|
|
Klingsors Zaubershloss |
Im inneren Verliesse eines nach oben offenen Turmes. Steinstufen führen nach dem Zinnenrande der Turmmauer; Finsternis in der Tiefe, nach welcher es von dem Mauervorsprunge, den der Boden darstellt, hinabführt. Zauberwerkzeuge und nekromantische Vorrichtungen. |
Q
Klingsor
|
| |
KLINGSOR |
(auf dem Mauervorsprunge zur Seite, vor einem Metallspiegel sitzend)
Die Zeit ist da. -
Schon lockt mein Zauberschloss den Toren,
den kindisch jauchzend, fern ich nahen seh'. -
Im Todesschlafe hält der Fluch sie fest,
der ich den Krampf zu lösen weiss. -
Auf denn! Ans Werk!
(Er steigt, der Mitte zu, etwas tiefer hinab und entzündet dort Räucherwerk, welches alsbald einen Teil des Hintergrundes mit einem bläulichen Dampfe erfüllt. Dann setzt er sich wieder vor die Zauberwerkzeuge und ruft, mit geheimnisvollen Gebärden, nach dem Abgrunde.)
Herauf! Herauf! Zu mir!
Dein Meister ruft dich Namenlose,
Urteufelin, Höllenrose!
Herodias warst du, und was noch?
Gundryggia dort, Kundry hier:
Hieher! Hieher denn! Kundry!
Dein Meister ruft: herauf!
| |
| |
| (In dem bläulichen Lichte steigt Kundrys Gestalt herauf. Sie scheint schlafend. Sie macht die Bewegung einer Erwachenden. Sie stösst einen grässlichen Schrei aus.) | <- Kundry
|
|
Erwachst du? Ha!
Meinem Banne wieder
verfallen heut du zur rechten Zeit.
| |
| (Kundry lässt ein Klagegeheul, von grösster Heftigkeit bis zu bangem Wimmern sich | |
| abstufend, vernehmen.) | |
|
Sag', wo triebst du dich wieder umher?
Pfui! dort bei dem Rittergesipp',
wo wie ein Vieh du dich halten lässt?
Gefällt dir's bei mir nicht besser? -
Als ihren Meister du mir gefangen -
haha! - den reinen Hüter des Grales,
was jagte dich da wieder fort?
| |
KUNDRY |
(rauh und abgebrochen, wie im Versuche, wieder Sprache zu gewinnen)
Ach! - Ach!
Tiefe Nacht...
Wahnsinn... Oh! - Wut...
Ach! Jammer!
Schlaf... Schlaf...
tiefer Schlaf... Tod!
| |
KLINGSOR |
Da weckte dich ein andrer? He?
| |
KUNDRY |
(wie zuvor)
Ja... Mein Fluch!
Oh! - Sehnen... Sehnen!
| |
KLINGSOR |
Haha! dort nach den keuschen Rittern?
| |
KUNDRY |
| |
KLINGSOR |
Ja, ja, den Schaden zu vergüten,
den du ihnen böslich gebracht?
Sie helfen dir nicht:
feil sind sie alle,
biet' ich den rechten Preis;
der festeste fällt,
sinkt er dir in die Arme,
und so verfällt er dem Speer,
den ihrem Meister selbst ich entwandt. -
Den Gefährlichsten gilt's nun heut zu bestehn:
ihn schirmt der Torheit Schild.
| |
KUNDRY |
Ich - will nicht! - Oh... Oh!...
| |
KLINGSOR |
Wohl willst du, denn du musst.
| |
KUNDRY |
Du... kannst mich... nicht... halten.
| |
KLINGSOR |
| |
KUNDRY |
| |
KLINGSOR |
| |
KUNDRY |
| |
KLINGSOR |
Ha! - Weil einzig an mir
deine Macht nichts vermag.
| |
KUNDRY |
(grell lachend)
Haha! - Bist du keusch?
| |
KLINGSOR |
(wütend)
Was frägst du das, verfluchtes Weib? -
(Er versinkt in finstres Brüten.)
Furchtbare Not! -
So lacht nun der Teufel mein,
dass einst ich nach dem Heiligen rang?
Furchtbare Not!
| |
| |
|
Ungebändigten Sehnens Pein,
schrecklichster Triebe Höllendrang,
den ich zum Todesschweigen mir zwang,
lacht und höhnt er nun laut
durch dich, des Teufels Braut?
