Zweiter Aufzug

 

Erster Auftritt

Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.
Osmin, Blonde.

 Q 

Osmin, Blonde

 

BLONDE

O des Zankens, Befehlens und Murrens wird auch kein Ende! Einmal für allemal: das steht mir nicht an! Denkst du alter Murrkopf etwa eine türkische Sklavin vor dir zu haben, die bei deinen Befehlen zittert? O da irrst du dich sehr! Mit europäichen Mädchen springt man nicht so herum; denen begegnet man ganz anders.  

 
[Nr. 8 - Arie]

 N 

Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,  

Gefälligkeit und Scherzen,

Erobert man die Herzen

Der guten Mädchen leicht.

Doch mürrisches Befehlen,

Und Poltern, Zanken, Plagen

Macht daß in wenig Tagen

So Lieb' als Treu' entweicht.

 

OSMIN

Ei seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann! Zärtlichkeit? Schmeicheln? Es ist mir wie pure Zärtlichkeit! Wer Teufel hat dir das Zeug in den Kopf gesetzt? Hier sind wir in der Türkei, und da geht's aus einem andern Tone. Ich dein Herr, du meine Sklavin; ich befehle, du mußt gehorchen!  

BLONDE

Deine Sklavin? Ich deine Sklavin? Ha, ein Mädchen eine Sklavin! Noch einmal sag mir das, noch einmal!

OSMIN

(für sich)

Ich möchte toll werden, was das Mädchen für ein starrköpfiges Ding ist.

(laut)

Du hast doch wohl nicht vergessen, daß dich der Bassa mir zur Sklavin geschenkt hat?

BLONDE

Bassa hin, Bassa her! Mädchen sind keine Ware zum Verschenken!

Ich bin eine Engländerin, zur Freiheit geboren; und trotz jedem,

der mich zu etwas zwingen will!

OSMIN

(beiseite)

Gift und Dolch über das Mädchen! Beim Mahomet, sie macht mich rasend. Und doch lieb ich die Spitzbübin, trotz ihres tollen Kopfes!

(laut)

Ich befehle dir, augenblicklich mich zu lieben!

BLONDE

Hahaha! Komm mir nur ein wenig näher, ich will dir fühlbare Beweise davon geben.

OSMIN

Tolles Ding! Weißt du, daß du mein bist und ich dich dafür züchtigen kann?

BLONDE

Wag's nicht, mich anzurühren, wenn dir deine Augen lieb sind.

OSMIN

Wie? Du unterstehst dich -

BLONDE

Das ist was zu unterstehen! Du bist der Unverschämte, der sich zuviel Freiheit herausnimmt. So ein altes häßliches Gesicht untersteht sich, einem Mädchen wie ich, jung, schön, zur Freude geboren, wie einer Magd zu befehlen! Wahrhaftig, das stünde mir an! Uns gehört das Regiment; ihr seid unsere Sklaven und glücklich, wenn ihr Verstang genug habt, euch die Ketten zu erleichtern.

OSMIN

Bei meinem Bart, sie ist toll! Hier, hier in der Türkei?

BLONDE

Türkei hin, Türkei her! Weib ist Weib, sie sei wo sie wolle! Sind eure Weiber solche Närrinnen, sich von euch unterjochen zu lassen, desto schlimmer für sie; in Europa verstehen sie das Ding besser. Laß mich nur einmal Fuß hier gefaßt haben, sie sollen bald anders werden.

OSMIN

Beim Allah, die wär imstande, uns allen die Weiber rebellisch zu machen! Aber -

BLONDE

Aufs Bitten müßt ihr euch legen, wenn ihr etwas von uns erhalten wollt; besonders Liebhaber deines Gelichters.

OSMIN

Freilich, wenn ich Pedrillo wär, so ein Drahtpüppchen wie er, da wär ich vermutlich willkommen, denn euer Mienenspiel hab ich lange weg.

