| |
[Ouvertüre] | N
|
| |
Platz vor einer Waldschenke, sogenanntem Schenkgiebel, die geräumig, doch bloss mit Schoben gedeckt ist. | Q
|
Im Hintergrunde eine Vogelstange, von Volksgetümmel umgeben. | |
Böhmische Bergmusik. | |
|
|
Erster Auftritt |
Max. Kilian. Landleute. Max sitzt allein im Vordergrunde an einem Tisch, vor sich den Krug. In dem Augenblicke, da der Vorhang aufgeht im 11. Takte, fällt ein Schuss, und das letzte Stück einer Sternscheibe fliegt herunter. |
Max, Kilian, Landleute
|
| |
[Nr. 1 - Introduktion] | N
|
| |
DAS VOLK |
(ruft)
Ah, ah, brav, herrlich getroffen!
(Jubelt und klatscht.)
| |
MAX |
(bis jetzt die geballte Faust vor der Stirn, schlägt damit heftig auf den Tisch, ausrufend)
Glück zu, Bauer!
| |
| |
|
CHOR DER LANDLEUTE
Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Viktoria! der Meister soll leben,
Der wacker dem Sternlein
den Rest hat gegeben!
Ihm gleichet kein Schütz
von fern und von nah!
Viktoria! Viktoria! Viktoria!
| |
| |
| (Allgemeiner Jubel. Die Stange wird herabgelassen.) | |
| |
MAX |
Immer frisch! Schreit! schreit!
(Er stampft mit der Büchse auf den Boden und lehnt sie an einen Baum.)
War ich denn blind? Sind denn die Sehnen dieser Faust erschlafft?
| |
| |
Es ordnet sich ein Zug. Voran die Musikanten, den folgenden Marsch spielend; dann Bauernknaben, die das letzte Stück der Scheibe auf einem, alten Degen und mancherlei neues Zinngerät als Gewinn tragen. Hierauf Kilian, als Schützenkönig, mit gewaltigem Strauss und Ordensband, worauf die von ihm getroffenen Sterne befestigt sind. Schützen mit Büchsen, mehrere mit Sternen auf Mützen und Hüten; Weiber und Mädchen folgen. Der Zug geht im Kreise herum, und alle, die bei Max vorbeikommen, deuten höhnisch auf ihn, verneigen sich, flüstern und lachen. Zuletzt bleibt Kilian vor Max stehen, wirft sich in die Brust und singt. | |
| |
KILIAN |
Schau' der Herr mich an als König!
Dünkt Ihm meine Macht zu wenig?
Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh!
Wird Er, frag' ich, he, he, he?
| |
MÄDCHEN |
(aushöhnend, Rübchen schabend, mit den Fingern auf Max deutend)
Hehehehehehehehehehe!
| |
| |
MÄNNER
Wird Er - frag' ich?
Wird Er - frag ich?
Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh?
Wird Er, frag' ich,
wird Er? hehehe!
|
Zusammen
MÄDCHEN |
| |
| |
KILIAN |
Stern und Strauss trag' ich vorm Leibe!
Kantors Sepherl trägt die Scheibe!
Hat Er Augen nun, Mosjeh?
Was traf Er denn, he, he, he?
| |
MÄDCHEN |
| |
MÄNNER
Was traf Er denn?
Was traf Er denn?
Hat Er Augen nun, Mosjeh?
Was traf Er denn?
was denn? he, he, he!
|
Zusammen
MÄDCHEN |
| |
| |
KILIAN |
Darf ich etwa Eure Gnaden
's nächste Mal zum Schiessen laden?
Er gönnt andern was, Mosjeh!
Nun, Er kommt doch, he, he, he!
| |
MÄDCHEN |
| |
MÄNNER
Nun, Er kommt doch?
Nun, Er kommt doch?
Er gönnt andern was, Mosjeh?
