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Vorspiel und Erste Szene |
Auf dem Gipfel eines Felsenberges. Rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felshöhle, die einen natürlichen Saal bildet: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange, der - wie anzunehmen ist - nach dem Hintergrund zu steil hinabführt. - Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei. - Gerhilde, Ortlinde, Waltraute und Schwertleite haben sich auf der Felsspitze, an und über die Höhle gelagert, sie sind in voller Waffenrüstung. |
Q 
Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite
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GERHILDE |
(zu höchst gelagert und dem Hintergrunde zurufend, wo ein starkes Gewölk herzieht)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Helmwige! Hier!
Hieher mit dem Ross!
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HELMWIGE (stimme) |
(im Hintergrunde)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
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| (In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus: eine Walküre zu Ross wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei.) | |
GERHILDE, WALTRAUTE UND SCHWERTLEITE |
(der ankommend entgegenrufend)
Heiaha! Heiaha!
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| (Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden.) | |
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ORTLINDE |
(in den Tann hineinrufend)
Zu Ortlindes Stute
stell deinen Hengst:
mit meiner Grauen
grast gern dein Brauner!
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WALTRAUTE |
(hineinrufend)
Wer hängt dir im Sattel?
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| <- Helmwige
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HELMWIGE |
(aus dem Tann auftretretend)
Sintolt, der Hegeling!
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SCHWERTLEITE |
Führ' deinen Brauen
fort von der Grauen:
Ortlindes Mähre
trägt Wittig, den Irming!
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GERHILDE |
(ist etwas näher herab gestiegen)
Als Feinde nur sah ich
Sintolt und Wittig!
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ORTLINDE |
(springt auf)
Heiaha! Die Stute
stösst mir der Hengst!
(Sie läuft in den Tann.)
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SCHWERTLEITE, GERHILDE UND HELMWIGE |
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GERHILDE |
Der Recken Zwist
entzweit noch die Rosse!
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HELMWIGE |
(in den Tann zurückrufend)
Ruhig, Brauner!
Brich nicht den Frieden!
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WALTRAUTE |
(auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend)
Hoioho! Hoioho!
Siegrune, hier!
Wo säumst du so lang?
(Sie lauscht nach rechts.)
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SIEGRUNE (stimme) |
(von der rechten Seite des Hintergrundes her)
Arbeit gab's!
Sind die andren schon da?
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SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE |
(nach rechts in dem Hintergrund rufend)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
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GERHILDE |
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| (Ihre Gebärden, sowie ein heller Glanz hinter dem Tann, zeigen an, dass soeben Siegrune dort angelangt ist. Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich.) | |
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GRIMGERDE UND ROSSWEISSE |
(links im Hintergrund)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
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WALTRAUTE |
(nach links)
Grimgerd' und Rossweisse!
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GERHILDE |
(ebenso)
Sie reiten zu zwei.
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| (In einem blitzerglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Grimgerde und Rossweisse, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. - Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den Ankommenden zu.) | <- Siegrune
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HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE |
Gegrüsst, ihr Reisige!
Rossweiss' und Grimgerde!
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ROSSWEISSE UND GRIMGERDE (stimmen) |
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
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| (Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann.) | |
DIE ANDEREN WALKÜREN |
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
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GERHILDE |
(in den Tann rufend)
In Wald mit den Rossen
zu Weid' und Rast!
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ORTLINDE |
(ebenfalls in den Tann rufend)
Führet die Mähren
fern von einander,
bis unsrer Helden
Hass sich gelegt!
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| (Die Walküren lachen.) | |
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HELMWIGE |
(während die anderen lachen)
Der Helden Grimm
büsste schon die Graue!
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| (Die Walküren lachen.) | |
| <- Rossweisse, Grimgerde
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ROSSWEISSE UND GRIMGERDE |
(aus dem Tann tretend)
Hojotoho! Hojotoho!
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DIE ANDEREN WALKÜREN |
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SCHWERTLEITE |
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GRIMGERDE |
Getrennt ritten wir
und trafen uns heut'.
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ROSSWEISSE |
Sind wir alle versammelt,
so säumt nicht lange:
nach Walhall brechen wir auf,
Wotan zu bringen die Wal.