BLONDE

Erraten, guter Alter, erraten! Das kannst du dir wohl einbilden, daß mir der niedliche Pedrillo lieber ist, wie dein Blasebalggesicht. Also wenn du klug wärst -

OSMIN

Sollt ich dir die Freiheit geben, zu tun und zu machen, was du wolltest, he?

BLONDE

Besser würdest du immer dabei fahren: denn so wirst du sicher betrogen.

OSMIN

Gift und Dolch! Nun reißt mir die Geduld! Den Augenblick hinein ins Haus! Und wo du's wagst -

BLONDE

Mach mich nicht lachen.

OSMIN

Ins Haus, sag ich!

BLONDE

Nicht von der Stelle!

OSMIN

Mach nicht, daß ich Gewalt brauche.

BLONDE

Gewalt werd' ich mit Gewalt vertreiben. Meine Gebieterin hat mich hier in den Garten bestellt; sie ist die Geliebte des Bassa, sein Augapfel, sein alles; und es kostet mich ein Wort, so hast du fünfzig auf die Fußsohlen. Also geh!

OSMIN

(für sich)

Das ist ein Satan! Ich muß nachgeben, so wahr ich ein Muselmann bin; sonst könnte ihre Drohung eintreffen.

 
[Nr. 9 - Duett]

 N 

 

Ich gehe, doch rate ich dir  

Den Schurken Pedrillo zu meiden.

BLONDE

O pack dich, befiehl nicht mit mir,

Du weißt ja, ich kann es nicht leiden.

OSMIN

Versprich mir...

BLONDE

Was fällt dir da ein!

OSMIN

Zum Henker!

BLONDE

Fort, laß mich allein.

OSMIN

Wahrhaftig kein Schritt von der Stelle,

Bis du zu gehorchen mir schwörst.

BLONDE

Nicht so viel du armer Geselle,

Und wenn du der Großmogul wärst.

OSMIN

O Engländer! seid ihr nicht Toren,

Ihr laßt euern Weibern den Willen.

Wie ist man geplagt und geschoren

Wenn solch eine Zucht man erhält;

BLONDE

Ein Herz, so in Freiheit geboren

Läßt niemals sich sklavisch behandeln

Bleibt, wenn schon die Freiheit verloren,

Noch stolz auf sie, lachet der Welt!

Nun troll' dich.

OSMIN

So sprichst du mit mir?

BLONDE

Nicht anders.

OSMIN

Nun bleib ich erst hier.

BLONDE

Ein andermal. Jetzt mußt du gehen.

OSMIN

Wer hat solche Frechheit gesehen!

BLONDE

(stellt sich, als wollte sie ihm die Augen auskratzen)

Es ist um die Augen geschehen

Wofern du noch länger verweilst.

OSMIN

(furchtsam zurückweichend)

Nur ruhig, ich will ja gern gehen,

Bevor du gar Schläge erteilst.

(geht ab)

Osmin ->

 

Zweiter Auftritt

Blonde, Konstanze.

 

BLONDE

Wie traurig das gute Mädchen daher kommt! Freilich tut's weh, den Geliebten zu verlieren und Sklavin zu sein. Es geht mir wohl auch nicht viel besser; aber ich habe doch noch das Vergnügen, meinen Pedrillo manchmal zu sehen, ob's gleich auch mager und verstohlen genug geschehen muß; doch wer kann wider den Strom schwimmen!  

 

<- Konstanze

[Nr. 10 - Rezitativ und Arie]

 N 

KONSTANZE

(ohne Blonde zu bemerken)  

Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele

Seit dem Tag da uns das Schicksal trannte

O Belmont! hin sind die Freuden,

Die ich sonst an deiner Seite kannte;

Banger Sehnsuchts Leiden

Wohnen nun dafür in der beklemmten Brust.

 

Traurigkeit ward mir zum Lose,    

Weil ich dir entrissen bin.

Gleich der wurmzernagten Rose,

Gleich dem Gras im Wintermoose,

Welkt mein banges Leben hin.

Selbst der Luft darf ich nicht sagen

Meiner Seele bittern Schmerz,

Denn unwillig ihn zu tragen,

Haucht sie alle meine Klagen

Wieder in mein armes Herz.

