DIE WALKÜRE
Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen.
Syntetische Fassung herausgegeben von null www.operalib.eu.
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Text und Musik Wilhelm Richard WAGNER.
Uraufführung: 26. Juni 1870, München.
Personen:
SIEGMUND |
Tenor |
HUNDING |
Bass |
WOTAN |
Bass |
SIEGLINDE |
Sopran |
FRICKA |
Sopran |
Walküren: | |
BRÜNNHILDE |
Sopran |
GERHILDE |
Sopran |
ORTLINDE |
Sopran |
WALTRAUTE |
Mezzosopran |
SCHWERTLEITE |
Alt |
HELMWIGE |
Sopran |
SIEGRUNE |
Mezzosopran |
GRIMGERDE |
Alt |
ROSSWEISSE |
Mezzosopran |
Schauplatz
Erster Aufzug: Das Innere der Wohnung Hundings.
Zweiter Aufzug: Wildes Felsengebirge.
Dritter Aufzug: Auf dem Gipfel eines Felsenberges (des "Brünnhildensteines").
Das Innere eines Wohnraumes,
um einen starken Eschenstamm, als Mittelpunkt, gezimmerter Saal. Rechts im Hintergrunde der Herd; dahinter der Speicher; im Hintergrund die grosse Eingangstüre; links in der Tiefe führen Stufen zu einem inneren Gemache; daselbst im Vordergrunde ein Tisch, mit einer breiten, an der Wand angezimmerten Bank dahinter, und hölzernen Schemeln davor. (Die Bühne bleibt eine Zeitlang leer; aussen Sturm, im Begriffe sich gänzlich zu legen. - Siegmund öffnet von aussen die grosse Eingangstüre und tritt ein. Er hält den Riegel noch in der Hand und überblickt den Wohnraum; er scheint von übermässiger Anstrengung erschöpft; sein Gewand und sein Aussehen zeigen, dass er sich auf der Flucht befindet. Da er niemand gewahrt, schliesst er die Tür hinter sich, schreitet mit der äussersten Anstrengung eines Todmüden auf den Herd zu und wirft sich dort auf eine Decke von Bärenfell nieder).
SIEGMUND
Wes Herd dies auch sei,
hier muss ich rasten.
(Er sinkt zurück und bleibt einige Zeit regungslos ausgestreckt. Sieglinde tritt aus der Tür des inneren Gemaches; sie glaubte ihren Mann heimgekehrt: ihre erste Miene zeigt sich dann verwundert, als sie einen Fremden am Herde ausgestreckt sieht.)
SIEGLINDE
(noch im Hintergrunde)
Ein fremder Mann?
Ihn muss ich fragen.
(Sie tritt ruhig einige Schritte näher.)
Wer kam ins Haus
und liegt dort am Herd?
(Da Siegmund sich nicht regt, tritt sie noch etwas näher und betrachtet ihn.)
Müde liegt er
von Weges Müh'n.
Schwanden die Sinne ihm?
Wäre er siech?
(Sie neigt sich zu ihm herab und lauscht.)
Noch schwillt ihm den Atem
das Auge nur schloss er. -
Mutig dünkt mich der Mann,
sank er müd' auch hin.
SIEGMUND
(fährt jäh mit dem Haupt in die Höhe)
Ein Quell! Ein Quell!
SIEGLINDE
Erquickung schaff' ich.
(Sie nimmt schnell ein Trinkhorn und geht damit aus dem Haus.
Sie kommt zurück und reicht das gefüllte Trinkhorn Siegmund.)
SIEGLINDE
Labung biet' ich
dem lechzenden Gaumen:
Wasser, wie du gewollt.
(Siegmund trinkt und reicht ihr das Horn zurück. Als er ihr mit dem Haupte Dank zuwinkt, haftet sein Blick mit steigender Teilnahme an ihren Mienen.)
SIEGMUND
Kühlende Labung
gab mir der Quell,
des Müden Last
machte er leicht:
erfrischt ist der Mut,
das Aug' erfreut
des Sehens selige Lust.
Wer ist's, der so mir es labt?
SIEGLINDE
Dies Haus und dies Weib
sind Hundings Eigen;
gastlich gönn' er dir Rast:
harre, bis heim er kehrt!
SIEGMUND
Waffenlos bin ich:
dem wunden Gast
wird dein Gatte nicht wehren.
SIEGLINDE
(mit besorgter Hast)
Die Wunden weise mir schnell!
SIEGMUND
(Schüttelt sich und springt lebhaft vom Lager zum Sitz auf.)
Gering sind sie,
der Rede nicht wert;
noch fügen des Leibes
Glieder sich fest.
Hätten halb so stark wie mein Arm
Schild und Speer mir gehalten,
nimmer floh ich dem Feind,
doch zerschellten mir Speer und Schild.
Der Feinde Meute
hetzte mich müd',
Gewitterbrunst
brach meinen Leib;
doch schneller, als ich der Meute,
schwand die Müdigkeit mir:
sank auf die Lider mir Nacht;
die Sonne lacht mir nun neu.
SIEGLINDE
(geht nach dem Speicher, füllt ein Horn mit Met und reicht es Siegmund mit freundlicher Bewegtheit)
Des seimigen Metes
süssen Trank
mög'st du mir nicht verschmähn.
SIEGMUND
Schmecktest du mir ihn zu?
(Sieglinde nippt am Horn und reicht es ihm wieder. Siegmund tut einen langen Zug, indem er den Blick mit wachsender Wärme auf sie heftet. Er setzt so das Horn ab und lässt es langsam sinken, während der Ausdruck seiner Miene in starke Ergriffenheit übergeht. Er seufzt tief auf und senkt den Blick düster zu Boden.)
SIEGMUND
(mit bebender Stimme)
Einen Unseligen labtest du:
Unheil wende
der Wunsch von dir!
(Er bricht schnell auf, um fortzugehen.)
Gerastet hab' ich
und süss geruht.
Weiter wend' ich den Schritt.
(er geht nach hinten)
SIEGLINDE
(lebhaft sich umwendend)
Wer verfolgt dich, dass du schon fliehst?
SIEGMUND
(von ihrem Rufe gefesselt, wendet sich wieder; langsam und düster)
Misswende folgt mir,
wohin ich fliehe;
Misswende naht mir,
wo ich mich neige. -
Dir, Frau, doch bleibe sie fern!
Fort wend' ich Fuss und Blick.
(Er schreitet schnell bis zur Tür und hebt den Riegel.)
SIEGLINDE
(in heftigem Selbstvergessen ihm nachrufend)
So bleibe hier!
Nicht bringst du Unheil dahin,
wo Unheil im Hause wohnt!
SIEGMUND
(bleibt tief erschüttert stehen; er forscht in Sieglindes Mienen; diese schlägt
verschämt und traurig die Augen nieder.
Langes Schweigen. Siegmund kehrt zurück.)
Wehwalt hiess ich mich selbst:
Hunding will ich erwarten.
(Er lehnt sich an den Herd; sein Blick haftet mit ruhiger und entschlossener Teilnahme an Sieglinde; diese hebt langsam das Auge wieder zu ihm auf. Beide blicken sich in langem Schweigen mit dem Ausdruck tiefster Ergriffenheit in die Augen.)
Sieglinde fährt plötzlich auf, lauscht und hört Hunding, der sein Ross aussen zum Stall führt. Sie geht hastig zur Tür und öffnet; Hunding, gewaffnet sein Schild und Speer, tritt ein und hält unter der Tür, als er Siegmund gewahrt. Hunding wendet sich mit einem ernst fragenden Blick an Sieglinde.
SIEGLINDE
(dem Blicke Hundings entgehend)
Müd am Herd
fand ich den Mann:
Not führt' ihn ins Haus.
HUNDING
Du labtest ihn?
SIEGLINDE
Den Gaumen letzt' ich ihm,
gastlich sorgt' ich sein!
SIEGMUND
(der ruhig und fest Hunding beobachtet)
Dach und Trank
dank' ich ihr:
willst du dein Weib drum schelten?
HUNDING
Heilig ist mein Herd: -
heilig sei dir mein Haus!
(er legt seine Waffen ab und übergibt sie Sieglinde)
(zu Sieglinde)
Rüst' uns Männern das Mahl!
(Sieglinde hängt die Waffen an Ästen des Eschenstammes auf, dann holt sie Speise und Trank aus dem Speicher und rüstet auf dem Tische das Nachtmahl. - Unwillkürlich heftet sie wieder den Blick auf Siegmund.)
HUNDING
(misst scharf und verwundert Siegmunds Züge, die er mit denen seiner Frau vergleicht; für sich:)
Wie gleicht er dem Weibe!
Der gleissende Wurm
glänzt auch ihm aus dem Auge.
(Er birgt sein Befremden und wendet sich wie unbefangen zu Siegmund.)
Weit her, traun,
kamst du des Wegs;
ein Ross nicht ritt,
der Rast hier fand:
welch schlimme Pfade
schufen dir Pein?
SIEGMUND
Durch Wald und Wiese,
Heide und Hain,
jagte mich Sturm
und starke Not:
nicht kenn' ich den Weg, den ich kam.
Wohin ich irrte,
weiss ich noch minder:
Kunde gewänn' ich des gern.
HUNDING
(am Tisch, und Siegmund den Sitz bietend)
Des Dach dich deckt,
des Haus dich hegt,
Hunding heisst der Wirt;
wendest von hier du
nach West den Schritt,
in Höfen reich
hausen dort Sippen,
die Hundings Ehre behüten.
Gönnt mir Ehre mein Gast,
wird sein Name nun mir gennant.
(Siegmund, der sich am Tisch niedergesetzt, blickt nachdenklich vor sich hin. Sieglinde, die sich neben Hunding, Siegmund gegenüber, gesetzt, heftet ihr Auge mit auffallender Teilnahme und Spannung auf diesen.)
HUNDING
(der beide beobachtet)
Trägst du Sorge,
mir zu vertraun,
der Frau hier gib doch Kunde:
sieh, wie gierig sie dich frägt!
SIEGLINDE
(unbefangen und teilnahmsvoll)
Gast, wer du bist,
wüsst' ich gern.
SIEGMUND
(blickt auf, sieht ihr in das Auge und beginnt ernst)
Friedmund darf ich nicht heissen;
Frohwalt möcht' ich wohl sein:
doch Wehwalt musst ich mich nennen.
Wolfe, der war mein Vater;
zu zwei kam ich zur Welt,
eine Zwillingsschwester und ich.
Früh schwanden mir
Mutter und Maid.
Die mich gebar,
und die mit mir sie barg,
kaum hab' ich je sie gekannt.
Wehrlich und stark war Wolfe;
der Feinde wuchsen ihm viel.
Zum Jagen zog
mit dem Jungen der Alte:
Von Hetze und Harst
einst kehrten wir heim:
da lag das Wolfsnest leer.
Zu Schutt gebrannt
der prangende Saal,
zum Stumpf der Eiche
blühender Stamm;
erschlagen der Mutter
mutiger Leib,
verschwunden in Gluten
der Schwester Spur:
uns schuf die herbe Not
der Neidinge harte Schar.
Geächtet floh
der Alte mit mir;
lange Jahre
lebte der Junge
mit Wolfe im wilden Wald:
manche Jagd
ward auf sie gemacht;
doch mutig wehrte
das Wolfspaar sich.
(zu Hunding gewandt)
Ein Wölfing kündet dir das,
den als "Wölfing" mancher wohl kennt.
HUNDING
Wunder und wilde Märe
kündest du, kühner Gast,
Wehwalt - der Wölfing!
Mich dünkt, von dem wehrlichen Paar
vernahm ich dunkle Sage,
kannt' ich auch Wolfe
und Wölfing nicht.
SIEGLINDE
Doch weiter künde, Fremder:
wo weilt dein Vater jetzt?
SIEGMUND
Ein starkes Jagen auf uns
stellten die Neidinge an:
der Jäger viele
fielen den Wölfen,
in Flucht durch den Wald
trieb sie das Wild.
Wie Spreu zerstob uns der Feind.
Doch ward ich vom Vater versprengt;
seine Spur verlor ich,
je länger ich forschte:
eines Wolfes Fell nur
traf ich im Forst;
leer lag das vor mir,
den Vater fand ich nicht.
Aus dem Wald trieb es mich fort;
mich drängt' es zu Männern und Frauen.
Wie viel ich traf,
wo ich sie fand,
ob ich um Freund',
um Frauen warb,
immer doch war ich geächtet:
Unheil lag auf mir.
Was Rechtes je ich riet,
andern dünkte es arg,
was schlimm immer mir schien,
andre gaben ihm Gunst.
In Fehde fiel ich,
wo ich mich fand,
Zorn traf mich,
wohin ich zog;
gehrt' ich nach Wonne,
weckt' ich nur Weh':
drum musst' ich mich Wehwalt nennen;
des Wehes waltet' ich nur.
