FIDELIO
Oper.
Syntetische Fassung herausgegeben von null www.operalib.eu.
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Text Joseph Ferdinand SONNLEITHNER, Georg Friedrich TREITSCHKE.
Musik Ludwig van BEETHOVEN.
Uraufführung: 23. Mai 1814, Wien.
Personen:
Don FERNANDO Minister |
Bariton |
Don PIZARRO Gouverneur eines Staatsgefängnisses |
Bariton |
FLORESTAN ein Gefangener |
Tenor |
LEONORE seine Frau unter dem Namen Fidelio |
Sopran |
ROCCO Kerkermeister |
Bass |
MARZELLINE seine Tochter |
Sopran |
JAQUINO Pförtner |
Tenor |
ERSTER GEFANGENER |
Tenor |
ZWEITER GEFANGENER |
Bass |
Wachhauptmann. Offiziere. Soldaten. Staatsgefängene. Volk.
Ort
Spaniches Staatsgefängnis, einige Meilen von Sevilla enfernt.
Zeit
18. Jahrhundert.
[Ouvertüre]
Der Hof des Staatsgefängnisses.
Im Hintergrunde das Haupttor und eine hohe Wallmauer, über welche Bäume hervorragen. Im geschlossenen Tore selbst ist eine kleine Pforte, die für einzelne Fußgänger geöffnet wird. Neben dem Tore das Stübchen des Pförtners. Die Kulissen, den Zuschauern links, stellen die Wohngebäude der Gefangenen vor; alle Fenster haben Gitter, und die mit Nummern bezeichneten Türen sind mit, Eisen beschlagen und mit starken Riegeln verwahrt. In der vordersten Kulisse ist die Tür zur Wohnung des Gefangenenwärters. Rechts stehen Bäume mit eisernen Geländern eingefaßt, welche, nebst einem Gartentor, den Eingang des Schloßgartens bezeichnen.
Marzelline plättet vor ihrer Tür Wäsche, neben ihr steht ein Kohlenbecken, in dem sie den Stahl wärmt. Jaquino hält sich nahe bei seinem Stübchen, öffnet die Tür mehreren Personen, die ihm Packete übergeben, welche er in sein Stübchen legt.
[Nr. 1 - Duett]
JAQUINO
(verliebt und sich die Hände reibend)
Jetzt, Schätzchen, jetzt sind wir allein,
Wir können vertraulich nun plaudern.
MARZELLINE
(ihre Arbeit fortsetzend)
Es wird ja nichts Wichtiges sein,
Ich darf bei der Arbeit nicht zaudern.
JAQUINO
Ein Wörtchen, du Trotzige, du!
MARZELLINE
So sprich nur, ich höre ja zu.
JAQUINO
Wenn du mir nicht freundlicher blickest,
So bring ich kein Wörtchen hervor.
MARZELLINE
Wenn du dich nicht in mich schickest,
Verstopf ich mir vollends das Ohr.
Zusammen
JAQUINO
Ein Weilchen nur höre mir zu,
Dann lass' ich dich wieder in Ruh'.
MARZELLINE
So hab ich denn nimmermehr Ruh';
So rede, so rede nur zu.
JAQUINO
Ich habe zum Weib dich gewählet,
Verstehst du?
MARZELLINE
Das ist ja doch klar.
JAQUINO
Und, wenn mir dein Jawort nicht fehlet,
Was meinst du?
MARZELLINE
So sind wir ein Paar.
JAQUINO
Wir könnten in wenigen Wochen -
MARZELLINE
Recht schön, du bestimmst schon die Zeit.
(Man pocht.)
Zusammen
JAQUINO
Zum Henker, das ewige Pochen!
Da war ich so herrlich im Gang,
Und immer entwischt mir der Fang.
MARZELLINE
So bin ich doch endlich befreit!
Wie macht seine Liebe mir bang,
Wie werden die Stunden mir lang.
(Jaquino öffnet die Pforte, nimmt ein Packet ab, und legt es ins Stübchen; unterdessen fährt Marzelline fort.)
MARZELLINE
Ich weiss, dass der Arme sich quälet,
Es tut mir so leid auch um ihn!
Fidelio hab ich gewählet,
Ihn lieben ist süsser Gewinn.
JAQUINO
(zurückkommend)
Wo war ich? - Sie sieht mich nicht an.
MARZELLINE
Da ist er - er fängt wieder an.
JAQUINO
Wann wirst du das Jawort mir geben?
Es könnte ja heute noch sein.
MARZELLINE
(beiseite)
O weh! Er verbittert mein Leben.
(zu ihm)
Jetzt, morgen und immer, nein!
Zusammen
JAQUINO
Du bist doch wahrhaftig von Stein!
Kein Wünschen, kein Bitten geht ein.
MARZELLINE
(für sich)
Ich muss ja so hart mit ihm sein,
Er hofft bei dem mindesten Schein.
JAQUINO
So wirst du dich nimmer bekehren?
Was meinst du?
MARZELLINE
Du könntest nun gehn.
JAQUINO
Wie? Dich anzusehn willst du mir wehren?
Auch das noch?
MARZELLINE
So bleibe hier stehn!
JAQUINO
Du hast mir so oft doch versprochen. -
MARZELLINE
Versprochen? Nein, das geht zu weit!
(Man pocht.)
JAQUINO
Zum Henker, das ewige Pochen!
MARZELLINE
So bin ich doch endlich befreit!
Zusammen
JAQUINO
Es ward ihr im Ernste schon bang,
Wer weiss, ob es mir nicht gelang.
MARZELLINE
Das ist ein willkommener Klang,
Es wurde zu Tode mir bang.
(Es wird wieder ein Paket abgegeben.)
JAQUINO
Wenn ich diese Thüre heute nicht schon zweihundert Mal geöffnet habe, so will ich nicht Kaspar Eustaco Jaquino heissen.
(Zu Marzelline.)
Endlich kann ich doch einmal wieder plaudern.
(Es wird gepocht.)
Zum Wetter! schon wieder!
(Er geht, um zu offnen.)
MARZELLINE
(auf der Vonderbühne)
Was kann ich dafür, dass ich ihn nicht mehr so gerne haben kann?
JAQUINO
(Zu dem der gepocht hat, indem er hastig zuschliesst.)
Ich werde es besorgen. Schon recht!
(Vorgehend zu Marzelline.)
So! - Nun, hoffe ich, soll niemand mehr uns stören.
ROCCO
(ruft hinter der Scene.)
Jaquino! Jaquino!
MARZELLINE
Hörst du! der Vater ruft.
JAQUINO
Lassen wir ihn ein wenig warten. Also wieder auf unsere Liebe zu kommen. -
MARZELLINE
So geh doch! der Vater wird sich nach Fidelio erkundigen wollen.
JAQUINO
(eifersüchtig.)
Ei, freilich! da kann man nicht schnell genug sein.
ROCCO
(ruft weider.)
Jaquino! hörst du nicht?
JAQUINO
(schreiend.)
Ich komme schon!
(Zu Marzelline.)
Bleib fein hier; in zwei Minuten sind wir wieder beisammen.
(Geht ab in den Garten.)
Marzelline allein.
Der arme Jaquino dauert mich beinahe. Kann ich es abe ändern? Ich war ihm sonst recht gut, da kam Fidelio in unser Haus, und seit der Zeit ist alles in mir und um mich verändert. Ach!
(Sie seufzt verschümt.)
Aus dem Mitleiden, das ich mit Jaquino habe, merke ich erst, wei sehr gut ich Fidelio bin. Ich glaube auch, dass Fidelio mir recht gut ist, und wenn ich die Gesinnungen des Vaters wüsste, so könnte bald mein Glück vollkommen werden.