Nun, Er kommt doch?
kommt doch? he, he, he!
|
Zusammen
MÄDCHEN |
| |
| |
| |
MAX |
(springt auf, zieht den Hirschfänger und fasst Kilian bei der Brust)
Lasst mich zufrieden, oder!
| |
| |
| (Getümmel, auf Max eindringend.) | |
|
|
Zweiter Auftritt |
Kuno. Kaspar und mehrere Jäger mit Büchsen und Jagdspiessen. Die Vorigen. |
<- Kuno, Kaspar, Jäger
|
| |
KUNO |
Was gibt's hier? Pfui, dreissig über einen! Wer untersteht sich, meinen Burschen anzutasten?
| |
KILIAN |
(von Max losgelassen, aber noch furchtsam)
Alles in Güte und Liebe, werter Herr Erbförster, gar nicht böse gemeint! Es ist Herkommen bei uns, dass, wer stets gefehlt hat, vom Königsschuss ausgeschlossen und dann ein wenig gehänselt wird - alles in Güte und Liebe.
| |
KUNO |
(heftig)
Stets gefehlt? Wer? Wer hat das?
| |
KILIAN |
Es ist freilich arg, wenn der Bauer einmal über den Jäger kommt - aber fragt ihn nur selbst.
| |
MAX |
(beschämt und verzweifelnd)
Ich kann's nicht leugnen; ich habe nie getroffen.
| |
KASPAR |
| |
KUNO |
Max! Max! Ist's möglich? Du, sonst der beste Schütze weit und breit! Seit vier Wochen hast du keine Feder nach Hause gebracht, und auch jetzt -? Pfui der Schande!
| |
KASPAR |
Glaube mir, Kamerad, es ist, wie ich gesagt habe: Es hat dir jemand einen Weidmann gesetzt, und den musst du lösen, oder du triffst keine Klaue.
| |
KUNO |
| |
KASPAR |
Das meine ich eben, so etwas ist leicht gemacht; lass dir raten, Kamerad! Geh am nächsten Freitag auf einen Kreuzweg, zieh mit dem Ladestock oder einem blutigen Degen einen Kreis um dich und rufe dreimal den grossen Jäger -
| |
KILIAN |
Gott bewahr' uns! Einen von des Teufels Heerscharen!
| |
KUNO |
Schweig, vorlauter Bube! Ich kenne dich längst. Du bist ein Tagedieb, ein Schlemmer, ein falscher Würfler - hüte dich, dass ich nicht noch Ärgeres von dir denke.
(Kaspar macht eine kriechende Bewegung, als wolle er sich entschuldigen.)
Kein Wort, oder du hast auf der Stelle den Abschied! Aber auch du, Max, sieh dich vor! Ich bin dir wie ein Vater gewogen; es freut mich, dass der Herr Fürst Sohnesrecht auf den Eidam übertragen will, aber, wenn du morgen beim Probeschuss fehltest, müsst' ich dir doch das Mädchen versagen. Wollt ihr in der Irre herumlaufen?
| |
MAX |
| |
EINIGE JÄGER |
Was ist das eigentlich mit dem Probeschuss? Schon oft haben wir davon gehört.
| |
KILIAN |
Ja, auch wir. Aber noch hat uns niemand die rechte Bewandtnis zu sagen gewusst.
| |
ANDERE JÄGER |
O erzählt's uns, Herr Kuno!
| |
KUNO |
Meinetwegen! Zum Hoflager kommen wir noch zeitig genug.
(setzt sich)
Mein Urältervater, der noch im Forsthause abgebildet steht, hiess Kuno, wie ich, und war fürstlicher Leibschütz. Einst trieben die Hunde einen Hirsch heran, auf dem ein Mensch angeschmiedet war - so bestrafte man in alten Zeiten die Waldfrevler. Dieser Anblick erregte das Mitleid des damaligen Fürsten. Er versprach dem jenigen, welcher den Hirsch erlege, ohne den Missetäter zu verwunden, eine Erbförsterei, und zur Wohnung das nah gelegene Waldschlösschen. Der wackere Leibschütz, mehr aus eigenem Erbarmen als wegen der grossen Verheissung, besann sich nicht lange. Er legte an und befahl die Kugel den heiligen Engeln. Der Hirsch stürzte, und der Wilddieb war, obwohl im Gesicht vom Dorngebüsch derb zerkrazt, doch im übrigen unversehrt.
| |
DIE WEIBER |
Gott sei Dank! der arme Wildschütz!
| |
DIE MÄNNER |
Brav, brav! Das war ein Meisterschuss!
| |
KASPAR |
Oder ein Glücksfall, wenn nicht vielleicht gar -
| |
MAX |
Ich möchte der Kuno gewesen sein!
