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Siegfried

SIEGFRIED

Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen.

Syntetische Fassung herausgegeben von null www.operalib.eu.

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Text und Musik Wilhelm Richard WAGNER.
Uraufführung: 16. August 1876, Bayreuth.


Personen:

SIEGFRIED

Tenor

MIME

Tenor

Die WANDERER

Bass

ALBERICH

Bass

FAFNER

Bass

ERDA

Alt

BRÜNNHILDE

Sopran




Erster Aufzug: Eine Felsenhöhle im Walde.
Zweiter Aufzug: Tiefer Wald.
Dritter Aufzug: Wilde Gegend am Fuss eines Felsenberges, dann auf dem Gipfel des "Brünnhildensteines".


Erster Aufzug
Vorspiel und Erste Szene

Wald.
Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts aber gegen drei Vierteile der Bühne einnimmt. Zwei natürlich gebildete Eingänge stehen dem Walde zu offen: der eine nach rechts, unmittelbar im Hintergrunde, der andere, breitere, ebenda seitwärts. An der Hinterwand, nach links zu, steht ein grosser Schmiedeherd, aus Felsstücken natürlich geformt; künstlich ist nur der grosse Blasebalg: die rohe Esse geht - ebenfalls natürlich - durch das Felsendach hinauf. Ein sehr grosser Amboss und andre Schmiedegerätschaften.

MIME

(sitzt, als der Vorhang nach einem kurzen Orchestervorspiel aufgeht, am Ambosse und hämmert mit wachsender Unruhe an einem Schwerte: endlich hält er unmutig ein)

Zwangvolle Plage!

Müh' ohne Zweck!

Das beste Schwert,

das je ich geschweisst,

in der Riesen Fäusten

hielte es fest;

doch dem ich's geschmiedet,

der schmähliche Knabe,

er knickt und schmeisst es entzwei,

als schüf' ich Kindergeschmeid! -

(Mime wirft das Schwert unmutig auf den Amboss, stemmt die Arme ein und blickt sinnend zu Boden)

Es gibt ein Schwert,

das er nicht zerschwänge:

Notungs Trümmer

zertrotzt' er mir nicht,

könnt' ich die starken

Stücke schweissen,

die meine Kunst

nicht zu kitten weiss!

Könnt' ich's dem Kühnen schmieden,

meiner Schmach erlangt' ich da Lohn! -

(Er sinkt tiefer zurück und neigt sinnend das Haupt)

Fafner, der wilde Wurm,

lagert im finstren Wald;

mit des furchtbaren Leibes Wucht

der Niblungen Hort

hütet er dort.

Siegfrieds kindischer Kraft

erläge wohl Fafners Leib:

des Niblungen Ring

erränge er mir.

Nur ein Schwert taugt zu der Tat;

nur Notung nützt meinem Neid,

wenn Siegfried sehrend ihn schwingt: -

und ich kann's nicht schweissen,

Notung, das Schwert! -

(Er hat das Schwert wieder zurechtgelegt und hämmert in höchstem Unmut daran weiter)

Zwangvolle Plage!

Müh' ohne Zweck!

Das beste Schwert,

das je ich geschweisst,

nie taugt es je

zu der einzigen Tat!

Ich tappre und hämmre nur,

weil der Knabe es heischt:

er knickt und schmeisst es entzwei,

und schmäht doch, schmied' ich ihm nicht!

(Er lässt den Hammer fallen)

(Siegfried, in wilder Waldkleidung, mit einem silbernen Horn an einer Kette, kommt mit jähem Ungestüm aus dem Walde herein; er hat einen grossen Bären mit einen Bastseile gezäumt und treibt diesen mit lustigem Übermute gegen Mime an.)

SIEGFRIED

Hoiho! Hoiho!

Hau' ein! Hau' ein!

Friss ihn! Friss ihn,

Den Fratzenschmied!

(Er lacht unbändig.)

(Mimen entsinkt vor Schreck das Schwert; er flüchtet hinter den Herd; Siegfried treibt ihm den Bären überall nach.)

MIME

Fort mit dem Tier!

Was taugt mir der Bär?

SIEGFRIED

Zu zwei komm ich,

dich besser zu zwicken:

Brauner, frag' nach dem Schwert!

MIME

He! Lass das Wild!

Dort liegt die Waffe:

fertig fegt' ich sie heut'.

SIEGFRIED

So fährst du heute noch heil!

(Er löst dem Bären den Zaum und gibt ihm damit einen Schlag auf den Rücken)

Lauf', Brauner!

Dich brauch' ich nicht mehr!

(Der Bär läuft in den Wald zurück)

MIME

(kommt zitternd hinter dem Herde hervor)

Wohl leid' ich's gern,

erlegst du Bären:

was bringst du lebend

die braunen heim?

SIEGFRIED

(setzt sich, um sich vom Lachen zu erholen)

Nach bessrem Gesellen sucht' ich,

als daheim mir einer sitzt;

im tiefen Walde mein Horn

liess ich hallend da ertönen:

ob sich froh mir gesellte

ein guter Freund,

das frug ich mit dem Getön'!

Aus dem Busche kam ein Bär,

der hörte mir brummend zu;

er gefiel mir besser als du,

doch bessre fänd' ich wohl noch!

Mit dem zähen Baste

zäumt' ich ihn da,

dich, Schelm, nach dem Schwerte zu fragen.

(Er springt auf und geht auf den Amboss zu)

MIME

(nimmt das Schwert auf, um es Siegfried zu reichen)

Ich schuf die Waffe scharf,

ihrer Schneide wirst du dich freun.

(Er hält das Schwert ängstlich in der Hand fest, das Siegfried ihm heftig entwindet)

SIEGFRIED

Was frommt seine helle Schneide,

ist der Stahl nicht hart und fest?