[Nr. 2 - Arie]
O wär ich schon mit dir vereint
Und dürfte Mann dich nennen!
Ein Mädchen darf ja, was es meint,
Zur Hälfte nur bekennen.
Doch wenn ich nicht erröten muss
Ob einem warmen Herzenskuss,
(Sie seufzt und legt die Hand auf die Brust.)
Wenn nichts uns stört auf Erden -
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust
Mit unaussprechlich süsser Lust,
Wie glücklich will ich werden!
In Ruhe stiller Häuslichkeit
Erwach ich jeden Morgen,
Wir grüssen uns mit Zärtlichkeit,
Der Fleiss verscheucht die Sorgen.
Und ist die Arbeit abgetan,
Dann schleicht die holde Nacht heran,
Dann ruhn wir von Beschwerden.
Die Hoffnung schon erfüllt die Brust
Mit unaussprechlich süsser Lust,
Wie glücklich will ich werden!
Marzelline, Rocco, Jaquino.
Rocco kommt aus der Garten. Jaquino trägt Gartengerüte hinter ihm her und geht damit in Rokkos Haus.
ROCCO
Guten Tag, Marzelline! Ist Fidelio noch nicht zurückgekommen?
MARZELLINE
Nein, Vater.
ROCCO
Die Stunde naht, wo ich dem Gouverneur die Briefschaften bringen muss, die Fidelo abholen sollte. Ich erwarte ihn mit Ungeduld.
(Wührend der letzten Worte wird un die Pforte geklopft.)
MARZELLINE
Er wird gewiss so lange bei dem Schmiede haben worten müssen.
(Sie hat während dessen Leonore zur Tür hereinkommen sehen mit Leibhaftigkeit.)
Da ist er!
Die Vorigen, Leonore.
(Sie trägt ein dunkles Wamms, ein rotes Gilet, dunkles Beinkleid, kurze Stiefel, einen breiten Gürtel von schwarzem Leder mit einer kupfernen Schnalle; ihre Haare sind in eine Netzhaube gesteckt. Auf dem Rücken trägt sie ein Behältnis mit Lebensmitteln, auf den Armen Ketten, die sie beim Eintreten an dem Stübchen des Pförtners ablegt; an der Seite hängt ihr eine blecherne Büchse an einer Schnur.)
MARZELLINE
(auf Leonore zulaufend.)
Wie er belastet ist. Lieber Gott! Der Schweiss läuft ihm von der Stirn.
(Sie nimmt ihr Schnupftuch und versucht ihr das Gesicht abzutrocknen.)
ROCCO
Warte! warte!
(Er hilft mit Marzelline, ihr das Behältnis vom Rücken nehmen: es wird heim Bogengang links niedergesetzt.)
JAQUINO
(beiseite auf der Vonderbühne.)
Es war auch wohl der Mühe werth, so schnell aufzumachen, um den Patron da hereinzulassen.
(Geht in sein Stübchen, kommt aber bald wieder heraus, macht den Beschäftigten, sucht aber eigentlich Marzelline, Leonore und Rocco zu beobachten.)
ROCCO
Armer Fidelio, diesmal hast du dir zu viel aufgeladen.
LEONORE
(vorgehend und sich das Gesicht abwischend.)
Ich muss gestehen, ich ben ein wenig ermüdet. Der Schmied hatte an den Ketten so lange auszubessern, dass ich glaubte, er würde nicht damit fertig werden.
ROCCO
Sind sie jetzt gut germacht?
LEONORE
O gewiss, recht gut und stark. Keiner der Gefangenen wird sie je zerbrechen.
ROCCO
Wieviel kostet alles zusammen?
LEONORE
Zwölf Piaster ungefähr. Hier ist die Rechnung.
ROCCO
(durchseiht die Rechnung.)
Gut! brav! zum Wetter! Da giebt es Artikel, auf denen wir wenigstens das Doppelte gewinnen können. Du bist ein kluger Junge! Ich kann gar nicht begreifen, wie du deine Rechnung machst. Du kaufst alle wolfeiler als ich. In den sechs Monaten, sei ich dir die Anschaffung der Lebensmittel übertrug, hast du mehr gewonnen als ich vorher in einem ganzen Jahr.
(bei Seite.)
Der Schelm giebt sich alle diese Mühe offenbar meiner Marzelline wegen.
LEONORE
Ich suche zu thun, was mir möglich ist.
ROCCO
Ja, ja! Du bist brav, man kann nicht eifriger, nicht verständiger sein. Ich habe dich aber auch mit jedem Tage lieber und - sei versichert, dein Lohn soll nicht ausbleiben.
(Er wirft während der letztern Worte wechselnde Blicke auf Leonoren und Marzelline)
LEONORE
(verlegen)
O glaubt nicht, dass ich meine Schuldigkeit nur des Lohnes wegen -
ROCCO
Still!
(Mit Blicken wie vorher.)
Meinst du ich kann dir nicht ins Herz sehen?
(Er scheint sich an der zunehmenden Verlegenheit Leonores zu weiden und geht dann bei Seite, die Ketten zu betrachten.)
[Nr. 3 - Quartett]
Zusammen
MARZELLINE
(welche während des Lobes, das Rocco Leonore erteilte, die grösste Teilnahme hat blicken lassen und sie mit immer zunehmender Bewegung liebevoll betrachtet hat; für sich)
Mir ist so wunderbar,
Es engt das Herz mir ein;
Er liebt mich, es ist klar,
Ich werde glücklich sein.
LEONORE
(für sich)
Wie gross ist die Gefahr,
Wie schwach der Hoffnung Schein!
Sie liebt mich, es ist klar,
O namenlose Pein!
ROCCO
(der während dessen wieder auf die Vorderbühne zurückgekehrt ist; für sich)
Sie liebt ihn, es ist klar;
Ja, Mädchen, er wird dein.
Ein gutes, junges Paar,
Sie werden glücklich sein.
JAQUINO
(der unter dem Beobachten sich immer mehr genähert hat, auf der Seite und etwas hinter den Übrigen stehend; für sich)
Mir sträubt sich schon das Haar,
Der Vater willigt ein;
Mir wird so wunderbar,
Mir fällt kein Mittel ein.
(Er geht in seine Stube zurück.)
ROCCO
Höre Fidelio, wenn ich auch nicht weiss, wie und wo du auf die Welt gekommen bist, und wenn du auch gar keinen Vater gehabt hättest, ich weiss doch was ich tue. Ich mache dich zu meinem Tochtermann.
MARZELLINE
(hastig)
Wirst du es bald tun, lieber Vater?
ROCCO
(lachend)
Ei, ei, vie eifelrtig!
(Ernsthafter)
Sobald der Gouverneur nach Sevilla gereist sein wird, dann haben wir mehr Musse. Ihr wisse ja, dass er alle Monate hingeht, um über alles, was hier in dern Sttatsgeflängnis vorfällt, Rechenschaft zu geben. In einigen Tagen muss er wieder fort, und den Tag nach seiner Abreise gebe ich euch zusammen. Darauf könnt ihr rechnen.
MARZELLINE
Den Tag nach seiner Abreise? Das machts du vernünftig, lieber Vater.
LEONORE
(schon vohrer sehr betreten, aber jetz sich freudig stellend)
Den Tag nach seiner Abreise?
(Bei seite)
O welche neue Veerlegenheit!
ROCCO
Nun, meine Kinder, ihr habt euch doch recht herzlich lieb, nicht wahr? Aber das ist noch nicht alles, was zu einer guten, vergnügten Haushaltung gehört; man braucht auch -
(Er macht Gebärde des Geldzählens)
[Nr. 4 - Arie]
Hat man nicht auch Gold beineben,
Kann man nicht ganz glücklich sein;
Traurig schleppt sich fort das Leben,
Mancher Kummer stellt sich ein.
