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Vorsaal mit Seiteneingängen im Forsthause. Hirschgeweihe und düstere Tapeten mit Jagdstücken gebenihm ein altertümliches Ansehen und bezeichnen ein ehemaliges fürstliches Waldschloss. In der Mitte ein mit Vorhängen versehener Ausgang, der zu einem Altan führt. Auf einer Seite Ännchens Spinnrad, auf der andern ein grosser Tisch, worauf ein Lämpchen brennt und ein weisses Kleid mit grünem Band liegt. | Q
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Erster Auftritt |
Agathe, Ännchen. |
Agathe, Ännchen
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[Nr. 6 - Duett] | N
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| (Ännchen steht auf einem Fusstritt, hat das Bild des ersten Kuno wieder aufgehängt und hämmert den Nagel fest.) | |
ÄNNCHEN |
Schelm! halt fest;
Ich will dich's lehren!
Spukerei'n kann man entbehren
In solch altem Eulennest.
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AGATHE |
(Bindet einen Verband von der Stirn.)
Lass das Ahnenbild in Ehren!
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ÄNNCHEN |
Ei, dem alten Herrn
Zoll' ich Achtung gern;
Doch dem Knechte Sitte lehren,
Kann Respekt nicht wehren -
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AGATHE |
Sprich, wen meinst du? Welchen Knecht?
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ÄNNCHEN |
Nun, den Nagel! Kannst du fragen?
Sollt' er seinen Herrn nicht tragen?
Liess ihn fall'n! War das nicht schlecht?
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AGATHE
Ja, gewiss, das war nicht recht.
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Zusammen
ÄNNCHEN
Liess ihn fall'n, war das nicht schlecht?
Gewiss, das war recht schlecht!
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| (Ännchen steigt herab.) | |
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AGATHE |
Alles wird dir zum Feste,
Alles beut dir Lachen und Scherz?
O wie anders fühlt mein Herz!
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ÄNNCHEN |
Grillen sind mir böse Gäste!
Immer mit leichtem Sinn
Tanzen durchs Leben hin,
Das nur ist Hochgewinn!
Sorgen und Gram muss man verjagen!
Immer mit leichtem Sinn!
Grillen sind mir böse Gäste!
Immer mit leichtem Sinn
Tanzen durchs Leben hin,
Das nur ist Hochgewinn!
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AGATHE
Wer bezwingt des Busens Schlagen?
Wer der Liebe süssen Schmerz?
Stets um dich, Geliebter, zagen.
Muss dies ahnungsvolle Herz.
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Zusammen
ÄNNCHEN
Grillen sind mir böse Gäste!
Immer mit leichtem Sinn
Tanzen durchs Leben hin,
Das nur ist Hochgewinn!
Sorgen und Gram muss man verjagen!
Das nur ist Hochgewinn!
Grillen sind mir böse, böse Gäste!
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ÄNNCHEN |
(besieht sich das Bild.)
So! nun wird der Altvater wohl wieder ein Jahrhundertchen festhängen. Da oben mag ich ihn recht gern leiden!
(zu Agathe gekehrt)
Aber du hast das Tuch schon abgebunden? Das Blut ist doch völlig gestillt?
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AGATHE |
Sei ohne Sorgen, liebes Ännchen! Der Schreck war das schlimmste! - Wo nur Max bleibt?
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ÄNNCHEN |
Nun kommt er gewiss bald. Herr Kuno sagte ja bestimmt, dass er ihn noch einmal heimsenden werde.
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AGATHE |
Es ist recht still und einsam hier.
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ÄNNCHEN |
Unangenehm ist's freilich, in einem solchen verwünschten Schloss am Polterabend fast mutterseelenallein zu sein, zumal wenn sich so ehrwürdige, längst vermoderte Herrschaften mir nichts, dir nichts, von den Wänden herabbemühen. Da lob' ich mir die lebendigen und jungen!