S

 

BLONDE

Ach mein bestes Fräulein! Noch immer so traurig?  

KONSTANZE

Kannst du fragen, die du meinen Kummer weißt? Wieder ein Abend, und noch keine Nachricht, noch keine Hoffnung! Und morgen - ach Gott, ich darf nicht daran denken!

BLONDE

Heitern Sie sich wenigstens ein bißchen auf. Sehn Sie, wie schön der Abend ist, wie blühend uns alles entgegenlacht, wie freudig uns die Vögel zu ihrem Gesang einladen! Verbannen Sie die Grillen, und fassen Sie Mut!

KONSTANZE

Wie glücklich bist du, Mädchen, bei deinem Schicksal so gelassen zu sein! O daß ich es auch könnte!

BLONDE

Das steht nur bei Ihnen, hoffen Sie -

KONSTANZE

Wo nicht der mindeste Schein von Hoffnung mehr zu erblicken ist?

BLONDE

Hören Sie nur: ich verzage mein Lebentag nicht, es mag auch eine Sache noch so schlimm aussehen. Denn wer sich immer das Schlimmste vorstellt, ist auch wahrhaftig am schlimmsten dran.

KONSTANZE

Und wer sich immer mit Hoffnung schmeichelt und zuletzt betrogen sieht, hat alsdann nichts mehr übrig als die Verzweiflung.

BLONDE

Jedes nach seiner Weise. Ich glaube bei der meinigen am besten zu fahren. Wie bald kann Ihr Belmonte mit Lösegeld erscheinen oder uns listiger Weise entführen? Wären wir die ersten Frauenzimmer, die den türkischen Vielfraßen entkämen? Dort seh ich den Bassa.

KONSTANZE

Laß uns ihm aus den Augen gehn.

BLONDE

Zu spät. Er hat Sie schon gesehen. Ich darf aber getrost aus dem Wege trollen, er schaffte mich ohnehin fort.

(im Weggehen)

Courage! wir kommen gewiß noch in unsre Heimat!

Blonde ->

 

Dritter Auftritt

Konstanze, Selim.

<- Selim

 

SELIM

Nun Konstanze, denkst du meinem Begehren nach? Der Tag ist bald verstrichen, morgen mußt du mich lieben, oder -  

KONSTANZE

Muß? Welch albernes Begehren! Als ob man die Liebe anbefehlen könnte wie eine Tracht Schläge! Aber freilich, wie ihr Türken zu Werke geht, läßt sich's auch allenfalls befehlen. Aber ihr seid wirklich zu beklagen. Ihr kerkert die Gegenstände eurer Begierden ein und seid zufrieden, eure Lüste zu büßen.

SELIM

Und glaubst du etwa, unsere Weiber wären weniger glücklich als in euren Ländern?

KONSTANZE

Die nichts besseres kennen!

SELIM

Auf diese Art wäre wohl keine Hoffnung, daß du je anders denken wirst.

KONSTANZE

Herr! Ich muß dir frei gestehen, denn was soll ich dich länger hinhalten, mich mit leerer Hoffnung schmeicheln, daß du dich durch mein Bitten erweichen ließest, ich werde stets so denken wie jetzt; dich verehren, aber - lieben? Nie.

SELIM

Und du zitterst nicht vor der Gewalt, die ich über dich habe?

KONSTANZE

Nicht im geringsten. Sterben ist alles, was ich zu erwarten habe, und je eher dies geschieht, je lieber wird es mir sein.

SELIM

Elende! Nein! nicht sterben, aber Martern von aller Arten -

KONSTANZE

Auch die will ich ertragen; du erschreckst mich nicht; ich erwarte alles.

 
[Nr. 11 - Arie]

 N 

Martern aller Arten    

Mögen meiner warten.

Ich verlache Qual und Pein.

Nichts soll mich erschüttern,

Nur dann würd' ich zittern,

Wenn ich untreu könnte sein.

Laß dich bewegen,

verschone mich;

Des Himmels Segen

belohne dich!