(das Schwert mit der Hand prüfend)

Hei! Was ist das

für müss'ger Tand!

Den schwachen Stift

nennst du ein Schwert?

(Er zerschlägt es auf dem Amboss, dass die Stücken ringsum fliegen; Mime weicht erschrocken aus)

Da hast du die Stücken,

schändlicher Stümper:

hätt' ich am Schädel

dir sie zerschlagen! -

Soll mich der Prahler

länger noch prellen?

Schwatzt mir von Riesen

und rüstigen Kämpfen,

von kühnen Taten

und tüchtiger Wehr;

will Waffen mir schmieden,

Schwerte schaffen;

rühmt seine Kunst,

als könnt' er was Rechts:

nehm' ich zur Hand nun,

was er gehämmert,

mit einem Griff

zergreif' ich den Quark! -

Wär' mir nicht schier

zu schäbig der Wicht,

ich zerschmiedet' ihn selbst

mit seinem Geschmeid,

den alten albernen Alp!

Des Ärgers dann hätt' ich ein End'!

(Siegfried wirft sich wütend auf eine Steinbank zur Seite rechts. Mime ist ihm immer vorsichtig ausgewichen.)

MIME

Nun tobst du wieder wie toll:

dein Undank, traun, ist arg!

Mach' ich dem bösen Buben

nicht alles gleich zu best,

was ich ihm Gutes schuf,

vergisst er gar zu schnell!

Willst du denn nie gedenken,

was ich dich lehrt' vom Danke?

Dem sollst du willig gehorchen,

der je sich wohl dir erwies.

(Siegfried wendet sich unmutig um, mit dem Gesicht nach der Wand, so dass er Mime den Rücken kehrt.)

Das willst du wieder nicht hören!

(Er steht verlegen; dann geht er in die Küche am Herd)

Doch speisen magst du wohl?

Vom Spiesse bring' ich den Braten:

versuchtest du gern den Sud?

Für dich sott ich ihn gar.

(Er bietet Siegfried Speise hin; dieser, ohne sich umzuwenden, schmeisst ihm Topf und Braten aus der Hand)

SIEGFRIED

Braten briet ich mir selbst:

deinen Sudel sauf' allein!

MIME

(Stellt sich empfindlich. - Mit kläglich kreischender Stimme.)

Das ist nun der Liebe

schlimmer Lohn!

Das der Sorgen

schmählicher Sold! -

Als zullendes Kind

zog ich dich auf,

wärmte mit Kleiden

den kleinen Wurm:

Speise und Trank

trug ich dir zu,

hütete dich

wie die eigne Haut.

Und wie du erwuchsest,

wartet' ich dein;

dein Lager schuf ich,

dass leicht du schliefst.

Dir schmiedet' ich Tand

und ein tönend Horn;

dich zu erfreun,

müht' ich mich froh:

mit klugem Rate

riet ich dir klug,

mit lichtem Wissen

lehrt' ich dich Witz.

Sitz' ich daheim

in Fleiss und Schweiss,

nach Herzenslust

schweifst du umher:

für dich nur in Plage,

in Pein nur für dich

verzehr' ich mich alter,

armer Zwerg!

(schluchzend)

Und aller Lasten

ist das nun mein Lohn,

dass der hastige Knabe

mich quält und hasst!

(schluchzend)

SIEGFRIED

Vieles lehrtest du, Mime,

und manches lernt' ich von dir;

doch was du am liebsten mich lehrtest,

zu lernen gelang mir nie:

wie ich dich leiden könnt'. -

Trägst du mir Trank

und Speise herbei, -

der Ekel speist mich allein;

schaffst du ein leichtes

Lager zum Schlaf, -

der Schlummer wird mir da schwer;

willst du mich weisen,

witzig zu sein, -

gern bleib' ich taub und dumm.

Seh' ich dir erst

mit den Augen zu,

zu übel erkenn' ich,

was alles du tust:

seh' ich dich stehn,

gangeln und gehn,

knicken und nicken,

mit den Augen zwicken:

beim Genick möcht' ich

den Nicker packen,

den Garaus geben

dem garst'gen Zwicker! -

So lernt' ich, Mime, dich leiden.

Bist du nun weise,

so hilf mir wissen,

worüber umsonst ich sann:

in den Wald lauf' ich,

dich zu verlassen, -

wie kommt das, kehr ich zurück?

Alle Tiere sind

mir teurer als du:

Baum und Vogel,

die Fische im Bach,

lieber mag ich sie

leiden als dich:

wie kommt das nun, kehr' ich zurück?

Bist du klug, so tu mir's kund.

MIME

(setzt sich in einiger Entfernung ihm traulich gegenüber)

Mein Kind, das lehrt dich kennen,

wie lieb ich am Herzen dir lieg'.

SIEGFRIED

(lachend)

Ich kann dich ja nicht leiden, -

vergiss das nicht so leicht!

MIME

(fährt zurück und setzt sich wieder abseits, Siegfried gegenüber)

Des ist deine Wildheit schuld,

die du, Böser, bänd'gen sollst. -

Jammernd verlangen Junge

nach ihrer Alten Nest;

Liebe ist das Verlangen;

so lechzest du auch nach mir,

so liebst du auch deinen Mime, -

so musst du ihn lieben!

Was dem Vögelein ist der Vogel,

wenn er im Nest es nährt

eh' das flügge mag fliegen:

das ist dir kind'schem Spross

der kundig sorgende Mime,

das muss er dir sein!

SIEGFRIED

Ei, Mime, bist du so witzig,

so lass mich eines noch wissen! -

Es sangen die Vöglein

so selig im Lenz,

das eine lockte das andre:

du sagtest selbst,

da ich's wissen wollt',

das wären Männchen und Weibchen.