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[Nr. 7 - Ariette] | N
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(mit lebhafter Pantomime)
Kommt ein schlanker Bursch gegangen,
Blond von Locken oder braun,
Hell von Aug' und rot von Wangen,
Ei, nach dem kann man wohl schaun.
Zwar schlägt man das Aug' aufs Mieder
Nach verschämter Mädchenart;
Doch verstohlen hebt man's wieder,
Wenn's das Herrchen nicht gewahrt.
Sollten ja sich Blicke finden,
Nun, was hat das auch für Not?
Man wird drum nicht gleich erblinden,
Wird man auch ein wenig rot.
Blickchen hin und Blick herüber,
Bis der Mund sich auch was traut!
Er seufzt: Schönste! Sie spricht: Lieber!
Bald heisst's Bräutigam und Braut.
Immer näher, liebe Leutchen!
Wollt ihr mich im Kranze sehn?
Gelt, das ist ein nettes Bräutchen,
Und der Bursch nicht minder schön?
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AGATHE |
(die während des Liedchens angefangen hat, das Kleid mit Band zu besetzen, fällt am Schluss mit ein.)
Und der Bursch nicht minder schön!
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ÄNNCHEN |
So recht! So gefällst du mir, Agathe! So bist du doch, wie ich sein werde, wichtig wenn ich einmal Braut bin.
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AGATHE |
Wer weiss! Doch ich gönne dir's von Herzen, ist auch mein Brautstand nicht ganz kummerlos. Besonders seit ich heute von dem Eremiten zurückkam, hat mir's wie ein Stein auf dem Herzen gelegen. Jetzt fühle ich mich um vieles leichter.
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ÄNNCHEN |
Wieso? Erzähle doch! Noch weiss ich gar nicht, wie dein Besuch abgelaufen ist, ausser dass dir der fromme Greis diese geweihten Rosen geschenkt hat.
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AGATHE |
Er warnte mich vor einer unbekannten grossen Gefahr, welche ihm ein Gesicht offenbart habe. Nun ist seine Warnung ja in Erfüllung gegangen. Das herabstürzende Bild konnte mich töten!
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ÄNNCHEN |
Gut erklärt! So muss man böse Vorbedeutungen nehmen! Mein Vater war einst ein tapferer Degen und sehr unzufrieden, dass ich's nicht auch werden konnte. Er meinte, man müsse die Furcht nur verspotten, dann fliehe sie, und das wahre Sprüchlein, sich festzumachen, bestehe in den Worten: Halunke, wehre dich!
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AGATHE |
Die Rosen sind mir nun doppelt teuer, und ich will ihrer auf das treueste pflegen.
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ÄNNCHEN |
Wie wär's, wenn ich sie in die Nachtfrische vors Fenster setzte? Es wird ohnedies Zeit, mich auszukleiden.
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AGATHE |
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ÄNNCHEN |
Aber dann lass uns auch zu Bette gehn!
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AGATHE |
Nicht eher, bis Max da ist.
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ÄNNCHEN |
Hat man nicht seine Not mit euch Liebesleutchen!
(Sie geht ab.)
| Ännchen ->
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Zweiter Auftritt |
Agathe allein. |
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[Nr. 8 - Szene und Arie] | N
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Wie nahte mir der Schlummer,
Bevor ich ihn gesehn?
Ja, Liebe pflegt mit Kummer
Stets Hand in Hand zu gehn!
Ob Mond auf seinem Pfad wohl lacht?
(Sie öffnet die Altantür, so dass man in eine sternenhelle Nacht sieht.)
Welch schöne Nacht!
(Sie tritt in den Altan und erhebt in frommer Rührung ihre Hände.)
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Leise, leise,
Fromme Weise!
Schwing dich auf zum Sternenkreise.
Lied erschalle!
Feiernd walle
Mein Gebet zur Himmelshalle!
(Hinausschauend.)
| S
(♦)
(♦)
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O wie hell die goldnen Sterne,
Mit wie reinem Glanz sie glühn!