(Er sieht zu Sieglinde auf und gewahrt ihren teilnehmenden Blick.)
HUNDING
Die so leidig Los dir beschied,
nicht liebte dich die Norn':
froh nicht grüsst dich der Mann,
dem fremd als Gast du nahst.
SIEGLINDE
Feige nur fürchten den,
der waffenlos einsam fährt! -
Künde noch, Gast,
wie du im Kampf
zuletzt die Waffe verlorst!
SIEGMUND
(immer lebhafter)
Ein trauriges Kind
rief mich zum Trutz:
vermählen wollte
der Magen Sippe
dem Mann ohne Minne die Maid.
Wider den Zwang
zog ich zum Schutz,
der Dränger Tross
traf ich im Kampf:
dem Sieger sank der Feind.
Erschlagen lagen die Brüder:
die Leichen umschlang da die Maid,
den Grimm verjagt' ihr der Gram.
Mit wilder Tränen Flut
betroff sie weinend die Wal:
um des Mordes der eignen Brüder
klagte die unsel'ge Braut.
Der Erschlagnen Sippen
stürmten daher;
übermächtig
ächzten nach Rache sie;
rings um die Stätte
ragten mir Feinde.
Doch von der Wal
wich nicht die Maid;
mit Schild und Speer
schirmt' ich sie lang',
bis Speer und Schild
im Harst mir zerhaun.
Wund und waffenlos stand ich -
sterben sah ich die Maid:
mich hetzte das wütende Heer -
auf den Leichen lag sie tot.
(mit einem Blicke voll schmerzlichen Feuers auf Sieglinde)
Nun weisst du, fragende Frau,
warum ich Friedmund nicht heisse!
(Er steht auf und schreitet auf den Herd zu. Sieglinde blickt erbleicht und tief erschüttert zu Boden.)
HUNDING
(erhebt sich, sehr finster)
Ich weiss ein wildes Geschlecht,
nicht heilig ist ihm,
was andern hehr:
verhasst ist es allen und mir.
Zur Rache ward ich gerufen,
Sühne zu nehmen
für Sippenblut:
zu spät kam ich,
und kehrte nun heim,
des flücht'gen Frevlers Spur
im eignen Haus zu erspähn. -
Mein Haus hütet,
Wölfing, dich heut';
für die Nacht nahm ich dich auf;
mit starker Waffe
doch wehre dich morgen;
zum Kampfe kies' ich den Tag:
für Tote zahlst du mir Zoll.
(Sieglinde schreitet mit besorgter Gebärde zwischen die beiden Männer vor.)
(barsch)
Fort aus dem Saal!
Säume hier nicht!
Den Nachttrunk rüste mir drin
und harre mein' zur Ruh'.
(Sieglinde steht eine Weile unentschieden und sinnend. Sie wendet sich langsam und zögernden Schrittes nach dem Speicher. Dort hält sie wieder an und bleibt, in Sinnen verloren, mit halb abgewandtem Gesicht stehen. Mit ruhigem Entschluss öffnet sie den Schrein, füllt ein Trinkhorn und schüttet aus einer Büchse Würze hinein. Dann wendet sich das Auge auf Siegmund, um seinem Blicke zu begegnen, den dieser fortwährend auf sie heftet. Sie gewahrt Hundings Spähen und wendet sich sogleich zum Schlafgemach. Auf den Stufen kehrt sie sich noch einmal um, heftet das Auge sehnsuchtsvoll auf Siegmund und deutet mit dem Blicke andauernd und mit sprechender Bestimmtheit auf eine Stelle am Eschenstamme. Hunding fährt auf und treibt sie mit einer heftigen Gebärde zum Fortgehen an. Mit einem letzten Blick auf Siegmund geht sie in das Schlafgemach und schliesst hinter sich die Türe.)
HUNDING
(nimmt seine Waffen vom Stamme herab)
Mit Waffen wehrt sich der Mann. -
(Im Abgehen sich zu Siegmund wendend.)
Dich Wölfing treffe ich morgen;
mein Wort hörtest du -
hüte dich wohl!
(Er geht mit den Waffen in das Gemach; man hört ihn von innen den Riegel schliessen)
Allein. - Es ist vollständig Nacht geworden; der Saal ist nur noch von einem schwachen Feuer im Herde erhellt. Siegmund lässt sich, nah beim Feuer, auf dem Lager nieder und brütet in grosser innerer Aufregung eine Zeitlang schweigend vor sich hin.
SIEGMUND
Ein Schwert verhiess mir der Vater,
ich fänd' es in höchster Not.
Waffenlos fiel ich
in Feindes Haus;
seiner Rache Pfand,
raste ich hier: -
ein Weib sah ich,
wonnig und hehr:
entzückend Bangen
zehrt mein Herz.
Zu der mich nun Sehnsucht zieht,
die mit süssem Zauber mich sehrt,
im Zwange hält sie der Mann,
der mich Wehrlosen höhnt!
Wälse! Wälse!
Wo ist dein Schwert?
Das starke Schwert,
das im Sturm ich schwänge,
bricht mir hervor aus der Brust,
was wütend das Herz noch hegt?
(Das Feuer bricht zusammen; es fällt aus der aufsprühenden Glut plötzlich ein greller Schein auf die Stelle des Eschenstammes, welche Sieglindes Blick bezeichnet hatte und an der man jetzt deutlich einen Schwertgriff haften sieht.)
Was gleisst dort hell
im Glimmerschein?
Welch ein Strahl bricht
aus der Esche Stamm?
Des Blinden Auge
leuchtet ein Blitz:
lustig lacht da der Blick.
Wie der Schein so hehr
das Herz mir sengt!
Ist es der Blick
der blühenden Frau,
den dort haftend
sie hinter sich liess,
als aus dem Saal sie schied?
(Von hier an verglimmt das Herdfeuer allmählich.)
Nächtiges Dunkel
deckte mein Aug',
ihres Blickes Strahl
streifte mich da:
Wärme gewann ich und Tag.
Selig schien mir
der Sonne Licht;
den Scheitel umgliss mir
ihr wonniger Glanz -
bis hinter Bergen sie sank.
(Ein neuer schwacher Aufschein des Feuers.)
Noch einmal, da sie schied,
traf mich abends ihr Schein;
selbst der alten Esche Stamm
erglänzte in goldner Glut:
da bleicht die Blüte,
das Licht verlischt;
nächtiges Dunkel
deckt mir das Auge:
tief in des Busens Berge
glimmt nur noch lichtlose Glut.
(Das Feuer ist gänzlich verloschen: volle Nacht. - Das Seitengemach öffnet leise: Sieglinde, in weissem Gewande, tritt heraus und schreitet leise, doch rasch, auf den Herd zu.)
SIEGLINDE
Schläfst du, Gast?
SIEGMUND
(freudig überrascht aufspringend)
Wer schleicht daher?
SIEGLINDE
(Mit geheimnisvoller Hast.)
Ich bin's: höre mich an!
In tiefem Schlaf liegt Hunding;
ich würzt' ihm betäubenden Trank:
nütze die Nacht dir zum Heil!
SIEGMUND
(hitzig unterbrechend)
Heil macht mich dein Nah'n!
SIEGLINDE
Eine Waffe lass mich dir weisen:
o wenn du sie gewännst!
Den hehrsten Helden
dürft' ich dich heissen:
dem Stärksten allein
ward sie bestimmt.
O merke wohl, was ich dir melde!
Der Männer Sippe
sass hier im Saal,
von Hunding zur Hochzeit geladen:
er freite ein Weib,
das ungefragt
Schächer ihm schenkten zur Frau.
Traurig sass ich,
während sie tranken;
ein Fremder trat da herein:
ein Greis in blauem Gewand;
tief hing ihm der Hut,
der deckt' ihm der Augen eines;
doch des andren Strahl,
Angst schuf es allen,
traf die Männer
sein mächtiges Dräu'n.
mir allein
weckte das Auge
süss sehnenden Harm,
Tränen und Trost zugleich.
Auf mich blickt' er
und blitzte auf jene,
als ein Schwert in Händen er schwang;
das stiess er nun
in der Esche Stamm,
bis zum Heft haftet' es drin:
dem sollte der Stahl geziemen,
der aus dem Stamm' es zög'.
Der Männer alle,
so kühn sie sich mühten,
die Wehr sich keiner gewann;
Gäste kamen
und Gäste gingen,
die stärksten zogen am Stahl -
keinen Zoll entwich er dem Stamm:
dort haftet schweigend das Schwert. -
Da wusst' ich, wer der war,
der mich Gramvolle gegrüsst;
ich weiss auch,
wem allein
im Stamm das Schwert er bestimmt.
O fänd' ich ihn heut'
und hier, den Freund;
käm' er aus Fremden
zur ärmsten Frau.
Was je ich gelitten
in grimmigem Leid,
was je mich geschmerzt
in Schande und Schmach, -
süsseste Rache
sühnte dann alles!
Erjagt hätt' ich,
was je ich verlor,
was je ich beweint,
wär' mir gewonnen,
fänd' ich den heiligen Freund,
umfing' den Helden mein Arm!
SIEGMUND
(mit Glut Sieglinde umfassend)
Dich selige Frau
hält nun der Freund,
dem Waffe und Weib bestimmt!
Heiss in der Brust
brennt mir der Eid,
der mich dir Edlen vermählt.
Was je ich ersehnt,
ersah ich in dir;
in dir fand ich,
was je mir gefehlt!
Littest du Schmach,
und schmerzte mich Leid;
war ich geächtet,
und warst du entehrt:
freudige Rache
lacht nun den Frohen!
Auf lach' ich
in heiliger Lust, -
halt' ich dich Hehre umfangen,
fühl' ich dein schlagendes Herz!
(Die grosse Türe springt auf.)
SIEGLINDE
(fährt erschrocken zusammen und reisst sich)
Ha, wer ging? Wer kam herein?
(Die Tür bleibt weit geöffnet: aussen herrliche Frühlingsnacht; der Vollmond leuchtet herein und wirft sein helles Licht auf das Paar, das so sich plötzlich in voller Deutlichkeit wahrnehmen kann.)
SIEGMUND
(in leiser Entzückung)
Keiner ging -
doch einer kam:
siehe, der Lenz
lacht in den Saal!
(Siegmund zieht Sieglinde mit sanfter Gewalt zu sich auf das Lager, so dass sie neben ihm zu sitzen kommt. Wachsende Helligkeit des Mondscheines.)
Winterstürme wichen
dem Wonnemond, -
in mildem Lichte
leuchtet der Lenz; -
auf linden Lüften
leicht und lieblich,
Wunder webend
er sich wiegt;
durch Wald und Auen
weht sein Atem,
weit geöffnet
lacht sein Aug': -
aus sel'ger Vöglein Sange
süss er tönt,
holde Düfte
haucht er aus;
seinem warmen Blut entblühen
wonnige Blumen,
Keim und Spross
entspringt seiner Kraft.
Mit zarter Waffen Zier
bezwingt er die Welt;
Winter und Sturm wichen
der starken Wehr: -
wohl musste den tapfern Streichen
die strenge Türe auch weichen,
die trotzig und starr
uns - trennte von ihm. -
Zu seiner Schwester
schwang er sich her;
die Liebe lockte den Lenz:
in unsrem Busen
barg sie sich tief;
nun lacht sie selig dem Licht.
Die bräutliche Schwester
befreite der Bruder;
zertrümmert liegt,
was je sie getrennt:
jauchzend grüsst sich
das junge Paar:
vereint sind Liebe und Lenz!
SIEGLINDE
Du bist der Lenz,
nach dem ich verlangte
in frostigen Winters Frist.
Dich grüsste mein Herz
mit heiligem Grau'n,
als dein Blick zuerst mir erblühte.
Fremdes nur sah ich von je,
freudlos war mir das Nahe.
Als hätt' ich nie es gekannt,
war, was immer mir kam.
Doch dich kannt' ich
deutlich und klar:
als mein Auge dich sah,
warst du mein Eigen;
was im Busen ich barg,
was ich bin,
hell wie der Tag
taucht' es mir auf,
o wie tönender Schall
schlug's an mein Ohr,
als in frostig öder Fremde
zuerst ich den Freund ersah.
(Sie hängt sich entzückt an seinen Hals und blickt ihm nahe ins Gesicht.)
SIEGMUND
(mit Hingerissenheit)
O süsseste Wonne!
O seligstes Weib!
SIEGLINDE
(dicht an seinen Augen)
O lass in Nähe
zu dir mich neigen,
dass hell ich schaue
den hehren Schein,
der dir aus Aug'
und Antlitz bricht
und so süss die Sinne mir zwingt.
SIEGMUND
Im Lenzesmond
leuchtest du hell;
hehr umwebt dich
das Wellenhaar:
was mich berückt,
errat' ich nun leicht,
denn wonnig weidet mein Blick.