(Er starrt zu Boden und versinkt in sich selbst.)
| |
KUNO |
Auch mein Urvater freute sich sehr über die Rettung des Unglücklichen, und der Fürst erfüllte in allem seine Zusage.
| |
KILIAN |
So? Also davon schreibt sich der Probeschuss her, Nachbarn und Freunde! Nun weiss man's doch auch!
| |
KUNO |
Hört noch das Ende! Es ging damals wie jetzt,
(mit einem Blick auf Kaspar)
dass der böse Feind immer Unkraut unter den Weizen säet. Kunos Neider wussten es an den Fürsten zu bringen, der Schuss sei mit Zauberei geschehen, Kuno habe nicht gezielt, sondern eine Freikugel geladen.
| |
KASPAR |
Dacht' ich's doch!
(für sich)
Hilf zu, Samiel!
| |
KILIAN |
(zu einigen Bauern)
Eine Freikugel? Das sind Schlingen des bösen Feindes; meine Grossmutter hat mir's einmal erklärt. Sechse treffen, aber die siebente gehört dem Bösen; der kann sie hinführen, wohin's ihm beliebt.
| |
KASPAR |
Alfanzerei! Nichts als Naturkräfte!
| |
KUNO |
Aus diesem Grunde machte der Fürst bei der Stiftung den Zusatz: "Dass jeder von Kunos Nachfolgern zuvor einen Probeschuss ablege, schwer oder leicht, wie es der regierende Fürst oder sein Abgeordneter anzubefehlen geruht." Auch will es das Herkommen, dass der junge Förster an demselben Tag mit seiner Erwählten getraut wird, die aber völlig unbescholten sein und im jungfräulichen Ehrenkränzlein erscheinen muss. Doch genug nun!
(Zu den Jägern, die mit ihm gekommen)
Wir wollen uns wieder auf den Weg machen! Du aber, Max, magst noch einmal zu Hause nachsehen, ob sämtliche Treibleute angelangt sind. Nimm dich zusammen! Der Weidmann, der dir gesetzt ist, mag die Liebe sein. Noch vor Sonnenaufgang erwarte ich dich beim Hoflager.
| |
| |
[Nr. 2 - Terzett mit Chor] | N
|
| |
MAX |
(der erst bei Kunos Anrede aus seiner Zerstreuung zurückgekommen ist)
Oh, diese Sonne,
Furchtbar steigt sie mir empor!
| |
KUNO |
Leid oder Wonne,
Beides ruht in deinem Rohr!
| |
| |
MAX |
Ach, ich muss verzagen,
Dass der Schuss gelingt!
| |
MAX
Ach, ich muss verzagen,
Dass der Schuss gelingt!
|
Zusammen
KUNO
Dann musst du entsagen!
Leid oder Wonne,
Beides ruht in deinem Rohr!
|
| |
| |
KASPAR |
(zu Max, mit bedeutungsvoller Heimlichkeit)
Nur ein keckes Wagen
Ist's; was Glück erringt!
| |
MAX |
Agathen entsagen,
Wie könnt' ich's ertragen?
Doch mich verfolget Missgeschick!
| |
CHOR
Seht, wie düster ist sein Blick!
Ahnung scheint ihn zu durchbeben!
|
Zusammen
MAX
Doch mich verfolget Missgeschick!
Agathen entsagen,
Wie könnt' ich's ertragen?
|
| |
| |
DIE JÄGER |
(zu Max)
O lass Hoffnung dich beleben,
Und vertraue dem Geschick!
| |
KUNO UND CHOR |
O lass Hoffnung dich beleben,
Und vertraue dem Geschick!
| |
MAX |
Weh mir! mich verliess das Glück!
| |
KUNO UND CHOR |
| |
MAX |
Unsichtbare Mächte grollen,
Bange Ahnung füllt die Brust!
| |
CHOR |
| |
MAX |
Unsichtbare Mächte grollen,
Bange Ahnung füllt die Brust!
| |
KUNO
So's des Himmels Mächte wollen,
Dann trag männlich den Verlust!
|
Zusammen
MAX
Nimmer trüg' ich den Verlust!
|
| |
CHOR
Nein, nimmer trüg er den Verlust!