Sie kosten so lieblich,

und liessen sich nicht;

sie bauten ein Nest

und brüteten drin:

da flatterte junges

Geflügel auf,

und beide pflegten der Brut. -

So ruhten im Busch

auch Rehe gepaart,

selbst wilde Füchse und Wölfe:

Nahrung brachte

zum Neste das Männchen,

das Weibchen säugte die Welpen.

Da lernt' ich wohl,

was Liebe sei:

der Mutter entwandt' ich

die Welpen nie. -

Wo hast du nun, Mime,

dein minniges Weibchen,

dass ich es Mutter nenne?

MIME

(ärgerlich)

Was ist dir, Tor?

Ach, bist du dumm!

Bist doch weder Vogel noch Fuchs?

SIEGFRIED

Das zullende Kind

zogest du auf,

wärmtest mit Kleiden

den kleinen Wurm:

wie kam dir aber

der kindische Wurm?

Du machtest wohl gar

ohne Mutter mich?

MIME

(in grosser Verlegenheit)

Glauben sollst du,

was ich dir sage:

ich bin dir Vater

und Mutter zugleich.

SIEGFRIED

Das lügst du, garstiger Gauch! -

Wie die Jungen den Alten gleichen,

das hab' ich mir glücklich ersehn.

Nun kam ich zum klaren Bach:

da erspäht' ich die Bäum'

und Tier' im Spiegel;

Sonn' und Wolken,

wie sie nur sind,

im Glitzer erschienen sie gleich.

Da sah ich denn auch

mein eigen Bild;

ganz anders als du

dünkt' ich mir da:

so glich wohl der Kröte

ein glänzender Fisch;

doch kroch nie ein Fisch aus der Kröte!

MIME

(höchst ärgerlich)

Gräulichen Unsinn

kramst du da aus!

SIEGFRIED

(immer lebendiger)

Siehst du, nun fällt

auch selbst mir ein,

was zuvor umsonst ich besann:

wenn zum Wald ich laufe,

dich zu verlassen,

wie das kommt, kehr' ich doch heim?

(Er springt auf)

Von dir erst muss ich erfahren,

wer Vater und Mutter mir sei!

MIME

(weicht ihm aus)

Was Vater! Was Mutter!

Müssige Frage!

SIEGFRIED

(packt ihn bei der Kehle)

So muss ich dich fassen,

um was zu wissen:

gutwillig

erfahr' ich doch nichts!

So musst' ich alles

ab dir trotzen:

kaum das Reden

hätt' ich erraten,

entwandt ich's mit Gewalt

nicht dem Schuft!

Heraus damit,

räudiger Kerl!

Wer ist mir Vater und Mutter?

MIME

(nachdem er mit dem Kopfe genickt und mit den Händen gewinkt, ist von Siegfried losgelassen worden)

Ans Leben gehst du mir schier!

Nun lass! Was zu wissen dich geizt,

erfahr' es, ganz wie ich's weiss. -

O undankbares,

arges Kind!

Jetzt hör', wofür du mich hassest!

Nicht bin ich Vater

noch Vetter dir,

und dennoch verdankst du mir dich!

Ganz fremd bist du mir,

dem einzigen Freund;

aus Erbarmen allein

barg ich dich hier:

nun hab' ich lieblichen Lohn!

Was verhofft' ich Thor mir auch Dank?

Einst lag wimmernd ein Weib

da draussen im wilden Wald:

zur Höhle half ich ihr her,

am warmen Herd sie zu hüten.

Ein Kind trug sie im Schosse;

traurig gebar sie's hier;

sie wand sich hin und her,

ich half, so gut ich konnt'.

Gross war die Not! Sie starb, -

doch Siegfried, der genas.

SIEGFRIED

So starb meine Mutter an mir?

MIME

Meinem Schutz übergab sie dich:

(Siegfried steht sinnend.)

ich schenkt' ihn gern dem Kind.

Was hat sich Mime gemüht,

was gab sich der Gute für Not!

"Als zullendes Kind

zog ich dich auf..."

SIEGFRIED

Mich dünkt, des gedachtest du schon!

Jetzt sag': woher heiss' ich Siegfried?

MIME

So hiess mich die Mutter,

möcht' ich dich heissen:

als "Siegfried" würdest

du stark und schön.

"Ich wärmte mit Kleiden

den kleinen Wurm...."

SIEGFRIED

Nun melde, wie hiess meine Mutter?

MIME

Das weiss ich wahrlich kaum!

"Speise und Trank

trug ich dir zu...."

SIEGFRIED

Den Namen sollst du mir nennen!

MIME

Entfiel er mir wohl? Doch halt!

Sieglinde mochte sie heissen,

die dich in Sorge mir gab. -

"Ich hütete dich

wie die eigne Haut...."

SIEGFRIED

(immer dringender)

Dann frag' ich, wie hiess mein Vater?

MIME

(barsch)

Den hab' ich nie gesehn.

SIEGFRIED

Doch die Mutter nannte den Namen?

MIME

Erschlagen sei er,

das sagte sie nur;

dich Vaterlosen

befahl sie mir da: -

"und wie du erwuchsest,

wartet' ich dein;

dein Lager schuf ich,

dass leicht du schliefst..."

SIEGFRIED

Still mit dem alten

Starenlied! -

Soll ich der Kunde glauben,

hast du mir nichts gelogen,

so lass mich Zeichen sehn!

MIME

Was soll dir's noch bezeugen?

SIEGFRIED

Dir glaub' ich nicht mit dem Ohr',

dir glaub' ich nur mit dem Aug':

welch Zeichen zeugt für dich?

MIME

(holt nach einigem Besinnen die zwei Stücke eines zerschlagenen Schwerts herbei)

Das gab mir deine Mutter:

für Mühe, Kost und Pflege

liess sie's als schwachen Lohn.