Nur dort in der Berge Ferne,
Scheint ein Wetter aufzuziehn.
Dort am Wald auch schwebt ein Heer
Dunkler Wolken dumpf und schwer.
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Zu dir wende
Ich die Hände,
Herr ohn' Anfang und ohn' Ende!
Vor Gefahren
Uns zu wahren
Sende deine Engelscharen!
(Wieder hinausschauend)
Alles pflegt schon längst der Ruh';
Trauter Freund, wo weilest du?
Ob mein Ohr auch eifrig lauscht,
Nur der Tannen Wipfel rauscht;
Nur das Birkenlaub im Hain
Flüstert durch die hehre Stille.
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Nur die Nachtigall und Grille
Scheint der Nachtluft sich zu freun.
Doch wie? Täuscht mich nicht mein Ohr?
Dort klingt's wie Schritte!
Dort aus der Tannen Mitte
Kommt was hervor!
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Er ist's! er ist's!
Die Flagge der Liebe mag wehn!
Dein Mädchen wacht
Noch in der Nacht!
(Sie winkt mit einem weissen Tuch.)
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Er scheint mich noch nicht zu sehn!
Gott, täuscht das Licht
Des Monds mich nicht,
So schmückt ein Blumenstrauss den Hut!
Gewiss, er hat den besten Schuss getan!
Das kündet Glück für morgen an!
O süsse Hoffnung! Neu belebter Mut!
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AGATHE |
All meine Pulse schlagen,
Und das Herz wallt ungestüm,
Süss entzückt entgegen ihm!
Konnt' ich das zu hoffen wagen?
Ja, es wandte sich das Glück
Zu dem teuern Freund zurück:
Will sich morgen treu bewähren!
Ist's nicht Täuschung?
Ist's nicht Wahn?
Himmel, nimm des Dankes Zähren
Für dies Pfand der Hoffnung an!
All meine Pulse schlagen,
Und das Herz wallt ungestüm,
Süss entzückt entgegen ihm.
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Dritter Auftritt |
Agathe, Max, verstört und heftig eintretend. Ännchen gleich nach ihm, in Nachtkleidern. |
<- Max, Ännchen
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AGATHE |
Bist du endlich da, lieber Max!
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MAX |
Meine Agathe!
(Sie umarmen sich. Agathe tritt still zurück, als sie statt des gehofften Strausses den Federbusch erblickt.)
Verzeiht, wenn ihr meinetwegen aufgeblieben seid! Leider komm' ich nur auf wenig Augenblicke.
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AGATHE |
Du willst doch nicht wieder fort? Es sind Gewitter im Anzug.
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MAX |
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| (Er wirft den Hut auf den Tisch, dass das Lämpchen von dem Federbusch ausgelöscht wird. Die Gegend, in die man aus dem Altan hinaussieht, zeigt sich schon in dunklerer Beleuchtung.) | |
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ÄNNCHEN |
Gut, dass der Mond scheint; sonst sässen wir im Finstern.
(Sie schlägt Feuer und brennt das Lämpchen wieder an.)
(Zu Max)
Wir sind ja recht lebhaft! Vermutlich getanzt?
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MAX |
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AGATHE |
(furchtsam, mit allen Zeichen getäuschter Hoffnung)
Du scheinst übel gelaunt. Wieder unglücklich gewesen?
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MAX |
Nein! nein! Im Gegenteil!
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AGATHE |
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ÄNNCHEN |
(zu Max)
Was hast du gewonnen? Wenn's ein Band ist, Vetter, musst du mir's schenken. Bitte, bitte! Agathe hat schon Bänderkram genug von dir!
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AGATHE |
Was hast du getroffen, Max. Heute ist mir's von Wichtigkeit.
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MAX |
(mit ängstlicher Verlegenheit)
Ich habe - ich war gar nicht beim Sternschiessen!
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AGATHE |
Und sagst doch, du seist glücklich gewesen?
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MAX |
Ja doch! wunderbar, unglaublich glücklich. Sieh!