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HELMWIGE |
Acht sind wir erst:
eine noch fehlt.
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GERHILDE |
Bei dem braunen Wälsung
weilt wohl noch Brünnhilde.
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WALTRAUTE |
Auf sie noch harren
müssen wir hier:
Walvater gäb' uns
grimmigen Gruss,
säh' ohne sie er uns nahn!
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SIEGRUNE |
(auf der Felswarte, von wo sie hinausspäht)
Hojotoho! Hojotoho!
(in den Hintergrund rufend)
Hieher! Hieher!
(zu den andern)
In brünstigem Ritt
jagt Brünnhilde her.
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DIE WALKÜREN |
(alle eilen auf die Warte)
Hojotoho! Hojotoho!
Brünnhilde! Hei!
(Sie spähen mit wachsender Verwunderung.)
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WALTRAUTE |
Nach dem Tann lenkt sie
das taumelnde Ross.
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GRIMGERDE |
Wie schnaubt Grane
vom schnellen Ritt!
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ROSSWEISSE |
So jach sah ich nie
Walküren jagen!
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ORTLINDE |
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HELMWIGE |
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SIEGRUNE |
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GERHILDE |
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SCHWERTLEITE |
Mit keinem Gruss
grüsst sie die Schwestern!
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WALTRAUTE |
(hinabrufend)
Heiaha! Brünnhilde!
Hörst du uns nicht?
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ORTLINDE |
Helft der Schwester
vom Ross sich schwingen!
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| (Gerhilde und Helmwige stürzen in den Tann.) | |
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| (Siegrune und Rossweisse laufen ihnen nach.) | |
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DIE WALKÜREN |
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
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WALTRAUTE |
(in den Tann blickend)
Zu Grunde stürzt
Grane, der Starke!
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GRIMGERDE |
Aus dem Sattel hebt sie
hastig das Weib!
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DIE ÜBRIGEN WALKÜREN |
(alle in den Tann laufend)
Schwester! Schwester!
Was ist geschehn?
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| (Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend, hereingeleitend.) | <- Brünnhilde, Sieglinde
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BRÜNNHILDE |
(atemlos)
Schützt mich und helft
in höchster Not!
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DIE WALKÜREN |
Wo rittest du her
in rasender Hast?
So fliegt nur, wer auf der Flucht!
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BRÜNNHILDE |
Zum erstenmal flieh' ich
und bin verfolgt:
Heervater hetzt mir nach!
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DIE WALKÜREN |
(heftig erschreckend)
Bist du von Sinnen?
Sprich! Sage uns!
Verfolgt dich Heervater?
Fliehst du vor ihm?
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BRÜNNHILDE |
(wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück)
O Schwestern, späht
von des Felsens Spitze!
Schaut nach Norden,
ob Walvater naht!
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| (Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsenspitze zur Warte) | |
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BRÜNNHILDE |
Schnell! Seht ihr ihn schon?
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ORTLINDE |
Gewittersturm
naht von Norden.
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WALTRAUTE |
Starkes Gewölk
staut sich dort auf!
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DIE WALKÜREN |
Heervater reitet
sein heiliges Ross!
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BRÜNNHILDE |
Der wilde Jäger,
der wütend mich jagt,
er naht, er naht von Norden!
Schützt mich, Schwestern!
Wahret dies Weib!
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DIE WALKÜREN |
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BRÜNNHILDE |
Hört mich in Eile:
Sieglinde ist es,
Siegmunds Schwester und Braut:
gegen die Wälsungen
wütet Wotan in Grimm;
dem Bruder sollte
Brünnhilde heut'
entziehen den Sieg;
doch Siegmund schützt' ich
mit meinem Schild,
trotzend dem Gott! -
Der traf ihn da selbst mit dem Speer:
Siegmund fiel;
doch ich floh
fern mit der Frau;
sie zu retten,
eilt' ich zu euch -
ob mich Bange auch
(kleinmütig)
ihr berget vor dem strafenden Streich!
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DIE WALKÜREN |
(in grösster Bestürzung)
Betörte Schwester,
was tatest du?
Wehe! Brünnhilde, wehe!
Brach ungehorsam
Brünnhilde
Heervaters heilig Gebot?