Doch du bist entschlossen.

Willig unverdrossen

Wähl' ich jede Pein und Not.

Ordne nur, gebiete,

Lärme, tobe, wüte,

Zuletzt befreit mich doch der Tod!

(geht ab)

S

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Konstanze ->

 

Vierter Auftritt

Selim allein.

 

 

Ist das ein Traum? Wo hat sie auf einmal den Mut her, sich so gegen mich zu betragen? Hat sie vielleicht Hoffnung, mir zu entkommen? Ha, das will ich verwehren!  

(will fort)

Doch das ist's nicht, dann würde sie sich eher verstellen, mich einzuschläfern versuchen - Ja! es ist Verzweiflung! Mit Härte richt' ich nicht aus, mit Bitten auch nicht, also, was Drohen und Bitten nicht vermögen, soll die List zuwege bringen.

(geht ab)

Selim ->

 

Fünfter Auftritt

Blonde allein.

<- Blonde

 

 

Kein Bassa, keine Konstanze mehr da? Sind sie miteinander eins worden? Schwerlich, das gute Kind hängt zu sehr an ihrem Belmonte! Ich bedaure sie von Grund meines Herzens. Sie ist zu empfindsam für ihre Lage. Freilich, hätt ich meinen Pedrillo nicht an der Seite, wer weiß, wie mir's ginge! Doch würd ich nicht so zärteln wie sie. Die Männer verdienen's wahrlich nicht, daß man ihrenthalben sich zu Tode grämt. Vielleicht würd ich muselmännisch denken.  

 

Sechster Auftritt

Blonde, Pedrillo.

<- Pedrillo

 

PEDRILLO

Bst, bst! Blondchen! Ist der Weg rein?  

BLONDE

Komm nur, komm! Der Bassa ist wieder zurück. Und meinem Alten habe ich eben den Kopf ein bißchen gewaschen. Was hast du denn?

PEDRILLO

O, Neuigkeiten, die dich entzücken werden.

BLONDE

Nun? Hurtig heraus damit!

PEDRILLO

Erst, liebes Herzens-Blondchen, laß dir vor allen Dingen einen recht herzlichen Kuß geben; du weißt ja, wie gestohlnes Gut schmeckt.

BLONDE

Pfui, pfui! Wenn das deine Neuigkeiten alle sind -

PEDRILLO

Närrchen, mach darum keinen Lärm, der alte spitzbübische Osmin lauert uns sicher auf den Dienst.

BLONDE

Nun? Und die Neuigkeiten?

PEDRILLO

Sind, daß das Ende unserer Sklaverei vor der Tür ist.

(er sieht sorgfältig um)

Belmonte, Konstanzes Geliebter, ist angekommen, und ich hab' ihn unter dem Namen eines Baumeisters hier im Palast eingeführt.

BLONDE

Ah, was sagst du? Belmonte da?

PEDRILLO

Mit Leib und Seele!

BLONDE

Ha, das muß Konstanze wissen!

(will fort)

PEDRILLO

Hör nur, Blondchen, hör nur erst: Er hat ein Schiff hier in der Nähe in Bereitschaft, und wir haben beschlossen, euch diese Nacht zu entführen.

BLONDE

O allerliebst, allerliebst! Herzens-Pedrillo, das verdient einen Kuß! Geschwind, geschwind zu Konstanze!

(will fort)

PEDRILLO

Halt nur, halt, und laß erst mit dir reden. Um Mitternacht kommt Belmonte mit einer Leiter zu Konstanzes Fenster, und ich zu dem deinigen, und dann geht's heidi davon!

BLONDE

O vortrefflich! Aber Osmin?

PEDRILLO

Hier ist ein Schlaftrunk für den alten Schlaukopf, den misch ihm fein manierlich ins Getränke, verstehst du? Ich habe dort auch schon ein Fläschchen angefüllt. Geht's hier nicht, wird's dort wohl gehen.

BLONDE

Sorg nicht für mich! Aber kann Konstanze ihren Geliebten nicht sprechen?