(Er zeigt ihr mit solcher Heftigkeit den Federbusch auf dem Hut, dass sie zurückfährt.)
Den grössten Raubvogel hab' ich aus den Wolken geholt!
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AGATHE |
Sei doch nicht so hastig, du fährst mir in die Augen!
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MAX |
Vergib!
(Er bemerkt Blut an ihrer Stirn.)
Aber was ist das? Du bist verwundet, deine Locken sind blutig, um aller Heiligen willen, was ist dir begegnet?
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AGATHE |
Nichts! soviel als nichts, es heilt noch vorm Brautgang.
(sich sanft an ihn schmiegend)
Du sollst dich drum deines Bräutchen nicht schämen!
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MAX |
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ÄNNCHEN |
Das Bild dort fiel herunter -
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MAX |
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AGATHE |
Wie bist du? Es ist sonst kein Bild hier.
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MAX |
Der wackere, gottesfürchtige Kuno?
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ÄNNCHEN |
Halb und halb war Agathe selbst schuld. Wer hiess ihr auch, schon nach sieben Uhr immer ans Fenster zu laufen! Da liess sich doch kaum erwarten, dass du schon heimkämst.
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MAX |
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ÄNNCHEN |
Du hörst's ja! die Turmuhr drüben im Dorf hatte kaum ausgeschlagen.
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MAX |
Seltsam!
(für sich)
Um diese Zeit schoss ich den Bergadler.
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AGATHE |
Du sprichst mit dir selbst. Was hast du?
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MAX |
Nichts! nichts auf der Welt!
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AGATHE |
Bist du unzufrieden mit mir?
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MAX |
(mit steigender Verlegenheit)
Nein! wie könnt' ich - Ja denn! ich bringe dir eine Bürgschaft meines wiederkehrenden Glücks - sie hat mich viel gekostet, und du - du freust dich nicht einmal darüber. Ist das auch Liebe?
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AGATHE |
Sei nicht ungerecht, Max! Noch weiss ich ja nicht - so grosse Raubvögel, wie ich diesen mir denken muss, haben immer etwas Furchtbares.
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ÄNNCHEN |
Das dächt' ich nicht! Mir sehn sie recht stattlich aus.
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AGATHE |
(zu Max)
O steh nicht so in dich gekehrt! Ich liebe dich ja so innig. Solltest du morgen nicht glücklich sein, würdest du mir, ich dir entrissen, o gewiss, der Gram tötete mich!
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MAX |
Drum - ebendarum - muss ich wieder fort!
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AGATHE |
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MAX |
Ich habe - ich bin noch einmal glücklich gewesen -
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AGATHE |
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MAX |
Ja doch! ja!
(ohne Agathe ansehen zu können)
Ich hab' in der Dämm'rung einen Sechzehnender geschossen; der muss noch hereingeschafft werden, sonst stehlen ihn des Nachts die Bauern.
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AGATHE |
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MAX |
Ziemlich weit - im tiefen Wald - bei der Wolfsschlucht!
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[Nr. 9 - Terzett] | N
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AGATHE |
Wie? Was? Entsetzen!
Dort in der Schreckensschlucht?
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ÄNNCHEN |
Der wilde Jäger soll dort hetzen,
Und wer ihn hört, ergreift die Flucht.
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MAX |
Darf Furcht im Herz des Weidmanns hausen?
| |
AGATHE |
Doch sündigt der, der Gott versucht!
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MAX |
Ich bin vertraut mit jenem Grausen,
Das Mitternacht im Walde webt;
Wenn sturmbewegt die Eichen sausen,
Der Häher krächzt, die Eule schwebt.
(Er nimmt Hut, Jagdtasche und Büchse)
| |
| |
AGATHE |
Mir ist so bang, o bleibe!
O eile nicht so schnell.
O eile, eile, eile nicht!
Mir ist so bang!
| |
ÄNNCHEN
Ihr ist so bang, o bleibe!
O eile, o eile nicht so schnell!