Sieh' her, ein zerbrochnes Schwert!

Dein Vater, sagte sie, führt' es,

als im letzten Kampf er erlag.

SIEGFRIED

(begeistert)

Und diese Stücke

sollst du mir schmieden:

dann schwing' ich ein rechtes Schwert!

Auf! Eile dich, Mime!

Mühe dich rasch;

kannst du was Rechts,

nun zeig' deine Kunst!

Täusche mich nicht

mit schlechtem Tand:

den Trümmern allein

trau' ich was zu!

Find' ich dich faul,

fügst du sie schlecht,

flickst du mit Flausen

den festen Stahl, -

dir Feigem fahr' ich zu Leib',

das Fegen lernst du von mir!

Denn heute noch, schwör' ich,

will ich das Schwert;

die Waffe gewinn' ich noch heut'!

MIME

(erschrocken)

Was willst du noch heut' mit dem Schwert?

SIEGFRIED

Aus dem Wald fort

in die Welt ziehn:

nimmer kehr' ich zurück!

Wie ich froh bin,

dass ich frei ward,

nichts mich bindet und zwingt!

Mein Vater bist du nicht;

in der Ferne bin ich heim;

dein Herd ist nicht mein Haus,

meine Decke nicht dein Dach.

Wie der Fisch froh

in der Flut schwimmt,

wie der Fink frei

sich davon schwingt:

flieg' ich von hier,

flute davon,

wie der Wind übern Wald

weh' ich dahin, -

dich, Mime, nie wieder zu sehn!

(Er stürmt in den Wald fort)

MIME

(in höchster Angst)

Halte! Halte! Wohin?

(Er ruft mit der grössten Anstrengung in den Wald)

He! Siegfried!

Siegfried! He!

(Er sieht dem Fortstürmenden eine Weile staunend nach; dann kehrt er in die Schmiede zurück und setzt sich hinter den Amboss)

Da stürmt er hin! -

Nun sitz' ich da: -

zur alten Not

hab' ich die neue;

vernagelt bin ich nun ganz! -

Wie helf' ich mir jetzt?

Wie halt' ich ihn fest?

Wie führ' ich den Huien

zu Fafners Nest?

Wie füg' ich die Stücken

des tückischen Stahls?

Keines Ofens Glut

glüht mir die echten;

keines Zwergen Hammer

zwingt mir die harten.

Des Niblungen Neid,

Not und Schweiss

nietet mir Notung nicht,

schweisst mir das Schwert nicht zu ganz! -

(Mime knickt verzweifelnd auf dem Schemel hinter dem Amboss zusammen.)

Zweite Szene

Der Wanderer [Wotan] tritt aus dem Wald an das hintere Tor der Höhle heran. - Er trägt einen dunkelblauen, langen Mantel; einen Speer führt er als Stab. Auf dem Haupte hat er einen grossen Hut mit breiter runder Krämpe, die über das fehlende eine Auge tief hereinhängt.

WANDERER

Heil dir, weiser Schmied!

Dem wegmüden Gast

gönne hold

des Hauses Herd!

MIME

(ist erschrocken aufgefahren)

Wer ist's, der im wilden

Walde mich sucht?

Wer verfolgt mich im öden Forst?

WANDERER

(sehr langsam, immer nur einen Schritt sich nähernd)

"Wand'rer" heisst mich die Welt;

weit wandert' ich schon:

auf der Erde Rücken

rührt' ich mich viel!

MIME

So rühre dich fort

und raste nicht hier,

heisst dich "Wand'rer" die Welt!

WANDERER

Gastlich ruht' ich bei Guten,

Gaben gönnten viele mir:

denn Unheil fürchtet,

wer unhold ist.

MIME

Unheil wohnte

immer bei mir:

willst du dem Armen es mehren?

WANDERER

(langsam immer näherschreitend)

Viel erforscht' ich,

erkannte viel:

Wicht'ges konnt' ich

manchem künden,

manchem wehren,

was ihn mühte:

nagende Herzensnot.

MIME

Spürtest du klug

und erspähtest du viel,

hier brauch' ich nicht Spürer noch Späher.

Einsam will ich

und einzeln sein,

Lungerern lass' ich den Lauf.

WANDERER

(tritt wieder etwas näher)

Mancher wähnte

weise zu sein,

nur was ihm not tat,

wusste er nicht;

was ihm frommte,

liess ich erfragen:

lohnend lehrt' ihn mein Wort.

MIME

(immer ängstlicher, da er den Wanderer sich nahen sieht)

Müss'ges Wissen

wahren manche:

ich weiss mir grade genug;

(Der Wanderer schreitet vollends bis an den Herd vor.)

mir genügt mein Witz,

ich will nicht mehr:

dir Weisem weis' ich den Weg!

WANDERER

(am Herd sich setzend)

Hier sitz' ich am Herd

und setze mein Haupt

der Wissenswette zum Pfand:

mein Kopf ist dein,

du hast ihn erkiest,

entfrägst du dir nicht,

was dir frommt,

lös' ich's mit Lehren nicht ein.

MIME

(der zuletzt den Wanderer mit offenem Munde angestaunt hat, schrickt jetzt zusammen; kleinmütig für sich)

Wie werd' ich den Lauernden los?

Verfänglich muss ich ihn fragen.

(Er ermannt sich wie zu Strenge)

Dein Haupt pfänd' ich

für den Herd:

nun sorg', es sinnig zu lösen!

Drei der Fragen

stell' ich mir frei.

WANDERER

Dreimal muss ich's treffen.

MIME

(sammelt sich zum Nachdenken)

Du rührtest dich viel

auf der Erde Rücken,

die Welt durchwandert'st du weit; -

nun sage mir schlau:

welches Geschlecht

tagt in der Erde Tiefe?