SIEGLINDE
(schlägt ihm die Locken von der Stirn zurück und betrachtet ihn staunend)
Wie dir die Stirn
so offen steht,
der Adern Geäst
in den Schläfen sich schlingt!
Mir zagt es vor der Wonne,
die mich entzückt!
Ein Wunder will mich gemahnen:
den heut' zuerst ich erschaut,
mein Auge sah dich schon!
SIEGMUND
Ein Minnetraum
gemahnt auch mich:
in heissem Sehnen
sah ich dich schon!
SIEGLINDE
Im Bach erblickt' ich
mein eigen Bild -
und jetzt gewahr' ich es wieder:
wie einst dem Teich es enttaucht,
bietest mein Bild mir nun du!
SIEGMUND
Du bist das Bild,
das ich in mir barg.
SIEGLINDE
(den Blick schnell abwendend)
O still! Lass mich
der Stimme lauschen:
mich dünkt, ihren Klang
hört' ich als Kind -
(aufgeregt)
Doch nein! Ich hörte sie neulich,
als meiner Stimme Schall
mir widerhallte der Wald.
SIEGMUND
O lieblichste Laute,
denen ich lausche!
SIEGLINDE
(ihm wieder in die Augen spähend)
Deines Auges Glut
erglänzte mir schon:
so blickte der Greis
grüssend auf mich,
als der Traurigen Trost er gab.
An dem Blick
erkannt' ihn sein Kind -
schon wollt' ich beim Namen ihn nennen!
(Sie hält inne, und fährt dann leise fort.)
Wehwalt heisst du fürwahr?
SIEGMUND
Nicht heiss' ich so,
seit du mich liebst:
nun walt' ich der hehrsten Wonnen!
SIEGLINDE
Und Friedmund darfst du
froh dich nicht nennen?
SIEGMUND
Nenne mich du,
wie du liebst, dass ich heisse:
den Namen nehm' ich von dir!
SIEGLINDE
Doch nanntest du Wolfe den Vater?
SIEGMUND
Ein Wolf war er feigen Füchsen!
Doch dem so stolz
strahlte das Auge,
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt,
der war: - Wälse genannt.
SIEGLINDE
(ausser sich)
War Wälse dein Vater,
und bist du ein Wälsung,
stiess er für dich
sein Schwert in den Stamm -
so lass mich dich heissen,
wie ich dich liebe:
Siegmund -
so nenn' ich dich!
SIEGMUND
(springt auf dem Stamm zu und fasst den Schwertgriff)
Siegmund heiss' ich
und Siegmund bin ich!
Bezeug' es dies Schwert,
das zaglos ich halte!
Wälse verhiess mir,
in höchster Not
fänd' ich es einst:
ich fass' es nun!
Heiligster Minne
höchste Not,
sehnender Liebe
sehrende Not
brennt mir hell in der Brust,
drängt zu Tat und Tod:
Notung! Notung! -
So nenn' ich dich, Schwert -
Notung! Notung!
Neidlicher Stahl!
Zeig' deiner Schärfe
schneidenden Zahn:
heraus aus der Scheide zu mir! -
(Er zieht mit einem gewaltigen Ruck das Schwert aus dem Stamme und zeigt es der von Staunen und Entzücken erfassten Sieglinde.)
Siegmund, den Wälsung,
siehst du, Weib!
Als Brautgabe
bringt er dies Schwert:
so freit er sich
die seligste Frau;
dem Feindeshaus
entführt er dich so.
Fern von hier
folge mir nun,
fort in des Lenzes
lachendes Haus:
dort schützt dich Notung, das Schwert,
wenn Siegmund dir liebend erlag!
(Er hat sie umfasst, um sie mit sich fortzuziehen.)
SIEGLINDE
(reisst sich in höchster Trunkenheit von ihm los und stellt sich ihm gegenüber)
Bist du Siegmund,
den ich hier sehe -
Sieglinde bin ich,
die dich ersehnt:
die eigne Schwester
gewannst du zu eins mit dem Schwert!
SIEGMUND
Braut und Schwester
bist du dem Bruder -
so blühe denn, Wälsungen-Blut!
(Er zieht sie mit wütender Glut an sich; sie sinkt mit einem Schrei an seine Brust. - Der Vorhang fällt schnell.)
Wildes Felsengebirge.
Im Hintergrund zieht sich von unten her eine Schlucht herauf, die auf ein erhöhtes Felsjoch mündet; von diesem senkt sich der Boden dem Vordergrunde zu wieder abwärts. Wotan, kriegerisch gewaffnet, mit dem Speer; vor ihm Brünnhilde, als Walküre, ebenfalls in voller Waffenrüstung.
WOTAN
Nun zäume dein Ross,
reisige Maid!
Bald entbrennt
brünstiger Streit:
Brünnhilde stürme zum Kampf,
dem Wälsung kiese sie Sieg!
Hunding wähle sich,
wem er gehört;
nach Walhall taugt er mir nicht.
Drum rüstig und rasch,
reite zur Wal!
BRÜNNHILDE
(jauchzend von Fels zu Fels die Höhe rechts hinauf springend)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Hojotoho! Heiaha!
(Sie hält auf einer hohen Felsspitze an, blickt in die hintere Schlucht hinab und ruft zu Wotan zurück.)
Dir rat' ich, Vater,
rüste dich selbst;
harten Sturm
sollst du bestehn.
Fricka naht, deine Frau,
im Wagen mit dem Widdergespann.
Hei! Wie die goldne
Geissel sie schwingt!
Die armen Tiere
ächzen vor Angst;
wild rasseln die Räder;
zornig fährt sie zum Zank!
In solchem Strausse
streit' ich nicht gern,
lieb' ich auch mutiger
Männer Schlacht!
Drum sieh, wie den Sturm du bestehst:
ich Lustige lass' dich im Stich!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Heiahaha!
(Brünnhilde verschwindet hinter der Gebirgshöhe zur Seite. - In einem mit zwei Widdern bespannten Wagen langt Fricka aus der Schlucht auf dem Felsjoche an, dort hält sie rasch an und steigt aus. Sie schreitet heftig in den Vordergrund auf Wotan zu.)
WOTAN
(Fricka auf sich zuschreitend sehend, für sich)
Der alte Sturm,
die alte Müh'!
Doch stand muss ich hier halten!
FRICKA
(je näher sie kommt, desto mehr mässigt sie den Schritt und stellt sich mit Würde zu Wotan)
Wo in den Bergen du dich birgst,
der Gattin Blick zu entgehn,
einsam hier
such' ich dich auf,
dass Hülfe du mir verhiessest.
WOTAN
Was Fricka kümmert,
künde sie frei.
FRICKA
Ich vernahm Hundings Not,
um Rache rief er mich an:
der Ehe Hüterin
hörte ihn,
verhiess streng
zu strafen die Tat
des frech frevelnden Paars,
das kühn den Gatten gekränkt.
WOTAN
Was so Schlimmes
schuf das Paar,
das liebend einte der Lenz?
Der Minne Zauber
entzückte sie:
wer büsst mir der Minne Macht?
FRICKA
Wie töricht und taub du dich stellst,
als wüsstest fürwahr du nicht,
dass um der Ehe
heiligen Eid,
den hart gekränkten, ich klage!
WOTAN
Unheilig
acht' ich den Eid,
der Unliebende eint;
und mir wahrlich
mute nicht zu,
dass mit Zwang ich halte,
was dir nicht haftet:
denn wo kühn Kräfte sich regen,
da rat' ich offen zum Krieg.
FRICKA
Achtest du rühmlich
der Ehe Bruch,
so prahle nun weiter
und preis' es heilig,
dass Blutschande entblüht
dem Bund eines Zwillingspaars!
Mir schaudert das Herz,
es schwindelt mein Hirn:
bräutlich umfing
die Schwester der Bruder!
Wann ward es erlebt,
dass leiblich Geschwister sich liebten?
WOTAN
Heut' - hast du 's erlebt!
Erfahre so,
was von selbst sich fügt,
sei zuvor auch noch nie es geschehn.
Dass jene sich lieben,
leuchtet dir hell;
drum höre redlichen Rat:
Soll süsse Lust
deinen Segen dir lohnen,
so segne, lachend der Liebe,
Siegmunds und Sieglindes Bund!
FRICKA
(in höchste Entrüstung ausbrechend)
So ist es denn aus
mit den ewigen Göttern,
seit du die wilden
Wälsungen zeugtest?
Heraus sagt' ich's; -
traf ich den Sinn?
Nichts gilt dir der Hehren
heilige Sippe;
hin wirfst du alles,
was einst du geachtet;
zerreissest die Bande,
die selbst du gebunden,
lösest lachend
des Himmels Haft: -
dass nach Lust und Laune nur walte
dies frevelnde Zwillingspaar,
deiner Untreue zuchtlose Frucht!
O, was klag' ich
um Ehe und Eid,
da zuerst du selbst sie versehrt!
Die treue Gattin
trogest du stets;
wo eine Tiefe,
wo eine Höhe,
dahin lugte
lüstern dein Blick,
wie des Wechsels Lust du gewännest
und höhnend kränktest mein Herz.
Trauernden Sinnes
musst' ich's ertragen,
zogst du zur Schlacht
mit den schlimmen Mädchen,
die wilder Minne
Bund dir gebar:
denn dein Weib noch scheutest du so,
dass der Walküren Schar
und Brünnhilde selbst,
deines Wunsches Braut,
in Gehorsam der Herrin du gabst.
Doch jetzt, da dir neue
Namen gefielen,
als "Wälse" wölfisch
im Walde du schweiftest;
jetzt, da zu niedrigster
Schmach du dich neigtest,
gemeiner Menschen
ein Paar zu erzeugen:
jetzt dem Wurfe der Wölfin
wirfst du zu Füssen dein Weib! -
So führ' es denn aus!
Fülle das Mass!
Die Betrogne lass auch zertreten!
WOTAN
(ruhig)
Nichts lerntest du,
wollt' ich dich lehren,
was nie du erkennen kannst,
eh' nicht ertagte die Tat.
Stets Gewohntes
nur magst du verstehn:
doch was noch nie sich traf,
danach trachtet mein Sinn.
Eines höre!
Not tut ein Held,
der, ledig göttlichen Schutzes,
sich löse vom Göttergesetz.
So nur taugt er
zu wirken die Tat,
die, wie not sie den Göttern,
dem Gott doch zu wirken verwehrt.
FRICKA
Mit tiefem Sinne
willst du mich täuschen:
was Hehres sollten
Helden je wirken,
das ihren Göttern wäre verwehrt,
deren Gunst in ihnen nur wirkt?
WOTAN
Ihres eignen Mutes
achtest du nicht?
FRICKA
Wer hauchte Menschen ihn ein?
Wer hellte den Blöden den Blick?
In deinem Schutz
scheinen sie stark,
durch deinen Stachel
streben sie auf:
du reizest sie einzig,
die so mir Ew'gen du rühmst,
Mit neuer List
willst du mich belügen,
durch neue Ränke
mir jetzt entrinnen;
doch diesen Wälsung
gewinnst du dir nicht:
in ihm treff' ich nur dich,
denn durch dich trotzt er allein.
WOTAN
(ergriffen)
In wildem Leiden
erwuchs er sich selbst:
mein Schutz schirmte ihn nie.
FRICKA
So schütz' auch heut' ihn nicht!
Nimm ihm das Schwert,
das du ihm geschenkt!
WOTAN
Das Schwert?
FRICKA
Ja, das Schwert,
das zauberstark
zuckende Schwert,
das du Gott dem Sohne gabst.
WOTAN
(heftig)
Siegmund gewann es sich
(mit unterdrücktem Beben)
selbst in der Noth.
(Wotan drückt in seiner ganzen Haltung von hier an einen immer wachsenden unheimlichen, tiefen Unmut aus)
FRICKA
(eifrig fortfahrend)
Du schufst ihm die Not,
wie das neidliche Schwert.
Willst du mich täuschen,
die Tag und Nacht
auf den Fersen dir folgt?
Für ihn stiessest du
das Schwert in den Stamm,
du verhiessest ihm
die hehre Wehr:
willst du es leugnen,
dass nur deine List
ihn lockte, wo er es fänd'?
(Wotan fährt mit einer grimmigen Gebärde auf)
(immer sicherer, da sie den Eindruck gewahrt, den sie auf Wotan hervorgebracht hat)
Mit Unfreien
streitet kein Edler,
den Frevler straft nur der Freie.
Wider deine Kraft
führt' ich wohl Krieg:
doch Siegmund verfiel mir als Knecht!
(Neue heftige Gebärde Wotans, dann Versinken in das Gefühl seiner Ohnmacht.)
Der dir als Herren
hörig und eigen,
gehorchen soll ihm
dein ewig Gemahl?
Soll mich in Schmach
der Niedrigste schmähen,
dem Frechen zum Sporn,
dem Freien zum Spott?