Nein!
MAX
Agathen entsagen,
Wie könnt' ich's ertragen!
Nimmer trüg' ich den Verlust!
Nimmer!
|
Zusammen
KASPAR
Mag Fortunas Kugel rollen;
Wer sich höhrer Kraft bewusst,
Trotzt dem Wechsel und Verlust!
Trotz dem Wechsel!
KUNO |
| |
| |
KUNO |
(fasst Max bei der Hand)
Mein Sohn, nur Mut!
Wer Gott vertraut, baut gut!
(zu den Jägern)
Jetzt auf! In Bergen und Klüften
Tobt morgen der freudige Krieg!
| |
CHOR DER JÄGER |
Das Wild in Fluren und Triften,
Der Aar in Wolken und Lüften
Ist unser, und unser der Sieg!
| |
| |
CHOR DER LANDLEUTE |
Lasst lustig die Hörner erschallen!
| |
CHOR DER JÄGER |
Wir lassen die Hörner erschallen!
| |
CHOR DER LANDLEUTE
Lasst lustig die Hörner erschallen!
Wenn wiederum Abend ergraut,
Soll Echo und Felsenwand hallen:
Sa! Hussah, dem Bräut'gam, der Braut!
|
Zusammen
CHOR DER JÄGER
Wir lassen die Hörner erschallen!
Wenn wiederum Abend ergraut,
Soll Echo und Felsenwand hallen:
Sa! Hussah, dem Bräut'gam, der Braut!
|
| |
| |
| (Kuno mit Kaspar und den Jägern ab.) | Kuno, Kaspar, Jäger ->
|
|
|
Dritter Auftritt |
Die Vorigen ohne Kuno und sein Gefolge. |
|
| |
KILIAN |
Ein braver Mann, der Herr Förster! Aber nun kommt auch in den Schenkgiebel, es wird schon recht dämmrig und schaurig.
(zu Max)
Wir wollen gute Freunde bleiben, wackerer Bursch! Ich gönne Ihm morgen das beste Glück! Jetzt schlag Er sich die Grillen aus dem Kopf, nehm Er ein Mädchen und tanze Er mit hinein!
| |
MAX |
Ja, es wäre mir wie tanzen!
| |
KILIAN |
| |
| |
| (Er nimmt eine der Frauen und tanzt. Die anderen folgen.) | |
| |
[Nr. 3 - Szene und Arie] | N
|
| |
| (Böhmischer Walzer. Die meisten drehen sich tanzend in dem Schenkgiebel, die übrigen zerstreuen sich ausserhalb desselben. Es ist düster geworden.) | Kilian, Landleute ->
|
| |
|
|
Vierter Auftritt |
Max allein. Später Samiel, von beinahe übermenschlicher Grösse, dunkelgrün und feuerfarb mit Gold gekleidet. Der grosse, mit einer Hahnfeder verzierte Hut bedeckt fast das ganze schwarzgelbe Gesicht. |
|
| |
MAX |
Nein, länger trag' ich nicht die Qualen,
Die Angst, die jede Hoffnung raubt!
Für welche Schuld muss ich bezahlen?
Was weiht dem falschen Glück mein Haupt?
| |
| |
|
Durch die Wälder, durch die Auen
Zog ich leichten Sinns dahin;
Alles, was ich konnt' erschauen,
War des sichern Rohrs Gewinn.
Abends bracht' ich reiche Beute,
Und wie über eignes Glück,
Drohend wohl dem Mörder, freute
Sich Agathens Liebesblick!
| S
(♦)
(♦)
|
| |
|
Hat denn der Himmel mich verlassen?
| |
| |
| (Samiel tritt, fast bewegungslos, im Hintergrund einen Schritt aus dem Gebüsch) | <- Samiel
|
| |
|
Die Vorsicht ganz ihr Aug' gewandt?
(mit verzweiflungsvoller Gebärde)
Soll das Verderben mich erfassen?