WANDERER

In der Erde Tiefe

tagen die Nibelungen:

Nibelheim ist ihr Land.

Schwarzalben sind sie;

Schwarz-Alberich

hütet' als Herrscher sie einst!

Eines Zauberringes

zwingende Kraft

zähmt' ihm das fleissige Volk.

Reicher Schätze

schimmernden Hort

häuften sie ihm:

der sollte die Welt ihm gewinnen. -

Zum zweiten was frägst du, Zwerg?

MIME

(versinkt in immer tieferes Nachsinnen)

Viel, Wanderer,

weisst du mir

aus der Erde Nabelnest;

nun sage mir schlicht,

welches Geschlecht

ruht auf der Erde Rücken?

WANDERER

Auf der Erde Rücken

wuchtet der Riesen Geschlecht:

Riesenheim ist ihr Land.

Fasolt und Fafner,

der Rauhen Fürsten,

neideten Nibelungs Macht;

den gewaltigen Hort

gewannen sie sich,

errangen mit ihm den Ring.

Um den entbrannte

den Brüdern Streit;

der Fasolt fällte,

als wilder Wurm

hütet nun Fafner den Hort. -

Die dritte Frage nun droht.

MIME

(der ganz in Träumerei entrückt ist)

Viel, Wanderer,

weisst du mir

von der Erde rauhem Rücken.

Nun sage mir wahr,

welches Geschlecht

wohnt auf wolkigen Höhn?

WANDERER

Auf wolkigen Höhn

wohnen die Götter:

Walhall heisst ihr Saal.

Lichtalben sind sie;

Licht-Alberich,

Wotan, waltet der Schar.

Aus der Welt-Esche

weihlichstem Aste

schuf er sich einen Schaft:

dorrt der Stamm,

nie verdirbt doch der Speer;

mit seiner Spitze

sperrt Wotan die Welt.

Heil'ger Verträge

Treuerunen

schnitt in den Schaft er ein.

Den Haft der Welt

hält in der Hand,

wer den Speer führt,

den Wotans Faust umspannt.

Ihm neigte sich

der Niblungen Heer;

der Riesen Gezücht

zähmte sein Rat:

ewig gehorchen sie alle

des Speeres starkem Herrn.

(Er stösst wie unwillkürlich mit dem Speer auf den Boden; ein leiser Donner lässt sich vernehmen, wovon Mime heftig erschrickt.)

Nun rede, weiser Zwerg:

wusst' ich der Fragen Rat?

Behalte mein Haupt ich frei?

MIME

(nachdem er den Wanderer mit dem Speer aufmerksam beobachtet hat, gerät nun in grosse Angst, sucht verwirrt nach seinen Gerätschaften und blickt scheu zur Seite)

Fragen und Haupt

hast du gelöst:

nun, Wand'rer, geh' deines Wegs!

WANDERER

Was zu wissen dir frommt,

solltest du fragen:

Kunde verbürgte mein Kopf. -

Dass du nun nicht weisst,

was dir nützt,

des fass' ich jetzt deines als Pfand.

Gastlich nicht

galt mir dein Gruss,

mein Haupt gab ich

in deine Hand,

um mich des Herdes zu freun.

Nach Wettens Pflicht

pfänd' ich nun dich,

lösest du drei

der Fragen nicht leicht.

Drum frische dir, Mime, den Muth!

MIME

(sehr schüchtern und zögernd, endlich in furchtsamer Ergebung sich fassend)

Lang' schon mied ich

mein Heimatland,

lang' schon schied ich

aus der Mutter Schoss;

mir leuchtete Wotans Auge,

zur Höhle lugt' es herein:

vor ihm magert

mein Mutterwitz.

Doch frommt mir's nun weise zu sein,

Wand'rer, frage denn zu!

Vielleicht glückt mir's, gezwungen

zu lösen des Zwerges Haupt.

WANDERER

(wieder gemächlich sich niederlassend)

Nun, ehrlicher Zwerg,

sag' mir zum ersten:

welches ist das Geschlecht,

dem Wotan schlimm sich zeigte

und das doch das liebste ihm lebt?

MIME

(sich ermunternd)

Wenig hört' ich

von Heldensippen;

der Frage doch mach' ich mich frei. -

Die Wälsungen sind

das Wunschgeschlecht,

das Wotan zeugte

und zärtlich liebte,

zeigt' er auch Ungunst ihm.

Siegmund und Sieglind'

stammten von Wälse,

ein wild-verzweifeltes

Zwillingspaar:

Siegfried zeugten sie selbst,

den stärksten Wälsungenspross.

Behalt' ich, Wand'rer,

zum ersten mein Haupt?

WANDERER

(gemütlich)

Wie doch genau

das Geschlecht du mir nennst:

schlau eracht' ich dich Argen!

Der ersten Frage

wardst du frei.

Zum zweiten nun sag' mir, Zwerg:

Ein weiser Niblung

wahret Siegfried;

Fafner soll er ihm fällen,

dass den Ring er erränge,

des Hortes Herrscher zu sein.

Welches Schwert

muss Siegfried nun schwingen,

taug' es zu Fafners Tod?

MIME

(seine gegenwärtige Lage immer mehr vergessend und von dem Gegenstande lebhaft angezogen, reibt sich vergnügt die Hände)

Notung heisst

ein neidliches Schwert;

in einer Esche Stamm

stiess es Wotan:

dem sollt' es geziemen,

der aus dem Stamm es zög'.

Der stärksten Helden

keiner bestand's:

Siegmund, der Kühne,

konnt's allein:

fechtend führt' er's im Streit,

bis an Wotans Speer es zersprang.

Nun verwahrt die Stücken

ein weiser Schmied;

denn er weiss, dass allein

mit dem Wotans-Schwert

ein kühnes dummes Kind,

Siegfried, den Wurm versehrt.

