sie führt ihre Hand sanft über seine Stirn.)
TANNHÄUSER
Die Zeit, die ich hier verweil’,
ich kann sie nicht ermessen! -
Tage, Monde gibt’s für mich
nicht mehr; denn nicht mehr sehe ich die Sonne,
nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne;
(weich)
den Halm seh’ ich nicht mehr, der frisch ergrünend
den neuen Sommer bringt; - die Nachtigall
hör’ ich nicht mehr, die mir den Lenz verkünde.
(lebhaft)
Hör’ ich sie nie, seh’ ich sie niemals mehr?
VENUS
(mit ruhiger Verwunderung)
Ha! Was vernehm’ ich?
Welch tör’ge Klagen!
Bist du so bald der holden Wunder müde,
die meine Liebe dir bereitet? - Oder
wie? Reut es dich so sehr, ein Gott zu sein?
Hast du so bald vergessen, wie du einst
gelitten, während jetzt du dich erfreust?
Mein Sänger, auf! Ergreife deine Harfe!
Die Liebe feire, die so herrlich du besingst,
daß du der Liebe Göttin selber dir gewannst!
Die Liebe feire, da ihr höchster Preis dir ward!
TANNHÄUSER
(zu einem plötzlichen Entschlusse ermannt, ergreift seine Harfe und stellt sich feierlich vor Venus hin)
Dir töne Lob! Die Wunder sei’n gepriesen
die deine Macht mir Glücklichem erschuf!
Die Wonnen süß, die deiner Huld entsprießen,
erheb’ mein Lied in lautem Jubelruf!
Nach Freude, ach! nach herrlichem Genießen
verlangt’ mein Herz, es dürstete mein Sinn:
da, was nur Göttern einstens du erwiesen,
gab deine Gunst mir Sterblichem dahin. -
Doch sterblich, ach! bin ich geblieben,
und übergroß ist mir dein Lieben;
wenn stets ein Gott genießen kann,
bin ich dem Wechsel untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn’ ich mich nach Schmerzen!
Aus deinem Reiche muß ich fliehn, -
o, Königin, Göttin! Laß mich ziehn!
VENUS
(wie aus einem Traume erwachend)
Was muß ich hören! Welch ein Sang!
Welch trübem Ton verfällt dein Lied?
Wohin floh die Begeist’rung dir,
die Wonnesang dir nur gebot?
Was ist’s? Worin war meine Liebe lässig?
Geliebter, wessen klagest du mich an?
TANNHÄUSER
Dank deiner Huld! Gepriesen sei dein Lieben!
Beglückt für immer, wer bei dir geweilt!
Ewig beneidet, wer mit warmen Trieben
in deinen Armen Götterglut geteilt!
Entzückend sind die Wunder deines Reiches,
die Zauber aller Wonnen atm’ ich hier;
kein Land der weiten Erde bietet Gleiches,
was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir.
Doch ich aus diesen ros’gen Düften
verlange nach des Waldes Lüften,
nach unsres Himmels klarem Blau,
nach unsrem frischen Grün der Au,
nach unsrer Vöglein lieben Sange,
nach unsrer Glocken trautem Klange:
aus deinem Reiche muß ich fliehn!
O Königin, Göttin! Laß mich ziehn!
VENUS
(leidenschaftlich von ihrem Lager aufspringend)
Treuloser! Weh! Was lässest du mich hören?
Du wagtest meine Liebe zu verhöhnen?
Du preisest sie, und willst sie dennoch fliehn?
Zum Überdruß ist dir mein Reiz gediehn?
TANNHÄUSER
O schöne Göttin! Wolle mir nicht zürnen!
VENUS
Zum Überdruß ist dir mein Reiz gediehn?
TANNHÄUSER
Dein übergroßer Reiz ist’s, den ich fliehe.
Zusammen
VENUS
Weh dir! Verräter! Heuchler!
Undankbarer! Weh!
Ich lass’ dich nicht!
Du darfst von mir nicht ziehn!
Ah!
TANNHÄUSER
Nie war mein Lieben größer,
niemals wahrerals jetzt,
da ich für ewig dich muß fliehn!
(Venus hat sich mit heftiger Gebärde, ihr Gesicht in den Händen bergend, abgewandt. Nach einem Schweigen wendet sie es lächelnd und mit verführerischem Ausdrucke Tannhäuser wieder zu: Auf ihren Wink erscheint eine zauberische Grotte, auf welche sie deutet.)
VENUS
Geliebter, komm! Sieh dort die Grotte!
von ros’gen Düften mild durchwallt!
Entzücken böt’ selbst einem Gotte
der süß’sten Freuden Aufenthalt!
Besänftigt auf dem weichsten Pfühle
flieh’ deine Glieder jeder Schmerz;
dein brennend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durchschwelle dein Herz.
Aus holder Ferne mahnen süße Klänge,
daß dich mein Arm in trauter Näh’ umschlänge;
von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank,
aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank.
Ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier laß uns froh begehen!
Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn, -
nein! - mit der Liebe Göttin schwelge im Verein.
Zusammen
SIRENEN
(aus weiter Ferne, unsichtbar)
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!
VENUS
(Tannhäuser sanft nach sich ziehend)
Mein Ritter! Mein Geliebter!
Willst du fliehn?
TANNHÄUSER
(auf das Äußerste hingerissen, greift mit trunkener Gebärde in die Harfe)
Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen,
gesungen laut sei nur dein Preis von mir!
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Die Glut, die du mir in das Herz gegossen,
als Flamme lodre hell sie dir allein!
Ja, gegen alle Welt will unverdrossen
fortan ich nun dein kühner Streiter sein!
(Er läßt die Harfe sinken.)
Doch hin muß ich zur Welt der Erden,
bei dir kann ich nur Sklave werden;
nach Freiheit doch verlangt es mich,
nach Freiheit, Freiheit dürste ich;
zu Kampf und Streite will ich stehen,
sei’s auch auf Tod und Untergehen!
(entschlossen)
Drum muß aus deinem Reich ich fliehn!
O Königin, Göttin! Laß mich ziehn!
VENUS
(im heftigsten Zorne)
Zieh’ hin, Wahnbetörter, zieh’ hin!
Verräter, sieh, nicht halt’ ich dich!
Ich geb’ dich frei!
Zieh’ hin! Zieh’ hin!
Was du verlangst, das sei dein Los!
Zieh hin! Zieh hin!
Hin zu den kalten Menschen flieh,
vor deren blödem, trübem Wahn
der Freude Götter wir entflohn
tief in der Erde wärmenden Schoß.
Zieh’ hin, Betörter! Suche dein Heil,
suche dein Heil - und find’ es nie!
Bald weicht der Stolz aus deiner Seel’ -
demütig seh’ ich dich mir nahn.
Zerknirscht, zertreten suchst du mich auf,
flehst um die Zauber meiner Macht!
TANNHÄUSER
Ach, schöne Göttin, lebe wohl!
Nie kehre ich zu dir zurück!
VENUS
Ha! kehrtest du mir nie zurück!
(verzweiflungsvoll)
Kehrst du nicht wieder, ha! So sei verfluchet
von mir das ganze menschliche Geschlecht!