Doch wenns in der Tasche fein klingelt und rollt,
Da hält man das Schicksal gefangen,
Und Macht und Liebe verschafft dir das Gold
Und stillet das kühnste Verlangen.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
Es ist ein schönes Ding, das Gold.
Wenn sich nichts mit nichts verbindet,
Ist und bleibt die Summe klein;
Wer bei Tisch nur Liebe findet,
Wird nach Tische hungrig sein.
Drum lächle der Zufall euch gnädig und hold
Und segne und lenk euer Streben;
Das Liebchen im Arme, im Beutel das Gold,
So mögt ihr viel Jahre durchleben.
Das Glück dient wie ein Knecht für Sold,
Es ist ein mächtig Ding, das Gold.
LEONORE
Ihr könnt das leicht sagen, Meister Rocco, aber ich, ich behaupte, dass die Vereinigung zweier
gleichgestimmten Herzen die Quelle des wahren ehelichen Glückes ist.
(Mit Wärme)
O dieses Glück muss der grösste Schatz auf Erden sein!
(Sich wieder fassend und müssigend)
Freilich gibt es noch etwas, was mir nicht weniger kostbar sein würde, aber mit Kummer sehe ich, dass ich es trotz aller meiner Bemühungen nicht erhalten werde.
ROCCO
Und was wäre denn das?
LEONORE
Euer Vertrauen! Verzeiht mir diesen kleinen Vorwurf, aber oft sehe ich euch aus den unterirdischen Gewölben des Schlosses ganz ausser Atem und ermattet zurückkommen, warum erlaubt Ihr mir nicht. Euch dahin zu begleiten? Es wäre mir sehr lieb, wenn ich euch bei Eurer Arbeit helfen und Eure Beschwerden teilen könnte.
ROCCO
Du weisst doch, dass ich den strengsten Befehl habe, niemanden, wer es auch sein mag, zu den Staatsgefangenen zu lassen.
MARZELLINE
Es sind ihrer aber gar so viele in dieser Festung. Du arbeitest dich ja zu Tod, lieber Vater.
LEONORE
Sie hat recht, Meister Rocco. Man soll allerdings seine Schuldigkeit tun.
(zürtlich)
Aber es ist doch auch erlaubt, meine ich, zuweilen daran zu denken, wie man sich für die, die uns angehören und lieben, ein bisschen schonen kann.
(Sie drückt eine seiner Hände in der ihrigen.)
MARZELLINE
(Roccos andere Hand an ihre Brust drückend)
Man muss sich für seine Kinder zu erhalten suchen.
ROCCO
(sieht beide gerührt an)
Ja, ihr habt recht, diese schwere Arbeit würde mir doch endlich zu viel werden. Der Gouverneur ist zwar sehr streng, er muss mir aber doch erlauben, dich in die geheimen Kerker mit mir zu nehmen.
(Leonore macht eine heftige Gebörde der Freude)
Indessen gibt es ein Gewölbe, in das ich dich wohl nie werde führen dürfen, obschon ichmich ganz auf dich verlassen kann.
MARZELLINE
Vermutlich, wo der Gefangene ist, von dem du schon einige Male gesprochen hast?
ROCCO
Du hast's erraten.
LEONORE
(forschend)
Ich glaube, es ist schon lange her, dass er gefangen ist?
ROCCO
Es ist schon über zwei Jahre.
LEONORE
(heftig)
Zwei Jahre, sagt Ihr?
(Sich fassend.)
Er muss ein grosser Verbrecher sein.
ROCCO
Oder er muss grosse Feinde haben, das kommt ungefähr auf eins heraus.
MARZELLINE
So hat man denn nie erfahren können, woher er ist, und wie er heisst?
ROCCO
O wie oft hat er mit mir von alledem reden wollen.
LEONORE
Nun?
ROCCO
Für unsereinen ist's am besten, so wenig Geheimnisse als möglich zu wissen, darum hab ich ihn auch nie angehört. Ich hätte mich verplappern können, und ihm hätt ich doch nicht genützt.
(Geheimnisvoll)
Nun, er wird mich nicht lange mehr quälen. Es kann nicht mehr lange mit ihm dauern.
LEONORE
(beiseite)
Grosser Gott!
MARZELLINE
O lieber Vater, führt Fidelio ja nicht zu ihm! Diesen Anblick könnte er nicht ertragen.
ROCCO
(sie auf die Schulter klopfend)
Brav, mein Sohn, brav! Wenn ich dir erzählen wollte, wie ich anfangs in meinem Stande mit mir zu kämpfen hätte! - Und ich war doch ein ganz anderer Kerl als du mit deiner feinen Haut und deinen weichen Händen.
[Nr. 5 - Terzett]
ROCCO
Gut, Söhnchen, gut,
Hab immer Mut,
Dann wird's dir auch gelingen;
Das Herz wird hart
Durch Gegenwart
Bei fürchterlichen Dingen.
LEONORE
(mit Kraft)
Ich habe Mut!
Mit kaltem Blut
Will ich hinab mich wagen:
Für hohen Lohn
Kann Liebe schon
Auch hohe Leiden tragen.
MARZELLINE
(zürlich)
Dein gutes Herz
Wird manchen Schmerz
In diesen Grüften leiden;
Dann kehrt zurück
Der Liebe Glück
Und unnennbare Freuden.
ROCCO
Du wirst dein Glück ganz sicher bauen.
LEONORE
Ich hab auf Gott und Recht Vertrauen.
MARZELLINE
Du darfst mir auch ins Auge schauen
Der Liebe Macht ist auch nicht klein.
Zusammen
MARZELLINE
Ja, wir werden glücklich sein.
LEONORE
Ja, ich kann noch glücklich sein.
ROCCO
Ja, ihr werdet glücklich sein.
ROCCO
Der Gouverneur soll heut erlauben,
Dass du mit mir die Arbeit teilst.
LEONORE
Du wirst mir alle Ruhe rauben,
Wenn du bis morgen nur verweilst.
MARZELLINE
Ja, guter Vater, bitt' ihn heute,
In kurzem sind wir dann ein Paar.
Zusammen
ROCCO
Ich bin ja bald des Grabes Beute,
Ich brauche Hilf', es ist ja wahr.
LEONORE
(für sich)
Wie lang bin ich des Kummers Beute!
Du, Hoffnung, reichst mir Labung dar.
MARZELLINE
(zürlich zu Rocco)
Ach, lieber Vater, was fällt Euch ein?
Lang' Freund und Rater müsst Ihr uns sein.
Zusammen
ROCCO
Nur auf der Hut, dann geht es gut,
Gestillt wird euer Sehnen.
Gebt euch die Hand und schliesst das Band
In süssen Freudentränen.
LEONORE
Ihr seid so gut, Ihr macht mir Mut,
Gestillt wird bald mein Sehnen!
(für sich)
Ich gab die Hand zum süssen Band,
Es kostet bittre Tränen.
MARZELLINE
O habe Mut! O welche Glut!
O welch ein tiefes Sehnen!
Ein festes Band mit Herz und Hand,
O süsse, süsse Tränen!
ROCCO
Aber nun ist Zeit, dass ich dem Gouverneur die Briefschaften überbringe. Ah! Er kommt selbst hierher!
(zu Leonore)
Gieb sie, Fidelio, und dann entfernt euch!
[Nr. 6 - Marsch]
(Leonore nimmt die Blechbüchse ab, gibt sie Rocco und geht mit Marzelline ab ins Haus.)