Hüte dich!
Hohn und Verachtung büsste schon einer:
der Stolze, stark in Heiligkeit,
der einst mich von sich stiess:
sein Stamm verfiel mir,
unerlöst
soll der Heiligen Hüter mir schmachten,
und bald - so wähn' ich -
hüt' ich mir selbst den Gral. -
| |
| |
|
Haha!
Gefiel er dir wohl, Amfortas, - der Held, -
den ich dir zur Wonne dir gesellt?
| |
KUNDRY |
Oh! Jammer! Jammer!
Schwach auch er! - Schwach - alle!...
Meinem Fluche mit mir
alle verfallen! -
Oh, ewiger Schlaf,
einziges Heil, -
wie, - wie dich gewinnen?
| |
KLINGSOR |
Ha! Wer dir trotzte, löste dich frei:
versuch's mit dem Knaben, der naht!
| |
KUNDRY |
| |
KLINGSOR |
(steigt hastig auf die Turmmauer)
Jetzt schon erklimmt er die Burg.
| |
KUNDRY |
Oh! - Wehe! Wehe!
Erwachte ich darum?
Muss ich? Muss? -
| |
KLINGSOR |
(hinabblickend)
Ha! - Er ist schön, der Knabe!
| |
KUNDRY |
| |
KLINGSOR |
(stösst, nach aussen gewandt, in ein Horn)
Ho! - Ihr Wächter! Ho! Ritter!
Helden! - Auf! - Feinde nah!
| |
| |
|
Ha! Wie zur Mauer sie stürmen,
die betörten Eigenholde,
zum Schutz ihres schönen Geteufels! -
So! Mutig! Mutig!
Haha! Der fürchtet sich nicht:
dem Helden Ferris entwand er die Waffe,
die führt er nun freislich wider den Schwarm.
| |
| (Kundry gerät in unheimliches ekstatisches Lachen bis zu krampfhaftem Wehegeschrei.) | |
|
Wie übel den Tölpeln der Eifer gedeiht!
Dem schlug er den Arm, - jenem den Schenkel!
Haha! Sie weichen! Sie fliehen.
| |
| (Kundry verschwindet. Das bläuliche Licht ist erloschen, volle Finsternis in der Tiefe, wogegen glänzende Himmelsbläue über der Mauer.) | Kundry ->
|
|
Seine Wunde trägt jeder nach heim! -
Wie das ich euch gönne! -
Möge denn so das ganze Rittergezücht
unter sich selber sich würgen!
Ha! Wie stolz er nun steht auf der Zinne!
Wie lachen ihm die Rosen der Wangen,
da kindisch erstaunt
in den einsamen Garten er blickt!
He! Kundry!...
(Er wendet sich nach der Tiefe des Hintergrundes um. - Da er Kundry nicht erblickt:)
Wie? Schon am Werk? -
Haha! Den Zauber wusst' ich wohl,
der immer dich wieder zum Dienst mir gesellt!
(Sich wieder nach aussen wendend.)
Du da, - kindischer Spross!
Was auch
Weissagung dich wies,
zu jung und dumm
fielst du in meine Gewalt:
die Reinheit dir entrissen,
bleibst mir du zugewiesen!
| |
| Klingsor ->
|
| | |
| |
Er versinkt schnell mit dem ganzen Turme; zugleich steigt der Zaubergarten auf und erfüllt die Bühne ganzlich. Tropische Vegetation, üppigste Blumenpracht; nach dem Hintergrunde zu Abgrenzung durch die Zinne der Burgmauer, an welche sich seitwärts Vorsprünge des Schlossbaues selbst, [arabischen reichen Stiles] mit Terrassen anlehnen. | Q
Parsifal
<- Mädchen
|
Auf der Mauer steht Parsifal, staunend in den Garten hinabblickend. - Von allen Seiten her, zuerst aus dem Garten, dann aus dem Palaste, stürzen wirr durcheinander, einzeln, dann zugleich immer mehrere, schöne Mädchen herein: sie sind mit flüchtig übergeworfenen, zartfarbigen Schleiern verhüllt, wie soeben aus dem Schlafe aufgeschreckt. | |
| |
MÄDCHEN (vom Garten kommend) |
Hier war das Tosen,
Waffen, wilde Rüfe!
| |
MÄDCHEN (vom Schlosse heraus) |
Wer ist der Frevler?