PEDRILLO

Sobald es vollends finster ist, kommt er hier in den Garten. Nun geh' und bereite Konstanzen vor; ich will hier Belmonten erwarten. Leb wohl, Herzchen, leb wohl!

BLONDE

Leb wohl, guter Pedrillo! Ach, was werd ich für Freude anrichten!

 
[Nr. 12 - Arie]

 N 

Welche Wonne, welche Lust  

Herrscht nunmehr in meiner Brust!

Ohne Aufschub will ich springen

Und ihr gleich die Nachricht bringen

Und mit Lachen und mit Scherzen

Ihrem schwachen feigen Herzen

Freud und Jubel prophezeihn.

(geht fort)

Blonde ->

 

Siebenter Auftritt

Pedrillo allein.

 

 

Ah, daß es schon vorbei wäre! daß wir schon auf offner See wären, unsre Mädels im Arm, und dies verwünschte Land im Rücken hätten! Doch sei's gewagt; entweder jetzt oder niemals. Wer zagt, verliert!  

 
[Nr. 13 - Arie]

 N 

Frisch zum Kampfe!  

Frisch zum Streite!

Nur ein feiger Tropf verzagt.

Sollt' ich zittern?

Sollt' ich zagen?

Nicht mein Leben mutig wagen?

Nein, ach nein es sei gewagt!

Frisch zum Kampfe!

Frisch zum Streite!

Nur ein feiger Tropf verzagt.

 

Achter Auftritt

Pedrillo, Osmin.

<- Osmin

 

OSMIN

Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muß dir verteufelt wohl gehen.  

PEDRILLO

Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus! Das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, daß es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, daß er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müßtest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht.

(für sich)

Vielleicht beißt er an: er trinkt ihn gar zu gern.

OSMIN

Wein mit dir? Ja Gift -

PEDRILLO

Immer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Laß doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sieh einmal, ein Paar flaschen Zypernwein! - Ah -

(er zeigt ihm zwei Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist)

Die sollen mir vortrefflich schmecken!

OSMIN

(für sich)

Wenn ich trauen dürfte?

PEDRILLO

Das ist ein Wein, das ist ein Wein!

(er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde und trinkt aus der kleinen Flasche)

OSMIN

Kost einmal die große Flasche auch.

PEDRILLO

Denkst wohl gar, ich habe Gift hineingetan? Ha, laß dir keine grauen Haare wachsen! Es verlohnte sich der Mühe, daß ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke.

(er trinkt aus der großen Flasche ein wenig)

Nun, hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin, sollst dich schämen! Da nimm!

(er gibt ihm die große Flasche)

Oder willst du die kleine?

OSMIN

Nein, laß nur, laß nur! Aber wenn du mich verrätst -

(sieht sich sorgfältig um)

PEDRILLO

Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst auf'm Ohr und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.

 
[Nr. 14 - Duett]

 N 

 

Vivat Bacchus! Bacchus lebe!  

Bacchus war ein braver Mann!

OSMIN

Ob ich's wage? Ob ich's trinke?

Ob's wohl Allah sehen kann?

PEDRILLO

Was hilft das Zaudern?

Hinunter, hinunter!

Nicht lange nicht lange gefragt!

OSMIN

Nun wär's geschehen, nun wär's hinunter;

Das heiß ich, das heiß ich gewagt!

PEDRILLO, OSMIN

Es leben die Mädchen,

Die Blonden, die Braunen,

Sie leben hoch!

PEDRILLO

Das schmeckt trefflich!

OSMIN

Das schmeckt herrlich!

PEDRILLO, OSMIN

Ah! Das heiß' ich Göttertrank!

Vivat Bacchus! Bacchus lebe!

Der den Wein erfand!

 

PEDRILLO

Wahrhaftig, daß muß ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein! Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrießlich, mürrisch, launisch: hurtig nehm ich meine Zuflucht zur Flasche, und kaum seh ich den ersten Boden: weg ist all mein Verdruß! Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Fleck steht. Und schwatzt mir von Süßigkeiten der Liebe und des Ehestandes, was Ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!  