O eile, eile nicht!
MAX
Darf Furcht im Herz des Weidmanns hausen?
Ich bin vertraut mit jenem Grausen,
Das Mitternacht im Walde webt.
|
Zusammen
AGATHE
Mir ist so bang, o bleibe!
O eile nicht so schnell.
O eile, eile, eile nicht!
Mir ist so bang!
|
| |
| |
| |
MAX |
(nach dem Altan hinten schauend, düster für sich)
Noch trübt sich nicht die Mondenscheibe;
Noch strahlt ihr Schimmer klar und hell;
Doch bald wird sie den Schein verlieren.
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| |
ÄNNCHEN
Willst du den Himmel observieren?
Das wär' nun meine Sache nicht!
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Zusammen
MAX
Bald wird sie den Schein verlieren.
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| |
| |
AGATHE |
So kann dich meine Angst nicht rühren?
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MAX |
Mich ruft von hinnen Wort und Pflicht,
Mich rufen Wort und Pflicht!
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AGATHE, MAX UND ÄNNCHEN |
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| |
| (Max geht hastig fort, kehrt aber in der Tür noch einmal zurück.) | |
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MAX |
(mit Wehmut)
Doch hast du auch vergeben
Den Vorwurf, den Verdacht?
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AGATHE
Nichts fühlt mein Herz als Beben,
Nimm meiner Warnung acht!
MAX
Hast du auch vergeben
Den Vorwurf, den Verdacht?
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Zusammen
ÄNNCHEN
So ist das Jägerleben!
Nie Ruh' bei Tag und Nacht!
|
| |
AGATHE
Weh mir, ich muss dich lassen!
Denk' an Agathens Wort!
ÄNNCHEN
(zu Agathe)
Such, Beste, dich zu fassen!
(zu Max)
Denk' an Agathens Wort!
|
Zusammen
MAX
(düster)
Bald wird der Mond erblassen,
Mein Schicksal reisst mich fort!
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| (Max den Hut tief in die Augen drückend, stürzt heftig ab. | Max, Agathe, Ännchen ->
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| Agathe und Ännchen ab.) | |
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| |
Furchtbare Waldschlucht, grösstenteils mit Schwarzholz bewachsen, von hohen Gebirgen rings umgeben. Von einem derselben stürzt ein Wasserfall. Der Vollmond scheint bleich. Zwei Gewitter von entgegengesetzter Richtung sind im Anzug. Weiter vorwärts ein vom Blitz zerschmetterter, ganz verdorrter Baum, inwendig faul, so dass er zu glimmen scheint. Auf der andern Seite, auf einem knorrigen Ast, eine grosse Eule mit feurig rädernden Augen. Auf anderen Bäumen Raben und anderes Waldgevögel. | Q
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Vierter Auftritt |
Kaspar. Unsichtbare Geister von verschiedenen Seiten. |
Kaspar
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| |
| (Kaspar ohne Hut und Oberkleid, doch mit Jagdtasche und Hirschfänger, ist beschäftigt, mit schwarzen Feldsteinen einen Kreis zu legen, in dessen Mitte ein Totenkopf liegt; einige Schritte davon der abgehauene Adlerflügel, Giesskelle und Kugelform.) | |
[Nr. 10 - Finale II] | N
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STIMMEN UNSICHTBARER GEISTER
Milch des Mondes fiel aufs Kraut!
Uhui! Uhui!
Spinnweb' ist mit Blut betaut!
Uhui! Uhui!
Eh' noch wieder Abend graut,
Uhui! Uhui!
Ist sie tot, die zarte Braut!
Uhui! Uhui!
Eh' noch wieder sinkt die Nacht,
Ist das Opfer dargebracht!