Wo ist der Frevler?
Auf zur Rache!
| |
EINZELNE |
Mein Geliebter verwundet.
| |
ANDERE I |
| |
ANDERE II |
Ich erwachte alleine!
Wohin entfloh'n sie?
| |
IMMER ANDERE |
Drinnen im Saale!
Wehe! Wir sah'n sie
mit blutender Wunde.
Auf, ihnen zur Hilfe!
Wer ist der Feind?
(Sie gewahren Parsifal ind zeigen auf ihn.)
Da steht er!
Seht ihn dort, steht ihn dort!
Meines Ferris Schwert
in seiner Hand!
Meines Liebsten Blut
hab ich erkannt.
Ich sah's, der stürmte die Burg!
Ich hörte des Meisters Horn.
Mein Held lief herzu,
sie alle kamen, doch jeden
empfing seine Wehr.
Der schlug meinen Liebsten.
Mir traf er den Freund.
Noch blutet die Waffe!
Du dort! Du dort!
Was schufst du uns solche Not?
Verwünscht, verwünscht sollst du sein!
| |
| |
| (Parsifal springt etwas tiefer in den Garten herab) | |
| |
MÄDCHEN |
(weichen jäh zurück)
Ha, Kühner! Wagst du zu nahen?
Was schlugst du unsre Geliebten?
| |
PARSIFAL |
(hält voll Verwunderung an)
Ihr schönen Kinder, musst' ich sie nicht schlagen?
Zu euch, ihr Holden, ja wehrten sie mir den Weg.
| |
MÄDCHEN |
Zu uns wolltest du?
Sahst du uns schon?
| |
PARSIFAL |
Noch nie sah ich solch zieres Geschlecht:
nenn' ich euch schön, dünkt euch das recht?
| |
MÄDCHEN |
(von Verwinderung in Heiterkeit übergehend)
So willst du uns wohl nicht schlagen?
| |
PARSIFAL |
| |
MÄDCHEN |
Doch Schaden
schufst du ins grossen und vielen,
du schlugest unsre Gespielen!
Wer spielt nun mit uns?
| |
PARSIFAL |
| |
| (Die Mädchen, von Verwunderung in Heiterkeit übergegangen, brechen jetzt in ein lustiges Gelächter aus. - Während Parsifal immer näher zu den aufgeregten Gruppen tritt, entweichen unmerklich die Mädchen der ersten Gruppe und des ersten Chores hinter die Blumenhäge, um ihren Blumenschmuck zu vollenden.) | |
MÄDCHEN |
(zweite Gruppe und zweiter Chor)
Bist du uns hold, so bleib nicht fern!
Und willst du uns nicht schelten,
wir werden dir's entgelten:
Wir spielen nicht um Gold,
wir spielen um Minnes Sold:
willst auf Trost du uns sinnen,
sollst den du uns abgewinnen!
| |
| (Die Mädchen der ersten Gruppe und des ersten Chores kommen, mit dem Folgenden, ganz in Blumengewändern, selbst Blumen erscheinend, zurück und stürzen sich sofort auf Parsifal.) | |
DIE GESCHMÜCKTEN MÄDCHEN |
(einzeln)
Lasset den Knaben! - Er gehöret mir -
Nein! - Nein! - Mir! - Mir!
| |
DIE ANDERN MÄDCHEN |
Ha, die Falschen! - Sie schmückten heimlich sich!
| |
| (Diese entfernen sich ebenfalls und kehren alsbald in gleichem Blumenschmucke zurück.) | |
MÄDCHEN |
(während sie, wie in anmutigem Kinderspiele, in abwechselndem Reigen um Parsifal sich drehen und sanft ihm Wange und Kinn streicheln)
Komm! Komm!
Holder Knabe!
Lass mich dir blühen!
Dir zur Wonn' und Labe
gilt mein minniges Mühen.
| |
PARSIFAL |
(heiter, ruhig in der Mitte der Mädchen)
Wie duftet ihr hold!
Seid ihr denn Blumen?
| |
MÄDCHEN |
(immer bald einzeln, bald mehrere zugleich)
Des Gartens Zier
und duftende Geister
im Lenz pflückt uns der Meister!
Wir wachsen hier
in Sommer und Sonne,
für dich erblühend in Wonne.
Nun sei uns freund und hold,
nicht karge den Blumen den Sold!