Das kann mein Gatte nicht wollen,
die Göttin entweiht er nicht so!
WOTAN
(finster)
Was verlangst du?
FRICKA
Lass von dem Wälsung!
WOTAN
(mit gedämpfter Stimme)
Er geh' seines Wegs.
FRICKA
Doch du schütze ihn nicht,
wenn zur Schlacht ihn der Rächer ruft!
WOTAN
Ich schütze ihn nicht.
FRICKA
Sieh mir ins Auge,
sinne nicht Trug:
die Walküre wend' auch von ihm!
WOTAN
Die Walküre walte frei.
FRICKA
Nicht doch; deinen Willen
vollbringt sie allein:
verbiete ihr Siegmunds Sieg!
WOTAN
(in heftigen inneren Kampf ausbrechend)
Ich kann ihn nicht fällen:
er fand mein Schwert!
FRICKA
Entzieh' dem den Zauber,
zerknick' es dem Knecht!
Schutzlos schau' ihn der Feind!
(Man vernimmt Brünnhilde von der Höhe her.)
BRÜNNHILDE
Heiaha! Heiaha! Hojotoho!
Dort kommt deine kühne Maid;
jauchzend jagt sie daher.
Zusammen
BRÜNNHILDE
Heiaha! Heiaha! Heiohotojo! Hotojoha!
WOTAN
(dumpf für sich)
Ich rief sie für Siegmund zu Ross!
(Brünnhilde erscheint mit ihrem Ross auf dem Felsenpfade rechts. Als sie Fricka gewahrt, bricht sie schnell ab und geleitet ihr Ross still und langsam während des Folgenden den Felsweg herab: dort birgt sie es dann in einer Höhle.)
FRICKA
Deiner ew'gen Gattin
heilige Ehre
beschirme heut' ihr Schild!
Von Menschen verlacht,
verlustig der Macht,
gingen wir Götter zugrund:
würde heut' nicht hehr
und herrlich mein Recht
gerächt von der mutigen Maid.
Der Wälsung fällt meiner Ehre:
Empfah' ich von Wotan den Eid?
WOTAN
(in furchtbarem Unmut und innerem Grimm auf einen Felsensitz sich werfend)
Nimm den Eid!
(Fricka schreit dem Hintergrunde zu: dort begegnet sie Brünnhilde und hält einen Augenblick vor ihr an.)
FRICKA
(zu Brünnhilde)
Heervater
harret dein:
lass' ihn dir künden,
wie das Los er gekiest!
(Sie besteigt den Wagen und fährt schnell davon.)
Brünnhilde tritt mit besorgter Miene verwundert vor Wotan, der, auf dem Felssitz zurückgelehnt, das Haupt auf die Hand gestützt, in finstres Brüten versunken ist.
BRÜNNHILDE
Schlimm, fürcht' ich,
schloss der Streit,
lachte Fricka dem Lose.
Vater, was soll
dein Kind erfahren?
Trübe scheinst du und traurig!
WOTAN
(lässt den Arm machtlos sinken und den Kopf in den Nacken fallen)
In eigner Fessel
fing ich mich: -
ich Unfreiester aller!
BRÜNNHILDE
So sah ich dich nie!
Was nagt dir das Herz?
WOTAN
(von hier an steigert sich Wotans Ausdruck und Gebärde bis zum furchtbarsten Ausbruch)
O heilige Schmach!
O schmählicher Harm!
Götternot!
Götternot!
Endloser Grimm!
Ewiger Gram!
Der Traurigste bin ich von allen!
BRÜNNHILDE
(wirft erschrocken Schild, Speer und Helm von sich und lässt sich mit besorgter Zutraulichkeit zu Wotans Füssen nieder)
Vater! Vater!
Sage, was ist dir?
Wie erschreckst du mit Sorge dein Kind?
Vertraue mir!
Ich bin dir treu:
sieh, Brünnhilde bittet!
(Sie legt traulich und ängstlich Haupt und Hände ihm auf Knie und Schoss.)
WOTAN
(blickt ihr lange ins Auge; dann streichelt er ihr mit unwillkürlicher Zärtlichkeit die Locken. Wie aus tiefem Sinnen zu sich kommend, beginnt er endlich sehr leise)
Lass' ich's verlauten,
lös' ich dann nicht
meines Willens haltenden Haft?
BRÜNNHILDE
(ihm ebenso erwidernd)
Zu Wotans Willen sprichst du,
sagst du mir, was du willst;
wer bin ich,
wär' ich dein Wille nicht?
WOTAN
(sehr leise)
Was keinem in Worten ich künde,
unausgesprochen
bleib' es denn ewig:
mit mir nur rat' ich,
red' ich zu dir. -
(mit noch gedämpfter, schauerlicher Stimme, während er Brünnhilde unverwandt in das Auge blickt)
Als junger Liebe
Lust mir verblich,
verlangte nach Macht mein Mut:
von jäher Wünsche
Wüten gejagt,
gewann ich mir die Welt.
Unwissend trugvoll,
Untreue übt' ich,
band durch Verträge,
was Unheil barg:
listig verlockte mich Loge,
der schweifend nun verschwand.
Von der Liebe doch
mocht' ich nicht lassen,
in der Macht verlangt' ich nach Minne.
Den Nacht gebar,
der bange Nibelung,
Alberich, brach ihren Bund;
er fluchte der Lieb'
und gewann durch den Fluch
des Rheines glänzendes Gold
und mit ihm masslose Macht.
Den Ring, den er schuf,
entriss ich ihm listig;
doch nicht dem Rhein
gab ich ihn zurück:
mit ihm bezahlt' ich
Walhalls Zinnen,
der Burg, die Riesen mir bauten,
aus der ich der Welt nun gebot.
Die alles weiss,
was einstens war,
Erda, die weihlich
weiseste Wala,
riet mir ab von dem Ring,
warnte vor ewigem Ende.
Von dem Ende wollt' ich
mehr noch wissen;
doch schweigend entschwand mir das Weib. -
Da verlor ich den leichten Mut,
zu wissen begehrt' es den Gott:
in den Schoss der Welt
schwang ich mich hinab,
mit Liebeszauber
zwang ich die Wala,
stört' ihres Wissens Stolz,
dass sie Rede nun mir stand.
Kunde empfing ich von ihr;
von mir doch barg sie ein Pfand:
der Welt weisestes Weib
gebar mir, Brünnhilde, dich.
Mit acht Schwestern
zog ich dich auf;
durch euch Walküren
wollt' ich wenden,
was mir die Wala
zu fürchten schuf:
ein schmähliches Ende der Ew'gen.
Dass stark zum Streit
uns fände der Feind,
hiess ich euch Helden mir schaffen:
die herrisch wir sonst
in Gesetzen hielten,
die Männer, denen
den Mut wir gewehrt,
die durch trüber Verträge
trügende Bande
zu blindem Gehorsam
wir uns gebunden, -
die solltet zu Sturm
und Streit ihr nun stacheln,
ihre Kraft reizen
zu rauhem Krieg,
dass kühner Kämpfer Scharen
ich sammle in Walhalls Saal!
BRÜNNHILDE
Deinen Saal füllten wir weidlich:
viele schon führt' ich dir zu.
Was macht dir nun Sorge,
da nie wir gesäumt?
WOTAN
(wieder gedämpfter)
Ein andres ist's:
achte es wohl,
wes mich die Wala gewarnt!
Durch Alberichs Heer
droht uns das Ende:
mit neidischem Grimm
grollt mir der Niblung: -
doch scheu' ich nun nicht
seine nächtigen Scharen,
meine Helden schüfen mir Sieg.
Nur wenn je den Ring
zurück er gewänne,
dann wäre Walhall verloren:
der der Liebe fluchte,
er allein
nützte neidisch
des Ringes Runen
zu aller Edlen
endloser Schmach:
der Helden Mut
entwendet' er mir;
die Kühnen selber
zwäng' er zum Kampf;
mit ihrer Kraft
bekriegte er mich.
Sorgend sann ich nun selbst,
den Ring dem Feind zu entreissen.
Der Riesen einer,
denen ich einst
mit verfluchtem Gold
den Fleiss vergalt:
Fafner hütet den Hort,
um den er den Bruder gefällt.
Ihm müsst' ich den Reif entringen,
den selbst als Zoll ich ihm zahlte.
Doch mit dem ich vertrug,
ihn darf ich nicht treffen;
machtlos vor ihm
erläge mein Mut: -
das sind die Bande,
die mich binden:
der durch Verträge ich Herr,
den Verträgen bin ich nun Knecht.
Nur Einer könnte,
was ich nicht darf:
ein Held, dem helfend
nie ich mich neigte;
der fremd dem Gotte,
frei seiner Gunst,
unbewusst,
ohne Geheiss,
aus eigner Not,
mit der eignen Wehr
schüfe die Tat,
die ich scheuen muss,
die nie mein Rat ihm riet,
wünscht sie auch einzig mein Wunsch!
Der, entgegen dem Gott,
für mich föchte,
den freundlichen Feind,
wie fände ich ihn?
Wie schüf' ich den Freien,
den nie ich schirmte,
der im eignen Trotze
der Trauteste mir?
Wie macht' ich den Andren,
der nicht mehr ich,
und aus sich wirkte,
was ich nur will?
O göttliche Not!
Grässliche Schmach!
Zum Ekel find' ich
ewig nur mich
in allem, was ich erwirke!
Das andre, das ich ersehne,
das andre erseh' ich nie:
denn selbst muss der Freie sich schaffen:
Knechte erknet' ich mir nur!
BRÜNNHILDE
Doch der Wälsung, Siegmund?
wirkt er nicht selbst?
WOTAN
Wild durchschweift' ich
mit ihm die Wälder;
gegen der Götter Rat
reizte kühn ich ihn auf:
gegen der Götter Rache
schützt ihn nun einzig das Schwert,
(gedehnt und bitter)
das eines Gottes
Gunst ihm beschied.
Wie wollt' ich listig
selbst mich belügen?
So leicht ja entfrug mir
Fricka den Trug:
zu tiefster Scham
durchschaute sie mich!
Ihrem Willen muss ich gewähren.
BRÜNNHILDE
So nimmst du von Siegmund den Sieg?
WOTAN
Ich berührte Alberichs Ring,
gierig hielt ich das Gold!
Der Fluch, den ich floh,
nicht flieht er nun mich: -
Was ich liebe, muss ich verlassen,
morden, wen je ich minne,
trügend verraten,
wer mir traut!
(Wotans Gebärde geht aus dem Ausdruck des furchtbarsten Schmerzes zu dem der Verzweiflung über.)
Fahre denn hin,
herrische Pracht,
göttlichen Prunkes
prahlende Schmach!
Zusammenbreche,
was ich gebaut!
Auf geb' ich mein Werk;
nur Eines will ich noch:
das Ende,
das Ende! -
(Er hält sinnend ein.)
Und für das Ende
sorgt Alberich!
Jetzt versteh' ich
den stummen Sinn
des wilden Wortes der Wala:
"Wenn der Liebe finstrer Feind
zürnend zeugt einen Sohn,
der Sel'gen Ende
säumt dann nicht!" -
Vom Niblung jüngst
vernahm ich die Mär',
dass ein Weib der Zwerg bewältigt,
des' Gunst Gold ihm erzwang:
Des Hasses Frucht
hegt eine Frau,
des Neides Kraft
kreisst ihr im Schoss:
das Wunder gelang
dem Liebelosen;
doch der in Lieb' ich freite,
den Freien erlang' ich mir nie.
(mit bittrem Grimm sich aufrichtend)
So nimm meinen Segen,
Niblungen-Sohn!
Was tief mich ekelt,
dir geb' ich's zum Erbe,
der Gottheit nichtigen Glanz:
zernage ihn gierig dein Neid!
BRÜNNHILDE
(erschrocken)
O sag', künde!
Was soll nun dein Kind?
WOTAN
(bitter)
Fromm streite für Fricka;
hüte ihr Eh' und Eid!
(trocken)
Was sie erkor,
das kiese auch ich:
was frommte mir eigner Wille?
Einen Freien kann ich nicht wollen:
für Frickas Knechte
kämpfe nun du!
BRÜNNHILDE
Weh'! Nimm reuig
zurück das Wort!
Du liebst Siegmund;
dir zulieb',
ich weiss es, schütz' ich den Wälsung.
WOTAN
Fällen sollst du Siegmund,
für Hunding erfechten den Sieg!
Hüte dich wohl
und halte dich stark,
all deiner Kühnheit
entbiete im Kampf:
ein Siegschwert
schwingt Siegmund; -
schwerlich fällt er dir feig!
BRÜNNHILDE
Den du zu lieben
stets mich gelehrt,
(sehr warm)
der in hehrer Tugend
dem Herzen dir teuer, -
gegen ihn zwingt mich nimmer
dein zwiespältig Wort!