Nach meinen Wundern dann vergebens suchet!
Die Welt sei öde, und ihr Held ein Knecht!
Kehr’ wieder, kehre mir zurück!
TANNHÄUSER
Nie mehr erfreu’ mich Liebesglück!
VENUS
Kehr’ wieder, wenn dein Herz dich zieht!
TANNHÄUSER
Für ewig dein Geliebter flieht!
VENUS
Wenn alle Welt dich von sich stößt?
TANNHÄUSER
Vom Bann werd’ ich durch Buß’ erlöst!
VENUS
Nie wird Vergebung dir zu Teil!
Kehr’ wieder, schließt sich dir das Heil!
TANNHÄUSER
Mein Heil! Mein Heil ruht in Maria!
(Venus sinkt mit einem Schrei zusammen und verschwindet. Mit Blitzesschnelle verwandelt sich die Bühne.)
Tannhäuser. Ein junger Hirt. Pilger.
Tannhäuser, der seine Stellung nicht verlassen, befindet sich plötzlich in ein schönes Tal versetzt.
Blauer Himmel, heitere Sonnenbeleuchtung. Rechts im Hintergrunde die Wartburg, links in größerer Ferne der Hörselberg. Rechter Hand führt auf der halben Höhe des Tales ein Bergweg nach dem Vordergrunde zu, wo er dann seitwärts abbiegt; in demselben Vordergrund ist ein Muttergottesbild, zu welchem ein niedriger Bergvorsprung hinaufführt. Von der Höhe links vernimmt man das Geläute von Herdeglocken; auf einem hohen Vorsprunge sitzt ein junger Hirt mit der Schalmei und singt.
HIRT
Frau Holda kam aus dem Berg hervor,
zu ziehen durch Fluren und Auen;
gar süßen Klang vernahm da mein Ohr,
mein Auge begehrte zu schauen;
da träumt’ ich manchen holden Traum,
und als mein Aug’ erschlossen kaum,
da strahlte warm die Sonnen,
der Mai, der Mai war kommen.
Nun spiel’ ich lustig die Schalmei,
der Mai ist da, der liebe Mai!
(Er spielt auf der Schalmei. Man hört den Gesang der älteren Pilger, welche, von der Richtung der Wartburg herkommend, auf dem Bergweg sich nähern.)
GESANG DER ÄLTEREN PILGER
Zu dir wall’ ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sei Jungfrau, süß und rein!
Der Wallfahrt wolle günstig sein!
Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen;
drum will ich auch nicht Ruh’ noch Rast,
und wähle gern mir Müh’ und Plagen.
Am hohen Fest der Gnad’ und Huld
in Demut büß’ ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu,
er wird erlöst durch Buß’ und Reu’.
(Der Hirt, der fortwährend auf der Schalmei gespielt hat, hält ein, als der Zug der Pilger auf der Höhe ihm gegenüber ankommt.)
HIRT
(als die Pilger auf der ihm gegenüberliegenden Höhe angelangt sind, ruft ihnen, die Mütze schwenkend, laut zu)
Glückauf! Glückauf nach Rom!
Betet für meine arme Seele!
(Tannhäuser der in der Mitte der Bühne wie festgewurzelt gestanden, sinkt heftig erschüttert auf die Knie.)
TANNHÄUSER
Allmächt’ger, dir sei Preis!
Groß sind die Wunder deiner Gnade!
(Der Zug der Pilger biegt auf dem Bergweg bei dem Mutter-Gottesbilde links ab und verläßt so die Bühne. - Der Hirt entfernt sich ebenfalls mit der Schalmei rechts von der Höhe; man hört den Gesang der Pilger und die Herdeglocken immer entfernter.)
PILGERGESANG
Zu dir wall’ ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sei Jungfrau, süß und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!
TANNHÄUSER
(auf den Knien, wie in brünstiges Gebet versunken)
Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen;
drum will ich auch nicht Ruh’ noch Rast,
und wähle gern mir Müh’ und Plagen.
(Tränen ersticken seine Stimme, er neigt das Haupt tief zur Erde und scheint heftig zu weinen. Man hört in weiter Ferne den Pilgergesang fortsetzen bis zum letzten Verhallen.)
PILGERGESANG
(sehr entfernt)
Am hohen Fest der Gnad’ und Huld
in Demut büß’ ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu!
(Während sich aus dem tiefsten Hintergrunde, wie von Eisenach herkommend, das Geläute von Kirchenglocken vernehmen läßt. Als auch dieses schweigt, hört man von links immer näherkommende Hornrufe.)
Tannhäuser. Der Landgraf und die Sänger.
Von der Anhöhe links herab aus einem Waldwege treten der Landgraf und die Sänger, in Jägertracht, einzeln auf.
(Im Verlaufe der Szene findet sich der ganze Jagdtroß des Landgrafen nach und nach auf der Bühne ein.)
LANDGRAF
(auf halber Höhe, Tannhäuser erblickend)
Wer ist der dort in brünstigem Gebete?
WALTHER
Ein Büßer wohl.
BITEROLF
Nach seiner Tracht ein Ritter.
WOLFRAM
SÄNGER UND LANDGRAF
Heinrich! Heinrich! Seh’ ich recht?
(Tannhäuser, der überrascht schnell aufgefahren ist, faßt sich und verneigt sich stumm gegen den Landgrafen, nachdem er einen flüchtigen Blick auf ihn und die Sänger geworfen.)
LANDGRAF
Du bist es wirklich? Kehrest in den Kreis
zurück, den du in Hochmut stolz verließest?
BITEROLF
Sag’, was uns deine Wiederkehr bedeutet?
DIE SÄNGER
Sag es an!
BITEROLF
Versöhnung? Oder gilt’s erneutem Kampf?
WALTHER
Nahst du als Freund uns oder Feind?
DIE ANDEREN SÄNGER
(außer Wolfram)
Als Feind?
WOLFRAM
WOLFRAM
WALTHER
Willkommen, wenn du friedlich nahst!
BITEROLF
Gegrüßt, wenn du uns Freunde nennst!
ALLE SÄNGER
Gegrüßt! Gegrüßt! Gegrüßt sei uns!
LANDGRAF
So sei willkommen denn auch mir!
LANDGRAF
Sag’ an, wo weiltest du so lang’?
TANNHÄUSER
Ich wanderte in weiter, weiter Fern’, -
da, wo ich nimmer Rast noch Ruhe fand.
Fragt nicht! Zum Kampf mit euch kam ich nicht her.
Seid mir versöhnt, und laßt mich weiterziehn!
LANDGRAF
Nicht doch! Der Unsre bist du neu geworden.
WALTHER
Du darfst nicht ziehn.
BITEROLF
Wir lassen dich nicht fort.
SÄNGER UND LANDGRAF
Bleib bei uns!
TANNHÄUSER
Laßt mich! Mir frommet kein Verweilen,
SÄNGER UND LANDGRAF
O bleib’, o bleib!
TANNHÄUSER
Und nimmer kann ich rastend stehn!
SÄNGER UND LANDGRAF
O bleib’! Bei uns sollst du verweilen,
wir lassen dich nicht von uns gehn.