Rocco, Pizarro, Offiziere, Wachen.
Während des zuvor begonnenen Marsches wird das Haupttor durch Schildwachen von aussen geöffnet. Offiziere ziehen mit einem Detachement ein, dann kommt Pizarro, das Tor wird wieder geschlossen. - Unter Musik.
PIZARRO
ROCCO
Nein, Herr.
PIZARRO
ROCCO
Hier sind sie.
PIZARRO
[Nr. 7 - Arie mit Chor]
CHOR DER WACHE
Er spricht von Tod und Wunde!
Nun fort auf unsre Runde,
Wie wichtig muss es sein!
Er spricht von Tod und Wunde!
Wacht scharf auf eurer Runde,
Wie wichtig muss es sein!
PIZARRO
(Der Offizier geht ab.)
(Die Wache geht.)
ROCCO
Herr!
PIZARRO
Zusammen
PIZARRO
ROCCO
So sagt doch nur in Eile,
Womit ich dienen kann.
PIZARRO
ROCCO
Was soll ich? Redet! Redet!
PIZARRO
ROCCO
(erschreckt)
Wie?
PIZARRO
ROCCO
O Herr!
PIZARRO
Zusammen
PIZARRO
ROCCO
Die Glieder fühl' ich beben,
Wie könnt ich das bestehn?
Ich nehm ihm nicht das Leben,
Mag, was da will, geschehn.
ROCCO
Nein, Herr, das Leben nehmen,
Das ist nicht meine Pflicht.
PIZARRO
ROCCO
Der kaum mehr lebt
Und wie ein Schatten schwebt?
PIZARRO
ROCCO
Und dann?
PIZARRO
Zusammen
ROCCO
Verhungernd in den Ketten
Ertrug er lange Pein,
Ihn töten, heisst ihn retten,
Der Dolch wird ihn befrein.
PIZARRO
PIZARRO
Zusammen
ROCCO
Verhungernd in den Ketten
Ertrug er lange Pein,
Ihn töten, heisst ihn retten,
Der Dolch wird ihn befrein.
PIZARRO
(Ab gegen den Garten. Rocco folgt ihm.)
Leonore allein.
[Nr. 9 - Rezitativ und Arie]
(Tritt in heftiger innerer Bewegung von der andern Seite auf und sieht den Abgehenden mit steigender Unruhe nach.)
Abscheulicher! Wo eilst du hin?
Was hast du vor in wildem Grimme?
Des Mitleids Ruf, der Menschheit Stimme.
Rührt nichts mehr deinen Tigersinn?
Doch toben auch wie Meereswogen
Dir in der Seele Zorn und Wut,
So leuchtet mir ein Farbenbogen,
Der hell auf dunkeln Wolken ruht:
Der blickt so still, so friedlich nieder,
Der spiegelt alte Zeiten wider,
Und neu besänftigt wallt mein Blut.
Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern
Der Müden nicht erbleichen!
O komm, erhell' mein Ziel, sei's noch so fern,
Die Liebe, sie wird's erreichen.
Ich folg' dem innern Triebe,
Ich wanke nicht,
Mich stärkt die Pflicht
Der treuen Gattenliebe!
O du, für den ich alles trug,
Könnt ich zur Stelle dringen,
Wo Bosheit dich in Fesseln schlug,
Und süssen Trost dir bringen!
Ich folg' dem innern Triebe,
Ich wanke nicht,
Mich stärkt die Pflicht
Der treuen Gattenliebe!
(Ab gegen den Garten.)
Marzelline kommt aus dem Hause. Jaquino folgt ihr.
JAQUINO
Aber Marzelline -
MARZELLINE
Kein Wort, keine Silbe. Ich will nichts mehr von deinen albernen Liebesseufzern hören, und dabei bleibt es.
JAQUINO
Wer mir das vorher gesagt hätte, als ich mir vornahm, mich recht ordentlich in dich zu verlieben. Damals, ja da war ich der gute, der liebe Jaquino an allen Orten und Ecken. Ich musste dir das Eisen in den Ofen legen, Wäsche in Falten schlagen, Päckchen zu den Gefangenen bringen, kurz alles tun, was ein ehrbares Mädchen einem ehrbaren Junggesellen erlauben kann. Aber seit dieser Fidelio -
MARZELLINE
(rasch einfallend)
Ich leugne nicht, ich war dir gut, aber sieh, ich bin offenherzig, das war keine Liebe. Fidelio zieht mich weit mehr an, zwischen ihm und mir fühle ich eine weit grössere Übereinstimmung.
JAQUINO
Was? Übereinstimmung mit einem solchen hergelaufenen Jungen, der Gott weiss woher ist, den der Vater aus blossem Mitleid am Tor dort aufgenommen hat, der - der -
MARZELLINE
(ärgerlich)
Der arm und verlassen ist - und den ich doch heirate.
JAQUINO
Glaubst du, dass ich das leiden werde? He, dass es ja nicht in meiner Gegenwart geschieht, ich möchte euch einen gewaltigen Streich spielen!
Vorige. Rocco, Leonore aus dem Garten.
ROCCO
Was habt ihr denn beide wieder zu zanken?
MARZELLINE
Ach, Vater, er verfolgt mich immer.
ROCCO
Warum denn?
MARZELLINE
Er will, dass ich ihn lieben, dass ich ihn heiraten soll.
JAQUINO
Ja, ja, sie soll mich lieben, sie soll mich wenigstens heiraten, und ich -
ROCCO
Was? Ich sollte eine einzige Tochter so gut gepflegt,
(Er streichelt Marzelline am Kinn)
mit so viel Mühe bis in ihr sechzehntes Jahr erzogen haben, und das alles für den Herrn da?
(Er blickt lachend auf Jaquino.)
Nein, Jaquino, von deiner Heirat ist jetzt keine Rede, mich beschäftigen andere, klügere Absichten.
MARZELLINE
O ja! Ich bitte mit ihm!
ROCCO
Kinder, ohne Erlaubnis des Gouverneurs?
MARZELLINE
Aber er sprach so lange mit Euch. Vielleicht sollt Ihr ihm einen Gefallen tun, und dann wird er es so genau nicht nehmen.
ROCCO
Einen Gefallen? Du hast recht, Marzelline. Auf diese Gefahr hin kann ich es wagen. Wohl denn, Jaquino und Fidelio, öffnet die leichteren Gefängnisse. Ich aber gehe zu Pizarro und halte ihn zurück, indem ich...
(Gegen Marzelline.)
für dein Bestes rede.
MARZELLINE
(drückt ihm die Hand.)
So recht, Vater.
(Rocco ab in den Garten. Leonore und Jaquino schliessen die wohlverwahrten Gefängnistüren auf, sich dann mit Marzelline in den Hintergrund und beobachten mit Teilnahme die nach und nach auftretenden Gefangenen.)
Die Gefangenen.
(Während des Vorspiels kommen die Gefangenen nach und nach auf die Bühne.)
[Nr. 10 - Finale]
CHOR DER GEFANGENEN
O welche Lust, in freier Luft
Den Atem leicht zu heben!
Nur hier, nur hier ist Leben!
Der Kerker eine Gruft.
ERSTER GEFANGENER
Wir wollen mit Vertrauen
Auf Gottes Hilfe bauen!
Die Hoffnung flüstert sanft mir zu:
Wir werden frei, wir finden Ruh
ALLE ANDEREN
O Himmel! Rettung! Welch ein Glück!
O Freiheit! Kehrst du zurück?
(Hier erscheint ein Offizier auf dem Walle und entfernt sich wieder.)
ZWEITER GEFANGENER
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
ALLE
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
O welche Lust, in freier Luft
Den Atem leicht zu heben!