WOTAN
Ha, Freche du!
Frevelst du mir?
Wer bist du, als meines Willens
blind wählende Kür?
Da mit dir ich tagte,
sank ich so tief,
dass zum Schimpf der eignen
Geschöpfe ich ward?
Kennst du, Kind, meinen Zorn?
Verzage dein Mut,
wenn je zermalmend
auf dich stürzte sein Strahl!
In meinem Busen
berg' ich den Grimm,
der in Grau'n und Wust
wirft eine Welt,
die einst zur Lust mir gelacht: -
wehe dem, den er trifft!
Trauer schüf' ihm sein Trotz!
Drum rat' ich dir,
reize mich nicht!
Besorge, was ich befahl:
Siegmund falle! -
Dies sei der Walküre Werk!
(er stürmt fort und verschwindet schnell links in Gebirge)
BRÜNNHILDE
(steht lange erschrocken und betäubt)
So sah ich Siegvater nie,
erzürnt' ihn sonst wohl auch ein Zank!
(Sie neigt sich betrübt und nimmt ihre Waffen auf, mit denen sie sich wieder rüstet)
Schwer wiegt mir
der Waffen Wucht: -
wenn nach Lust ich focht,
wie waren sie leicht!
Zu böser Schlacht
schleich' ich heut' so bang.
(Sie sinnt vor sich hin und seufzt dann auf.)
Weh', mein Wälsung!
Im höchsten Leid
muss dich treulos die Treue verlassen!
(Sie wendet sich langsam dem Hintergrunde zu.)
Auf dem Bergjoch angelangt, gewahrt Brünnhilde, in die Schlucht hinabblickend, Siegmund und Sieglinde; sie betrachtet die Nahenden einen Augenblick und wendet sich dann in die Höhe zu ihrem Ross, so dass sie dem Zuschauer gänzlich verschwindet. - Siegmund und Sieglinde erscheinen auf dem Bergjoche. Sieglinde schreitet Siegmund hastig voraus; Siegmund sucht sie aufzuhalten.
SIEGMUND
Raste nun hier;
gönne dir Ruh'!
SIEGLINDE
Weiter! Weiter!
SIEGMUND
(umfasst sie mit sanfter Gewalt)
Nicht weiter nun!
(Er schliesst sie fest an sich.)
Verweile, süssestes Weib!
Aus Wonne-Entzücken
zucktest du auf,
mit jäher Hast
jagtest du fort:
kaum folgt' ich der wilden Flucht;
durch Wald und Flur,
über Fels und Stein,
sprachlos, schweigend
sprangst du dahin,
kein Ruf hielt dich zur Rast!
(Sie starrt wild vor sich hin.)
Ruhe nun aus:
rede zu mir!
Ende des Schweigens Angst!
Sieh, dein Bruder
hält seine Braut:
Siegmund ist dir Gesell'!
(Er hat sie unvermerkt nach dem Steinsitze geleitet)
SIEGLINDE
(blickt Siegmund mit wachsendem Entzücken in die Augen, dann umschlingt sie leidenschaftlich seinen Hals und verweilt so; dann fährt sie mit jähem Schreck auf)
Hinweg! Hinweg!
Flieh' die Entweihte!
Unheilig
umfängt dich ihr Arm;
entehrt, geschändet
schwand dieser Leib:
flieh' die Leiche,
lasse sie los!
Der Wind mag sie verwehn,
die ehrlos dem Edlen sich gab!
Da er sie liebend umfing,
da seligste Lust sie fand,
da ganz sie minnte der Mann,
der ganz ihre Minne geweckt: -
vor der süssesten Wonne
heiligster Weihe,
die ganz ihr Sinn
und Seele durchdrang,
Grauen und Schauder
ob grässlichster Schande
musste mit Schreck
die Schmähliche fassen,
die je dem Manne gehorcht,
der ohne Minne sie hielt! -
Lass die Verfluchte,
lass sie dich fliehn!
Verworfen bin ich,
der Würde bar!
Dir reinstem Manne
muss ich entrinnen,
dir Herrlichem darf ich
nimmer gehören.
Schande bring' ich dem Bruder,
Schmach dem freienden Freund!
SIEGMUND
Was je Schande dir schuf,
das büsst nun des Frevlers Blut!
Drum fliehe nicht weiter;
harre des Feindes;
hier soll er mir fallen:
wenn Notung ihm
das Herz zernagt,
Rache dann hast du erreicht!
SIEGLINDE
(schrickt auf und lauscht)
Horch! Die Hörner,
hörst du den Ruf?
Ringsher tönt
wütend Getös':
aus Wald und Gau
gellt es herauf.
Hunding erwachte
aus hartem Schlaf!
Sippen und Hunde
ruft er zusammen;
mutig gehetzt
heult die Meute,
wild bellt sie zum Himmel
um der Ehe gebrochenen Eid!
(Sieglinde starrt wie wahnsinnig vor sich hin)
Wo bist du, Siegmund?
Seh' ich dich noch?
brünstig geliebter,
leuchtender Bruder!
Deines Auges Stern
lass noch einmal mir strahlen:
wehre dem Kuss
des verworfnen Weibes nicht! -
(Sie hat sich ihm schluchzend an die Brust geworfen: dann schrickt sie ängstlich wieder auf.)
Horch! O horch!
Das ist Hundings Horn!
Seine Meute naht
mit mächt'ger Wehr:
kein Schwert frommt
vor der Hunde Schwall:
wirf es fort, Siegmund!
Siegmund - wo bist du?
Ha dort! Ich sehe dich!
Schrecklich Gesicht!
Rüden fletschen
die Zähne nach Fleisch;
sie achten nicht
deines edlen Blicks;
bei den Füssen packt dich
das feste Gebiss -
du fällst -
in Stücken zerstaucht das Schwert: -
die Esche stürzt, -
es bricht der Stamm!
Bruder! Mein Bruder!
Siegmund - ha! -
(Sie sinkt ohnmächtig in Siegmunds Arme.)
SIEGMUND
Schwester! Geliebte!
(Er lauscht ihrem Atem und überzeugt sich, dass sie noch lebe. Er lässt sie an sich herabgleiten, so dass sie, als er sich selbst zum Sitze niederlässt, mit ihrem Haupt auf seinem Schoss zu ruhen kommt. In dieser Stellung verbleiben beide bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes. - Langes Schweigen, während dessen Siegmund mit zärtlicher Sorge über Sieglinde sich hinneigt und mit einem langen Kusse ihr die Stirne küsst.)
Brünnhilde, ihr Ross am Zaume geleitend, tritt aus der Höhle und schreitet langsam und feierlich nach vorne. Sie hält an und betrachtet Siegmund von fern. Sie schreitet wieder langsam vor. Sie hält in grösserer Nähe an. Sie trägt Schild und Speer in der einen Hand, lehnt sich mit der andren an den Hals des Rosses und betrachtet so mit ernster Miene Siegmund.
BRÜNNHILDE
Siegmund!
Sieh auf mich!
Ich bin's,
der bald du folgst.
SIEGMUND
(richtet den Blick zu ihr auf)
Wer bist du, sag',
die so schön und ernst mir erscheint?
BRÜNNHILDE
Nur Todgeweihten
taugt mein Anblick;
wer mich erschaut
der scheidet vom Lebenslicht.
Auf der Walstatt allein
erschein' ich Edlen:
wer mich gewahrt,
zur Wal kor ich ihn mir!
SIEGMUND
(blickt ihr lange forschend und fest in das Auge, senkt dann sinnend das Haupt und wendet sich endlich mit feierlichem Ernste wieder zu ihr)
Der dir nun folgt,
wohin führst du den Helden?
BRÜNNHILDE
Zu Walvater,
der dich gewählt,
führ' ich dich:
nach Walhall folgst du mir.
SIEGMUND
In Walhalls Saal
Walvater find' ich allein?
BRÜNNHILDE
Gefallner Helden
hehre Schar
umfängt dich hold
mit hoch-heiligem Gruss.
SIEGMUND
Fänd' ich in Walhall
Wälse, den eignen Vater?
BRÜNNHILDE
Den Vater findet
der Wälsung dort.
SIEGMUND
Grüsst mich in Walhall
froh eine Frau?
BRÜNNHILDE
Wunschmädchen
walten dort hehr:
Wotans Tochter
reicht dir traulich den Trank!
SIEGMUND
Hehr bist du,
und heilig gewahr' ich
das Wotanskind:
doch Eines sag' mir, du Ew'ge!
Begleitet den Bruder
die bräutliche Schwester?
Umfängt Siegmund
Sieglinde dort?
BRÜNNHILDE
Erdenluft
muss sie noch atmen:
Sieglinde sieht
Siegmund dort nicht!
SIEGMUND
(neigt sich sanft über Sieglinde, küsst sie leise auf die Stirn und wendet sich ruhig wieder zu Brünnhilde)
So grüsse mir Walhall,
grüsse mir Wotan,
grüsse mir Wälse
und alle Helden,
grüss' auch die holden
Wunschesmädchen: -
(sehr bestimmt)
zu ihnen folg' ich dir nicht.
BRÜNNHILDE
Du sahest der Walküre
sehrenden Blick:
mit ihr musst du nun ziehn!
SIEGMUND
Wo Sieglinde lebt
in Lust und Leid,
da will Siegmund auch säumen:
noch machte dein Blick
nicht mich erbleichen:
vom Bleiben zwingt er mich nie.
BRÜNNHILDE
Solang du lebst,
zwäng' dich wohl nichts:
doch zwingt dich Toren der Tod: -
ihn dir zu künden
kam ich her.
SIEGMUND
Wo wäre der Held,
dem heut' ich fiel?
BRÜNNHILDE
Hunding fällt dich im Streit.
SIEGMUND
Mit Stärkrem drohe,
als Hundings Streichen!
Lauerst du hier
lüstern auf Wal,
jenen kiese zum Fang:
ich denk ihn zu fällen im Kampf!
BRÜNNHILDE
(den Kopf schüttelnd)
Dir, Wälsung -
höre mich wohl:
dir ward das Los gekiest.
SIEGMUND
Kennst du dies Schwert?
Der mir es schuf,
beschied mir Sieg:
deinem Drohen trotz' ich mit ihm!
BRÜNNHILDE
(mit stark erhobener Stimme)
Der dir es schuf,
beschied dir jetzt Tod:
seine Tugend nimmt er dem Schwert!
SIEGMUND
(heftig)
Schweig, und schrecke
die Schlummernde nicht!
(Er beugt sich mit hervorbrechendem Schmerze zärtlich über Sieglinde.)
Weh! Weh!
Süssestes Weib!
Du traurigste aller Getreuen!
Gegen dich wütet
in Waffen die Welt:
und ich, dem du einzig vertraut,
für den du ihr einzig getrotzt,
mit meinem Schutz
nicht soll ich dich schirmen,
die Kühne verraten im Kampf?
Ha, Schande ihm,
der das Schwert mir schuf,
beschied er mir Schimpf für Sieg!
Muss ich denn fallen,
nicht fahr' ich nach Walhall:
Hella halte mich fest!
(Er neigt sich tief zu Sieglinde.)
BRÜNNHILDE
(erschüttert)
So wenig achtest du
ewige Wonne?
(zögernd und zurückhaltend)
Alles wär' dir
das arme Weib,
das müd' und harmvoll
matt von dem Schosse dir hängt?
Nichts sonst hieltest du hehr?
SIEGMUND
(bitter zu ihr aufblickend)
So jung und schön
erschimmerst du mir:
doch wie kalt und hart
erkennt dich mein Herz!
Kannst du nur höhnen,
so hebe dich fort,
du arge, fühllose Maid!
Doch musst du dich weiden
an meinem Weh',
mein Leiden letze dich denn;
meine Not labe
dein neidvolles Herz:
nur von Walhalls spröden Wonnen
sprich du wahrlich mir nicht!
BRÜNNHILDE
Ich sehe die Not,
die das Herz dir zernagt,
ich fühle des Helden
heiligen Harm -
Siegmund, befiehl mir dein Weib:
mein Schutz umfange sie fest!
SIEGMUND
Kein andrer als ich
soll die Reine lebend berühren:
verfiel ich dem Tod,
die Betäubte töt' ich zuvor!
BRÜNNHILDE
(in wachsender Ergriffenheit)
Wälsung! Rasender!
Hör' meinen Rat:
befiehl mir dein Weib
um des Pfandes willen,
das wonnig von dir es empfing!
SIEGMUND
(sein Schwert ziehend)
Dies Schwert, -
das dem Treuen ein Trugvoller schuf;
dies Schwert, -
das feig vor dem Feind mich verrät: -
frommt es nicht gegen den Feind,
so fromm' es denn wider den Freund! -
(Er zückt das Schwert auf Sieglinde.)
Zwei Leben
lachen dir hier:
nimm sie, Notung,
neidischer Stahl!
Nimm sie mit einem Streich!