Zusammen
TANNHÄUSER
Mein Weg heißt mich nur vorwärts eilen,
und nimmer darf ich rückwärts sehn.
Nein, darf ich rückwärts
niemals, niemals sehn.
(sich losreißend)
Fort! Fort von hier! Laßt mich!
Fort! Fort von hier!
Fort, fort! Fort, fort!
SÄNGER UND LANDGRAF
Du suchtest uns, warum enteilen?
Nach solchem kurzen Wiedersehn?
Bleib bei uns! Bleib’, bleib bei uns!
Warum so schnell enteilen?
Bei uns verweile jetzt!
Bleib bei uns! Bleib’, bleib bei uns!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(heftig und freudig erschüttert, bleibt wie festgebannt stehen)
Elisabeth! O Macht des Himmels,
rufst du den süßen Namen mir?
WOLFRAM
LANDGRAF
Nenn’ ihm den Zauber, den er ausgeübt,
und Gott verleih’ ihm Tugend,
daß würdig er ihn löse!
WOLFRAM
Zusammen
DIE SÄNGER
Sei unser, Heinrich! Kehr’ uns wieder!
Zwietracht und Streit sei abgetan!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!
LANDGRAF
O kehr’ zurück, du kühner Sänger!
O kehr’ zurück! O kehr’ uns wieder!
Zwietracht und Streit sei abgetan!
TANNHÄUSER
(von heftiger Rührung ergriffen, stürzt sich in Wolframs Arme, begrüßt der Reihe nach herzlich jeden der Sänger und verneigt sich innig dankend vor dem Landgrafen.)
Zu ihr! Zu ihr! O, führet mich zu ihr!
Zusammen
LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Er kehrt zurück, den wir verloren!
Ein Wunder hat ihn hergebracht!
Die ihm den Übermut beschworen,
gepriesen sei die holde Macht!
Nun lausche unsren Hochgesängen
von neuem der Gepries’nen Ohr!
Es tön’ in frohbelebten Klängen
das Lied aus jeder Brust hervor!
TANNHÄUSER
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
Der Himmel blickt auf mich hernieder
die Fluren prangen reich geschmückt.
Der Lenz mit tausend holden Klängen
zog jubelnd in die Seele mir!
In süßem, ungestümem Drängen
ruft laut mein Herz: zu ihr, zu ihr!
(Der ganze Jagdtroß hat sich im Tale versammelt. Der Landgraf stößt in sein Horn: laute Hornrufe der Jäger und Rüdengebell antworten ihm. Während der Landgraf und die Sänger die Pferde, welche ihnen von der Wartburg her entgegengeführt worden sind, besteigen, fällt der Vorhang.)
Die Sängerhalle auf der Wartburg; nach hinten freie Aussicht auf den Burghof und das Tal.
Elisabeth.
(tritt freudig bewegt ein)
Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder,
froh grüß’ ich dich, geliebter Raum!
In dir erwachen seine Lieder
und wecken mich aus düstrem Traum.
Da er aus dir geschieden,
wie öd’ erschienst du mir!
Aus mir entfloh der Frieden,
die Freude zog aus dir.
Wie jetzt mein Busen hoch sich hebet,
so scheinst du jetzt mir stolz und hehr;
der dich und mich so neu belebet,
nicht länger weilt er ferne mehr.
Sei mir gegrüßt! Sei mir gegrüßt!
Du teure Halle, sei mir gegrüßt!
(Tannhäuser, von Wolfram geleitet, tritt mit diesem aus der Treppe im Hintergrunde auf.)
Elisabeth. Tannhäuser. Wolfram.
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(stürzt ungestüm zu Elisabeths Füßen)
O Fürstin!
ELISABETH
(in schüchterner Verwirrung)
Gott! Stehet auf! Laßt mich!
Nicht darf ich Euch hier sehn!
(Sie macht eine Bewegung sich zu entfernen.)
TANNHÄUSER
Du darfst! O bleib’ und lass’ zu deinen Füßen mich!
ELISABETH
(sich freundlich zu ihm wendend)
So stehet auf!
Nicht sollt hier Ihr knien, denn diese Halle
ist Euer Königreich.
O, stehet auf!
Nehmt meinen Dank, daß Ihr zurückgekehrt!
ELISABETH
Wo weiltet Ihr so lange?
TANNHÄUSER
(sich langsam erhebend)
Fern von hier, in weiten, weiten Landen.
Dichtes Vergessen hat zwischen
heut und gestern sich gesenkt.
All mein Erinnern ist mir schnell geschwunden,
und nur des einen muß ich mich entsinnen,
daß nie mehr ich gehofft Euch zu begrüßen,
noch je zu Euch mein Auge zu erheben.
ELISABETH
Was war es dann, das Euch zurückgeführt?
TANNHÄUSER
Ein Wunder war’s,
ein unbegreiflich hohes Wunder!
ELISABETH
(freudig aufwallend)
Ich preise dieses Wunder aus meines Herzens Tiefe!
(sich mäßigend, - in Verwirrung)
Verzeiht, wenn ich nicht weiß, was ich beginne!
Im Traum bin ich, und tör’ger als ein Kind,
machtlos der Macht der Wunder preisgegeben.
Fast kenn’ ich mich nicht mehr; o, helfet mir,
daß ich das Rätsel meines Herzens löse!
Der Sänger klugen Weisen
lauscht’ ich sonst wohl gern und viel;
ihr Singen und ihr Preisen
schien mir ein holdes Spiel.
Doch welch ein seltsam neues Leben
rief Euer Lied mir in die Brust!
Bald wollt’ es mich wie Schmerz durchbeben,
bald drang’s in mich wie jähe Lust;
Gefühle, die ich nie empfunden, -
verlangen, das ich nie gekannt!
Was einst mir lieblich, war verschwunden
vor Wonnen, die noch nie genannt!
Und als Ihr nun von uns gegangen,
war Frieden mir und Lust dahin;
die Weisen, die die Sänger sangen,
erschienen matt mir, trüb’ ihr Sinn;
im Traume fühlt’ ich dumpfe Schmerzen,
mein Wachen ward trübsel’ger Wahn:
die Freude zog aus meinem Herzen.
Heinrich! Heinrich! Was tatet Ihr mir an?
TANNHÄUSER
(begeistert)
Den Gott der Liebe sollst du preisen!
Er hat die Saiten mir berührt,
er sprach zu dir aus meinen Weisen,
zu dir hat er mich hergeführt!
Zusammen
ELISABETH
Gepriesen sei die Stunde,
gepriesen sei die Macht,
die mir so holde Kunde,
von Euer Näh’ gebracht!
Von Wonneglanz umgeben
lacht mir der Sonne Schein;
erwacht zu neuem Leben,
nenn’ ich die Freude mein!
TANNHÄUSER
Gepriesen sei die Stunde,
gepriesen sei die Macht,
die mir so holde Kunde,
aus deinem Mund gebracht.
Dem neu erkannten Leben
darf ich mich mutig weihn;
ich nenn’ in freud’gem Beben
sein schönstes Wunder mein!