Nur hier, nur hier ist Leben.
Sprecht leise! Haltet euch zurück!
Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. -
(Ehe der Chor noch ganz geendigt ist, erscheint Rocco im Hintergrunde der Bühne und redet angelegentlich mit Leonore. Die Gefangenen entfernen sich in den Garten. Marzelline und Jaquino folgen dahin. Rocco und Leonore nähern sich der Vorderbühne.)
Rocco, Leonore.
LEONORE
Nun sprecht, wie ging's?
ROCCO
Recht gut, recht gut!
Zusammen rafft ich meinen Mut
Und trug ihm alles vor;
Und sollst du's glauben,
Was er zur Antwort mir gab?
Die Heirat und dass du mir hilfst, will er erlauben;
Noch heute führ' ich in den Kerker dich hinab.
LEONORE
(ausbrechend.)
Noch heute! Noch heute!
O welch ein Glück! O welche Wonne.
ROCCO
Ich sehe deine Freude;
Nur noch ein Augenblick.
Dann gehen wir schon beide -
LEONORE
Wohin?
ROCCO
Zu jenem Mann hinab,
Dem ich seit vielen Wochen
Stets weniger zu essen gab.
LEONORE
Ha! - Wird er losgesprochen?
ROCCO
O nein!
LEONORE
So sprich!
ROCCO
O nein, O nein!
(Geheimnisvoll.)
Wir müssen ihn, doch wie? - befrein!
Denn nach Pizarros Wille
Muss er in aller Stille
Von uns begraben sein!
LEONORE
So ist er tot?
ROCCO
Noch nicht, noch nicht.
LEONORE
(zurückfragend.)
Ist ihn zu töten deine Pflicht?
ROCCO
Nein guter Junge, zittre nicht,
Zum Morden dingt sich Rocco nicht.
Der Gouverneur kommt selbst hinab,
Wir beide graben nur das Grab.
LEONORE
(beiseite)
Vielleicht das Grab des Gatten graben,
Was kann fürchterlicher sein?
ROCCO
Ich darf ihn nicht mit Speise laben,
Ihm wird im Grabe besser sein. -
Wir müssen gleich zu Werke schreiten,
Du musst mir helfen, mich begleiten;
Hart ist des Kerkermeisters Brot.
LEONORE
Ich folge dir, wär's in den Tod.
ROCCO
In der zerfallenen Zisterne
Bereiten wir die Grube leicht.
Ich tu es, glaube mir, nicht gerne;
Auch dir ist schaurig, wie mich deucht?
LEONORE
Ich bin es nur noch nicht gewohnt.
ROCCO
Ich hätte gerne dich verschont,
Doch wird es mir allein zu schwer,
Und gar so streng ist unser Herr.
LEONORE
(für sich.)
O welch ein Schmerz!
ROCCO
(für sich.)
Mir scheint, er weine.
(Laut.)
Nein, du bleibst hier - ich geh alleine,
Ich geh allein.
LEONORE
(innig sich an ihn klammernd.)
O nein, O nein!
Ich muss ihn sehn; den Armen sehen,
Und müsst ich selbst zugrunde gehen.
ROCCO, LEONORE
O säumen wir nun länger nicht,
Wir folgen unsrer strengen Pflicht.
Vorige. Jaquino und Marzelline atemlos hereinstürzend.
MARZELLINE
Ach, Vater, Vater, eilt!
ROCCO
Was hast du denn?
JAQUINO
Nicht länger weilt!
ROCCO
Was ist geschehn?
MARZELLINE
Voll Zorn folgt mir
Pizarro nach!
Er drohet dir.
ROCCO
Gemach! Gemach!
LEONORE
So eilet fort!
ROCCO
Nur noch dies Wort:
Sprich, weiss er schon?
JAQUINO
Ja, er weiss es schon.
MARZELLINE
Der Offizier
Sagt ihm, was wir
Jetzt den Gefangenen gewähren.
ROCCO
Lasst alle schnell zurückekehren.
(Jaquino ab in den Garten.)
MARZELLINE
Ihr wisst ja, wie er tobet,
Und kennet seine Wut.
(Sie eilt Jaquino nach.)
LEONORE
Wie mir's im Innem tobet!
Empöret ist mein Blut.
ROCCO
Mein Herz hat mich gelobet,
Sei der Tyrann in Wut.
Vorige. Pizarro. Später Marzelline und Jaquino mit den Gefangenen.
PIZARRO
ROCCO
(verlegen.)
O Herr!
PIZARRO
ROCCO
(eine Entschuldigung suchend.)
Des Frühlings Kommen,
Das heitre warme Sonnenlicht,
(Sich fassend.)
Dann: habt Ihr wohl in acht genommen,
Was sonst zu meinem Vorteil spricht?
(Die Mütze abnehmend.)
Des Königs Namensfest ist heute,
Das feiern wir auf solche Art.
(Geheim zu Pizarro.)
Der unten stirbt - doch lasst die andern
Jetzt fröhlich hin und wieder wandern;
Für jenen sei der Zorn gespart.
PIZARRO
Zusammen
DIE GEFANGENEN
(kommen aus dem Garten zurück.)
Leb' wohl, du warmes Sonnenlicht,
Schnell schwindest du uns wieder;
Schon sinkt die Nacht hernieder,
Aus der so bald kein Morgen bricht.
MARZELLINE
(die Gefangenen betrachtend.)
Wie eilten sie zum Sonnenlicht
Und scheiden traurig wieder.
(für sich)
Die andern murmeln nieder:
Hier wohnt die Lust, die Freude nicht.
LEONORE
(zu den Gefangenen.)
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
(für sich)
Angst rinnt durch meine Glieder.
Ereilt den Frevler kein Gericht?
JAQUINO
(zu den Gefangenen.)
Ihr hört das Wort, drum zögert nicht,
Kehrt in den Kerker wieder.
(Für sich, Rocco und Leonore betrachtend.)
Sie sinnen auf und nieder!
Könnt ich verstehn, was jeder spricht!
PIZARRO
ROCCO
Nein, Herr, ich zögre länger nicht,
Ich steige eilend nieder.
(für sich)
Mir beben meine Glieder;
O unglückselig harte Pflicht!
(Die Gefangenen gehen in ihre Zellen, die Leonore und Jaquino verschliessen.)
Ein dunkler, unterirdischer Kerker.
Links ist eine mit Steinen und Schutt bedeckte Zisterne. Im Hintergrund mehrere mit Gitterwerk verwahrte Öffnungen in der Mauer, durch welche man die Stufen einer herunterführenden Treppe sieht. Rechts die letzten Stufen und die Tür in das Gefängnis. Eine Lampe brennt.
Florestan sitzt auf einem Stein, um den Leib hat er eine lange Kette, deren Ende in der Mauer befestigt ist.
[Nr. 11 - Rezitativ und Arie]
FLORESTAN
Gott! Welch Dunkel hier! O grauenvolle Stille!
Öd' ist es um mich her. Nichts lebet ausser mir.
O schwere Prüfung! - Doch gerecht ist Gottes Wille!
Ich murre nicht! Das Mass der Leiden steht bei dir.
In des Lebens Frühlingstagen
Ist das Glück von mir geflohn!
Wahrheit wagt ich kühn zu sagen,
Und die Ketten sind mein Lohn.
Willig duld' ich alle Schmerzen,
Ende schmählich meine Bahn;
Süsser Trost in meinem Herzen:
Meine Pflicht hab' ich getan!
(in einer an Wahnsinn grenzenden, jedoch ruhigen Begeisterung)
Und spür' ich nicht linde, sanft säuselnde Luft?
Und ist nicht mein Grab mir erhellet?