Verfiel ich in des Zufalls Hand?
| |
| |
| (Samiel verschwindet wieder.) | Samiel ->
|
| |
|
Jetzt ist wohl ihr Fenster offen,
Und sie horcht auf meinen Tritt,
Lässt nicht ab vom treuen Hoffen;
Max bringt gute Zeichen mit!
Wenn sich rauschend Blätter regen,
Wähnt sie wohl, es sei mein Fuss;
Hüpft vor Freuden, winkt entgegen -
Nur dem Laub, den Liebesgruss.
| |
| |
| (Samiel schreitet im Hintergrund mit grossen Schritten langsam über die Bühne.) | <- Samiel
|
| |
|
Doch mich umgarnen finstre Mächte!
Mich fasst Verzweiflung!
foltert Spott!
O dringt kein Strahl
durch diese Nächte?
Herrscht blind das Schicksal?
Lebt kein Gott?
| |
| |
| (Samiel, schon ganz an der entgegengesetzten Seite, macht bei dem letzten Worte eine zuckende Bewegung und ist verschwunden.) | Samiel ->
|
| |
|
Mich fasst Verzweiflung!
foltert Spott!
| |
|
|
Fünfter Auftritt |
Max. Kaspar, herbeischleichend. Samiel, grösstenteils unsichtbar. Ein Schenkmädchen. |
<- Kaspar
|
| |
KASPAR |
(sobald Max ihn gewahr wird)
Da bist du ja noch, Kamerad. Gut, dass ich dich finde.
| |
MAX |
Horchst du schon wieder herum?
| |
KASPAR |
Ist das mein Dank? Es fiel mir unterwegs ein guter Rat für dich ein; aus treumeinendem Herzen stehle ich mich fort, laufe mich fast ausser Atem! Ich kann's, kann's nicht verschmerzen, dass du hier zum Spott der Bauern geworden bist. Teufel, die mögen gelacht haben! Ha, ha, ha! Aber was hilft's? Schlag dir's aus den Gedanken, Bruderherz!
(Er greift nach dem Krug.)
Wie? Was? Bier hast du? Das taugt nicht zum Sorgenbrecher!
(In den Schenkgiebel rufend)
Wein! Wein! Zwei Passgläser! - Kamerad! und kostete es mich den letzten Heller, ich kann dich nicht so traurig sehen! du musst mit mir trinken.
| |
| |
| (Ein Schenkmädchen hat indes das Geforderte gebracht.) | <- Ein Schenkmädchen
|
| |
KASPAR |
(zu dem Mädchen)
Lass ankreiden!
| |
| |
| (Mädchen geht mit unwilligem Blick ab.) | Ein Schenkmädchen ->
|
| |
MAX |
Damit verschone mich! Mein Kopf ist ohnedies wüst genug.
(Er legt den Kopf in die Hände.)
| |
KASPAR |
(tropft geschwind aus einem Fläschchen etwas in das für Max bestimmte Glas; für sich.)
So, Freundchen! da brauchst du wenig!
(Er giesst schnell Wein ein.)
Hilf, Samiel!
| |
| |
| (Samiel schaut mit dem Kopf aus dem Busch, an welchem sie sitzen.) | <- Samiel
|
| |
KASPAR |
| |
| |
| (Samiel verschwindet.) | Samiel ->
|
| |
MAX |
(auffahrend)
Mit wem sprachst du?
| |
KASPAR |
Ich? Mit niemand. Ich sagte: "So, Freundchen!" weil ich dir einschenkte.
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Der Herr Förster soll leben! Die Gesundheit deines Lehrherrn wirst du doch mittrinken?
(Er reicht Max das Glas mit den Tropfen.)
| |
MAX |
| |
| |
| (Sie stossen an und trinken.) | |
| |
KASPAR |
Nun lass uns eins singen! - "Semper fröhlich nunquam selig, immerhin!"
(Max bezeigt seinen Unwillen.)
Das gefällt dir nicht? Nun denn, ein andres!
| |
| |
[Nr. 4 - Lied] | N
|
|
Hier im ird'schen Jammertal
Wär' doch nichts als Plack und Qual,
Trüg' der Stock nicht Trauben;
Darum bis zum letzten Hauch
Setz' ich auf Gott Bacchus Bauch
Meinen festen Glauben!
| |
| |
|
Ei, du musst mitsingen!
(Er trinkt.)