WOLFRAM
(Tannhäuser trennt sich von Elisabeth; er geht auf Wolfram zu, umarmt ihn heftig und entfernt sich mit ihm durch die Treppe. Elisabeth blickt Tannhäuser vom Balkon aus nach.)
Elisabeth. Der Landgraf.
Der Landgraf tritt aus einer Seitentüre Elisabeth eilt auf ihn zu und birgt ihr Gesicht an seiner Brust.
LANDGRAF
Dich treff’ ich hier in dieser Halle,
die so lange du gemieden?
Endlich denn lockt dich ein Sängerfest,
das wir bereiten?
ELISABETH
Mein Oheim! O, mein güt’ger Vater!
LANDGRAF
Drängt es dich,
dein Herz mir endlich zu erschließen?
ELISABETH
Sieh mir ins Auge! Sprechen kann ich nicht.
LANDGRAF
Noch bleibe denn unausgesprochen
dein süß Geheimnis kurze Frist;
der Zauber bleibe ungebrochen,
bis du der Lösung mächtig bist.
So sei’s! Was der Gesang so Wunderbares
erweckt und angeregt, soll heute er
enthüllen und mit Vollendung krönen;
die holde Kunst, sie werde jetzt zur Tat!
(Man hört Trompeten.)
Schon nahen sich die Edlen meiner Lande,
die ich zum seltnen Fest hieher beschied;
zahlreicher nahen sie als je, da sie gehört,
daß du des Festes Fürstin seist.
Trompeten. Der Landgraf und Elisabeth treten an den Balkon, um nach der Ankunft der Gäste zu sehen.
Vier Edelknaben treten auf und melden an. Sie erhalten vom Landgrafen Befehl für den Empfang usw.
Grafen, Ritter und Edelfrauen in reichem Schmucke werden durch Edelknaben eingeführt. Der Landgraf mit Elisabeth empfängt und begrüßt sie.
CHOR
Freudig begrüßen wir die edle Halle,
wo Kunst und Frieden immer nur verweil’,
wo lange noch der frohe Ruf erschalle:
Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann, Heil!
(Die Ritter und Frauen haben die von den Edelknaben ihnen angewiesenen, in einem weiten Halbkreise erhöhten Plätze eingenommen. Der Landgraf und Elisabeth nehmen im Vordergrunde unter einem Baldachin Ehrensitze ein.)
Trompeten. Die Sänger treten auf und verneigen sich feierlich mit Ritterlichem Gruße gegen die Versammlung; darauf nehmen sie in der leergelassenen Mitte des Saales die in einem engeren Halbkreise für sie bestimmten Sitze ein. Tannhäuser im Mittelgrunde rechts. Wolfram am entgegengesetzten Ende links, der Versammlung gegenüber.
LANDGRAF
(erhebt sich)
Gar viel und schön ward hier in dieser Halle
von euch, ihr lieben Sänger, schon gesungen;
in weisen Rätseln wie in heitren Liedern
erfreutet ihr gleich sinnig unser Herz. -
Wenn unser Schwert in blutig ernsten Kämpfen
stritt für des deutschen Reiches Majestät,
wenn wir den grimmen Welfen widerstanden
und dem verderbenvollen Zwiespalt wehrten:
so ward von euch nicht mindrer Preis errungen.
Der Anmut und der holden Sitte,
der Tugend und dem reinen Glauben
erstrittet ihr durch eure Kunst
gar hohen, herrlich schönen Sieg.
Bereitet heute uns denn auch ein Fest,
heut, wo der kühne Sänger uns zurückgekehrt,
den wir so ungern lang’ vermißten.
Was wieder ihn in unsre Nähe brachte,
ein wunderbar Geheimnis dünkt es mich;
durch Liedes Kunst sollt ihr es uns enthüllen,
deshalb stell’ ich die Frage jetzt an euch:
könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen?
Wer es vermag, wer sie am würdigsten besingt,
dem reich’ Elisabeth den Preis;
er fordre ihn so hoch und kühn er wolle,
ich sorge, daß sie ihn gewähren solle. -
Auf, liebe Sänger! Greifet in die Saiten!
Die Aufgab’ ist gestellt, kämpft um den Preis,
und nehmet all im voraus unsren Dank!
(Trompeten.)
CHOR DER RITTER UND EDELFRAUEN
Heil! Heil! Thüringens Fürsten Heil!
Der holden Kunst Beschützer Heil!
(Alle setzen sich. Vier Edelknaben treten vor, sammeln in einem goldenen Becher von jedem der Sänger seinen auf ein zusammengerolltes Blättchen geschriebenen Namen ein; darauf reichen sie den Becher Elisabeth, welche eines der Blättchen herauszieht und es den Edelknaben reicht. Diese lesen, treten feierlich in die Mitte und rufen.)
VIER EDELKNABEN
Wolfram von Eschinbach beginne!
(Sie setzen sich zu Füßen des Landgrafen und Elisabeths nieder. Wolfram erhebt sich. Tannhäuser stützt sichauf seine Harfe und scheint sich in Träumereien zu verlieren.)
Der Sängerkrieg.
WOLFRAM
RITTER UND FRAUEN
(in beifälliger Bewegung)
So ist’s! So ist’s! So ist’s!
Gepriesen sei dein Lied!
TANNHÄUSER
(der gegen das Ende von Wolframs Gesange wie aus dem Traume auffuhr, erhebt sich schnell)
Auch ich darf mich so glücklich nennen
zu schau’n, was, Wolfram, du geschaut!
Wer sollte nicht den Bronnen kennen?
Hör’, seine Tugend preis’ ich laut! -
Doch ohne Sehnsucht heiß zu fühlen
ich seinem Quell nicht nahen kann,
des Durstes Brennen muß ich kühlen,
getrost leg’ ich die Lippen an:
in vollen Zügen trink’ ich Wonnen,
in die kein Zagen je sich mischt,
denn unversiegbar ist der Bronnen,
wie mein Verlangen nie erlischt.
So, daß mein Sehnen ewig brenne,
lab’ an dem Quell ich ewig mich.
Und wisse, Wolfram, so erkenne
der Liebe wahrstes Wesen ich!
(Er setzt sich.)
(Elisabeth macht eine Bewegung, ihren Beifall zu bezeigen; da aber alle Zuhörer in ernstem Schweigen verharren, hält sie sich schüchtern zurück.)
WALTHER
(erhebt sich)
Den Bronnen, den uns Wolfram nannte,
ihn schaut auch meines Geistes Licht:
doch, der in Durst für ihn entbrannte,
du, Heinrich, kennst ihn wahrlich nicht.
Laß dir denn sagen, laß dich lehren:
der Bronnen ist die Tugend wahr,
du sollst in Inbrunst ihn verehren
und opfern seinem holden Klar.
Legst du an seinen Quell die Lippen,
zu kühlen frevle Leidenschaft,
ja, wolltest du am Rand nur nippen,
wich’ ewig ihm die Wunderkraft!
Willst du Erquickung aus dem Bronnen haben,
mußt du dein Herz, nicht deinen Gaumen laben.
(Er setzt sich.)
DIE ZUHÖRER
(in lautem Beifall)
Heil! Heil! Heil, Walter! Preis sei deinem Liede!