Ich seh', wie ein Engel im rosigen Duft
Sich tröstend zur Seite mir stellet,
Ein Engel, Leonoren, der Gattin, so gleich,
Der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich.
(Er sinkt erschöpft von der letzten Gemütsbewegung auf den Felsensitz nieder, seine Hände verhüllen sein Gesicht.)
Florestan, Rocco und Leonore, die man durch die Öffnungen bei dem Schein einer Laterne die Treppe herabsteigen sah, tragen einen Krug und Werkzeuge zum Graben. Die Hintertür öffnet sich und das Theater erhellt sich zur Hälfte.
[Nr. 12 - Melodram und Duett]
LEONORE
(halblaut)
Wie kalt ist es in diesem unterirdischen Gewölbe!
ROCCO
Das ist natürlich, es ist ja tief.
LEONORE
(sieht unruhig nach allen Seiten umher)
Ich glaubte schon, wir würden den Eingang gar nicht finden.
ROCCO
(sich gegen Florestans Seite wendend)
Da ist er.
LEONORE
(mit gebrochener Stimme, indem sie den Gefangenen zu erkennen sucht.)
Er scheint ganz ohne Bewegung.
ROCCO
Vielleicht ist er tot.
LEONORE
(schaudernd.)
Meint Ihr?
(Florestan macht eine Bewegung.)
ROCCO
Nein, nein, er schläft. - Das müssen wir benutzen und gleich ans Werk gehen; wir haben keine Zeit zu verlieren.
LEONORE
(beiseite)
Es ist unmöglich, seine Züge zu unterscheiden. - Gott steh mir bei, wenn er es ist!
ROCCO
(setzt seine Laterne auf die Trimmer.)
Hier, unter diesen Trimmern ist die Zisterne, von der ich dir gesagt habe. - Wir brauchen nicht viel zu graben, um an die Öffnung zu kommen. Gib mir eine Haue, und du, stelle dich hierher.
(Er steigt bis an den Gürtel in die Höhlung hinab, stellt den Krug und legt den Schlüsselbund neben sich. Leonore steht am Rande und reicht ihm die Haue.
Du zitterst, fürchtest du dich?
LEONORE
(mit erzwungener Festigkeit des Tones.)
O nein, es ist nur so kalt.
ROCCO
(rasch)
So mache fort, im Arbeiten wird dir schon warm werden.
(Rocco fängt gleich mit dem Vorspiel an zu arbeiten; währenddessen benutzt Leonore die Momente, wo sich Rocco bückt, um den Gefangenen zu betrachten. Das Duett wird durchaus halblaut gesungen.)
Zusammen
ROCCO
(mit halblauter Stimme während der Arbeit.)
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
Es währt nicht lang', er kommt herein.
LEONORE
(ebenfalls arbeitend.)
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
Ihr sollt gewiss zufrieden sein.
ROCCO
(einen grossen Stein hebend.)
Komm, hilf doch diesen Stein mir heben -
Hab' acht! - Hab' acht! Er hat Gewicht!
LEONORE
(hilft heben.)
Ich helfe schon - sorgt Euch nicht;
Ich will mir alle Mühe geben.
ROCCO
Ein wenig noch!
LEONORE
Geduld!
ROCCO
Er weicht.
LEONORE
Nur etwas noch!
ROCCO
Es ist nicht leicht!
(Sie lassen den Stein über die Trümmer rollen und holen Atem.)
(weiterarbeitend.)
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
Es währt nicht lang', er kommt herein.
LEONORE
Lasst mich nur wieder Kräfte haben,
Wir werden bald zu Ende sein.
(Sie sucht den Gefangenen zu betrachten; für sich.)
Wer du auch seist, ich will dich retten,
Bei Gott! Du sollst kein Opfer sein!
Gewiss, ich löse deine Ketten,
Ich will, du Armer, dich befrein.
ROCCO
(sich schnell aufrichtend.)
Was zauderst du in deiner Pflicht?
LEONORE
(fängt wieder an zu arbeiten.)
Mein Vater, nein, ich zaudre nicht.
ROCCO
Nur hurtig fort, nur frisch gegraben,
Es währt nicht lang', so kommt er her.
LEONORE
Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,
Lasst mich nur wieder Kräfte haben,
Denn mir wird keine Arbeit schwer.
(Rocco trinkt. Florestan erholt sich und hebt das Haupt in die Höhe, ohne sich nach Leonore zu wenden.)
LEONORE
Er erwacht!
ROCCO
(plötzlich im Trinken einhaltend.)
Er erwacht, sagst du?
LEONORE
(in grösster Verwirrung immer nach Florestan sehend.)
Ja, er hat eben den Kopf gehoben.
ROCCO
Ohne Zweifel wird er wieder tausend Fragen an mich stellen. Ich muss allein mit ihm reden. Nun hat er es bald überstanden.
(Er steigt aus der Grube.)
Steig du statt meiner hinab und räume noch so viel weg, dass man die Zisterne öffnen kann.
LEONORE
(steigt zitternd ein paar Stufen hinab.)
Was in mir vorgeht, ist unaussprechlich!
ROCCO
(nach einer kleinen Pause zu Florestan.)
Nun, Ihr habt wieder einige Augenblicke geruht?
FLORESTAN
Geruht? Wie fände ich Ruhe?
LEONORE
(für sich.)
Diese Stimme! - Wenn ich nur einen Augenblick sein Gesicht sehen könnte.
FLORESTAN
Werdet Ihr immer bei meinen Klagen taub sein, grausamer Mann?
(Mit den letzten Worten wendet er sein Gesicht gegen Leonore.)
LEONORE
(für sich.)
Gott! Er ist's!
(Sie fällt ohne Bewusstsein an den Rand der Grube.)
ROCCO
Was verlangt Ihr denn von mir? Ich vollziehe die Befehle, die man mir gibt; das ist mein Amt, meine Pflicht.
FLORESTAN
Sagt mir endlich einmal, wer ist Gouverneur dieses Gefängnisses?
ROCCO
(beiseite.)
Jetzt kann ich ihm ja ohne Gefahr genugtun.
(Zu Florestan.)
Der Gouverneur dieses Gefängnisses ist Don Pizarro.
FLORESTAN
Pizarro!
LEONORE
(sich allmählich erholend.)
O Barbar! Deine Grausamkeit gibt mir meine Kräfte wieder.
FLORESTAN
O schickt so bald als möglich nach Sevilla, fragt nach Leonore Florestan -
LEONORE
Gott! Er ahnt nicht, dass sie jetzt sein Grab gräbt!
FLORESTAN
Sagt ihr, dass ich hier in Ketten liege.
ROCCO
Es ist unmöglich, sag ich Euch. Ich würde mich ins Verderben stürzen, ohne Euch genützt zu haben.
FLORESTAN
Wenn ich denn verdammt bin, hier mein Leben zu enden, o so lasst mich nicht langsam verschmachten.
LEONORE
(springt auf und hält sich an der Mauer fest.)
O Gott! Wer kann das ertragen?
FLORESTAN
Aus Barmherzigkeit, gib mir nur einen Tropfen Wasser. Das ist ja so wenig.
ROCCO
(beiseite.)
Es geht mir wider meinen Willen zu Herzen.
LEONORE
Er scheint sich zu erweichen.
FLORESTAN
Du gibst mir keine Antwort?
ROCCO
Ich kann Euch nicht verschaffen, was Ihr verlangt. Alles, was ich Euch anbieten kann, ist ein Restchen Wein, das ich in meinem Kruge habe. - Fidelio!
LEONORE
(den Krug in grösster Eile bringend.)
Da ist er! Da ist er!