(ganz vergnügt)

Behalt' ich Zwerg

auch zweitens mein Haupt?

WANDERER

(lachend)

Der witzigste bist du

unter den Weisen:

wer käm' dir an Klugheit gleich?

Doch bist du so klug,

den kindischen Helden

für Zwergenzwecke zu nützen, -

mit der dritten Frage

droh' ich nun!

Sag' mir, du weiser

Waffenschmied:

wer wird aus den starken Stücken

Notung, das Schwert, wohl schweissen?

MIME

(fährt im höchsten Schrecken auf)

Die Stücken! Das Schwert!

O weh! Mir schwindelt!

Was fang' ich an?

Was fällt mir ein?

Verfluchter Stahl,

dass ich dich gestohlen!

Er hat mich vernagelt

in Pein und Not!

Mir bleibt er hart,

ich kann ihn nicht hämmern:

Niet' und Löte

lässt mich im Stich!

(Er wirft wie sinnlos sein Gerät durcheinander und bricht in helle Verzweiflung aus)

Der weiseste Schmied

weiss sich nicht Rat!

Wer schweisst nun das Schwert,

schaff' ich es nicht?

Das Wunder, wie soll ich's wissen?

WANDERER

(ist ruhig vom Herd aufgestanden)

Dreimal solltest du fragen,

dreimal stand ich dir frei:

nach eitlen Fernen

forschtest du;

doch was zunächst dir sich fand,

was dir nützt, fiel dir nicht ein.

Nun ich's errate,

wirst du verrückt:

gewonnen hab' ich

das witzige Haupt!

Jetzt, Fafners kühner Bezwinger,

hör', verfall'ner Zwerg:

"Nur wer das Fürchten

nie erfuhr,

schmiedet Notung neu."

(Mime starrt ihn gross an: er wendet sich zum Fortgange.)

WANDERER

Dein weises Haupt

wahre von heut':

verfallen lass' ich es dem,

der das Fürchten nicht gelernt!

(Er wendet sich lächelnd ab und verschwindet schnell im Walde. Mime ist wie vernichtet auf den Schemel hinter dem Amboss zurückgesunken.)

Dritte Szene

MIME

(starrt grad vor sich aus in den sonnig beleuchteten Wald hinein und gerät zunehmend in heftiges Zittern)

Verfluchtes Licht!

Was flammt dort die Luft?

Was flackert und lackert, -

was flimmert und schwirrt, -

was schwebt dort und webt

und wabert umher?

Da glimmert's und glitzt's

in der Sonne Glut!

Was säuselt und summt

und saust nun gar?

Es brummt und braust -

und prasselt hieher!

Dort bricht's durch den Wald,

will auf mich zu!

(Er bäumt sich vor Entsetzen auf)

Ein grässlicher Rachen

reisst sich mir auf:

der Wurm will mich fangen!

Fafner! Fafner!

(Er sinkt laut schreiend hinter dem breiten Amboss zusammen)

SIEGFRIED

(bricht aus dem Waldgesträuch hervor und ruft noch hinter der Szene, während man seine Bewegung an dem zerkrachenden Gezweige des Gesträuches gewahrt)

Heda! Du Fauler!

Bist du nun fertig!

(Er tritt in die Höhle herein und hält verwundert an)

Schnell! Wie steht's mit dem Schwert?

Wo steckt der Schmied?

Stahl er sich fort?

Hehe! Mime, du Memme!

Wo bist du? Wo birgst du dich?

MIME

(mit schwacher Stimme hinter dem Amboss)

Bist du es, Kind?

Kommst du allein?

SIEGFRIED

(lachend)

Hinter dem Amboss? -

Sag', was schufest du dort?

Schärftest du mir das Schwert?

MIME

(höchst verstört und zerstreut hervorkommend)

Das Schwert? Das Schwert?

Wie möcht' ich's schweissen? -

(halb für sich)

"Nur wer das Fürchten

nie erfuhr,

schmiedet Notung neu." -

Zu weise ward ich

für solches Werk!

SIEGFRIED

(heftig)

Wirst du mir reden?

Soll ich dir raten?

MIME

(wie zuvor)

Wo nähm' ich redlichen Rat? -

Mein weises Haupt

hab' ich verwettet:

(vor sich hin starrend)

verfallen, verlor ich's an den,

"der das Fürchten nicht gelernt".

SIEGFRIED

(ungestüm)

Sind mir das Flausen?

Willst du mir fliehn?

MIME

(allmählich sich etwas fassend)

Wohl flöh' ich dem,

der's Fürchten kennt! -

Doch das liess ich dem Kinde zu lehren!

Ich Dummer vergass,

was einzig gut:

Liebe zu mir

sollt' er lernen; -

das gelang nun leider faul! -

Wie bring' ich das Fürchten ihm bei?

SIEGFRIED

(packt ihn)

He! Muss ich helfen?

Was fegtest du heut'?

MIME

Um dich nur besorgt,

versank ich in Sinnen,

wie ich dich Wichtiges wiese.

SIEGFRIED

(lachend)

Bis unter den Sitz

warst du versunken:

was Wichtiges fandest du da?

MIME

(sich immer mehr fassend)

Das Fürchten lernt' ich für dich,

dass ich's dich Dummen lehre.

SIEGFRIED

(mit ruhiger Verwunderung)

Was ist's mit dem Fürchten?

MIME

Erfuhrst du's noch nie

und willst aus dem Wald

doch fort in die Welt?

Was frommte das festeste Schwert,

blieb dir das Fürchten fern?

SIEGFRIED

(ungeduldig)

Faulen Rat

erfindest du wohl?

MIME

(immer zutraulicher Siegfried näher tretend)

Deiner Mutter Rat

redet aus mir;

was ich gelobte,

muss ich nun lösen:

in die listige Welt

dich nicht zu entlassen,

eh' du nicht das Fürchten gelernt.