Uhui! Uhui! Uhui!
| S
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Fünfter Auftritt |
Kaspar. Bald darauf Samiel. |
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| |
Die Uhr schlägt ganz in der Ferne zwölf. | |
Der Kreis von Steinen ist vollendet. | |
| |
| (Kaspar reisst heftig den Hirschfänger heraus, stösst ihn in den Totenkopf, erhebt den Hirschfänger mit dem Totenkopf, dreht sich dreimal herum und ruft:) | |
| |
KASPAR |
Samiel! Samiel! erschein'!
Bei des Zaubrers Hirngebein!
Samiel! Samiel! erschein'!
(Er stellt beides wieder in die Mitte des Kreises.)
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| |
Samiel tritt aus dem Felsen. | <- Samiel
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SAMIEL |
| |
KASPAR |
(wirft sich vor Samiel nieder. Kriechend.)
Du weisst, dass meine Frist
Schier abgelaufen ist.
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SAMIEL |
| |
KASPAR |
Verlängre sie noch einmal mir.
| |
SAMIEL |
| |
KASPAR |
Ich bringe neue Opfer dir.
| |
SAMIEL |
| |
KASPAR |
Mein Jagdgesell, er naht!
Er, der noch nie dein dunkles Reich betrat!
| |
SAMIEL |
| |
KASPAR |
Freikugeln sind's, auf die er Hoffnung baut!
| |
SAMIEL |
Sechse treffen, sieben äffen.
| |
KASPAR |
Die siebente sei dein!
Aus seinem Rohr lenk' sie nach seiner Braut;
Dies wird ihn der Verzweiflung weihn,
Ihn und den Vater!
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SAMIEL |
Noch hab' ich keinen Teil an ihr!
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KASPAR |
(bange)
Genügt er dir allein?
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SAMIEL |
| |
KASPAR |
Doch schenkst du Frist?
und wieder auf drei Jahr',
Bring ich ihn dir zur Beute dar!
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SAMIEL |
Es sei. Bei den Pforten der Hölle! Morgen er oder du!
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| |
| (Samiel verschwindet unter dumpfem Donner.) | Samiel ->
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Sechster Auftritt |
Kaspar. Bald darauf Max. Späterhin Erscheinungen, die jedoch sämtlich den Zauberkreis nicht berühren. Zuletzt Samiel. |
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| |
| (Kaspar richtet sich langsam und erschöpft auf und trocknet sich den Schweiss von der Stirn. An dessen Stelle kommt ein kleiner Herd mit glimmenden Kohlen, dabei einige Reisbunde, aus der Tiefe.) | |
| |
KASPAR |
(Als er sie erblickt.)
Trefflich bedient!
(Er tut einen Zug aus der Jagdflasche.)
Gesegn' es, Samiel!
(Trinkt.)
Er hat mir warm gemacht! Aber wo bleibt Max? Sollte er wortbrüchig werden. Samiel, hilf!
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| |
| (Er geht nicht ohne Beängstigung im Kreise hin und her; die Kohlen drohen zu verlöschen; er kniet zu ihnen nieder, legt Reis auf und bläst an. Die Eule und andere Vögel heben dabei die Flügel, als wollten sie anfachen. Das Feuer raucht und knistert.) | |
| |
Max wird auf einer Felsenspitze, dem Wasserfall gegenüber, sichtbar und beugt sich in die Schlucht herab. | <- Max
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| |
MAX |
Ha! Furchtbar gähnt der düstre Abgrund!
Welch ein Graun! Das Auge wähnt
In einen Höllenpfuhl zu schaun!
Wie dort sich Wetterwolken ballen,
Der Mond verliert von seinem Schein!
Gespenst'ge Nebelbilder wallen,
Belebt ist das Gestein!
Und hier... husch, husch!
Fliegt Nachtgevögel auf im Busch!
Rotgraue narb'ge Zweige strecken
Nach mir die Riesenfaust!
Nein! ob das Herz auch graust,
Ich muss! Ich trotze allen Schrecken!
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| |
| (Er klettert einige Schritte herab.) | |
| |
KASPAR |
(richtet sich auf und erblickt ihn)
Dank, Samiel! die Frist ist gewonnen!