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WALTRAUTE |
(von der Warte)
Nächtig zieht es
von Norden heran.
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ORTLINDE |
(ebenso)
Wütend steuert
hieher der Sturm.
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DIE ANDEREN WALKÜREN |
(dem Hintergrunde zugewendet)
Wild wiehert
Walvaters Ross.
Schrecklich schnaubt es daher!
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BRÜNNHILDE |
Wehe der Armen,
wenn Wotan sie trifft:
den Wälsungen allen
droht er Verderben! -
Wer leiht mir von euch
das leichteste Ross,
das flink die Frau ihm entführ'?
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SIEGRUNE |
Auch uns rätst du
rasenden Trotz?
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BRÜNNHILDE |
Rossweisse, Schwester,
leih' mir deinen Renner!
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ROSSWEISSE |
Vor Walvater floh
der fliegende nie.
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BRÜNNHILDE |
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HELMWIGE |
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BRÜNNHILDE |
Grimgerde! Gerhilde!
Gönnt mir eu'r Ross!
Schwertleite! Siegrune!
Seht meine Angst!
Seid mir treu,
wie traut ich euch war:
rettet dies traurige Weib!
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SIEGLINDE |
(die bisher finster und kalt vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft - wie zum Schutze - umfasst, mit einer abwehrenden Gebärde auf)
Nicht sehre dich Sorge um mich:
einzig taugt mir der Tod!
Wer hiess dich Maid,
dem Harst mich entführen?
Im Sturm dort hätt' ich
den Streich empfah'n
von derselben Waffe,
der Siegmund fiel:
das Ende fand ich
vereint mit ihm! -
Fern von Siegmund -
Siegmund, von dir! -
O deckte mich Tod,
dass ich's denke!
Soll um die Flucht
dir, Maid, ich nicht fluchen,
so erhöre heilig mein Flehen:
stosse dein Schwert mir ins Herz!
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BRÜNNHILDE |
Lebe, o Weib,
um der Liebe willen!
Rette das Pfand,
das von ihm du empfingst:
(stark und drängend)
ein Wälsung wächst dir im Schoss!
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SIEGLINDE |
(erschrickt zunächst heftig: sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf)
Rette mich, Kühne!
Rette mein Kind!
Schirmt mich, ihr Mädchen,
mit mächtigstem Schutz!
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| (Immer finsteres Gewitter steigt im Hintergrunde auf: nahender Donner) | |
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WALTRAUTE |
(auf der Wart)
Der Sturm kommt heran.
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ORTLINDE |
(ebenso)
Flieh', wer ihn fürchtet!
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DIE ANDEREN WALKÜREN |
Fort mit dem Weibe,
droht ihm Gefahr:
der Walküren keine
wag' ihren Schutz!
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SIEGLINDE |
(auf den Knien vor Brünnhilde)
Rette mich, Maid!
Rette die Mutter!
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BRÜNNHILDE |
(mit lebhaftem Entschluss hebt sie Sieglinde auf)
So fliehe denn eilig -
und fliehe allein!
Ich bleibe zurück,
biete mich Wotans Rache:
an mir zögr' ich
den Zürnenden hier,
während du seinem Rasen entrinnst.
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SIEGLINDE |
Wohin soll ich mich wenden?
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BRÜNNHILDE |
Wer von euch Schwestern
schweifte nach Osten?
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SIEGRUNE |
Nach Osten weithin
dehnt sich ein Wald:
der Niblungen Hort
entführte Fafner dorthin.
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SCHWERTLEITE |
Wurmes Gestalt
schuf sich der Wilde:
in einer Höhle
hütet er Alberichs Reif!
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GRIMGERDE |
Nicht geheu'r ist's dort
für ein hilflos' Weib.
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BRÜNNHILDE |
Und doch vor Wotans Wut
schützt sie sicher der Wald:
ihn scheut der Mächt'ge
und meidet den Ort.
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WALTRAUTE |
(auf der Warte)
Furchtbar fährt
dort Wotan zum Fels.
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DIE WALKÜREN |
Brünnhilde, hör'
seines Nahens Gebraus'!
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BRÜNNHILDE |
(Sieglinde die Richtung weisend)
Fort denn eile,
nach Osten gewandt!