TANNHÄUSER
(sich heftig erhebend)
O Walter, der du also sangest,
du hast die Liebe arg entstellt!
Wenn du in solchem Schmachten bangest,
versiegte wahrlich wohl die Welt.
Zu Gottes Preis in hoch erhab’ne Fernen,
blickt auf zum Himmel, blickt auf zu seinen Sternen!
Anbetung solchen Wundern zollt,
da ihr sie nicht begreifen sollt!
Doch was sich der Berührung beuget,
euch Herz und Sinnen nahe liegt,
was sich, aus gleichem Stoff erzeuget,
in weicher Formung an euch schmiegt, -
dem ziemt Genuß in freud’gem Triebe,
und im Genuß nur kenn’ ich Liebe!
(Große Aufregung unter den Zuhörern.)
BITEROLF
(erhebt sich schnell und zornig)
Heraus zum Kampfe mit uns allen!
Wer bliebe ruhig, hört er dich?
Wird deinem Hochmut es gefallen,
o höre, Lästrer, nun auch mich!
Wenn mich begeistert hohe Liebe,
stählt sie die Waffen mir mit Mut;
daß ewig ungeschmäht sie bliebe,
vergöss’ ich stolz mein letztes Blut.
Für Frauenehr’ und hohe Tugend
als Ritter kämpf’ ich mit dem Schwert;
doch, was Genuß beut’ deiner Jugend,
Ist wohlfeil, keines Streiches wert.
DIE ZUHÖRER
(in tobendem Beifalle)
Heil, Biterolf! Hier unser Schwert!
TANNHÄUSER
(in immer steigender Hitze aufspringend)
Ha, tör’ger Prahler, Biterolf!
Singst du von Liebe, grimmer Wolf?
Gewißlich hast du nicht gemeint,
was mir genießenswert erscheint.
Was hast du Ärmster wohl genossen?
Dein Leben war nicht liebereich,
und was von Freuden dir entsprossen,
das galt wohl wahrlich keinen Streich!
(Zunehmende Aufregung unter den Zuhörern.)
RITTER
(von verschiedenen Seiten)
Laßt ihn nicht enden! - Wehret seiner Kühnheit!
LANDGRAF
(zu Biterolf, der nach dem Schwerte greift)
Zurück das Schwert! Ihr Sänger, haltet Frieden!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(springt auf, in äußerster Verzückung)
Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen!
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Wer dich mit Glut in seine Arme geschlossen,
was Liebe ist, kennt der, nur der allein!
Armsel’ge, die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein!
(Allgemeiner Aufbruch und Entsetzen.)
LANDGRAF, SÄNGER, RITTER UND EDELFRAUEN
Ha, der Verruchte! Fliehet ihn!
Hört es! Er war im Venusberg!
EDELFRAUEN
Hinweg! Hinweg aus seiner Näh’!
(Alle Frauen verlassen in größter Bestürzung und mit Gebärden des Abscheus die Halle. Elisabeth, welche
dem Verlaufe des Streites in furchtbar wachsender Angst zugehört hatte, bleibt von den Frauen allein zurück, - bleich, nur mit dem größten Aufwand ihrer Kraft an einer der hölzernen Säulen des Baldachins sich aufrecht erhaltend. - Der Landgraf, alle Ritter und Sänger haben ihre Sitze verlassen und treten zusammen. Tannhäuser zur äußersten Linken verbleibt noch eine Zeitlang wie in Verzückung.)
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER
Ihr habt’s gehört! Sein frevler Mund
tat das Verbrechen schrecklich kund.
Er hat der Hölle Lust geteilt,
Im Venusberg hat er geweilt! -
Entsetzlich! Scheußlich! Fluchenswert!
In seinem Blute netzt das Schwert!
Zum Höllenpfuhl zurückgesandt,
sei er gefemt, sei er gebannt!
(Alle stürzen mit entblößten Schwertern auf Tannhäuser ein, welcher eine trotzige Stellung einnimmt.
Elisabeth wirft sich mit einem herzzerreißenden Schrei dazwischen und deckt Tannhäuser mit ihrem Leib.)
ELISABETH
Haltet ein!
(Bei ihrem Anblick halten alle in größter Betroffenheit an.)
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER
Was hör’ ich? (Was seh ich?) Wie, Elisabeth!
Die keusche Jungfrau für den Sünder?
ELISABETH
Zurück! Des Todes achte ich sonst nicht!
Was ist die Wunde eures Eisens gegen
den Todesstoß, den ich von ihm empfing?
LANDGRAF, RITTER, SÄNGER
Elisabeth! Was muß ich hören?
Wie ließ dein Herz dich so betören,
von dem die Strafe zu beschwören,
der doch so furchtbar dich verriet?
ELISABETH
Was liegt an mir? Doch er - sein Heil!
Wollt ihr sein ewig Heil ihm rauben?
LANDGRAF, RITTER, SÄNGER
Verworfen hat er jedes Hoffen,
niemals wird ihm des Heils Gewinn!
Des Himmels Fluch hat ihn getroffen!
In seinen Sünden fahr’ er hin!
(Sie dringen von neuem auf Tannhäuser ein.)
ELISABETH
Zurück von ihm! Nicht ihr seid seine Richter!
Grausame! Werft von euch das wilde Schwert!
Und gebt Gehör der reinen Jungfrau Wort!
Vernehmt durch mich, was Gottes Wille ist!
Der Unglücksel’ge, den gefangen
ein furchtbar mächt’ger Zauber hält,
wie? sollt’ er nie zum Heil gelangen
durch Sühn’ und Buß’ in dieser Welt?
Die ihr so stark im reinen Glauben,
verkennt ihr so des Höchsten Rat?
Wollt ihr des Sünders Hoffnung rauben,
so sagt, was euch er Leides tat?
Seht mich, die Jungfrau, deren Blüte
mit einem jähen Schlag er brach,
die ihn geliebt tief im Gemüte,
der jubelnd er das Herz zerstach!
Ich fleh’ für ihn, ich flehe für sein Leben,
zur Buße lenke er Reuevoll den Schritt!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
daß auch für ihn einst der Erlöser litt!
TANNHÄUSER
(nach und nach von der Höhe seiner Aufregung und seines Trotzes herabgesunken, durch Elisabeths Fürsprache auf das heftigste ergriffen, sinkt in Zerknirschung zusammen.)
Weh! Weh mir Unglücksel’gem!
LANDGRAF, RITTER UND SÄNGER
(allmählich beruhigt und gerührt)
Ein Engel stieg aus lichtem Äther,
zu künden Gottes heil’gen Rat.
Blick hin, du schändlicher Verräter,
werd inne deiner Missetat!
Du gabst ihr Tod, sie bittet für dein Leben;
wer bliebe rauh, hört er des Engels Flehn?
Darf ich auch nicht dem Schuldigen vergeben,
dem Himmelswort kann ich nicht widerstehn.
TANNHÄUSER
Zum Heil den Sündigen zu führen,
die Gottgesandte nahte mir;
doch, ach! Sie frevelnd zu berühren,
hob ich den Lästerblick zu ihr!