(Osmin fängt bereits an, die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren,
und wird bis zum Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darf's
der Schauspieler nicht übertreiben und muß nur immer halb träumend und
schlaftrunken bleiben)

OSMIN

Das ist wahr - Wein - Wein - ist ein schönes Getränk; und unser großer - Prophet mag mir's nicht übel nehmen - Gift und Dolch, es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! - Nicht - Bruder Pedrillo?

PEDRILLO

Richtig, Bruder Osmin, richtig!

OSMIN

Man wird gleich so - munter...

(er nickt zuweilen)

- so vergnügt - so aufgeräumt. - Hast du nichts mehr, Bruder?

(er langt auf eine lächerliche Art nach einer zweiten Flasche, die Pedrillo ihm reicht)

PEDRILLO

Hör du, Alter, trink mir nicht zu viel, es kommt einem in den Kopf.

OSMIN

Trag doch keine - Sorge, ich bin so - so - nüchtern wie möglich. - Aber das ist wahr, -

(er fängt an, auf der Erde hin und her zu wanken)

es schmeckt - vortrefflich!

PEDRILLO

(für sich)

Es wirkt, Alter, es wirkt!

OSMIN

Aber verraten mußt du mich nicht - Brüderchen - verraten - denn - wenn's Mahomet nein, nein - der Bassa wüßte - denn siehst du - liebes Blondchen - ja oder nein!

PEDRILLO

(für sich)

Nun wird's Zeit, ihn fortzuschaffen!

(laut)

Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!

(er hebt ihn auf)

OSMIN

Schlafen? - Schämst du dich nicht? Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein - es ist ja kaum Morgen -

PEDRILLO

Ho, ho, die Sonne ist schon hinunter! Komm, komm, daß uns der Bassa nicht überrascht!

OSMIN

(im Abführen)

Ja, ja - eine Flasche - guter - Bassa - geht über - alles! - Gute Nacht - Brüderchen - gute Nacht.

 
(Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück)

Pedrillo, Osmin ->

 

Neunter Auftritt

Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.

<- Pedrillo

 

PEDRILLO
(macht's Osmin nach)

Gute Nacht - Brüderchen - gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser, erwischt man dich so? Gift und Dolch! Du hast deine Ladung! Nur fürcht ich, ist's noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. - Ach kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind, ich hab ihn tüchtig zugedeckt.  

 

<- Belmonte, Blonde

BELMONTE

O daß wir glücklich wären! Aber sag: ist Konstanze noch nicht hier?  

PEDRILLO

Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab, aber fassen Sie sich kurz, denn der Verräter schläft nicht immer.

 
(Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanze unterhält sich Pedrillo mit Blonde, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht und jenem nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, daß er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen)
 

<- Konstanze

(einander im Arme)

KONSTANZE

O mein Belmonte!  

Beide

BELMONTE

O Konstanze!

 

KONSTANZE

Ist's möglich? Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandenen Leiden, dich wieder in meinen Armen.

BELMONTE

O dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen.

KONSTANZE

Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! Ach, jetzt fühl ich's, die Freude hat auch ihre Tränen!

 
[Nr. 15 - Arie]

 N 

BELMONTE

Wenn der Freude Tränen fließen  

Lächelt Liebe dem Geliebten hold;

Von den Wangen sie zu küssen

Ist der Liebe schönster größter Sold.

Ach Konstanze! dich zu sehen

Dich voll Wonne, voll Entzücken

An mein treues Herz zu drücken,

Lohnt fürwahr nicht Krösus Pracht.

Daß wir uns niemals wiederfinden!

So därfen wir nicht erst empfinden

Welchen Schmerz die Trennung macht.

 

 

Ich hab' hier ein Schiff in Bereitschaft; und Mitternacht, wenn alles schläft, komm' ich an dein Fenster, und dann sei die Liebe unser Schutzengel!  

KONSTANZE

Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? ich erwarte dich -

PEDRILLO

Also, liebes Blondchen, paß ja hübsch auf, hörst du's?

BLONDE

Sorge für mich nicht. Das war' das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.