Mutigen Trotzes
ertrag' alle Müh'n, -
Hunger und Durst,
Dorn und Gestein;
lache, ob Not,
ob Leiden dich nagt!
Denn eines wiss'
und wahr' es immer...
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Den hehrsten Helden der Welt
hegst du, o Weib,
im schirmenden Schoss! -
(Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor, und überreicht sie Sieglinde.)
Verwahr' ihm die starken
Schwertesstücken;
seines Vaters Walstatt
entführt' ich sie glücklich:
der neugefügt
das Schwert einst schwingt,
den Namen nehm'er von mir -
"Siegfried" erfreu' sich des Siegs!
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SIEGLINDE
(in grösster Rührung)
O hehrstes Wunder!
Herrlichste Maid!
Dir Treuen dank' ich
heiligen Trost!
Für ihn, den wir liebten,
rett' ich das Liebste:
meines Dankes Lohn
lache dir einst!
Lebe wohl!
Dich segnet Sieglindes Weh'!
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| (Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen. - Die Felsenhöhe ist von schwarzen Gewitterwolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher; wachsender Feuerschein rechts daselbst.) | Sieglinde ->
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WOTAN (stimme) |
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| (Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor) | |
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ORTLINDE UND WALTRAUTE |
(von der Warte herabsteigend)
Den Fels erreichten
Ross und Reiter!
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ALLE WALKÜREN |
Weh', Brünnhild'!
Rache entbrennt!
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BRÜNNHILDE |
Ach, Schwestern, helft!
Mir schwankt das Herz!
Sein Zorn zerschellt mich,
wenn euer Schutz ihn nicht zähmt.
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DIE WALKÜREN |
(flüchten ängstlich nach der Felsenspitze hinauf; Brünnhilde lässt sich von ihnen nachziehen)
Hieher, Verlor'ne!
Lass dich nicht sehn!
Schmiege dich an uns
und schweige dem Ruf!
(Sie verbergen Brünnhilde unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist.)
Weh'!
Wütend schwingt sich
Wotan vom Ross! -
Hieher rast
sein rächender Schritt!
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Zweite Szene |
Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher. |
<- Wotan
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WOTAN |
Wo ist Brünnhild',
wo die Verbrecherin?
Wagt ihr, die Böse
vor mir zu bergen?
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DIE WALKÜREN |
Schrecklich ertost dein Toben!
Was taten, Vater, die Töchter,
dass sie dich reizten
zu rasender Wut?
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WOTAN |
Wollt ihr mich höhnen?
Hütet euch, Freche!
Ich weiss: Brünnhilde
bergt ihr vor mir.
Weichet von ihr,
der ewig Verworfnen,
wie ihren Wert
von sich sie warf!
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DIE WALKÜREN
Zu uns floh die Verfolgte.
Unsern Schutz flehte sie an!
Mit Furcht und Zagen
fasst sie dein Zorn:
für die bange Schwester
bitten wir nun,
dass den ersten Zorn du bezähmst.
Lass dich erweichen für sie,
zähm deinen Zorn!
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WOTAN |
Weichherziges
Weibergezücht!
So matten Mut
gewannt ihr von mir?
Erzog ich euch, kühn
zum Kampfe zu zieh'n,
schuf ich die Herzen
euch hart und scharf,
dass ihr Wilden nun weint und greint,
wenn mein Grimm eine Treulose straft?
So wisst denn, Winselnde,
was sie verbrach,
um die euch Zagen
die Zähre entbrennt:
Keine wie sie
kannte mein innerstes Sinnen;
keine wie sie
wusste den Quell meines Willens!
Sie selbst war
meines Wunsches schaffender Schoss: -
und so nun brach sie
den seligen Bund,
dass treulos sie
meinem Willen getrotzt,
mein herrschend Gebot
offen verhöhnt,
gegen mich die Waffe gewandt,
die mein Wunsch allein ihr schuf! -
Hörst du's, Brünnhilde?
Du, der ich Brünne,
Helm und Wehr,
Wonne und Huld,
Namen und Leben verlieh?
Hörst du mich Klage erheben,
und birgst dich bang dem Kläger,
dass feig du der Straf' entflöhst?