Kannst du uns nicht lieben und minnen,
wir welken und sterben dahinnen.
| |
ERSTES MÄDCHEN |
An deinen Busen nimm mich!
| |
ZWEITES |
Die Stirn lass mich dir kühlen!
| |
DRITTES |
Lass mich die Wange dir fühlen!
| |
VIERTES |
Den Mund lass mich dir küssen!
| |
FÜNFTES |
Nein, ich! Die Schönste bin ich.
| |
SECHSTES |
Nein! Ich! Ich dufte süsser!
| |
PARSIFAL |
(ihrer anmutigen Zudringlichkeit sanft wehrend)
Ihr wild holdes Blumengedränge,
soll ich mit euch spielen, entlasst mich der Enge!
| |
MÄDCHEN |
| |
PARSIFAL |
| |
MÄDCHEN |
Wir streiten nur um dich.
| |
PARSIFAL |
| |
ERSTES MÄDCHEN |
(zu dem zweiten)
Du lass von ihm; sieh, er will mich.
| |
ZWEITES MÄDCHEN |
| |
DRITTES |
| |
VIERTES |
| |
EINIGE MÄDCHEN |
(zu Parsifal)
Du wehrest mir?
| |
ANDERE |
| |
WIEDER ANDERE |
Bist du feige vor Frauen?
| |
ANDERE |
Magst dich nicht getrauen?
| |
ERSTES MÄDCHEN |
Wie schlimm bist du, Zager und Kalter!
Die Blumen lässt du umbuhlen den Falter?
| |
ANDERE MÄDCHEN |
Wie ist er zag! Wie ist er kalt!
| |
EINIGE |
| |
ANDERE |
| |
WIEDER ANDERE |
| |
VIELE ANDERE |
Nein, mir gehört er an!
Nein, uns! - Auch mir!
| |
| <- Kundry
|
PARSIFAL |
(halb ärgerlich die Mädchen abscheuchend)
Lasst ab! Ihr fangt mich nicht!
(Er will fliehen, als er aus einem Blumenhage Kundrys Stimme vernimmt und betroffen still steht.)
| |
KUNDRY |
| |
| (Die Mädche sind erschrocken und haben sich alsbald von Parsifal zurückgehallen.) | |
PARSIFAL |
«Parsifal»?...
So nannte träumend mich einst die Mutter.
| |
KUNDRY |
(allmählich sichtbar werdend)
Hier weile, Parsifal! -
Dich grüsset Wonne und Heil zumal. -
Ihr kindischen Buhlen, weichet von ihm;
früh welkende Blumen,
nicht euch ward er zum Spiele bestellt!
Geht heim, pfleget der Wunden:
einsam erharrt euch mancher Held.
| |
| |
|
MÄDCHEN
(zaghaft und widerstebend sich vom Parsifal entfernend)
Dich zu lassen, dich zu meiden! -
O wehe! O Wehe der Pein!
Von allen möchten gern wir scheiden,
mit dir allein zu sein.
Leb' wohl! Leb' wohl!
Du Holder, du Stolzer,
du - Tor!
(Mit dem letzten sind sie, unter Gelächter, nach dem Schlosse zu verschwunden.)
| Mädchen ->
|
| |
PARSIFAL |
Dies alles - hab' ich nun geträumt?
| |
| (Er sieht sich schüchtern nach der Seite hin um, von welcher die Stimme kam. Dort ist jetzt, durch Enthüllung des Blumenhages, ein jugendliches Weib von höchster Schönheit - Kundry, in durchaus verwandelter Gestalt - auf einem Blumenlager, in leicht verhüllender, phantastischer Kleidung - annähernd arabischen Stiles - sichtbar geworden.) | |
|
(noch ferne stehend.)
Riefest du mich Namenlosen?
| |
KUNDRY |
Dich nannt' ich, tör'ger Reiner,
«Fal parsi», -
Dich, reinen Toren: «Parsifal».
So rief, als in arab'schem Land er verschied,
dein Vater Gamuret dem Sohne zu,
den er, im Mutterschoss verschlossen,
mit diesem Namen sterbend grüsste;
ihn dir zu künden, harrt' ich deiner hier:
was zog dich her, wenn nicht der Kunde Wunsch?
| |
PARSIFAL |
Nie sah ich, nie träumte mir, was jetzt
ich schau', und was mit Bangen mich erfüllt. -
Entblühtest du auch diesem Blumenhaine?
| |
| |
|
KUNDRY
Nein, Parsifal, du stör'ger Reiner!