O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den Engel meines Heils gesandt,
erbarm’ dich mein, der ach! so tief in Sünden
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!
erbarm’ dich mein! Erbarm’ dich mein!
Ach, erbarm’ dich mein!
Zusammen
LANDGRAF, SÄNGER UND RITTER
Darf ich auch nicht dem Schuldigen vergeben,
dem Himmelswort kann ich nicht widerstehn.
Dem Himmelswort!
TANNHÄUSER
Erbarm’ dich mein! der ach! so tief in Sünden,
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!
Erbarm’ dich mein! Ah, erbarm’ dich mein!
ELISABETH
Ich fleh’ für ihn, ich flehe für sein Leben!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
daß auch für ihn einst der Erlöser litt!
Auch für ihn, auch für ihn!
LANDGRAF
(feierlich in die Mitte tretend)
Ein furchtbares Verbrechen ward begangen,
es stahl mit heuchlerischer Larve sich
zu uns der Sünde fluchbeladner Sohn. -
Wir stoßen dich von uns, bei uns darfst du
nicht weilen. Schmachbefleckt ist unser Herd
durch dich, und dräuend blickt der Himmel selbst
auf dieses Dach, das dich zu lang’ schon birgt.
Zur Rettung doch vor ewigem Verderben
steht offen dir ein Weg, von mir dich stoßend,
zeig’ ich ihn dir: - nütz’ ihn zu deinem Heil!
Versammelt sind aus meinem Landen
bußfert’ge Pilger, stark an Zahl;
die ältren schon voran sich wandten,
die jüngren rasten noch im Tal.
Nur um geringer Sünde willen
ihr Herz nicht Ruhe ihnen läßt,
der Buße frommen Drang zu stillen
ziehn sie nach Rom zum Gnadenfest.
LANDGRAF, SÄNGER UND RITTER
Mit ihnen sollst du wallen
zur Stadt der Gnadenhuld,
im Staub dort niederfallen
und büßen deine Schuld;
vor ihm stürz’ dich danieder,
der Gottes Urteil spricht!
Doch kehre nimmer wieder,
ward dir sein Segen nicht!
Mußt’ unsre Rache weichen,
weil sie ein Engel brach,
dies Schwert wird dich erreichen,
harrst du in Sünd’ und Schmach!
Zusammen
LANDGRAF, SÄNGER UND RITTER
Dies Schwert wird dich erreichen!
Mußt’ unsre Rache weichen,
weil sie ein Engel brach,
dies Schwert wird dich erreichen,
harrst du in Sünd’ und Schmach!
TANNHÄUSER
Wie soll ich Gnade finden?
Wie büßen meine Schuld?
Mein Heil sah ich entschwinden,
mich flieht des Himmels Huld.
Doch will ich büßend wallen,
zerschlagen meine Brust,
im Staube niederfallen;
Zerknirschung sei mir Lust:
O, daß nur er versöhnet,
der Engel meiner Not,
der sich, so frech von mir verhöhnet,
zum Opfer doch mir bot!
ELISABETH
Lass’ hin zu dir ihn wallen,
du Gott der Gnad’ und Huld!
Ihm, der so tief gefallen,
vergib der Sünden Schuld!
Für ihn nur will ich flehen,
mein Leben sei Gebet!
Lass’ ihn dein Leuchten sehen,
eh’ er in Nacht vergeht!
Mit freudigem Erbeben
lass’ dir ein Opfer weihn:
nimm hin, o nimm mein Leben!
Ich nenn’ es nicht mehr mein!
GESANG DER JÜNGEREN PILGER
(aus dem Tale heraufschallend)
Am hohen Fest der Gnad’ und Huld,
in Demut sühn’ ich meine Schuld!
Gesegnet, wer im Glauben treu!
Er wird erlöst durch Buß’ und Reu’.
(Alle haben unwillkürlich ihre Gebärden gemäßigt. Elisabeth, wie um Tannhäuser nochmals zu schützen, hatte sich den von neuem Andringenden entgegengestellt; sie verweist jetzt auf den verheißungsvollen Gesang der jungen Pilger.)
TANNHÄUSER
(hält plötzlich in den Bewegungen der leidenschaftlichsten Zerknirschung ein und lauscht dem Gesang. Ein jäher Hoffnungsstrahl leuchtet ihm; er stürzt sich mit krampfhafter Heftigkeit zu Elisabeths Füßen, küßt inbrünstig hastig den Saum ihres Gewandes und bricht dann vor ungeheurer Erregung taumelnd auf mit dem Rufe:)
Nach Rom!
(Er eilt ab.)
ALLE
(ihm nachrufend)
Nach Rom!
(Der Vorhang fällt schnell.)
Elisabeth. Wolfram. Die älteren Pilger.
Tal vor der Wartburg, links der Hörselberg, wie am Schlusse des ersten Aufzugs, nur in herbstlicher Färbung.
Ein Tag neigt sich zum Abend.
Auf dem kleinen Bergvorsprunge rechts, vor dem Marienbilde, liegt Elisabeth in brünstigem Gebete dahingestreckt.
Wolfram kommt links von der waldigen Höhe herab.
Auf halber Höhe hält er an, als er Elisabeth gewahrt.
WOLFRAM
(Als er tiefer in das Tal hinabsteigenwill, vernimmt er den Gesang der Pilger und hält an.)
Zusammen
GESANG DER ÄLTEREN PILGER
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen
Und grüßen froh deine lieblichen Auen;
Nun lass’ ich ruhn den Wanderstab,
Weil Gott getreu ich gepilgert hab’.
ELISABETH UND WOLFRAM
Elisabeth
(erhebt sich, dem Gesange lauschend)
Dies ist ihr Sang!
Wolfram
(während der Gesang sich langsam nähert)
Die Pilger sind’s,
Elisabeth
Sie sind's!
Wolfram
es ist die fromme Weise,
Die der empfangnen Gnade Heil verkündet.
Elisabeth
Sie kehren heim!
Beide
Elisabeth
Ihr Heil’gen, zeigt mir jetzt mein Amt,
daß ich mit Würde es erfülle!
Wolfram
O Himmel, stärke jetzt ihr Herz
für die Entscheidung ihres Lebens!
Die älteren Pilger mit dem Gesang anfangs aus der Ferne sich nähern, dann von dem Vordergrunde rechts her die Bühne erreichen und das Tal entlang der Wartburg zuziehen.
GESANG DER ÄLTEREN PILGER
Durch Sühn’ und Buß’ hab ich versöhnt
Den Herren, dem mein Herze frönt,
Der meine Reu’ mit Segen krönt,
Den Herren, dem mein Lied ertönt,
Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden,
Er geht einst ein in den Seligen Frieden!
Vor Höll’ und Tod ist ihm nicht bang’,
Drum preis’ ich Gott mein Lebenlang.
Halleluja in Ewigkeit!
Halleluja in Ewigkeit!
(Die älteren Pilger hinter dem Bergvorsprunge im Hintergrunde verschwinden.)
(Elisabeth hat von ihrem erhöhten Standpunkte herab mit größter Aufregung unter dem Zuge der Pilger nach Tannhäuser geforscht.