PEDRILLO

Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann paß auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff - Nur hübsch Mut gefaßt und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muß alles wagen.

KONSTANZE

Wenn es aber nur glücklich abläuft!

BELMONTE

Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterin sei.

 
[Nr. 16 – Quartett]

 N 

KONSTANZE

Ach Belmonte! ach, mein Leben!  

Beide

BELMONTE

Ach, Konstanze! ach, mein Leben!

 

KONSTANZE

Ist es möglich? Welch Entzücken!

Dich an meine Brust zu drücken

Nach so vieler Tage Leid.

BELMONTE

Welche Wonne dich zu finden!

Nun muß aller Kummer schwinden!

O wie ist mein Herz erfreut.

KONSTANZE

Sieh, die Freudentränen fließen.

BELMONTE

Holde! laß hinweg sie küssen!

KONSTANZE

Daß es doch die letzte sei.

BELMONTE

Ja, noch heute wirst du frei.

PEDRILLO

Also Blondchen, hast's verstanden?

Alles ist zur Flucht vorhanden

Um Schlag Zwölfe sind wir da.

BLONDE

Unbesorgt, es wird nichts fehlen

Die Minute werd' ich zählen

Wär der Augenblick schon da.

BELMONTE, KONSTANZE, PEDRILLO, BLONDE

Endlich scheint die Hoffnungssonne

Hell durchs trübe Firmament.

Voll Entzücken, Freud und Wonne,

Sehn wir unsrer Leiden End'.

BELMONTE

Doch ach, bei aller Lust

Empfindet meine Brust

Noch manch geheime Sorgen!

KONSTANZE

Was ist es Liebster, sprich,

Geschwind erkläre dich,

O halt mir nichts verborgen.

BELMONTE

Man sagt... du seist -

(sieht Konstanze stillschweigend furchtsam an)

KONSTANZE

Nun weiter?

(sieht Belmonte stillschweigend furchtsam an)

PEDRILLO

(zeigt, daß er es wagt, gehenkt zu werden)

Doch Blondchen, ach! die Leiter!

Bist du wohl soviel wert?

BLONDE

Hans Narr! schnappt's bei dir über?

Ei hättest du nur lieber

Die Frage umgekehrt.

PEDRILLO

Doch Herr Osmin -

BLONDE

Laß hören -

KONSTANZE

Willst du dich nicht erklären?

BELMONTE

Ich will. Doch zürne nicht,

Wenn ich nach dem Gerücht

So ich gehört, es wage

Dich zitternd, bebend frage,

Ob du den Bassa liebst?

PEDRILLO

Hat nicht Osmin etwan,

Wie man fast glauben kann

Sein Recht als Herr probieret

Und bei dir exerzieret?

Dann wär's ein schlechter Kauf!

KONSTANZE

O! wie du mich betrübst!

(sie weint)

BLONDE

Da nimm die Antwort drauf.

(gibt dem Pedrillo eine Ohrfeige)

PEDRILLO

Nun bin ich aufgeklärt!

BELMONTE

(kniend)

Konstanze! ach vergib!

BLONDE

(geht zornig von Pedrillo)

Du bist mich gar nicht wert.

KONSTANZE

Ob ich dir treu verblieb!

BLONDE
(zu Konstanze)

Der Schlingel frägt sich an,

Ob ich ihm treu geblieben?

KONSTANZE
(zu Blonde)

Dem Belmont sagte man,

Ich soll den Bassa lieben!

PEDRILLO

(halt sich die Wange)

Daß Blonde ehrlich sei,

Schwör' ich bei allen Teufeln.

BELMONTE
(zu Pedrillo)

Konstanze ist mir treu,

Daran ist nicht zu zweifeln.

KONSTANZE, BLONDE

Wenn unsrer Ehre wegen

Die Männer Argwohn hegen

Verdächtig auf uns sehn,

Das ist nicht auszustehn.

BELMONTE, PEDRILLO

Sobald sich Weiber kränken

Daß wir sie untreu denken

Dann sind sie wahrhaft treu

Von allem Vorwurf frei.