Fern - fern - ist meine Heimat. -
Dass du mich fändest, verweilte ich nur hier;
Von weither kam ich, wo ich viel ersah.
Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust,
sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr;
das Leid im Herzen,
wie lachte da auch Herzeleide,
als ihren Schmerzen
zujauchzte ihrer Augen Weide!
Gebettet sanft auf weichen Moosen,
den hold geschläfert sie mit Kosen,
dem, bang in Sorgen
den Schlummer bewacht der Mutter Sehnen,
den weckt' am Morgen
der heisse Tau der Muttertränen.
Nur Weinen war sie, Schmerzgebaren
um deines Vaters Lieb' und Tod;
vor gleicher Not dich zu bewahren,
galt ihr als höchster Pflicht Gebot.
Den Waffen fern, der Männer Kampf und Wüten,
wollte sie still dich bergen und behüten.
Nur Sorgen war sie, ach! und Bangen:
nie sollte Kunde zu dir hergelangen.
Hörst du nicht noch ihrer Klage Ruf,
wann spät und fern du geweilt?
Hei! Was ihr das Lust und Lachen schuf,
wann sie suchend dann dich ereilt;
wann dann ihr Arm dich wütend umschlang,
ward es dir wohl gar beim Küssen bang?
Doch, ihr Wehe du nicht vernahmst,
nicht ihrer Schmerzen Toben,
als endlich du nicht wieder kamst,
und deine Spur verstoben.
Sie harrte Nächt' und Tage,
bis ihr verstummt die Klage,
der Gram ihr zehrte den Schmerz,
um stillen Tod sie warb:
ihr brach das Leid das Herz,
und - Herzeleide - starb. -
| |
| |
PARSIFAL |
(immer ernsthafter, endlich furchtbar betroffen, sinkt, schmerzlich überwältigt, bey Kundrys Füssen nieder)
Wehe! Wehe! Was tat ich? Wo war ich?
Mutter! Süsse, holde Mutter!
Dein Sohn, dein Sohn musste dich morden?
O Tor! Blöder, taumelnder Tor!
Wo irrtest du hin, ihrer vergessend,
deiner, deiner vergessend?
Traute, teuerste Mutter!
| |
KUNDRY |
War dir fremd noch der Schmerz,
des Trostes Süsse
labte nie auch dein Herz:
das Wehe, das dich reut,
die Not nun büsse
im Trost, den Liebe dir beut!
| |
PARSIFAL |
(im Trübsinn immer tiefer sich sinken lassend)
Die Mutter, die Mutter - konnt' ich vergessen!
Ha! Was alles vergass ich wohl noch?
Wes war ich je noch eingedenk?
Nur dumpfe Torheit lebt in mir!
| |
KUNDRY |
(immer noch in liegender Stellung ausgestreckt, beugt sich über Parsifals Haupt, fasst sanft seine Stirne und schlingt traulich ihren Arm um seinen Nacken)
Bekenntnis
wird Schuld in Reue enden,
Erkenntnis
in Sinn die Torheit wenden.
Die Liebe lerne kennen,
die Gamuret umschloss,
als Herzeleids Entbrennen
ihn sengend überfloss!
Die Leib und Leben
einst dir gegeben,
der Tod und Torheit weichen muss,
sie heut
dir heut -
als Muttersegens letzten Gruss -
der Liebe - ersten Kuss!
| |
| |
| (Sie hat ihr Haupt völlig über das seinige geneigt und heftet nun ihre Lippen zu einem langen Kusse auf seinen Mund.) | |
| |
|
PARSIFAL
(fährt plötzlich mit einer Gebärde des höchsten Schreckens auf: seine Haltung drückt eine furchtbare Veränderung aus; er stemmt seine Hände gewaltsam gegen sein Herz, wie um einen zerreissenden Schmerz zu bewältigen; endlich bricht er aus:)
Amfortas! - -
Die Wunde! - Die Wunde! -
Sie brennt in meinem Herzen.
Oh, Klage! Klage!
Furchtbare Klage!
Aus tiefstem Herzen schreit sie mir auf.
Oh! - Oh! -
Elender!
Jammervollster!
Die Wunde sah ich bluten, -
nun blutet sie in mir! -
Hier - hier!
Nein! Nein! Nicht die Wunde ist es.