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Jungfer Agathe soll leben! Wer die Gesundheit seiner Braut ausschlüg', war' doch wahrlich ein Schuft!
| |
MAX |
| |
| |
| (Sie stossen an und trinken.) | |
| |
|
KASPAR
Eins ist eins, und drei sind drei!
Drum addiert noch zweierlei
Zu dem Saft der Reben;
Kartenspiel und Würfellust
Und ein Kind mit runder Brust
Hilft zum ew'gen Leben!
| |
| |
|
Mit dir ist aber auch gar nichts anzufangen!
(Er trinkt.)
| |
MAX |
Wie kannst du mir zumuten, in so etwas einzustimmen?
| |
KASPAR |
Unser Herr Fürst soll leben! Wer nicht dabei ist, ist ein Judas!
| |
MAX |
Nun denn, aber dann auch keinen Tropfen mehr!
| |
| |
| (Sie stossen an und trinken. Max weht sich mit dem Hute Luft zu und gibt sonst zu erkennen, dass ihm heiss sei.) | |
| |
|
KASPAR
Ohne dies Trifolium
Gibt's kein wahres Gaudium
Seit dem ersten Übel.
Fläschchen sei mein Abc,
Würfel, Karte, Katherle,
Meine Bilderfibel!
| |
| |
MAX |
Elender! Agathe hat recht, wenn sie mich immer vor dir warnt.
| |
| |
| (Er will fort. Man merkt ihm von jetzt eine gewisse Heftigkeit an, einem leichten, aber bösen Rausche gleich.) | |
| |
KASPAR |
Wie kannst du auch gleich so in Harnisch geraten, Bruderherz? Ich diente noch als Milchbart unter dem Altringer und Tilly, und war mit beim Magdeburger Tanz; unterm Kriegsvolk lernt man solche Schelmliedlein.
| |
| |
| (Die Dorfuhr schlägt. Max steht auf.) | |
| |
KASPAR |
Willst du schon nach Hause?
| |
MAX |
Ja, es wird Zeit. Das schlug sieben!
| |
KASPAR |
Zu Agathe? Da weiss ich doch nicht! - du könntest sie erschrecken! Weisst du nicht, dass sie auf einen Gewinn als gute Vorbedeutung für morgen hofft?
| |
MAX |
Ach, die Arme! Und ich selbst! Morgen!
| |
KASPAR |
Bleib noch und lass dir raten! Deshalb hab' ich dich eigentlich aufgesucht. Dir könnte gar wohl geholfen werden!
| |
MAX |
| |
KASPAR |
(geheimnisvoll)
Um dir ganz meine Freundschaft zu beweisen, könnte ich dir unter vier Augen - nicht umsonst habe ich gegen dich zuweilen ein Wort fallen lassen. - Es gibt allerdings gewisse geheime Kräfte der Natur - gewisse unschuldige Jagdkünste - diese Nacht, wo sich die Mondscheibe verfinstert, ist zu grossen Dingen geschickt! - Ein alter Bergjäger hat mir einmal vertraut.
| |
| |
| (Man sieht Samiel von Zeit zu Zeit lauschen, ohne dass ihn die Sprechenden bemerken.) | <- Samiel
|
| |
MAX |
Du missest mir das Gift tropfenweis' zu -
| |
KASPAR |
Wie wär's, Kamerad, wenn ich dir noch heute zu einem recht glücklichen Schuss verhülfe, der Agathe beruhigte und zugleich euer morgendes Glück verbürgte?
| |
MAX |
Du fragst wunderbar. Ist das möglich?
| |
KASPAR |
Mut! Mut! Was die Augen sehen, glaubt das Herz. Da, nimm meine Büchse!
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Geduld!
(Er sieht nach dem Himmel.)
Zeigt sich denn nichts?
(Schnell, indem er ihm das Gewehr gibt.)