Der Gesang verhallt allmählich; die Sonne geht unter.)
ELISABETH
(in schmerzlicher, aber ruhiger Fassung)
Er kehret nicht zurück!
(Sie senkt sich mit großer Feierlichkeit auf die Knie.)
GESANG DER ÄLTEREN PILGER
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen,
und grüssen froh deine lieblichen Auen!
Nun lass ich ruhn den Wanderstab!
ELISABETH
Allmächt’ge Jungfrau, hör’ mein Flehen!
Zu dir, Gepries’ne, rufe ich!
Lass mich im Staub vor dir vergehen,
o nimm von dieser Erde mich!
Mach, daß ich rein und engelgleich
Eingehe in dein selig’ Reich!
Wenn je, in tör’gem Wahn befangen,
Mein Herz sich abgewandt von dir,
Wenn je ein sündiges Verlangen,
Ein weltlich Sehnen keimt’ in mir, -
so rang ich unter tausend Schmerzen,
daß ich es töt' in meinem Herzen!
Doch, konnt’ ich jeden Fehl nicht büßen,
so nimm dich gnädig meiner an!
Daß ich mit demutvollem Grüßen,
als würd’ge Magd dir nahen kann,
um deiner Gnaden reichste Huld
nur anzuflehn für seine Schuld!
(Sie verbleibt eine Zeitlang wie in andächtiger Entrücktheit; als sie sich dann langsam erhebt, erblickt sie Wolfram, welcher sich genähert und sie mit inniger Rührung beobachtet hat. Als er sie anreden zu wollen scheint, bittet sie ihn durch eine Gebärde, nicht mit ihr zu sprechen.)
WOLFRAM
(Elisabeth drückt ihm abermals durch Gebärde aus: sie danke ihm und seiner treuen Liebe aus vollem Herzen; ihr Weg führe sie aber gen Himmel, wo sie ein hohes Amt zu verrichten habe; er solle sie daher ungeleitet gehen lassen, ihr auch nicht folgen. Sie geht langsam auf dem Bergwege, auf welchem sie noch lange in der Entfernung gesehen wird, der Wartburg zu.)
Wolfram allein.
(Wolfram ist zurückgeblieben; er hat Elisabeth lange nachgesehen, setzt sich links am Fuße des Talhügels nieder, ergreift die Harfe, und beginnt nach einem Vorspiele.)
Tannhäuser. Wolfram. Später Venus, Walter, der Schreiber, Biterolf, Reinmar, der Landgraf, Pilger und Edle.
Es ist gänzlich Nacht geworden. Tannhäuser tritt auf. Er trägt zerrissene Pilgerkleidung, sein Antlitz ist bleich und entstellt; er wankt matten Schrittes an seinem Stabe gestützt.
TANNHÄUSER
Ich hörte Harfenschlag,
wie klang er traurig!
Der kam wohl nicht von ihr!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Wer ich bin? Kenn’ ich doch dich recht gut!
Wolfram bist du,
(höhnisch)
der wohlgeübte Sänger!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Sei außer Sorg’, mein guter Sänger!
Nicht such’ ich dich, noch deiner Sippschaft Einen. -
(mit unheimlicher Lüsternheit)
Doch such’ ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand. -
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Den Weg zum Venusberg!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Kennst du wohl den Weg?
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(wütend)
Schweig’ mir von Rom!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Schweig’ mir von ihm!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(nach einer Pause, wie sich besinnend, mit schmerzlichem Ingrimm)
Wohl war auch ich in Rom...
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(nachdem er Wolfram lange mit gerührter Bewunderung betrachtet hat)
Wie sagst du, Wolfram? Bist du nicht mein Feind?
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Nun denn! Hör’ an! Du, Wolfram, du sollst es erfahren.
(Er läßt sich erschöpft am Fuße des vorderen Bergvorsprunges nieder. Wolfram will sich an seiner Seite niedersetzen.)
Zurück von mir! Die Stätte, wo ich raste,
Ist verflucht!
Hör’ an, Wolfram, hör’ an!
(Wolfram bleibt in geringer Entfernung vor Tannhäuser stehen.)
Inbrunst im Herzen, wie kein Büßer noch
sie je gefühlt, sucht’ ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem Übermütigen entwunden;
für ihn wollt’ ich in Demut büßen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüßen,
die er mir Sünder einst geweint!
Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger
die Straße wallt’, erschien mir allzu leicht -
betrat sein Fuß den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht’ ich Dorn und Stein;
ließ Labung er am Quell den Mund genießen,
sog ich der Sonne heißes Glühen ein;
wenn fromm zum Himmel er Gebete schickte,
vergoß mein Blut ich zu des Höchsten Preis;
als im Hospiz der Müde sich erquickte,
die Glieder bettet’ ich in Schnee und Eis;
verschloss’nen Aug’s, ihr Wunder nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen.
Ich tat’s, denn in Zerknirschung wollt’ ich büßen,
Um meines Engels Tränen zu versüßen!
Nach Rom gelangt’ ich so zur heil’gen Stelle,
lag betend auf des Heiligtumes Schwelle;
der Tag brach an; da läuteten die Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt’ es auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad’ und Heil verhießen sie der Menge.
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all Volk im Staub sich niederließ.
Und Tausenden er Gnade gab, ensündigt
er Tausende sich froh erheben hieß.
Da naht’ auch ich; das Haupt gebeugt zur Erde,
klagt’ ich mich an mit jammernder Gebärde
der bösen Lust, die meine Sinn’ empfanden,
des Sehnens, das kein Büßen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heißen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt.
Und er, den so ich bat, hub an:
"Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt:
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heißem Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!"
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir... Als ich erwacht,
auf ödem Platze lagerte die Nacht,
von fern her tönten frohe Gnadenlieder.
Da ekelte mich der holde Sang!
Von der Verheißung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,
trieb Grauen mich hinweg mit wildem Schritt!
Dahin zog’s mich, wo ich der Wonn’ und Lust
so viel genoß, an ihre warme Brust!
(In grauenhafter Begeisterung)
Zu dir, Frau Venus, kehr’ ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig’ ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!
Zusammen
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Ach, laß mich nicht vergebens suchen!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Wie leicht fand ich doch einstens dich!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Du hörst, daß mir die Menschen fluchen,
nun, süße Göttin, leite mich!
(Finstere Nacht; leichte Nebel verhüllen allmählich die Szene.)
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Ha! fühltest du nicht milde Lüfte?
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Und atmest du nicht holde Düfte?
(Die Nebel beginnen in rosiger Dämmerung zu erglühen.)
TANNHÄUSER
Hörst du nicht die jubelnden Klänge?
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(immer aufgeregter, je näher der Zauber kommt)
Das ist der Nymphen tanzende Menge!
Herbei! Herbei!
Herbei, herbei zu Wonn und Lust!
(Wirre Bewegungen tanzender Gestalten werden erkennbar.)
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Entzücken dringt durch alle Sinne,
Gewahr ich diesen Dämmerschein!
Dies ist das Zauberreich der Minne,
(außer sich)
Im Venusberg drangen wir ein!
In heller, rosiger Beleuchtung wird Venus, auf einem Lager ruhend, sichtbar.