FLORESTAN
(Leonore betrachtend.)
Wer ist das?
ROCCO
Mein Schliesser und in wenigen Tagen mein Eidam.
(Er reicht Florestan den Krug.)
Trinkt! Es ist freilich nur wenig Wein, aber ich gebe ihn Euch gern.
(Zu Leonore.)
Du bist ja ganz in Bewegung?
LEONORE
(in grösster Verwirrung.)
Wer sollte es nicht sein? Ihr selbst, Meister Rocco -
ROCCO
Es ist wahr, der Mensch hat so eine Stimme...
LEONORE
Jawohl, sie dringt in die Tiefe des Herzens.
[Nr. 13 - Terzett]
FLORESTAN
Euch werde Lohn in bessern Welten,
Der Himmel hat euch mir geschickt.
O Dank! Ihr habt mich süss erquickt;
Ich kann die Wohltat, ich kann sie nicht vergelten.
ROCCO
(leise zu Leonore, die er beiseite zieht.)
Ich lab' ihn gern, den armen Mann,
Es ist ja bald um ihn getan.
LEONORE
(für sich.)
Wie heftig pochet dieses
Es wogt in Freud' und scharfem Schmerz.
FLORESTAN
(für sich.)
Bewegt seh' ich den Jüngling hier,
Und Rührung zeigt auch dieser Mann.
O Gott, du sendest Hoffnung mir,
Dass ich sie noch gewinnen kann.
LEONORE
Die hehre, bange Stunde winkt,
Die Tod mir oder Rettung bringt.
ROCCO
Ich tu, was meine Pflicht gebeut,
Doch hass' ich alle Grausamkeit.
LEONORE
(leise zu Rocco, indem sie ein Stück Brot aus der Tasche zieht.)
Dies Stückchen Brot - ja, seit zwei Tagen
Trag' ich es immer schon bei mir.
ROCCO
Ich möchte gern, doch sag' ich dir,
Das hiesse wirklich zu viel wagen.
LEONORE
Ach!
(Schmeichelnd.)
Ihr labtet gern den armen Mann.
ROCCO
Das geht nicht an, das geht nicht an.
LEONORE
(wie vorhin.)
Es ist ja bald um ihn getan.
ROCCO
So sei es - ja, so sei's - du kannst es wagen.
LEONORE
(in grösster Bewegung Florestan das Brot reichend.)
Da, nimm das Brot - du armer Mann!
Zusammen
FLORESTAN
(Leonores Hand ergreifend und an sich drückend.)
O Dank dir, Dank! - O Dank! O Dank!
Euch werde Lohn in bessern Welten,
Der Himmel hat euch mir geschickt.
O Dank! Ihr habt mich süss erquickt,
Ich kann die Wohltat nicht vergelten.
LEONORE
Der Himmel schicke Rettung dir,
Dann wird mir hoher Lohn gewährt.
ROCCO
Mich rührte oft dein Leiden hier,
Doch Hilfe war mir streng verwehrt.
(Für sich.)
Ich labt' ihn gern, den armen Mann,
Es ist ja bald um ihn getan.
LEONORE
O mehr, als ich ertragen kann!
FLORESTAN
O dass ich euch nicht lohnen kann!
(Er isst das Brot.)
ROCCO
(nach augenblicklichem Stillschweigen zu Leonore.)
Alles ist bereit. Ich gehe, das Signal zu geben.
(Er geht in den Hintergrund.)
LEONORE
O Gott, gib mir Mut und Stärke!
FLORESTAN
(zu Leonore während Rocco die Türen zu öffnen geht.)
Wo geht er hin?
(Rocco öffnet die Türen und gibt durch einen starken Pfiff das Zeichen.)
FLORESTAN
Ist das der Vorbote meines Todes?
LEONORE
(in der heftigsten Bewegung.)
Nein, nein! Beruhige dich, lieber Gefangener.
FLORESTAN
O meine Leonore! So soll ich dich nie wieder sehen?
LEONORE
(fühlt sich zu Florestan hingerissen und sucht diesen Trieb zu überwältigen.)
Mein ganzes Herz reisst mich zu ihm hin!
(Zu Florestan.)
Sei ruhig, sag ich dir! Vergiss nicht, was du auch hören und sehen magst, dass überall eine Vorsehung ist. - Ja, ja, es gibt eine Vorsehung!
(Sie entfernt sich gegen die Zisterne.)
Vorige. Pizarro, vermummt in einen Mantel.
PIZARRO
ROCCO
Ja, die Zisterne braucht nur geöffnet zu werden.
PIZARRO
ROCCO
(zu Leonore.)
Geh, entferne dich!
LEONORE
(in grösster Verwirrung.)
Wer? - Ich? - Und Ihr?
ROCCO
Muss ich nicht dem Gefangenen die Eisen abnehmen? Geh, geh!
(Leonore entfernt sich in den Hintergrund und nähert sich allmählich wieder im Schatten gegen Florestan, die Augen immer auf Pizarro gerichtet.)
PIZARRO
ROCCO
(zu Pizarro.)
Soll ich ihm die Ketten abnehmen?
PIZARRO
[Nr. 14 - Quartett]
FLORESTAN
(gefasst)
Ein Mörder steht vor mir!
PIZARRO
LEONORE
(stürzt mit einem durchdringenden Schrei hervor und bedeckt Florestan mit ihrem Leibe.)
Zurück!
FLORESTAN
O Gott!
ROCCO
Was soll?
LEONORE
Durchbohren
Musst du erst diese Brust;
Der Tod sei dir geschworen
Für deine Mörderlust.
PIZARRO
ROCCO
(zu Leonore.)
Halt ein!
PIZARRO
LEONORE
(noch einmal ihren Mann deckend.)
Töt' erst sein Weib!
ROCCO, PIZARRO
Sein Weib?
FLORESTAN
Mein Weib?
LEONORE
(zu Florestan.)
Ja, sieh' hier Leonore!
FLORESTAN
Leonore!
LEONORE
(zu den anderen.)
Ich bin sein Weib, geschworen
Hab' ich ihm Trost. Verderben dir!
PIZARRO
FLORESTAN
(zu Leonore.)
Vor Freude starrt mein Blut!
ROCCO
(für sich.)
Mir starrt vor Angst mein Blut.
LEONORE
(für sich.)
Ich trotze seiner Wut!
PIZARRO
LEONORE
Der Tod sei dir geschworen.
PIZARRO
LEONORE
Durchbohren musst du erst diese Brust!
PIZARRO
LEONORE
(ihm schnell eine Pistole vorhaltend.)
Noch einen Laut - und du bist tot!
(Man hört die Trompete von dem Turm.)
Zusammen
LEONORE
(hängt an Florestans Halse.)
Ach! Du bist gerettet! Grosser Gott!
FLORESTAN
Ach! Ich bin gerettet! Grosser Gott!
PIZARRO
ROCCO
(betäubt.)
O was ist das! Gerechter Gott!
Vorige. Jaquino. Soldaten mit Fackeln erscheinen an der obersten Gitteröffnung der Treppe.
JAQUINO
Vater Rocco! Der Herr Minister kommt an. Sein Gefolge ist schon vor dem Schlosstor.
ROCCO
(freudig und überrascht, für sich.)
Gelobt sei Gott!
(Zu Jaquino sehr laut.)
Wir kommen - ja, wir kommen augenblicklich. Und diese Leute mit Fackeln sollen heruntersteigen und den Herrn Gouverneur hinaufbegleiten.
(Die Soldaten kommen bis an die Tür herunter. Jaquino geht ab.)
[Nr. 14 - Quartett - (Forts)]
Zusammen
LEONORE
Es schlägt der Rache Stunde.