Da! da! Siehst du den Stösser dort? Schiess!
| |
MAX |
Bist du ein Narr, oder glaubst du, ich bin's? Es ist ganz düster, der Vogel schwebt wie ein schwar zer. Punkt in der Luft, wolkenhoch über der Schussweite!
| |
KASPAR |
Schiess ins T - Schellobers Namen! Ha, ha!
| |
| |
| (Max berührt wie im Zweifel den Stecher, das Gewehr geht los. In demselben Augenblick hört man gellendes Gelächter, so dass sich Max erschrocken nach Kaspar umsieht.) | |
| |
MAX |
Was lachst du? Wie Fittiche der Unterwelt kreist's dort oben -
| |
| |
| (Ein mächtiger Steinadler schwebt einen Augenblick wirbelnd in der Luft und stürzt dann tot zu Maxens Füssen.) | |
| |
MAX |
| |
KASPAR |
(der ihn aufhebt)
Der grösste Steinadler, den es gibt! Was für Fänge, und wie herrlich getroffen! Gleich unterm Flügel, sonst nichts verletzt! Kannst ihn ausstopfen lassen, Bruder, für ein Naturalienkabinett.
| |
MAX |
Aber ich begreife nicht - diese Büchse ist doch wie jede andere -
| |
KASPAR |
Viktoria! das wird dich bei den Bauern in Respekt setzen! das wird Agathe erfreuen!
(Er rauft einige der grössten Federn aus und steckt sie auf Maxens Hut.)
So, Kamerad, dies als Siegeszeichen.
| |
MAX |
Was machst du? - Wird mir doch ganz schauerlich! - Was hast du geladen? Was war das für eine Kugel?
| |
KASPAR |
Gar keine Kugel, Närrchen! Eine trächtige Blindschleiche! die trifft allemal.
| |
MAX |
Träum' ich denn, oder bin ich berauscht? So etwas ist mir noch nie begegnet! - Kaspar, ich bitte dich, ich beschwöre dich!
(Er fasst ihn)
Kaspar, ich bringe dich um! Sag', was war das für eine Kugel?
| |
KASPAR |
Bist du verwirrt vor Freuden? Ich teile sie mit dir!
(Er umarmt ihn)
Nicht, Freundchen! das war ein Schuss? Lass mich los!
| |
MAX |
(lässt ihn los)
Wo hast du die Kugel her?
| |
KASPAR |
Nun, wenn du Vernunft annimmst - so sag' mir - du, der wackerste Jäger, bist du oder stellst du dich nur so unerfahren? Wüsstest du wirklich nicht, was eine Freikugel sagen will?
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Da lernt man's doch besser unter dem Kriegsvolk. Ha, ha! wie kämen die Scharfschützen zurecht, die ihren Mann aus dem dicksten Pulverdampf herausschiessen? Oder hast du nie nachgedacht, wie der Schwedenkönig, trotz seines Kollers von Elenshaut, bei Lützen gefallen ist? Zwei silberne Kugeln hiess es. Ja, ja, der Gescheite kennt das! Doch zu so etwas bedarf's anderer Künste, als bloss zu zielen und loszudrücken.
| |
MAX |
(den Adler betrachtend)
Der Schuss ist unglaublich - in trüber Dämmerung - aus den Wolken herabgeholt! So wäre es doch wahr?
| |
KASPAR |
Zudem ist's wohl zweierlei, einem armen Erdensohn aus dem Hinterhalt das Lebenslicht ausblasen und sich eine Erbförsterei und ein allerliebstes Mädchen erschiessen!
| |
MAX |
(vor sich selbst brütend)
Hast du noch mehr solche Kugeln?
| |
KASPAR |
Es war die letzte - sie haben gerade ausgereicht.
| |
| |
| (Pause.) | |
| |
MAX |
Bist du doch auf einmal so wortkarg! - Ausgereicht! Wie verstehst du das?
| |
KASPAR |
Weil sie in dieser Nacht zu bekommen sind.