SIEGFRIED

(heftig)

Ist's eine Kunst,

was kenn' ich sie nicht?

Heraus! Was ist's mit dem Fürchten?

MIME

Fühltest du nie

im finstren Wald,

bei Dämmerschein

am dunklen Ort,

wenn fern es säuselt,

summt und saust,

wildes Brummen

näher braust,

wirres Flackern

um dich flimmert,

schwellend Schwirren

zu Leib dir schwebt: -

fühltest du dann nicht grieselnd

Grausen die Glieder dir fahen?

Glühender Schauer

schüttelt die Glieder,

in der Brust bebend und bang

berstet hämmernd das Herz?

Fühltest du das noch nicht,

das Fürchten blieb dir dann fremd.

SIEGFRIED

(nachsinnend)

Sonderlich seltsam

muss das sein!

Hart und fest,

fühl' ich, steht mir das Herz. -

Das Grieseln und Grausen,

das Glühen und Schauern,

Hitzen und Schwindeln,

Hämmern und Beben: -

gern begehr' ich das Bangen,

sehnend verlangt mich's der Lust! -

Doch wie bringst du,

Mime, mir's bei?

Wie wärst du, Memme, mir Meister?

MIME

Folge mir nur,

ich führe dich wohl:

sinnend fand ich es aus.

Ich weiss einen schlimmen Wurm,

der würgt' und schlang schon viel:

Fafner lehrt dich das Fürchten,

folgst du mir zu seinem Nest.

SIEGFRIED

Wo liegt er im Nest?

MIME

Neidhöhle

wird es genannt:

im Ost, am Ende des Walds.

SIEGFRIED

Dann wär's nicht weit von der Welt?

MIME

Bei Neidhöhle liegt sie ganz nah.

SIEGFRIED

Dahin denn sollst du mich führen:

lernt' ich das Fürchten,

dann fort in die Welt!

Drum schnell! Schaffe das Schwert,

in der Welt will ich es schwingen.

MIME

Das Schwert? O Not!

SIEGFRIED

Rasch in die Schmiede!

Weis', was du schufst!

MIME

Verfluchter Stahl!

Zu flicken versteh' ich ihn nicht:

den zähen Zauber

bezwingt keines Zwergen Kraft.

Wer das Fürchten nicht kennt,

der fänd' wohl eher die Kunst.

SIEGFRIED

Feine Finten

weiss mir der Faule;

dass er ein Stümper,

sollt' er gestehn:

nun lügt er sich listig heraus!

Her mit den Stücken,

fort mit dem Stümper!

(auf den Herd zuschreitend)

Des Vaters Stahl

fügt sich wohl mir:

ich selbst schweisse das Schwert.

(Er macht sich, Mimes Gerät durcheinander werfend, mit Ungestüm an die Arbeit)

MIME

Hättest du fleissig

die Kunst gepflegt,

jetzt käm' dir's wahrlich zugut;

doch lässig warst du

stets in der Lehr':

was willst du Rechtes nun rüsten?

SIEGFRIED

Was der Meister nicht kann,

vermöcht' es der Knabe,

hätt' er ihm immer gehorcht? -

(Er dreht ihm eine Nase)

Jetzt mach' dich fort,

misch' dich nicht drein:

sonst fällst du mir mit ins Feuer!

(Er hat eine grosse Menge Kohlen auf dem Herd aufgehäuft und unterhält in einem fort die Glut, während er die Schwertstücke in den Schraubstock einspannt und sie zu Spänen zerfeilt)

MIME

(der sich etwas abseits niedergesetzt hat, sieht Siegfried bei der Arbeit zu)

Was machst du denn da?

Nimm doch die Löte:

den Brei braut' ich schon längst.

SIEGFRIED

Fort mit dem Brei!

Ich brauch' ihn nicht:

Mit Bappe back' ich kein Schwert!

MIME

Du zerfeilst die Feile,

zerreibst die Raspel:

wie willst du den Stahl zerstampfen?

SIEGFRIED

Zersponnen muss ich

in Späne ihn sehn:

was entzwei ist, zwing' ich mir so.

(Er feilt mit grossem Eifer fort)

MIME

(für sich)

Hier hilft kein Kluger,

das seh' ich klar:

hier hilft dem Dummen

die Dummheit allein!

Wie er sich rührt

und mächtig regt!

ihm schwindet der Stahl,

doch wird ihm nicht schwül! -

(Siegfried hat das Herdfeuer zur hellsten Glut angefacht.)

Nun ward ich so alt

wie Höhl' und Wald,

und hab' nicht so was geseh'n!

(Während Siegfried mit ungestümem Eifer fortfährt, die Schwertstücken zu zerfeilen, setzt sich Mime noch mehr beiseite.)

Mit dem Schwert gelingt's,

das lern' ich wohl:

furchtlos fegt er's zu ganz.

Der Wand'rer wusst' es gut! -

Wie berg' ich nun

mein banges Haupt?

Dem kühnen Knaben verfiel's,

lehrt' ihn nicht Fafner die Furcht!

(mit wachsender Unruhe aufspringend und sich beugend)

Doch weh' mir Armen!

Wie würgt' er den Wurm,

erführ' er das Fürchten von ihm?

Wie erräng' er mir den Ring?

Verfluchte Klemme!

Da klebt' ich fest,

fänd' ich nicht klugen Rat,

wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng'.

SIEGFRIED

(hat nun die Stücken zerfeilt und in einem Schmelztiegel gefangen, den er jetzt in die Herdglut stellt)

He, Mime! Geschwind!

Wie heisst das Schwert,

das ich in Späne zersponnen?

MIME

(fährt zusammen und wendet sich zu Siegfried)

Notung nennt sich

das neidliche Schwert:

deine Mutter gab mir die Mär.