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BRÜNNHILDE |
(tritt aus der Schar der Walküren hervor, schreitet demütigen, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan)
Hier bin ich, Vater:
gebiete die Strafe!
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WOTAN |
Nicht straf' ich dich erst:
deine Strafe schufst du dir selbst.
Durch meinen Willen
warst du allein:
gegen ihn doch hast du gewollt;
meinen Befehl nur
führtest du aus:
gegen ihn doch hast du befohlen;
Wunschmaid
warst du mir:
gegen mich doch hast du gewünscht;
Schildmaid
warst du mir:
gegen mich doch hobst du den Schild;
Loskieserin
warst du mir:
gegen mich doch kiestest du Lose;
Heldenreizerin
warst du mir:
gegen mich doch reiztest du Helden.
Was sonst du warst,
sagte dir Wotan:
was jetzt du bist,
das sage dir selbst!
Wunschmaid bist du nicht mehr;
Walküre bist du gewesen:
nun sei fortan,
was so du noch bist!
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BRÜNNHILDE |
(heftig erschreckend)
Du verstössest mich?
Versteh' ich den Sinn?
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WOTAN
Nicht send' ich dich mehr aus Walhall;
nicht weis' ich dir mehr
Helden zur Wal;
nicht führst du mehr Sieger
in meinen Saal:
bei der Götter trautem Mahle
das Trinkhorn nicht reichst
du traulich mir mehr;
nicht kos' ich dir mehr
den kindischen Mund;
von göttlicher Schar
bist du geschieden,
ausgestossen
aus der Ewigen Stamm;
gebrochen ist unser Bund;
aus meinem Angesicht bist du verbannt.
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DIE WALKÜREN |
(verlassen, in aufgeregter Bewegung, ihre Stellung, indem sie sich etwas herabziehn)
Wehe! Weh'!
Schwester, ach Schwester!
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BRÜNNHILDE |
Nimmst du mir alles,
was einst du gabst?
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WOTAN |
Der dich zwingt, wird dir's entziehn!
Hieher auf den Berg
banne ich dich;
in wehrlosen Schlaf
schliess' ich dich fest:
der Mann dann fange die Maid,
der am Wege sie findet und weckt.
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DIE WALKÜREN |
(kommen in höchster Aufregung von der Felsenspitze ganz herab und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb kniend vor Wotan liegt)
Halt' ein, o Vater!
Halt' ein den Fluch!
Soll die Maid verblühn
und verbleichen dem Mann?
Schrecklicher Gott, wende von ihr
die schreiende Schmach!
Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf!
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WOTAN |
Hörtet ihr nicht,
was ich verhängt?
Aus eurer Schar
ist die treulose Schwester geschieden;
mit euch zu Ross
durch die Lüfte nicht reitet sie länger;
die magdliche Blume
verblüht der Maid;
ein Gatte gewinnt
ihre weibliche Gunst;
dem herrischen Manne
gehorcht sie fortan;
am Herde sitzt sie und spinnt,
aller Spottenden Ziel und Spiel.
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| (Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt mit heftigem Geräusch von ihrer Seite) | |
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WOTAN |
Schreckt euch ihr Los?
So flieht die Verlorne!
Weichet von ihr
und haltet euch fern!
Wer von euch wagte
bei ihr zu weilen,
wer mir zum Trotz
zu der Traurigen hielt' -
die Törin teilte ihr Los:
das künd' ich der Kühnen an!
Fort jetzt von hier;
meidet den Felsen!
Hurtig jagt mir von hinnen,
sonst erharrt Jammer euch hier!
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| (Die Walküren fahren mit wildem Wehschrei auseinander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann. - Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsenrande; man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in einer Schar zusammengedrängt, wild davonjagen. Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken verziehen sich allmählich. In der folgenden Szene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt.) | Gerhilde, Ortlinde, Waltraute, Schwertleite, Helmwige, Siegrune, Rossweisse, Grimgerde ->
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Dritte Szene |
Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füssen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. - Langes, feierliches Schweigen: unveränderte Stellung. |
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BRÜNNHILDE
(beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben. Schüchtern beginnend und steigernd)
War es so schmählich,
was ich verbrach,
dass mein Verbrechen so schmählich du bestrafst?