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Ja doch! Drei Tage hintereinander steht jetzt die Sonne im Schützen, und heut ist der mittelste; heut, wenn sich die Tage scheiden, gibt's eine totale Mondfinsternis. Max! Kamerad! Dein Schicksal steht unter dem Einfluss günstiger Gestirne! Du bist zu hohen Dingen ersehen! Heute, gerade in der Nacht zuvor, ehe du den Probeschuss tun, Amt und Braut dir gewinnen sollst, wo du der Hilfe unsichtbarer Mächte so sehr bedarfst, beut die Natur selbst sich zu deinem Dienst!
| |
MAX |
Wohl! Mein Geschick will's! Schaff' mir so eine Kugel!
| |
KASPAR |
Mehr als du brauchst! Aber bedarf der Mann eines Vormunds?
| |
MAX |
| |
KASPAR |
Das will ich dich lehren. Sei punkt zwölf Uhr in der Wolfsschlucht!
| |
MAX |
Um Mitternacht - in der Wolfsschlucht? Nein! Die Schlucht ist verrufen, und um Mitternacht öffnen sich die Pforten der Hölle.
| |
KASPAR |
Pah! - Wie du denkst! Und doch kann ich dich deinem Unstern nicht überlassen - ich bin dein Freund! ich will dir giessen helfen.
| |
MAX |
| |
KASPAR |
So mach' dich morgen zum Landesgespött! Verlier die Försterei und Agathe! - Ich bin dein Freund, ich will selbst für dich giessen; aber dabei musst du sein!
| |
MAX |
Deine Zunge ist glatt. Nein, an solche Dinge muss ein frommer Jäger nicht denken!
| |
KASPAR |
Feigling! Also nur durch fremde Gefahr, gäb's anders dergleichen, möchtest du dein Glück erkaufen? Glaubst du, dann wäre deine Schuld, gäb' es dergleichen, geringer? Glaubst du, diese Schuld, gäb' es dergleichen, laste nicht schon auf dir?
(Den Adler an den Fittichen ausspreizend)
Glaubst du, dieser Adler sei dir geschenkt?
| |
MAX |
Furchtbar, wenn du recht hättest!
| |
KASPAR |
Sonderbar, wie du fragst! Doch Undank ist der Welt Lohn. Ich will mir hier einen Flederwisch abhauen, dass ich wenigstens etwas davontrage.
(Er haut einen Flügel ab)
Drollig! um Agathe zu trösten, wagtest du den Schuss, sie zu erwerben, fehlt es dir an Herzhaftigkeit! Das würde sich das Wachspüppchen, das mich um deinetwillen verwarf, schwerlich einbilden!
(für sich)
Es soll gerochen werden!
| |
MAX |
| |
KASPAR |
So bewähr' ihn! Brauchtest du schon eine Freikugel, so ist's ja ein Kinderspiel, welche zu giessen. Was dir bevorsteht ohne diese Hilfe, kannst du aus deinen bisherigen Fehlschüssen leicht abnehmen. Das Mädchen ist auf dich versessen, kann nicht ohne dich leben: sie wird verzweifeln! Du wirst, allen Menschen ein Spott, herumschleichen, vielleicht aus Verzweiflung -
(Er drückt sich die Faust in die Augen, als träte das Wasser hinein.)
Schäme dich, rauher Weidmann, dass du ihn mehr liebst, als er sich selbst!
(für sich)
Hilf zu, Samiel!
| |
MAX |
Agathe sterben! Ich in einen Abgrund springen! Ja, das wär' das Ende!
(Er gibt Kaspar die Hand)
Bei Agathes Leben! ich komme!
| |
| |
| (Samiel der bei den letzten Worten von links hervorgelauscht hat, nickt und verschwindet.) | Samiel ->
|
| |
KASPAR |
Schweig gegen jedermann! Es könnte dir und mir Gefahr bringen. Ich erwarte dich! Glock zwölf!
| |
MAX |
Ich dich verraten? Glock zwölf! Ich komme!
(Schnell ab. Es ist indessen ganz dunkel geworden.)
| Max ->
|
| |
|
|
Sechster Auftritt |
Kaspar allein. |
|
| |
[Nr. 5 - Arie] | N
|
| |
|
(höhnisch Max nachsehend)
Schweig, schweig - damit dich niemand warnt!
Schweige, damit dich niemand warnt!
| |
| |
|
Der Hölle Netz hat dich umgarnt!
Nichts kann vom tiefen Fall dich retten,
Nichts kann dich retten vom tiefen Fall!
Umgebt ihn, ihr Geister mit Dunkel beschwingt!
Schon trägt er knirschend eure Ketten!
Triumph! Triumph!
Triumph! die Rache gelingt!
(Auf der entgegengesetzten Seite ab.)
| Kaspar ->
|
| |