(Zu Max)
Kommst du endlich, Kamerad? Ist das auch recht, mich so allein zu lassen? Siehst du nicht, wie
mir's sauer wird!
(Er hat das Feuer mit dem Adlerflügel angefacht und erhebt diesen im Gespräch gegen Max.)
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MAX |
(nach dem Adlerflügel starrend.)
Ich schoss den Adler aus hoher Luft;
Ich kann nicht rückwärts.
Mein Schicksal ruft!
(Er klettert einige Schritte, bleibt dann wieder stehen und blickt starr nach dem gegenüberliegenden Felsen.)
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| |
Der Geist seiner Mutter erscheint im Felsen. | <- Geist der Mutter von Max
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MAX |
| |
KASPAR |
So komm doch, die Zeit eilt!
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Hasenherz! Klimmst ja sonst wie eine Gemse!
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MAX |
Sieh dorthin! Sieh!
(Er deutet nach dem Felsen, man erblickt eine weissverschleierte Gestalt, die die Hand erhebt.)
Was dort sich weist,
Ist meiner Mutter Geist!
So lag sie im Sarg.
So ruht sie im Grab! -
Sie fleht mit warnendem Blick!
Sie winkt mir zurück!
| |
KASPAR |
(für sich)
Hilf, Samiel!
(Laut)
Alberne Fratzen! Hahaha! Sieh noch einmal hin,
damit du die Folgen deiner feigen Torheit erkennest.
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| |
Die verschleierte Gestalt ist verschwunden, man erblickt Agathens Gestalt mit aufgelösten Locken und wunderlich mit Laub und Stroh aufgeputzt. Sie gleicht völlig einer Wahnsinnigen und scheint im Begriff, sich in den Wasserfall herabzustürzen. | Geist der Mutter von Max ->
<- Agathens Gestalt
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MAX |
Agathe! Sie springt in den Fluss!
Hinab! Hinab! ich muss!
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| |
Die Gestalt verschwindet, Max klimmt vollends herab, der Mond fängt an sich zu verfinstern. | Agathens Gestalt ->
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KASPAR |
(höhnisch für sich)
Ich denke wohl auch!
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MAX |
(heftig zu Kaspar)
Hier bin ich! Was hab' ich zu tun?
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KASPAR |
(wirft ihm die Jagdflasche zu, die Max weglegt.)
Zuerst trink! die Nachtluft ist kühl und feucht. Willst du selbst giessen?
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MAX |
Nein! das ist wider die Abrede.
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KASPAR |
Nicht? So bleib ausser dem Kreise, sonst kostet's dein Leben!
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MAX |
Was hab' ich zu tun, Hexenmeister?
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KASPAR |
Fasse Mut! Was du auch hören und sehen magst, verhalte dich ruhig.
(Mit eigenem heimlichen Grauen)
Käme vielleicht ein Unbekannter, uns zu helfen, was kümmert's dich? Kommt was andres, was tut's? So etwas sieht ein Gescheiter gar nicht!
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MAX |
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KASPAR |
Umsonst ist der Tod! Nicht ohne Widerstand schenken verborgene Naturen den Sterblichen ihre Schätze. Nur wenn du mich selbst zittern siehst, dann komm mir zu Hilfe und rufe, was ich rufen werde, sonst sind wir beide verloren.
(Max macht eine Bewegung des Einwurfs.)
Still! Die Augenblicke sind kostbar! Der Mond ist bis auf einen schmalen Streif verfinstert.
(Kaspar nimmt die Giesskelle.)
Merk' auf, was ich hineinwerfen werde, damit du die Kunst lernst.
(Er nimmt die Ingredienzien aus der Jagdtasche und wirft sie nach und nach hinein.)
Hier erst das Blei. - Etwas gestossenes Glas von zerbrochenen Kirchenfenstern; das findet sich! - Etwas Quecksilber! - Drei Kugeln, die schon einmal getroffen! - Das rechte Auge eines Wiedehopfs! - Das linke eines Luchses! Probatum est! - Und nun den Kugelsegen!