War es so niedrig,
was ich dir tat,
dass du so tief mir Erniedrigung schaffst?
War es so ehrlos,
was ich beging,
dass mein Vergehn nun die Ehre mir raubt?
(Sie erhebt sich allmählich bis zur knienden Stellung.)
O sag', Vater!
Sieh mir ins Auge:
schweige den Zorn,
zähme die Wut,
und deute mir hell
die dunkle Schuld,
die mit starrem Trotze dich zwingt,
zu verstossen dein trautestes Kind!
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WOTAN |
(in unveränderter Stellung, ernst und düster)
Frag' deine Tat,
sie deutet dir deine Schuld!
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BRÜNNHILDE |
Deinen Befehl
führte ich aus.
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WOTAN |
Befahl ich dir
für den Wälsung zu fechten?
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BRÜNNHILDE |
So hiessest du mich
als Herrscher der Wal!
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WOTAN |
Doch meine Weisung
nahm ich wieder zurück!
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BRÜNNHILDE |
Als Fricka den eignen
Sinn dir entfremdet;
da ihrem Sinn du dich fügtest,
warst du selber dir Feind.
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WOTAN |
(leise und bitter)
Dass du mich verstanden, wähnt' ich,
und strafte den wissenden Trotz:
doch feig und dumm
dachtest du mich!
So hätt' ich Verrat nicht zu rächen;
zu gering wärst du meinem Grimm?
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BRÜNNHILDE |
Nicht weise bin ich,
doch wusst' ich das Eine,
dass den Wälsung du liebtest.
Ich wusste den Zwiespalt,
der dich zwang,
dies eine ganz zu vergessen.
Das andre musstest
einzig du sehn,
was zu schaun so herb
schmerzte dein Herz:
dass Siegmund Schutz du versagtest.
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WOTAN |
Du wusstest es so,
und wagtest dennoch den Schutz?
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BRÜNNHILDE |
(leise beginnend)
Weil für dich im Auge
das Eine ich hielt,
dem, im Zwange des andren
schmerzlich entzweit,
ratlos den Rücken du wandtest!
Die im Kampfe Wotan
den Rücken bewacht,
die sah nun das nur,
was du nicht sahst: -
Siegmund musst' ich sehn.
Tod kündend
trat ich vor ihn,
gewahrte sein Auge,
hörte sein Wort;
ich vernahm des Helden
heilige Not;
tönend erklang mir
des Tapfersten Klage:
freiester Liebe
furchtbares Leid,
traurigsten Mutes
mächtigster Trotz!
Meinem Ohr erscholl,
mein Aug' erschaute,
was tief im Busen das Herz
zu heilgem Beben mir traf. -
Scheu und staunend
stand ich in Scham.
Ihm nur zu dienen
konnt' ich noch denken:
Sieg oder Tod
mit Siegmund zu teilen:
dies nur erkannt' ich
zu kiesen als Los! -
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Der diese Liebe
mir ins Herz gehaucht,
dem Willen, der
dem Wälsung mich gesellt,
ihm innig vertraut -
trotzt' ich deinem Gebot.
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WOTAN |
So tatest du,
was so gern zu tun ich begehrt, -
doch was nicht zu tun
die Not zwiefach mich zwang?
So leicht wähntest du
Wonne des Herzens erworben,
wo brennend Weh'
in das Herz mir brach,
wo grässliche Not
den Grimm mir schuf,
einer Welt zuliebe
der Liebe Quell
im gequälten Herzen zu hemmen?
Wo gegen mich selber
ich sehrend mich wandte,
aus Ohnmachtschmerzen
schäumend ich aufschoss,
wütender Sehnsucht
sengender Wunsch
den schrecklichen Willen mir schuf,
in den Trümmern der eignen Welt
meine ew'ge Trauer zu enden: -
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Da labte süss
dich selige Lust;
wonniger Rührung
üppigen Rausch
enttrankst du lachend
der Liebe Trank,
als mir göttlicher Not
nagende Galle gemischt?
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Deinen leichten Sinn
lass dich denn leiten:
von mir sagtest du dich los.