Fliesse ihr Blut in Strömen dahin!
Hier! Hier im Herzen der Brand!
Das Sehnen, das furchtbare Sehnen,
das alle Sinne mir fasst und zwingt!
Oh! - Qual der Liebe! -
Wie alles schauert, bebt und zuckt -
in sündigem Verlangen!...
| (♦)
(♦)
|
| (Während Kundry in Schrecken und Verwunderung auf Parsifal hinstarrt, gerät dieser in gänzliche Entrücktheit.) | |
|
(schauerlich leise)
Es starrt der Blick dumpf auf das Heilgefäss: -
Das heil'ge Blut erglüht: -
Erlösungswonne, göttlich mild,
durchzittert weithin alle Seelen:
nur hier - im Herzen will die Qual nicht weichen.
Des Heilands Klage da vernehm' ich,
die Klage, ach! die Klage
um das entweihte Heiligtum:
«Erlöse, rette mich
aus schuldbefleckten Händen!»
So rief die Gottesklage
furchtbar laut mir in die Seele.
Und ich - der Tor, der Feige?
Zu wilden Knabentaten floh' ich hin!
(Er stürzt verzweiflungsvoll auf die Knie.)
Erlöser! Heiland! Herr der Huld!
Wie büss ich Sünder meine Schuld?
| |
| |
KUNDRY |
(deren Erstaunen in leidenschaftliche Bewunderung übergeht, sucht schüchtern sich Parsifal zu nähern)
Gelobter Held! Entflieh dem Wahn!
Blick' auf, sei hold der Huldin Nahn!
| |
PARSIFAL |
(immer in gebeugter Stellung, starr zu Kundry aufblickend, während diese sich zu ihm neigt und die liebkosenden Bewegungen ausführt, die er mit dem Folgenden bezeichnet)
Ja, diese Stimme! So rief sie ihm;
und diesen Blick, - deutlich erkenn' ich ihn, -
auch diesen, der ihm so friedlos lachte;
die Lippe, - ja... so zuckte sie ihm; -
so neigte sich der Nacken, -
so hob sich kühn das Haupt; -
so flatterten lachend die Locken, -
so schlang um den Hals sich der Arm;
so schmeichelte weich die Wange;
mit aller Schmerzen Qual im Bunde,
das Heil der Seele
entküsste ihm der Mund! -
Ha! - Dieser Kuss!
(Er hat sich mit dem letzten allmählich herhoben, springt jetzt vollends auf und stösst Kundry heftig von sich.)
Verderberin! Weiche von mir!
Ewig, ewig von mir!
| |
| |
|
KUNDRY
(in höchster Leidenschaft)
Grausamer! -
Fühlst du im Herzen
nur andrer Schmerzen,
so fühle jetzt auch die meinen!
Bist du Erlöser,
was bannt dich, Böser,
nicht mir auch zum Heil dich zu einen?
Seit Ewigkeiten - harre ich deiner,
des Heilands, ach! so spät,
den einst ich kühn geschmäht. -
Oh! -
Kenntest du den Fluch,
der mich durch Schlaf und Wachen,
durch Tod und Leben,
Pein und Lachen
zu neuem Leiden neu gestählt,
endlos durch das Dasein quält! -
Ich sah - Ihn - Ihn -
und - lachte...
da traf mich - Sein Blick. -
Nun such' ich ihn von Welt zu Welt,
ihm wieder zu begegnen.
In höchster Not -
wähn' ich sein Auge schon nah,
den Blick schon auf mir ruhn: -
da kehrt mir das verfluchte Lachen wieder,
ein Sünder sinkt mir in die Arme!
Da lach' ich - lache,
kann nicht weinen:
nur schreien, wüten,
toben, rasen
in stets erneuter Wahnsinns Nacht,
aus der ich büssend kaum erwacht.
Den ich ersehnt in Todesschmachten,
den ich erkannt', den blöd' Verlachten:
lass mich an seinem Busen weinen,
nur eine Stunde mich dir vereinen,
und, ob mich Gott und Welt verstösst,
in dir entsündigt sein und erlöst!
| |
| |
PARSIFAL |
Auf Ewigkeit
wärst du verdammt mit mir
für eine Stunde
Vergessens meiner Sendung
in deines Arms Umfangen!
Auch dir bin ich zum Heil gesandt,
bleibst du dem Sehnen abgewandt.