BRÜNNHILDE
(im heftigsten Sturme des Mitgefühls)
Halt' ein Wälsung!
Höre mein Wort!
Sieglinde lebe -
und Siegmund lebe mit ihr!
Beschlossen ist's;
das Schlachtlos wend' ich:
dir, Siegmund,
schaff' ich Segen und Sieg!
(Man hört aus dem fernen Hintergrunde Hornrufe erschallen.)
Hörst du den Ruf?
Nun rüste dich, Held!
Traue dem Schwert
und schwing' es getrost:
treu hält dir die Wehr,
wie die Walküre treu dich schützt! -
Leb' wohl, Siegmund,
seligster Held!
Auf der Walstatt seh' ich dich wieder!
Sie stürmt fort und verschwindet mit dem Rosse rechts in einer Seitenschlucht. Siegmund blickt ihr freudig und erhoben nach. - Die Bühne hat sich allmählich verfinstert; schwere Gewitterwolken legen sich auf den Hintergrund herab und hüllen die Gebirgswände, die Schlucht und das erhöhte Bergjoch nach und nach gänzlich ein.
SIEGMUND
(neigt sich wieder über Sieglinde, dem Atem lauschend)
Zauberfest
bezähmt ein Schlaf
der Holden Schmerz und Harm.
Da die Walküre zu mir trat,
schuf sie ihr den wonnigen Trost?
Sollte die grimmige Wal
nicht schrecken ein gramvolles Weib?
Leblos scheint sie,
die dennoch lebt:
der Traurigen kost
ein lächelnder Traum. -
(Neue Hornrufe.)
So schlummre nun fort,
bis die Schlacht gekämpft,
und Friede dich erfreu'!
(Er legt sie sanft auf den Steinsitz und küsst ihr zum Abschied die Stirne. Siegmund vernimmt Hundings Hornruf und bricht entschlossen auf.)
Der dort mich ruft,
rüste sich nun;
was ihm gebührt,
biet' ich ihm:
Notung zahl' ihm den Zoll!
(Er zieht das Schwert, eilt dem Hintergrunde zu und verschwindet, auf dem Joche angekommen, sogleich in finstrem Gewittergewölk, aus welchem alsbald Wetterleuchten aufblitzt.)
SIEGLINDE
(beginnt sich träumend unruhiger zu bewegen)
Kehrte der Vater nur heim!
Mit dem Knaben noch weilt er im Forst.
Mutter! Mutter!
Mir bangt der Mut: -
nicht freund und friedlich
scheinen die Fremden!
Schwarze Dämpfe -
schwüles Gedünst -
feurige Lohe
leckt schon nach uns -
es brennt das Haus -
zu Hilfe, Bruder!
Siegmund! Siegmund!
(Sie springt auf. - Starker Blitz und Donner.)
Siegmund - Ha!
(Sie starrt in Angst um sich her: fast die ganze Bühne ist in schwarze Gewitterwolken gehüllt, fortwährender Blitz und Donner. Der Hornruf Hundings ertönt in der Nähe.)
HUNDING
(stimme)
(im Hintergrunde vom Bergjoche her)
Wehwalt! Wehwalt!
Steh' mir zum Streit,
sollen dich Hunde nicht halten!
SIEGMUND
(stimme)
(von weiter hinten her aus der Schlucht)
Wo birgst du dich,
dass ich vorbei dir schoss?
Steh', dass ich dich stelle!
SIEGLINDE
(in furchtbarer Aufregung lauschend)
Hunding! Siegmund!
Könnt' ich sie sehen!
HUNDING
Hieher, du frevelnder Freier!
Fricka fälle dich hier!
SIEGMUND
(nun ebenfalls vom Joche her)
Noch wähnst du mich waffenlos,
feiger Wicht?
Drohst du mit Frauen,
so ficht nun selber,
sonst lässt dich Fricka im Stich!
Denn sieh: deines Hauses
heimischem Stamm
entzog ich zaglos das Schwert;
seine Schneide schmecke jetzt du!
(Ein Blitz erhellt für einen Augenblick das Bergjoch, auf welchem jetzt Hunding und Siegmund kämpfend gewahrt werden.)
SIEGLINDE
(mit höchster Kraft)
Haltet ein, ihr Männer!
Mordet erst mich!
(Sie stürzt auf das Bergjoch zu, ein von rechts her den Kämpfern ausbrechender, heller Schein blendet sie aber plötzlich so heftig, dass sie, wie erblindet, zur Seite schwankt. In dem Lichtglanze erscheint Brünnhilde über Siegmund schwebend und diesen mit dem Schilde deckend.)
BRÜNNHILDE
Triff ihn, Siegmund!
traue dem Schwert!
(Als Siegmund soeben zu einem tödlichen Streiche gegen Hunding ausholt, bricht von links her ein glühend rötlicher Schein durch das Gewölk aus, in welchem Wotan erscheint, über Hunding stehend und seinen Speer Siegmund quer entgegenhaltend.)
WOTAN
Zurück vor dem Speer!
In Stücken das Schwert!
(Brünnhilde weicht erschrocken vor Wotan mit dem Schilde zurück; Siegmunds Schwert zerspringt an dem vorgehaltenen Speere. Dem Unbewehrten stösst Hunding seinen Speer in die Brust. Siegmund stürzt tot zu Boden. - Sieglinde, die seinen Todesseufzer gehört, sinkt mit einem Schrei wie leblos zusammen. - Mit Siegmunds Fall ist zugleich von beiden Seiten der glänzende Schein verschwunden; dichte Finsternis ruht im Gewölk bis nach vorn: in ihm wird Brünnhilde undeutlich sichtbar, wie sie in jäher Hast sich Sieglinden zuwendet.)
BRÜNNHILDE
Zu Ross, dass ich dich rette!
(Sie hebt Sieglinde schnell zu sich auf ihr der Seitenschlucht nahestehendes Ross und verschwindet sogleich mit ihr. - Alsbald zerteilt sich das Gewölk in der Mitte, so dass man deutlich Hunding gewahrt, der soeben seinen Speer dem gefallenen Siegmund aus der Brust zieht. - Wotan, von Gewölk umgeben, steht dahinter auf einem Felsen, an seinen Speer gelehnt und schmerzlich auf Siegmunds Leiche blickend.)
WOTAN
(zu Hunding)
Geh' hin, Knecht!
Kniee vor Fricka:
meld' ihr, dass Wotans Speer
gerächt, was Spott ihr schuf. -
Geh'! - Geh'!
(Vor seinem verächtlichen Handwink sinkt Hunding tot zum Boden.)
(plötzlich in furchtbarer Wut auffahrend)
Doch Brünnhilde! -
Weh' der Verbrecherin!
Furchtbar sei
die Freche gestraft,
erreicht mein Ross ihre Flucht!
(Er verschwindet mit Blitz und Donner. - Der Vorhang fällt schnell.)
Auf dem Gipfel eines Felsenberges.
Rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felshöhle, die einen natürlichen Saal bildet: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange, der - wie anzunehmen ist - nach dem Hintergrund zu steil hinabführt. - Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei. - Gerhilde, Ortlinde, Waltraute und Schwertleite haben sich auf der Felsspitze, an und über die Höhle gelagert, sie sind in voller Waffenrüstung.
GERHILDE
(zu höchst gelagert und dem Hintergrunde zurufend, wo ein starkes Gewölk herzieht)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Helmwige! Hier!
Hieher mit dem Ross!
HELMWIGE
(stimme)
(im Hintergrunde)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
(In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus: eine Walküre zu Ross wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei.)
GERHILDE, WALTRAUTE UND SCHWERTLEITE
(der ankommend entgegenrufend)
Heiaha! Heiaha!
(Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden.)
ORTLINDE
(in den Tann hineinrufend)
Zu Ortlindes Stute
stell deinen Hengst:
mit meiner Grauen
grast gern dein Brauner!
WALTRAUTE
(hineinrufend)
Wer hängt dir im Sattel?
HELMWIGE
(aus dem Tann auftretretend)
Sintolt, der Hegeling!
SCHWERTLEITE
Führ' deinen Brauen
fort von der Grauen:
Ortlindes Mähre
trägt Wittig, den Irming!
GERHILDE
(ist etwas näher herab gestiegen)
Als Feinde nur sah ich
Sintolt und Wittig!
ORTLINDE
(springt auf)
Heiaha! Die Stute
stösst mir der Hengst!
(Sie läuft in den Tann.)
SCHWERTLEITE, GERHILDE UND HELMWIGE
(lachen laut auf)
GERHILDE
Der Recken Zwist
entzweit noch die Rosse!
HELMWIGE
(in den Tann zurückrufend)
Ruhig, Brauner!
Brich nicht den Frieden!
WALTRAUTE
(auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend)
Hoioho! Hoioho!
Siegrune, hier!
Wo säumst du so lang?
(Sie lauscht nach rechts.)
SIEGRUNE
(stimme)
(von der rechten Seite des Hintergrundes her)
Arbeit gab's!
Sind die andren schon da?
SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE
(nach rechts in dem Hintergrund rufend)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
GERHILDE
Heiaha!
(Ihre Gebärden, sowie ein heller Glanz hinter dem Tann, zeigen an, dass soeben Siegrune dort angelangt ist. Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich.)
GRIMGERDE UND ROSSWEISSE
(links im Hintergrund)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
WALTRAUTE
(nach links)
Grimgerd' und Rossweisse!
GERHILDE
(ebenso)
Sie reiten zu zwei.
(In einem blitzerglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Grimgerde und Rossweisse, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. - Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den Ankommenden zu.)
HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE
Gegrüsst, ihr Reisige!
Rossweiss' und Grimgerde!
ROSSWEISSE UND GRIMGERDE
(stimmen)
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
(Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann.)
DIE ANDEREN WALKÜREN
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
GERHILDE
(in den Tann rufend)
In Wald mit den Rossen
zu Weid' und Rast!
ORTLINDE
(ebenfalls in den Tann rufend)
Führet die Mähren
fern von einander,
bis unsrer Helden
Hass sich gelegt!
(Die Walküren lachen.)
HELMWIGE
(während die anderen lachen)
Der Helden Grimm
büsste schon die Graue!
(Die Walküren lachen.)
ROSSWEISSE UND GRIMGERDE
(aus dem Tann tretend)
Hojotoho! Hojotoho!
DIE ANDEREN WALKÜREN
Willkommen! Willkommen!
SCHWERTLEITE
Wart ihr Kühnen zu zwei?
GRIMGERDE
Getrennt ritten wir
und trafen uns heut'.
ROSSWEISSE
Sind wir alle versammelt,
so säumt nicht lange:
nach Walhall brechen wir auf,
Wotan zu bringen die Wal.
HELMWIGE
Acht sind wir erst:
eine noch fehlt.
GERHILDE
Bei dem braunen Wälsung
weilt wohl noch Brünnhilde.
WALTRAUTE
Auf sie noch harren
müssen wir hier:
Walvater gäb' uns
grimmigen Gruss,
säh' ohne sie er uns nahn!
SIEGRUNE
(auf der Felswarte, von wo sie hinausspäht)
Hojotoho! Hojotoho!
(in den Hintergrund rufend)
Hieher! Hieher!
(zu den andern)
In brünstigem Ritt
jagt Brünnhilde her.
DIE WALKÜREN
(alle eilen auf die Warte)
Hojotoho! Hojotoho!
Brünnhilde! Hei!
(Sie spähen mit wachsender Verwunderung.)
WALTRAUTE
Nach dem Tann lenkt sie
das taumelnde Ross.
GRIMGERDE
Wie schnaubt Grane
vom schnellen Ritt!
ROSSWEISSE
So jach sah ich nie
Walküren jagen!
ORTLINDE
Was hält sie im Sattel?
HELMWIGE
Das ist kein Held!
SIEGRUNE
Eine Frau führt sie!
GERHILDE
Wie fand sie die Frau?
SCHWERTLEITE
Mit keinem Gruss
grüsst sie die Schwestern!
WALTRAUTE
(hinabrufend)
Heiaha! Brünnhilde!
Hörst du uns nicht?
ORTLINDE
Helft der Schwester
vom Ross sich schwingen!
(Gerhilde und Helmwige stürzen in den Tann.)
(Siegrune und Rossweisse laufen ihnen nach.)
DIE WALKÜREN
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
WALTRAUTE
(in den Tann blickend)
Zu Grunde stürzt
Grane, der Starke!
GRIMGERDE
Aus dem Sattel hebt sie
hastig das Weib!
DIE ÜBRIGEN WALKÜREN
(alle in den Tann laufend)
Schwester! Schwester!
Was ist geschehn?
(Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend, hereingeleitend.)
BRÜNNHILDE
(atemlos)
Schützt mich und helft
in höchster Not!
DIE WALKÜREN
Wo rittest du her
in rasender Hast?
So fliegt nur, wer auf der Flucht!