Dich muss ich meiden,
gemeinsam mit dir
nicht darf ich Rat mehr raunen;
getrennt, nicht dürfen
traut wir mehr schaffen:
so weit Leben und Luft
darf der Gott dir nicht mehr begegnen!
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BRÜNNHILDE |
Wohl taugte dir nicht
die tör'ge Maid,
die staunend im Rate
nicht dich verstand,
wie mein eigner Rat
nur das eine mir riet:
zu lieben, was du geliebt. -
Muss ich denn scheiden
und scheu dich meiden,
musst du spalten,
was einst sich umspannt,
die eigne Hälfte
fern von dir halten,
dass sonst sie ganz dir gehörte,
du Gott, vergiss das nicht!
Dein ewig Teil
nicht wirst du entehren,
Schande nicht wollen,
die dich beschimpft:
dich selbst liessest du sinken,
sähst du dem Spott mich zum Spiel!
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WOTAN |
Du folgtest selig
der Liebe Macht:
folge nun dem,
den du lieben musst!
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BRÜNNHILDE |
Soll ich aus Walhall scheiden,
nicht mehr mit dir schaffen und walten,
dem herrischen Manne
gehorchen fortan:
dem feigen Prahler
gib mich nicht preis!
Nicht wertlos sei er,
der mich gewinnt.
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WOTAN |
Von Walvater schiedest du -
nicht wählen darf er für dich.
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BRÜNNHILDE
(leise mit vertraulicher Heimlichkeit)
Du zeugtest ein edles Geschlecht;
kein Zager kann je ihm entschlagen:
der weihlichste Held - ich weiss es -
entblüht dem Wälsungenstamm.
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WOTAN |
Schweig' von dem Wälsungenstamm!
Von dir geschieden,
schied ich von ihm:
vernichten musst' ihn der Neid!
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BRÜNNHILDE |
Die von dir sich riss,
rettete ihn.
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(heimlich)
Sieglinde hegt
die heiligste Frucht;
in Schmerz und Leid,
wie kein Weib sie gelitten,
wird sie gebären,
was bang sie birgt.
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WOTAN |
Nie suche bei mir
Schutz für die Frau,
noch für ihres Schosses Frucht!
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BRÜNNHILDE |
(heimlich)
Sie wahret das Schwert,
das du Siegmund schufest.
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WOTAN |
(heftig)
Und das ich ihm in Stücken schlug!
Nicht streb', o Maid,
den Mut mir zu stören;
erwarte dein Los,
wie sich's dir wirft;
nicht kiesen kann ich es dir!
Doch fort muss ich jetzt,
fern mich verziehn;
zuviel schon zögert' ich hier;
von der Abwendigen
wend' ich mich ab;
nicht wissen darf ich,
was sie sich wünscht:
die Strafe nur
muss vollstreckt ich sehn!
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BRÜNNHILDE |
Was hast du erdacht,
dass ich erdulde?
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WOTAN |
In festen Schlaf
verschliess' ich dich:
wer so die Wehrlose weckt,
dem ward, erwacht, sie zum Weib!
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BRÜNNHILDE
(stürzt auf ihre Knie)
Soll fesselnder Schlaf
fest mich binden,
dem feigsten Manne
zur leichten Beute:
dies eine muss du erhören,
was heil'ge Angst zu dir fleht!
Die Schlafende schütze
mit scheuchenden Schrecken,
dass nur ein furchtlos
freiester Held
hier auf dem Felsen
einst mich fänd'!
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WOTAN |
Zu viel begehrst du,
zu viel der Gunst!
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BRÜNNHILDE |
(seine Knie umfassend)
Dies Eine
musst du erhören!
Zerknicke dein Kind,
das dein Knie umfasst;
zertritt die Traute,
zertrümmre die Maid,
ihres Leibes Spur
zerstöre dein Speer:
doch gib, Grausamer, nicht
der grässlichsten Schmach sie preis!
(mit wilder Begeisterung)
Auf dein Gebot
entbrenne ein Feuer;
den Felsen umglühe
lodernde Glut;
es leck' ihre Zung',
es fresse ihr Zahn
den Zagen, der frech sich wagte,
dem freislichen Felsen zu nahn!