Du sollst gerettet sein;
Die Liebe wird im Bunde
Mit Mute dich befrein.
FLORESTAN
Es schlägt der Rache Stunde.
Ich soll gerettet sein;
Die Liebe wird im Bunde
Mit Mute mich befrein.
PIZARRO
ROCCO
O fürchterliche Stunde!
O Gott, was wartet mein?
Ich will nicht mehr im Bunde
Mit diesem Wütrich sein.
(Pizarro stürzt ab. Rocco gibt im Abgehen Leonore beruhigende Winke. Soldaten mit Fackeln vorauf.)
Leonore, Florestan.
FLORESTAN
Meine Leonore! Geliebtes Weib! Engel, den Gott wie ein Wunder zu meiner Rettung mir gesendet, lass an dies Herz dich drücken.
(Umarmung.)
Aber dürfen wir noch hoffen?
LEONORE
Wir dürfen es. Die Ankunft des Ministers, den wir kennen, Pizarros Verwirrung und vor allem Vater Roccos tröstende Zeichen sind mir ebenso viele Gründe, zu glauben, unser Leiden sei am Ziele und die Zeit unseres Glückes wolle beginnen.
FLORESTAN
Sprich, wie kamst du hierher?
LEONORE
(schnell.)
Ich verliess Sevilla, ich kam zu Fuss in Manneskleidern, der Kerkermeister nahm mich in seine Dienste, dein Verfolger selbst machte mich zum Schliesser.
FLORESTAN
Treues Weib! Frau ohnegleichen! Was hast du meinetwegen erduldet!
LEONORE
Nichts, mein Florestan! Meine Seele war mit dir; wie hätte der Körper sich nicht stark gefühlt, indem er für sein besseres Selbst kämpfte?
[Nr. 15 - Duett]
O namenlose Freude!
Mein Mann an meiner Brust!
FLORESTAN
O namenlose Freude!
An Leonorens Brust!
LEONORE UND FLORESTAN
Nach unnennbarem Leide
So übergrosse Lust!
LEONORE
Du wieder nun in meinen Armen!
FLORESTAN
O Gott, wie gross ist dein Erbarmen!
Zusammen
LEONORE
Mein Mann, mein Mann, an meiner Brust!
O dank dir, Gott, für diese Lust!
FLORESTAN
Mein Weib, mein Weib, an meiner Brust!
O dank dir, Gott, für diese Lust!
FLORESTAN
Du bist's!
LEONORE
Ich bin's!
FLORESTAN
O himmlisches Entzücken! Leonore!
LEONORE
Florestan!
LEONORE UND FLORESTAN
O namenlose Freude!
Nach unnennbarem Leide
So übergrosse Lust!
Vorige. Rocco.
ROCCO
(hereinstürzend.)
Gute Botschaft, ihr armen Leidenden! Der Herr Minister hat eine Liste aller Gefangenen mit sich; alle sollen ihm vorgeführt werden. Jaquino öffnet die oberen Gefängnisse.
(Zu Florestan.)
Ihr allein seid nicht erwähnt. Euer Aufenthalt hier ist eine Eigenmächtigkeit des Gouverneurs. Kommt, folgt mir hinauf. Auch Ihr, gnädige Frau. Und gibt Gott meinen Worten Kraft und lohnt er die Heldentat der edelsten Gattin, so werdet Ihr frei, und Euer Glück ist mein Werk.
FLORESTAN
Leonore!
LEONORE
Durch welche Wunder!
ROCCO
Fort, zögert nicht! Oben werdet ihr alles erfahren. Auch diese Fesseln behaltet noch. Gott gebe, dass sie Euch Mitleid erflehen und dem Grausamen angelegt werden, der Euch so viele Leiden bereitete.
(Alle drei ab.)
Paradeplatz des Schlosses mit der Statue des Königs.
Die Schlosswachen marschieren auf und bilden ein offenes Viereck. Dann erscheint von der Seite der Minister Don Fernando, von Pizarro und Offizieren begleitet. Volk eilt herzu. Von der andern Seite treten, von Jaquino und Marzelline geführt, die Staatsgefangenen ein, die vor Fernando niederknien.
[Nr. 16 - Finale]
CHOR DER GEFANGENEN UND DES VOLKES
Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde,
Die lang ersehnt, doch unvermeint,
Gerechtigkeit mit Huld im Bunde
Vor unsres Grabes Tor erscheint!
FERNANDO
(Die Gefangenen stehen auf.)
CHOR
Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde!
FERNANDO
Vorige. Rocco, durch die Wachen dringend, hinter ihm Leonore und Florestan.
ROCCO
Wohlan, so helfet! Helft den Armen!
PIZARRO
ROCCO
(zu Pizarro.)
Bewegt es dich?
PIZARRO
FERNANDO
ROCCO
All Erbarmen
Vereine diesem Paare sich.
(Florestan vorführend.)
Don Florestan -
FERNANDO
ROCCO
Und Qualen ohne Zahl erlitt.
FERNANDO
ROCCO UND LEONORE
Ja, Florestan, Ihr seht ihn hier.
ROCCO
(Leonore vorstellend.)
Und Leonore -
FERNANDO
ROCCO
Der Frauen Zierde führ ich vor.
Sie kam hierher -
PIZARRO
FERNANDO
ROCCO
dort an mein Tor
Und trat als Knecht in meine Dienste
Und tat so brave, treue Dienste,
Dass ich - zum Eidam sie erkor.
MARZELLINE
O weh mir, was vernimmt mein Ohr!
ROCCO
Der Unmensch wollt' in dieser Stunde
Vollziehn an Florestan den Mord.
PIZARRO
ROCCO
(auf sich und Leonore zeigend.)
Mit uns im Bunde!
(Zu Fernando.)
Nur Euer Kommen rief ihn fort.
CHOR
(sehr lebhaft.)
Bestrafet sei der Bösewicht,
Der Unschuld unterdrückt.
Gerechtigkeit hält zum Gericht
Der Rache Schwert gezückt.
(Pizarro wird auf einen Wink Fernandos von der Wache abgeführt.)
FERNANDO
LEONORE
(nimmt die Schlüssel, löst in grösster Bewegung Florestan die Ketten ab; er sinkt in Leonores Arme.)
O Gott! - Welch ein Augenblick!
FLORESTAN
O unaussprechlich süsses Glück!
FERNANDO
MARZELLINE UND ROCCO
Du prüfest, du verlässt uns nicht.
ALLE
O Gott! o welch ein Augenblick!
O unaussprechlich süsses Glück!
Gerecht, o Gott, ist dein Gericht,
Du prüfest, du verlässt uns nicht!
CHOR
Wer ein holdes Weib errungen,
Stimm' in unsern Jubel ein!
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.
FLORESTAN
Deine Treu' erhielt mein Leben,
Tugend schreckt den Bösewicht.
LEONORE
Liebe führte mein Bestreben,
Wahre Liebe fürchtet nicht.
CHOR
Preist mit hoher Freude Glut
Leonorens edlen Mut.
FLORESTAN
(vortretend und auf Leonore weisend.)
Wer ein solches Weib errungen,
Stimm' in unsern Jubel ein!
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.
LEONORE
(ihn umarmend.)
Liebend ist es mir gelungen,
Dich aus Ketten zu befrein.
Liebend sei es hoch besungen:
Florestan ist wieder mein!
CHOR
Wer ein holdes Weib errungen,
Stimm' in unsern Jubel ein!
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.
Zusammen
LEONORE
Liebend sei es hoch besungen:
Florestan ist wieder mein!
ALLE ÜBRIGEN
Nie wird es zu hoch besungen,
Retterin des Gatten sein.
Ende.
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