BRÜNNHILDE
Zum erstenmal flieh' ich
und bin verfolgt:
Heervater hetzt mir nach!
DIE WALKÜREN
(heftig erschreckend)
Bist du von Sinnen?
Sprich! Sage uns!
Verfolgt dich Heervater?
Fliehst du vor ihm?
BRÜNNHILDE
(wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück)
O Schwestern, späht
von des Felsens Spitze!
Schaut nach Norden,
ob Walvater naht!
(Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsenspitze zur Warte)
BRÜNNHILDE
Schnell! Seht ihr ihn schon?
ORTLINDE
Gewittersturm
naht von Norden.
WALTRAUTE
Starkes Gewölk
staut sich dort auf!
DIE WALKÜREN
Heervater reitet
sein heiliges Ross!
BRÜNNHILDE
Der wilde Jäger,
der wütend mich jagt,
er naht, er naht von Norden!
Schützt mich, Schwestern!
Wahret dies Weib!
DIE WALKÜREN
Was ist mit dem Weibe?
BRÜNNHILDE
Hört mich in Eile:
Sieglinde ist es,
Siegmunds Schwester und Braut:
gegen die Wälsungen
wütet Wotan in Grimm;
dem Bruder sollte
Brünnhilde heut'
entziehen den Sieg;
doch Siegmund schützt' ich
mit meinem Schild,
trotzend dem Gott! -
Der traf ihn da selbst mit dem Speer:
Siegmund fiel;
doch ich floh
fern mit der Frau;
sie zu retten,
eilt' ich zu euch -
ob mich Bange auch
(kleinmütig)
ihr berget vor dem strafenden Streich!
DIE WALKÜREN
(in grösster Bestürzung)
Betörte Schwester,
was tatest du?
Wehe! Brünnhilde, wehe!
Brach ungehorsam
Brünnhilde
Heervaters heilig Gebot?
WALTRAUTE
(von der Warte)
Nächtig zieht es
von Norden heran.
ORTLINDE
(ebenso)
Wütend steuert
hieher der Sturm.
DIE ANDEREN WALKÜREN
(dem Hintergrunde zugewendet)
Wild wiehert
Walvaters Ross.
Schrecklich schnaubt es daher!
BRÜNNHILDE
Wehe der Armen,
wenn Wotan sie trifft:
den Wälsungen allen
droht er Verderben! -
Wer leiht mir von euch
das leichteste Ross,
das flink die Frau ihm entführ'?
SIEGRUNE
Auch uns rätst du
rasenden Trotz?
BRÜNNHILDE
Rossweisse, Schwester,
leih' mir deinen Renner!
ROSSWEISSE
Vor Walvater floh
der fliegende nie.
BRÜNNHILDE
Helmwige, höre!
HELMWIGE
Dem Vater gehorch' ich.
BRÜNNHILDE
Grimgerde! Gerhilde!
Gönnt mir eu'r Ross!
Schwertleite! Siegrune!
Seht meine Angst!
Seid mir treu,
wie traut ich euch war:
rettet dies traurige Weib!
SIEGLINDE
(die bisher finster und kalt vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft - wie zum Schutze - umfasst, mit einer abwehrenden Gebärde auf)
Nicht sehre dich Sorge um mich:
einzig taugt mir der Tod!
Wer hiess dich Maid,
dem Harst mich entführen?
Im Sturm dort hätt' ich
den Streich empfah'n
von derselben Waffe,
der Siegmund fiel:
das Ende fand ich
vereint mit ihm! -
Fern von Siegmund -
Siegmund, von dir! -
O deckte mich Tod,
dass ich's denke!
Soll um die Flucht
dir, Maid, ich nicht fluchen,
so erhöre heilig mein Flehen:
stosse dein Schwert mir ins Herz!
BRÜNNHILDE
Lebe, o Weib,
um der Liebe willen!
Rette das Pfand,
das von ihm du empfingst:
(stark und drängend)
ein Wälsung wächst dir im Schoss!
SIEGLINDE
(erschrickt zunächst heftig: sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf)
Rette mich, Kühne!
Rette mein Kind!
Schirmt mich, ihr Mädchen,
mit mächtigstem Schutz!
(Immer finsteres Gewitter steigt im Hintergrunde auf: nahender Donner)
WALTRAUTE
(auf der Wart)
Der Sturm kommt heran.
ORTLINDE
(ebenso)
Flieh', wer ihn fürchtet!
DIE ANDEREN WALKÜREN
Fort mit dem Weibe,
droht ihm Gefahr:
der Walküren keine
wag' ihren Schutz!
SIEGLINDE
(auf den Knien vor Brünnhilde)
Rette mich, Maid!
Rette die Mutter!
BRÜNNHILDE
(mit lebhaftem Entschluss hebt sie Sieglinde auf)
So fliehe denn eilig -
und fliehe allein!
Ich bleibe zurück,
biete mich Wotans Rache:
an mir zögr' ich
den Zürnenden hier,
während du seinem Rasen entrinnst.
SIEGLINDE
Wohin soll ich mich wenden?
BRÜNNHILDE
Wer von euch Schwestern
schweifte nach Osten?
SIEGRUNE
Nach Osten weithin
dehnt sich ein Wald:
der Niblungen Hort
entführte Fafner dorthin.
SCHWERTLEITE
Wurmes Gestalt
schuf sich der Wilde:
in einer Höhle
hütet er Alberichs Reif!
GRIMGERDE
Nicht geheu'r ist's dort
für ein hilflos' Weib.
BRÜNNHILDE
Und doch vor Wotans Wut
schützt sie sicher der Wald:
ihn scheut der Mächt'ge
und meidet den Ort.
WALTRAUTE
(auf der Warte)
Furchtbar fährt
dort Wotan zum Fels.
DIE WALKÜREN
Brünnhilde, hör'
seines Nahens Gebraus'!
BRÜNNHILDE
(Sieglinde die Richtung weisend)
Fort denn eile,
nach Osten gewandt!
Mutigen Trotzes
ertrag' alle Müh'n, -
Hunger und Durst,
Dorn und Gestein;
lache, ob Not,
ob Leiden dich nagt!
Denn eines wiss'
und wahr' es immer...
Den hehrsten Helden der Welt
hegst du, o Weib,
im schirmenden Schoss! -
(Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor, und überreicht sie Sieglinde.)
Verwahr' ihm die starken
Schwertesstücken;
seines Vaters Walstatt
entführt' ich sie glücklich:
der neugefügt
das Schwert einst schwingt,
den Namen nehm'er von mir -
"Siegfried" erfreu' sich des Siegs!
SIEGLINDE
(in grösster Rührung)
O hehrstes Wunder!
Herrlichste Maid!
Dir Treuen dank' ich
heiligen Trost!
Für ihn, den wir liebten,
rett' ich das Liebste:
meines Dankes Lohn
lache dir einst!
Lebe wohl!
Dich segnet Sieglindes Weh'!
(Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen. - Die Felsenhöhe ist von schwarzen Gewitterwolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher; wachsender Feuerschein rechts daselbst.)
WOTAN
(stimme)
Steh'! Brünnhild'!
(Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor)
ORTLINDE UND WALTRAUTE
(von der Warte herabsteigend)
Den Fels erreichten
Ross und Reiter!
ALLE WALKÜREN
Weh', Brünnhild'!
Rache entbrennt!
BRÜNNHILDE
Ach, Schwestern, helft!
Mir schwankt das Herz!
Sein Zorn zerschellt mich,
wenn euer Schutz ihn nicht zähmt.
DIE WALKÜREN
(flüchten ängstlich nach der Felsenspitze hinauf; Brünnhilde lässt sich von ihnen nachziehen)
Hieher, Verlor'ne!
Lass dich nicht sehn!
Schmiege dich an uns
und schweige dem Ruf!
(Sie verbergen Brünnhilde unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist.)
Weh'!
Wütend schwingt sich
Wotan vom Ross! -
Hieher rast
sein rächender Schritt!
Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher.
WOTAN
Wo ist Brünnhild',
wo die Verbrecherin?
Wagt ihr, die Böse
vor mir zu bergen?
DIE WALKÜREN
Schrecklich ertost dein Toben!
Was taten, Vater, die Töchter,
dass sie dich reizten
zu rasender Wut?
WOTAN
Wollt ihr mich höhnen?
Hütet euch, Freche!
Ich weiss: Brünnhilde
bergt ihr vor mir.
Weichet von ihr,
der ewig Verworfnen,
wie ihren Wert
von sich sie warf!
DIE WALKÜREN
Zu uns floh die Verfolgte.
Unsern Schutz flehte sie an!
Mit Furcht und Zagen
fasst sie dein Zorn:
für die bange Schwester
bitten wir nun,
dass den ersten Zorn du bezähmst.
Lass dich erweichen für sie,
zähm deinen Zorn!
WOTAN
Weichherziges
Weibergezücht!
So matten Mut
gewannt ihr von mir?
Erzog ich euch, kühn
zum Kampfe zu zieh'n,
schuf ich die Herzen
euch hart und scharf,
dass ihr Wilden nun weint und greint,
wenn mein Grimm eine Treulose straft?
So wisst denn, Winselnde,
was sie verbrach,
um die euch Zagen
die Zähre entbrennt:
Keine wie sie
kannte mein innerstes Sinnen;
keine wie sie
wusste den Quell meines Willens!
Sie selbst war
meines Wunsches schaffender Schoss: -
und so nun brach sie
den seligen Bund,
dass treulos sie
meinem Willen getrotzt,
mein herrschend Gebot
offen verhöhnt,
gegen mich die Waffe gewandt,
die mein Wunsch allein ihr schuf! -
Hörst du's, Brünnhilde?
Du, der ich Brünne,
Helm und Wehr,
Wonne und Huld,
Namen und Leben verlieh?
Hörst du mich Klage erheben,
und birgst dich bang dem Kläger,
dass feig du der Straf' entflöhst?
BRÜNNHILDE
(tritt aus der Schar der Walküren hervor, schreitet demütigen, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan)
Hier bin ich, Vater:
gebiete die Strafe!
WOTAN
Nicht straf' ich dich erst:
deine Strafe schufst du dir selbst.
Durch meinen Willen
warst du allein:
gegen ihn doch hast du gewollt;
meinen Befehl nur
führtest du aus:
gegen ihn doch hast du befohlen;
Wunschmaid
warst du mir:
gegen mich doch hast du gewünscht;
Schildmaid
warst du mir:
gegen mich doch hobst du den Schild;
Loskieserin
warst du mir:
gegen mich doch kiestest du Lose;
Heldenreizerin
warst du mir:
gegen mich doch reiztest du Helden.
Was sonst du warst,
sagte dir Wotan:
was jetzt du bist,
das sage dir selbst!
Wunschmaid bist du nicht mehr;
Walküre bist du gewesen:
nun sei fortan,
was so du noch bist!
BRÜNNHILDE
(heftig erschreckend)
Du verstössest mich?
Versteh' ich den Sinn?
WOTAN
Nicht send' ich dich mehr aus Walhall;
nicht weis' ich dir mehr
Helden zur Wal;
nicht führst du mehr Sieger
in meinen Saal:
bei der Götter trautem Mahle
das Trinkhorn nicht reichst
du traulich mir mehr;
nicht kos' ich dir mehr
den kindischen Mund;
von göttlicher Schar
bist du geschieden,
ausgestossen
aus der Ewigen Stamm;
gebrochen ist unser Bund;
aus meinem Angesicht bist du verbannt.
DIE WALKÜREN
(verlassen, in aufgeregter Bewegung, ihre Stellung, indem sie sich etwas herabziehn)
Wehe! Weh'!
Schwester, ach Schwester!
BRÜNNHILDE
Nimmst du mir alles,
was einst du gabst?
WOTAN
Der dich zwingt, wird dir's entziehn!
Hieher auf den Berg
banne ich dich;
in wehrlosen Schlaf
schliess' ich dich fest:
der Mann dann fange die Maid,
der am Wege sie findet und weckt.
DIE WALKÜREN
(kommen in höchster Aufregung von der Felsenspitze ganz herab und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb kniend vor Wotan liegt)
Halt' ein, o Vater!
Halt' ein den Fluch!
Soll die Maid verblühn
und verbleichen dem Mann?
Schrecklicher Gott, wende von ihr
die schreiende Schmach!
Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf!
WOTAN
Hörtet ihr nicht,
was ich verhängt?
Aus eurer Schar
ist die treulose Schwester geschieden;
mit euch zu Ross
durch die Lüfte nicht reitet sie länger;
die magdliche Blume
verblüht der Maid;
ein Gatte gewinnt
ihre weibliche Gunst;
dem herrischen Manne
gehorcht sie fortan;
am Herde sitzt sie und spinnt,
aller Spottenden Ziel und Spiel.
(Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt mit heftigem Geräusch von ihrer Seite)
WOTAN
Schreckt euch ihr Los?