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| (Wotan überwältigt und tief ergriffen, wendet sich lebhhaft gegen Brünnhilde, erhebt sich von den Knien und blickt ihr gerührt in das Auge) | |
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WOTAN
Leb' wohl, du kühnes,
herrliches Kind!
Du meines Herzens
heiligster Stolz!
Leb' wohl! Leb' wohl! Leb' wohl!
(sehr leidenschaftlich)
Muss ich dich meiden,
und darf nicht minnig
mein Gruss dich mehr grüssen;
sollst du nun nicht mehr
neben mir reiten,
noch Met beim Mahl mir reichen;
muss ich verlieren
dich, die ich liebe,
du lachende Lust meines Auges:
ein bräutliches Feuer
soll dir nun brennen,
wie nie einer Braut es gebrannt!
Flammende Glut
umglühe den Fels;
mit zehrenden Schrecken
scheuch' es den Zagen;
der Feige fliehe
Brünnhildes Fels! -
Denn einer nur freie die Braut,
der freier als ich, der Gott!
| S
(♦)
(♦)
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| (Brünnhilde sinkt, gerührt und begeistert, an Wotans Brust: er hält sie lang umfangen. Sie schlägt das Haupt wieder zurück und blickt, immer noch ihn umfassend, feierlich ergriffen Wotan in das Auge.) | |
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WOTAN
Der Augen leuchtendes Paar,
das oft ich lächelnd gekost,
wenn Kampfeslust
ein Kuss dir lohnte,
wenn kindisch lallend
der Helden Lob
von holden Lippen dir floss:
dieser Augen strahlendes Paar,
das oft im Sturm mir geglänzt,
wenn Hoffnungssehnen
das Herz mir sengte,
nach Weltenwonne
mein Wunsch verlangte
aus wild webendem Bangen:
zum letztenmal
letz' es mich heut'
mit des Lebewohles
letztem Kuss!
Dem glücklichem Manne
glänze sein Stern:
dem unseligen Ew'gen
muss es scheidend sich schliessen.
(Er fasst ihr Haupt in beide Hände.)
Denn so kehrt
der Gott sich dir ab,
so küsst er die Gottheit von dir!
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| (Er küsst sie lange auf die Augen. Sie sinkt mit geschlossenen Augen, sanft ermattend, in seinen Armen zurück. Er geleitet sie zart auf einen niedrigen Mooshügel zu liegen, über den sich eine breitästige Tanne ausstreckt. Er betrachtet sie und schliesst ihr den Helm: sein Auge weilt dann auf der Gestalt der Schlafenden, die er nun mit dem grossen Stahlschilde der Walküre ganz zudeckt. Langsam kehrt er sich ab, mit einem schmerzlichen Blicke wendet er sich noch einmal um. Dann schreitet er mit feierlichem Entschlusse in die Mitte der Bühne und kehrt die Spitze seines Speeres gegen einen mächtigen Felsstein.) | |
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WOTAN |
Loge, hör'!
Lausche hieher!
Wie zuerst ich dich fand,
als feurige Glut,
wie dann einst du mir schwandest,
als schweifende Lohe;
wie ich dich band,
bann ich dich heut'!
Herauf, wabernde Lohe,
umlodre mir feurig den Fels!
(Er stösst mit dem Folgenden dreimal mit dem Speer auf den Stein.)
Loge! Loge! Hieher!
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| (Dem Stein entfährt ein Feuerstrahl, der zur allmählich immer helleren Flammenglut anschwillt. Lichte Flackerlohe bricht aus. Lichte Brunst umgibt Wotan mit wildem Flackern. Er weist mit dem Speere gebieterisch dem Feuermeere den Umkreis des Felsenrandes zur Strömung an; alsbald zieht es sich nach dem Hintergrunde, wo es nun fortwährend den Bergsaum umlodert.) | |
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WOTAN
Wer meines Speeres
Spitze fürchtet,
durchschreite das Feuer nie!
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| (Er streckt den Speer wie zum Banne aus, dann blickt er schmerzlich auf Brünnhilde zurück, wendet sich langsam zum Gehen und blickt noch einmal zurück, ehe er durch das Feuer verschwindet. - Der Vorhang fällt.) | |
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