VENUS
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich die Welt mit Acht und Bann?
Und findest nirgends du Erbarmen,
suchst Liebe du in meinen Armen?
Zusammen
TANNHÄUSER
Frau Venus, o, Erbarmungsreiche!
Zu dir, zu dir zieht es mich hin!
WOLFRAM
VENUS
Nahst du dich wieder meiner Schwelle,
sei dir dein Übermut verziehn;
ewig fließe dir der Freuden Quelle,
und nimmer sollst du von mir fliehn!
Zusammen
TANNHÄUSER
(indem er sich in wilder Entschlossenheit von Wolfram losreißt)
Mein Heil, mein Heil hab’ ich verloren,
Nun sei der Hölle Lust erkoren!
(zu Wolfram)
Laß ab! Laß ab von mir!
WOLFRAM
VENUS
O komm! O komm!
Auf ewig sei nun mein!
TANNHÄUSER
Lass’ ab von mir!
WOLFRAM
(Tannhäuser und Wolfram ringen heftig.)
VENUS
O komm!
TANNHÄUSER
Nie, Wolfram, nie! Ich muß dahin!
Zusammen
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(zu Wolfram)
Laß mich!
VENUS
Komm’, o komm!
VENUS
Zu mir! Zu mir!
WOLFRAM
Zusammen
TANNHÄUSER
(der sich soeben von Wolfram losgerissen, bleibt, wie von einem heftigen Schlage gelähmt, an die Stelle geheftet)
Elisabeth!
MÄNNERGESANG
(aus dem Hintergrunde)
Der Seele Heil, die nun entflohn
dem Leib der frommen Dulderin!
WOLFRAM
Zusammen
VENUS
Weh! Mir verloren!
WOLFRAM
(Venus verschwindet und mit ihr die ganze zauberische Erscheinung.)
Das Tal, vom Morgenrot erleuchtet, wird wieder sichtbar: von der Wartburg her schreitet ein Trauerzug mit Fackeln der Tiefe des Tales zu.
MÄNNERGESANG
Ihr ward der Engel sel’ger Lohn,
himmlischer Freuden Hochgewinn.
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Ich höre!
(ersterbend)
Von hier an betritt der Trauerzug die Tiefe des Tales, die älteren Pilger voran; den offenen Sarg mit der Leiche Elisabeths tragen Edle, der Landgraf und die Sänger geleiten ihn zur Seite, Grafen und Edle folgen.
MÄNNERGESANG
Heilig die Reine, die nun, vereint
göttlicher Schar, vor dem Ewigen steht!
Selig der Sünder, dem sie geweint,
dem sie des Himmels Heil erfleht!
(Auf Wolframs Bedeuten ist der Sarg in der Mitte der Bühne niedergesetzt worden. Wolfram geleitet Tannhäuser zu der Leiche, an welcher dieser niedersinkt.)
TANNHÄUSER
Heilige Elisabeth, bitte für mich!
(Er stirbt.)
DIE JUNGEREN PILGER
(auf dem vorderen Bergvorsprunge einherziehend und in ihrer Mitte einen neu ergrünten Priesterstab tragend)
Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil!
Es tat in nächtlich heil’ger Stund’s
der Herr sich durch ein Wunder kund:
den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch alle Land’,
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Zusammen
LANDGRAF, SÄNGER, RITTER, DIE ÄLTEREN PILGER
(in höchster Ergriffenheit)
Der Gnade Heil ward dem Büßer beschieden,
nun geht er ein in den Seligen Frieden!
DIE JUNGEREN PILGER
Halleluja! Halleluja! Halleluja!
(Der Vorhang fällt.)
von 1845
TANNHÄUSER
(in grauenhafter Begeisterung)
Zu deinem Hof, Frau Venus, steig’ ich nieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!
Ach! kaum erkennst den Buhlen du wohl wieder,
der Ärmste! Sieh, was sie aus ihm gemacht!
(Er sinkt erschöpft zusammen.)
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(sehr matt beginnend und sich immer mehr steigernd)
Nun wandr’ ich Tag und Nacht, den holden Berg
Zu finden, die süßen Töne zu vernehmen,
Die mich das erstemal so zaubertrunken
Geleitet in das Reich der Freud’ und Lust.
Hast, Wolfram, du die Klänge nie gehört?
WOLFRAM
TANNHÄUSER
O! spotte mein! Du weißt, ich bin verflucht!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Kein Widerstand!
Der Zauber ist so hold: - willst du ihn kennen?
Komm’ mit, Wolfram! Laß dich von mir geleiten,
Zu namenlosen Wonnen führ’ ich dich!
(Man vernimmt Klänge aus dem Hörselberg. Dieser, der in immer zunehmender rosiger Glut erglüht, erscheint nach und nach durchsichtig, so daß man in ihm wie tanzende Gestalten zu erblicken vermag.)
TANNHÄUSER
Horch! Vernimmst du nicht die jubelnden Klänge?
Atmest du nicht entzückend holde Düfte?
Sieh dort! dort! Ich geleitete dich schnell:
Das ist der Berg, der süße Venusberg!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(dem Berge zugewendet)
Frau Venus! O Erbarmungsreiche!
Dein Buhle naht - zu dir! zu dir!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(sich wehrend)
Laß ab von mir!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
Nie, Wolfram! Nie! Ich muß zu ihr!
WOLFRAM
TANNHÄUSER
(wie von einem Schlage gelähmt, festgewurzelt stehen bleibend)
Elisabeth!
(Die zauberische Erscheinung des Hörselberges erbleicht allmählich vor der anbrechenden Morgendämmerung.)
WOLFRAM
MÄNNERCHOR
(gleichzeitig, auf der Wartburg)
Der Seele Heil, die nun entfloh’n
Dem Leib der frommen Dulderin!
Sie wird der Engel sel’ger Lohn,
Himmlischer Freuden Hochgewinn!
(Fackelschein leuchtet aus dem Hofe der Wartburg auf; man hört von dorther während des Chorgesanges das Toten-Glöcklein läuten.)
TANNHÄUSER
(sinkt in Wolframs Armen langsam zur Erde)
Heilige Elisabeth, bitte für mich!
(Er stirbt.)
DIE JUNGEREN PILGER
(nähern sich der Bühne, treten dann rechts auf und ziehen während des Sonnenaufganges das Tal entlang)
Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil.
Es tat in nächtlich heil’ger Stund’
der Herr sich durch ein Wunder kund:
den dürren Stab in Priesters Hand
dat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblüh’n!
Ruft ihm es zu durch alle Land’,
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!
Halleluja! Halleluja! Halleluja!
(Die Sonne geht auf, die ganze Gegend erglüht im feurigsten Morgenrot. Die jüngeren Pilger, von denen eine Anzahl auf dem Seitenwege bei dem Marienbilde aufgetreten ist, verteilen sich über Tal und Anhöhe, so daß beides von ihnen angefüllt ist. Von der Wartburg her auf dem Bergwege sieht man die älteren Pilger ihnen entgegen ziehen. Wolfram kniet neben Tannhäusers Leiche betend, die Augen gen Himmel gerichtet.)
Ende.
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