PEDRILLO

Liebstes Blondchen ach! verzeihe

Sieh, ich bau' auf deine Treue,

Mehr jetzt als auf meinen Kopf.

BLONDE

Nein, das kann ich dir nicht schenken

Mich mit so was zu verdenken

Mit dem alten dummen Tropf!

BELMONTE

Ach Konstanze! ach mein Leben,

Könntest du mir doch vergeben

Daß ich diese Frage tat.

KONSTANZE

Belmont! wie? du konntest glauben

Daß man dir dies Herz könnt' rauben?

Das nur dir geschlagen hat.

BELMONTE, PEDRILLO

Ach verzeihe! Ich bereue!

KONSTANZE, BLONDE

Ich verzeihe deiner Reue.

ALLE

Wohl, es sei nun abgetan!

Es lebe die Liebe!

Nur sie sei uns teuer

Nichts fache das Feuer

Der Eifersucht an.

 

Ende (Zweiter Aufzug)

Erster Aufzug Zweiter Aufzug Dritter Aufzug

Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung.

Osmin, Blonde
 

O des Zankens, Befehlens und Murrens

[Nr. 8 - Arie]

Ei seht doch mal, was das Mädchen vorschreiben kann!

[Nr. 9 - Duett]

Blonde
Osmin ->

Wie traurig das gute Mädchen daher kommt!

Blonde
<- Konstanze

[Nr. 10 - Rezitativ und Arie]

Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele

Ach mein bestes Fräulein!

Konstanze
Blonde ->
Konstanze
<- Selim

Nun Konstanze, denkst du meinem Begehren nach?

[Nr. 11 - Arie]

Selim
Konstanze ->

Ist das ein Traum?

Selim ->
<- Blonde

Kein Bassa, keine Konstanze mehr da?

Blonde
<- Pedrillo

Bst, bst! Blondchen! Ist der Weg rein?

[Nr. 12 - Arie]

Pedrillo
Blonde ->

Ah, daß es schon vorbei wäre!

[Nr. 13 - Arie]

Pedrillo
<- Osmin

Ha! Geht's hier so lustig zu?

[Nr. 14 - Duett]

Wahrhaftig, daß muß ich gestehen

Pedrillo, Osmin ->
<- Pedrillo

Gute Nacht, Brüderchen

Pedrillo
<- Belmonte, Blonde

O daß wir glücklich wären!

Pedrillo, Belmonte, Blonde
<- Konstanze

O mein Belmonte!

[Nr. 15 - Arie]

Ich hab' hier ein Schiff in Bereitschaft

[Nr. 16 – Quartett]

Konstanze, Belmonte, Pedrillo, Blonde
Ach Belmonte! ach, mein Leben!
 
Erster Auftritt Zweiter Auftritt Dritter Auftritt Vierter Auftritt Fünfter Auftritt Sechster Auftritt Siebenter Auftritt Achter Auftritt Neunter Auftritt
Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meeres. Garten am Palast des Bassa Selim; an der Seite Osmins Wohnung. Vor dem Palast des Bassa Selim; auf einer Seite der Palast des Bassa, gegenüber die Wohnung des Osmin,... Zimmer des Bassa.
[Nr. 1 - Arie] [Nr. 2 - Lied und Duett] [Nr. 3 - Arie] [Nr. 4 - Arie] [Nr. 5 - Chor der Janitscharen] [Nr. 6 - Arie] [Nr. 7 - Terzett] [Nr. 8 - Arie] [Nr. 9 - Duett] [Nr. 10 - Rezitativ und Arie] [Nr. 11 - Arie] [Nr. 12 - Arie] [Nr. 13 - Arie] [Nr. 14 - Duett] [Nr. 15 - Arie] [Nr. 16 – Quartett] [Nr. 17 - Arie] [Nr. 18 - Romanze] [Nr. 19 - Arie] [Nr. 20 - Rezitativ und Duett] [Nr. 21 - Vaudeville]
Erster Aufzug Dritter Aufzug

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