(In drei Pausen sich gegen die Erde neigend.)
Schütze, der im Dunkeln wacht!
Samiel! Samiel! hab' acht!
Steh mir bei in dieser Nacht,
Bis der Zauber ist vollbracht!
Salbe mir so Kraut, als Blei,
Segn' es sieben, neun und drei,
Dass die Kugel tüchtig sei!
Samiel! Samiel! herbei!
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| |
Die Masse in der Giesskelle fängt an zu gären und zu zischen und gibt einen grünlichweissen Schein. Eine Wolke läuft über den Mondstreif, dass die ganze Gegend nur noch von dem Herdfeuer, den Augen der Eule und dem faulen Holz des Baums beleuchtet ist. | |
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KASPAR |
(giesst, lässt die Kugel aus der Form fallen und ruft)
Eins!
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DAS ECHO |
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Waldvögel kommen herunter, setzen sich um den Kreis, hüpfen und flattern. | |
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KASPAR |
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ECHO |
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Ein schwarzer Eber raschelt durchs Gebüsch und jagt wild vorüber. | |
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KASPAR |
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ECHO |
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Ein Sturm erhebt sich, beugt und bricht Wipfel der Bäume, jagt Funken vom Feuer usw. | |
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KASPAR |
| |
ECHO |
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| |
Man hört Rasseln, Peitschengeknall und Pferdegetrappel; vier feurige funkenwerfende Räder rollen vorüber, ohne dass man wegen der Schnelligkeit ihre eigentliche Gestalt oder den Wagen gewahr werden kann. | |
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KASPAR |
(immer ängstlicher, zählt)
Fünf!
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ECHO |
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Hundegebell und Wiehern in der Luft; Nebelgestalten von Jägern zu Fuss und zu Ross, Hirschen und Hunden ziehen auf der Höhe vorüber. | <- Nebelgestalten von Jägern zu Fuss und zu Ross
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CHOR (unsichtbar)
Durch Berg und Tal, durch Schlund und Schacht,
Durch Tau und Wolken, Sturm und Nacht!
Durch Höhle, Sumpf und Erdenkluft,
Durch Feuer, Erde, See und Luft,
Joho! Wauwau! ho! ho! ho! ho! ho! hol ho! ho!
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| Nebelgestalten von Jägern zu Fuss und zu Ross ->
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KASPAR |
Wehe! Das wilde Heer! Sechs! Wehe!
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ECHO |
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Der ganze Himmel wird schwarze Nacht, die vorher miteinander kämpfenden Gewitter treffen zusammen und entladen sich mit furchtbaren Blitzen und Donnern; Platzregen fällt; dunkelblaue Flammen schlagen aus der Erde; Irrlichter zeigen sich auf den Bergen; Bäume werden prasselnd aus den Wurzeln gerissen; der Wasserfall schäumt und tobt; Felsenstücke stürzen herab; von allen Seiten Wettergeläut; die Erde scheint zu schwanken. | |
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KASPAR |
(zuckend und schreiend)
Samiel! - Samiel!
(Er wird zu Boden geworfen)
Hilf! - Sieben!
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| (Max gleichfalls vom Sturm hin und her geschleudert springt aus dem Kreis, fasst einen Ast des verdorrten Baumes und schreit.) | |
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MAX |
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In demselben Augenblicke fängt das Ungewitter an, sich zu beruhigen, an der Stelle des verdorrten Baumes steht der schwarze Jäger, nach Maxens Hand fassend. | <- Samiel
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SAMIEL |
(mit furchtbarer Stimme)
Hier bin ich!
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| (Max schlägt ein Kreuz und stürzt zu Boden.) | |
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| (Es schlägt eins. Plötzliche Stille. Samiel ist verschwunden, Kaspar liegt noch mit dem Gesicht zu Boden, Max richtet sich konvulsivisch auf.) | Samiel ->
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Ende des zweiten Aktes. | |
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