Die Labung, die dein Leiden endet,
beut nicht der Quell, aus dem es fliesst,
das Heil wird nimmer dir gespendet,
eh' jener Quell sich dir nicht schliesst.
Ein andres ist's - ein andres, ach!
nach dem ich jammernd schmachten sah,
die Brüder dort in grausen Nöten
den Leib sich quälen und ertöten.
Doch wer erkennt ihn klar und hell,
des einz'gen Heiles wahren Quell?
Oh, Elend, aller Rettung Flucht!
Oh, Weltenwahns Umnachten:
in höchsten Heiles heisser Sucht
nach der Verdammnis Quell zu schmachten!
| |
KUNDRY |
(in wilder Begeisterung)
So war es mein Kuss,
der welt-hellsichtig dich machte?
Mein volles Liebes-Umfangen
lässt dich dann Gottheit erlangen!
Die Welt erlöse, ist dies dein Amt: -
schuf dich zum Gott die Stunde,
für sie lass mich ewig dann verdammt,
nie heile mir die Wunde!
| |
PARSIFAL |
Erlösung, Frevlerin, biet' ich auch dir.
| |
KUNDRY |
Lass mich dich Göttlichen lieben,
Erlösung gabst du dann auch mir.
| |
PARSIFAL |
Lieb' und Erlösung soll dir werden,
zeigest du
zu Amfortas mir den Weg.
| |
KUNDRY |
(in Wut ausbrechend)
Nie - sollst du ihn finden!
Den Verfall'nen, lass ihn verderben, -
den Unsel'gen,
Schmachlüsternen,
den ich verlachte - lachte - lachte!
Haha! Ihn traf ja der eigne Speer!
| |
PARSIFAL |
Wer durft' ihn verwunden mit der heil'gen Wehr?
| |
KUNDRY |
Er - Er -,
der einst mein Lachen bestraft:
Sein Fluch - ha, - mir gibt er Kraft;
gegen dich selbst ruf' ich die Wehr,
gibst du dem Sünder des Mitleids Ehr'!...
Ha... Wahnsinn! -
Mitleid! Mitleid mit mir!
Nur eine Stunde mein!
nur eine Stunde dein...
und des Weges
sollst du geleitet sein!
| |
| (Sie will ihn umarmen. Er stösst sie heftig von sich.) | |
PARSIFAL |
| |
KUNDRY |
(rafft sich mit wilden Wutrasen auf und ruft dem Hintergrunde zu)
Hilfe! Hilfe! Herbei!
Haltet den Frechen! Herbei!
Wehrt ihm die Wege!
Wehrt ihm die Pfade! -
Und flöhest du von hier und fändest
alle Wege der Welt,
den Weg, den du suchst,
des' Pfade sollst du nicht finden:
denn Pfad und Wege,
die dich mir entführen,
so - verwünsch' ich sie dir:
Irre! Irre, -
mir so vertraut -
dich weih' ich ihm zum Geleit'!
| |
| <- Klingsor
|
KLINGSOR |
(ist auf der Burgmauer herausgetreten und schwenkt eine Lanze gegen Parsifal)
Halt da! Dich bann' ich mit der rechten Wehr!
den Toren stelle mir seines Meisters Speer!
| |
| (Er schleudert auf Parsifal den Speer, welcher über dessen Haupte schweben bleibt.) | |
PARSIFAL |
(erfasst den Speer mit der Hand und hält ihn über seinem Haupte)
Mit diesem Zeichen bann' ich deinen Zauber.
Wie die Wunde er schliesse,
die mit ihm du schlugest,
in Trauer und Trümmer
stürz' er die trügende Pracht!
| |
| (Er hat den Speer im Zeichen des Kreuzes geschwungen wie durch ein Erdbeben versinkt das Schloss. Der Garten ist schnell zu einer Einöde verdorrt; verwelkte Blumen verstreuen sich auf dem Boden. - Kundry ist schreiend zusammengesunken.) | |
| |
| (Parsifal hält im Enteilen noch einmal an, sich von der Höhe der Mauertrümmer zu Kundry zurück-wendend) | |
PARSIFAL |
Du weisst,
wo du mich wiederfinden kannst!
| |
| (Er verschwindet; Kundry hatte sich ein wenig erhoben und nach ihm geblickt. Der Vorhang schliesst sich schnell.) | Parsifal ->
|
| |