So flieht die Verlorne!
Weichet von ihr
und haltet euch fern!
Wer von euch wagte
bei ihr zu weilen,
wer mir zum Trotz
zu der Traurigen hielt' -
die Törin teilte ihr Los:
das künd' ich der Kühnen an!
Fort jetzt von hier;
meidet den Felsen!
Hurtig jagt mir von hinnen,
sonst erharrt Jammer euch hier!
(Die Walküren fahren mit wildem Wehschrei auseinander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann. - Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsenrande; man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in einer Schar zusammengedrängt, wild davonjagen. Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken verziehen sich allmählich. In der folgenden Szene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt.)
Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füssen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. - Langes, feierliches Schweigen: unveränderte Stellung.
BRÜNNHILDE
(beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben. Schüchtern beginnend und steigernd)
War es so schmählich,
was ich verbrach,
dass mein Verbrechen so schmählich du bestrafst?
War es so niedrig,
was ich dir tat,
dass du so tief mir Erniedrigung schaffst?
War es so ehrlos,
was ich beging,
dass mein Vergehn nun die Ehre mir raubt?
(Sie erhebt sich allmählich bis zur knienden Stellung.)
O sag', Vater!
Sieh mir ins Auge:
schweige den Zorn,
zähme die Wut,
und deute mir hell
die dunkle Schuld,
die mit starrem Trotze dich zwingt,
zu verstossen dein trautestes Kind!
WOTAN
(in unveränderter Stellung, ernst und düster)
Frag' deine Tat,
sie deutet dir deine Schuld!
BRÜNNHILDE
Deinen Befehl
führte ich aus.
WOTAN
Befahl ich dir
für den Wälsung zu fechten?
BRÜNNHILDE
So hiessest du mich
als Herrscher der Wal!
WOTAN
Doch meine Weisung
nahm ich wieder zurück!
BRÜNNHILDE
Als Fricka den eignen
Sinn dir entfremdet;
da ihrem Sinn du dich fügtest,
warst du selber dir Feind.
WOTAN
(leise und bitter)
Dass du mich verstanden, wähnt' ich,
und strafte den wissenden Trotz:
doch feig und dumm
dachtest du mich!
So hätt' ich Verrat nicht zu rächen;
zu gering wärst du meinem Grimm?
BRÜNNHILDE
Nicht weise bin ich,
doch wusst' ich das Eine,
dass den Wälsung du liebtest.
Ich wusste den Zwiespalt,
der dich zwang,
dies eine ganz zu vergessen.
Das andre musstest
einzig du sehn,
was zu schaun so herb
schmerzte dein Herz:
dass Siegmund Schutz du versagtest.
WOTAN
Du wusstest es so,
und wagtest dennoch den Schutz?
BRÜNNHILDE
(leise beginnend)
Weil für dich im Auge
das Eine ich hielt,
dem, im Zwange des andren
schmerzlich entzweit,
ratlos den Rücken du wandtest!
Die im Kampfe Wotan
den Rücken bewacht,
die sah nun das nur,
was du nicht sahst: -
Siegmund musst' ich sehn.
Tod kündend
trat ich vor ihn,
gewahrte sein Auge,
hörte sein Wort;
ich vernahm des Helden
heilige Not;
tönend erklang mir
des Tapfersten Klage:
freiester Liebe
furchtbares Leid,
traurigsten Mutes
mächtigster Trotz!
Meinem Ohr erscholl,
mein Aug' erschaute,
was tief im Busen das Herz
zu heilgem Beben mir traf. -
Scheu und staunend
stand ich in Scham.
Ihm nur zu dienen
konnt' ich noch denken:
Sieg oder Tod
mit Siegmund zu teilen:
dies nur erkannt' ich
zu kiesen als Los! -
Der diese Liebe
mir ins Herz gehaucht,
dem Willen, der
dem Wälsung mich gesellt,
ihm innig vertraut -
trotzt' ich deinem Gebot.
WOTAN
So tatest du,
was so gern zu tun ich begehrt, -
doch was nicht zu tun
die Not zwiefach mich zwang?
So leicht wähntest du
Wonne des Herzens erworben,
wo brennend Weh'
in das Herz mir brach,
wo grässliche Not
den Grimm mir schuf,
einer Welt zuliebe
der Liebe Quell
im gequälten Herzen zu hemmen?
Wo gegen mich selber
ich sehrend mich wandte,
aus Ohnmachtschmerzen
schäumend ich aufschoss,
wütender Sehnsucht
sengender Wunsch
den schrecklichen Willen mir schuf,
in den Trümmern der eignen Welt
meine ew'ge Trauer zu enden: -
Da labte süss
dich selige Lust;
wonniger Rührung
üppigen Rausch
enttrankst du lachend
der Liebe Trank,
als mir göttlicher Not
nagende Galle gemischt?
Deinen leichten Sinn
lass dich denn leiten:
von mir sagtest du dich los.
Dich muss ich meiden,
gemeinsam mit dir
nicht darf ich Rat mehr raunen;
getrennt, nicht dürfen
traut wir mehr schaffen:
so weit Leben und Luft
darf der Gott dir nicht mehr begegnen!
BRÜNNHILDE
Wohl taugte dir nicht
die tör'ge Maid,
die staunend im Rate
nicht dich verstand,
wie mein eigner Rat
nur das eine mir riet:
zu lieben, was du geliebt. -
Muss ich denn scheiden
und scheu dich meiden,
musst du spalten,
was einst sich umspannt,
die eigne Hälfte
fern von dir halten,
dass sonst sie ganz dir gehörte,
du Gott, vergiss das nicht!
Dein ewig Teil
nicht wirst du entehren,
Schande nicht wollen,
die dich beschimpft:
dich selbst liessest du sinken,
sähst du dem Spott mich zum Spiel!
WOTAN
Du folgtest selig
der Liebe Macht:
folge nun dem,
den du lieben musst!
BRÜNNHILDE
Soll ich aus Walhall scheiden,
nicht mehr mit dir schaffen und walten,
dem herrischen Manne
gehorchen fortan:
dem feigen Prahler
gib mich nicht preis!
Nicht wertlos sei er,
der mich gewinnt.
WOTAN
Von Walvater schiedest du -
nicht wählen darf er für dich.
BRÜNNHILDE
(leise mit vertraulicher Heimlichkeit)
Du zeugtest ein edles Geschlecht;
kein Zager kann je ihm entschlagen:
der weihlichste Held - ich weiss es -
entblüht dem Wälsungenstamm.
WOTAN
Schweig' von dem Wälsungenstamm!
Von dir geschieden,
schied ich von ihm:
vernichten musst' ihn der Neid!
BRÜNNHILDE
Die von dir sich riss,
rettete ihn.
(heimlich)
Sieglinde hegt
die heiligste Frucht;
in Schmerz und Leid,
wie kein Weib sie gelitten,
wird sie gebären,
was bang sie birgt.
WOTAN
Nie suche bei mir
Schutz für die Frau,
noch für ihres Schosses Frucht!
BRÜNNHILDE
(heimlich)
Sie wahret das Schwert,
das du Siegmund schufest.
WOTAN
(heftig)
Und das ich ihm in Stücken schlug!
Nicht streb', o Maid,
den Mut mir zu stören;
erwarte dein Los,
wie sich's dir wirft;
nicht kiesen kann ich es dir!
Doch fort muss ich jetzt,
fern mich verziehn;
zuviel schon zögert' ich hier;
von der Abwendigen
wend' ich mich ab;
nicht wissen darf ich,
was sie sich wünscht:
die Strafe nur
muss vollstreckt ich sehn!
BRÜNNHILDE
Was hast du erdacht,
dass ich erdulde?
WOTAN
In festen Schlaf
verschliess' ich dich:
wer so die Wehrlose weckt,
dem ward, erwacht, sie zum Weib!
BRÜNNHILDE
(stürzt auf ihre Knie)
Soll fesselnder Schlaf
fest mich binden,
dem feigsten Manne
zur leichten Beute:
dies eine muss du erhören,
was heil'ge Angst zu dir fleht!
Die Schlafende schütze
mit scheuchenden Schrecken,
dass nur ein furchtlos
freiester Held
hier auf dem Felsen
einst mich fänd'!
WOTAN
Zu viel begehrst du,
zu viel der Gunst!
BRÜNNHILDE
(seine Knie umfassend)
Dies Eine
musst du erhören!
Zerknicke dein Kind,
das dein Knie umfasst;
zertritt die Traute,
zertrümmre die Maid,
ihres Leibes Spur
zerstöre dein Speer:
doch gib, Grausamer, nicht
der grässlichsten Schmach sie preis!
(mit wilder Begeisterung)
Auf dein Gebot
entbrenne ein Feuer;
den Felsen umglühe
lodernde Glut;
es leck' ihre Zung',
es fresse ihr Zahn
den Zagen, der frech sich wagte,
dem freislichen Felsen zu nahn!
(Wotan überwältigt und tief ergriffen, wendet sich lebhhaft gegen Brünnhilde, erhebt sich von den Knien und blickt ihr gerührt in das Auge)
WOTAN
Leb' wohl, du kühnes,
herrliches Kind!
Du meines Herzens
heiligster Stolz!
Leb' wohl! Leb' wohl! Leb' wohl!
(sehr leidenschaftlich)
Muss ich dich meiden,
und darf nicht minnig
mein Gruss dich mehr grüssen;
sollst du nun nicht mehr
neben mir reiten,
noch Met beim Mahl mir reichen;
muss ich verlieren
dich, die ich liebe,
du lachende Lust meines Auges:
ein bräutliches Feuer
soll dir nun brennen,
wie nie einer Braut es gebrannt!
Flammende Glut
umglühe den Fels;
mit zehrenden Schrecken
scheuch' es den Zagen;
der Feige fliehe
Brünnhildes Fels! -
Denn einer nur freie die Braut,
der freier als ich, der Gott!
(Brünnhilde sinkt, gerührt und begeistert, an Wotans Brust: er hält sie lang umfangen. Sie schlägt das Haupt wieder zurück und blickt, immer noch ihn umfassend, feierlich ergriffen Wotan in das Auge.)
WOTAN
Der Augen leuchtendes Paar,
das oft ich lächelnd gekost,
wenn Kampfeslust
ein Kuss dir lohnte,
wenn kindisch lallend
der Helden Lob
von holden Lippen dir floss:
dieser Augen strahlendes Paar,
das oft im Sturm mir geglänzt,
wenn Hoffnungssehnen
das Herz mir sengte,
nach Weltenwonne
mein Wunsch verlangte
aus wild webendem Bangen:
zum letztenmal
letz' es mich heut'
mit des Lebewohles
letztem Kuss!
Dem glücklichem Manne
glänze sein Stern:
dem unseligen Ew'gen
muss es scheidend sich schliessen.
(Er fasst ihr Haupt in beide Hände.)
Denn so kehrt
der Gott sich dir ab,
so küsst er die Gottheit von dir!
(Er küsst sie lange auf die Augen. Sie sinkt mit geschlossenen Augen, sanft ermattend, in seinen Armen zurück. Er geleitet sie zart auf einen niedrigen Mooshügel zu liegen, über den sich eine breitästige Tanne ausstreckt. Er betrachtet sie und schliesst ihr den Helm: sein Auge weilt dann auf der Gestalt der Schlafenden, die er nun mit dem grossen Stahlschilde der Walküre ganz zudeckt. Langsam kehrt er sich ab, mit einem schmerzlichen Blicke wendet er sich noch einmal um. Dann schreitet er mit feierlichem Entschlusse in die Mitte der Bühne und kehrt die Spitze seines Speeres gegen einen mächtigen Felsstein.)
WOTAN
Loge, hör'!
Lausche hieher!
Wie zuerst ich dich fand,
als feurige Glut,
wie dann einst du mir schwandest,
als schweifende Lohe;
wie ich dich band,
bann ich dich heut'!
Herauf, wabernde Lohe,
umlodre mir feurig den Fels!
(Er stösst mit dem Folgenden dreimal mit dem Speer auf den Stein.)
Loge! Loge! Hieher!
(Dem Stein entfährt ein Feuerstrahl, der zur allmählich immer helleren Flammenglut anschwillt. Lichte Flackerlohe bricht aus. Lichte Brunst umgibt Wotan mit wildem Flackern. Er weist mit dem Speere gebieterisch dem Feuermeere den Umkreis des Felsenrandes zur Strömung an; alsbald zieht es sich nach dem Hintergrunde, wo es nun fortwährend den Bergsaum umlodert.)
WOTAN
Wer meines Speeres
Spitze fürchtet,
durchschreite das Feuer nie!
(Er streckt den Speer wie zum Banne aus, dann blickt er schmerzlich auf Brünnhilde zurück, wendet sich langsam zum Gehen und blickt noch einmal zurück, ehe er durch das Feuer verschwindet. - Der Vorhang fällt.)
Ende.
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