SIEGFRIED

(nährt unter dem folgenden die Glut mit dem Blasebalg)

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Was musstest du zerspringen?

Zu Spreu nun schuf ich

die scharfe Pracht,

im Tiegel brat' ich die Späne.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

Blase, Balg!

Blase die Glut! -

Wild im Walde

wuchs ein Baum,

den hab' ich im Forst gefällt: -

die braune Esche

brannt' ich zur Kohl',

auf dem Herd nun liegt sie gehäuft.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

Blase, Balg!

Blase die Glut!

Des Baumes Kohle,

wie brennt sie kühn;

wie glüht sie hell und hehr!

In springenden Funken

sprühet sie auf:

Hohei! Hohei! Hohei!

Zerschmilzt mir des Stahles Spreu.

Hoho! Hoho!

Hohei! Hoho!

Blase, Balg!

Blase die Glut!

MIME

(immer für sich, entfernt sitzend)

Er schmiedet das Schwert,

und Fafner fällt er:

das seh' ich nun sicher voraus.

Hort und Ring

erringt er im Harst: -

wie erwerb' ich mir den Gewinn?

Mit Witz und List

erlang' ich beides

und berge heil mein Haupt.

SIEGFRIED

(nochmals am Blasebalg)

Hoho! Hoho!

Hohei! Hohei!

MIME

(im Vordergrunde für sich)

Rang er sich müd mit dem Wurm,

von der Müh' erlab' ihn ein Trunk:

aus würz'gen Säften,

die ich gesammelt,

brau' ich den Trank für ihn;

wenig Tropfen nur

braucht er zu trinken,

sinnenlos sinkt er in Schlaf.

Mit der eignen Waffe,

die er sich gewonnen,

räum' ich ihn leicht aus dem Weg,

erlange mir Ring und Hort.

(Er reibt sich vergnügt die Hände)

Zusammen

SIEGFRIED

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Nun schmolz deines Stahles Spreu!

Im eignen Schweisse

schwimmst du nun.

MIME

Hei! Weiser Wand'rer!

Dünkt' ich dich dumm?

Wie gefällt dir nun

mein feiner Witz?

MIME

Fand ich mir wohl

Rat und Ruh'?

SIEGFRIED

(Er giesst den glühenden Inhalt des Tiegels in eine Stangenform und hält diese in die Höhe)

Bald schwing' ich dich als mein Schwert!

(Er stösst die gefüllte Stangenform in den Wassereimer; Dampf und lautes Gezisch der Kühlung erfolgen)

In das Wasser floss

ein Feuerfluss:

grimmiger Zorn

zischt' ihm da auf!

Wie sehrend er floss,

in des Wassers Flut

fliesst er nicht mehr.

Starr ward er und steif,

herrisch der harte Stahl:

heisses Blut doch

fliesst ihm bald! -

(Er stösst den Stahl in die Herdglut und zieht die Blasebälge mächtig an)

Nun schwitze noch einmal,

dass ich dich schweisse,

Notung, neidliches Schwert!

(Mime ist vergnügt aufgesprungen; er holt verschiedene Gefässe hervor, schüttet aus ihnen Gewürz und Kräuter in einen Kochtopf und sucht, diesen auf dem Herd anzubringen.)

(Siegfried beobachtet während der Arbeit Mime, welcher vom andern Ende des Herdes her seinen Topf sorgsam an die Glut stellt)

Was schafft der Tölpel

dort mit dem Topf?

Brenn' ich hier Stahl,

braust du dort Sudel?

MIME

Zuschanden kam ein Schmied,

den Lehrer sein Knabe lehrt:

mit der Kunst nun ist's beim Alten aus,

als Koch dient er dem Kind.

Brennt es das Eisen zu Brei,

aus Eiern braut

der Alte ihm Sud.

(er fährt fort zu kochen)

SIEGFRIED

Mime, der Künstler,

lernt jetzt kochen;

das Schmieden schmeckt ihm nicht mehr.

Seine Schwerter alle

hab' ich zerschmissen;

was er kocht, ich kost' es ihm nicht!

(Unter dem Folgenden zieht Siegfried die Stangenform aus der Glut, zerschlägt sie und legt den glühenden Stahl auf dem Amboss zurecht)

Das Fürchten zu lernen,

will er mich führen;

ein Ferner soll es mich lehren:

was am besten er kann,

mir bringt er's nicht bei:

als Stümper besteht er in allem!

(während des Schmiedens)

Hoho! Hoho! Hohei!

Schmiede, mein Hammer,

ein hartes Schwert!

Hoho! Hahei!

Hoho! Hahei!

Einst färbte Blut

dein falbes Blau;

sein rotes Rieseln

rötete dich:

kalt lachtest du da,

das warme lecktest du kühl!

Heiaho! Haha!

Haheiaha!

Nun hat die Glut

dich rot geglüht;

deine weiche Härte

dem Hammer weicht:

zornig sprühst du mir Funken,

dass ich dich Spröden gezähmt!

Heiaho! Heiaho!

Heiahohoho!

Hahei!

MIME

(beiseite)

Er schafft sich ein scharfes Schwert,

Fafner zu fällen,

der Zwerge Feind:

ich braut' ein Truggetränk,

Siegfried zu fangen,

dem Fafner fiel.

Gelingen muss mir die List;

lachen muss mir der Lohn!

(Er beschäftigt sich während des folgenden damit, den Inhalt des Topfes in eine Flasche zu giessen)

SIEGFRIED

Hoho! Hoho!

Hahei!

Schmiede, mein Hammer,

ein hartes Schwert!

Hoho! Hahei!

Hoho! Hahei!

Der frohen Funken

wie freu' ich mich;

es ziert den Kühnen

des Zornes Kraft:

lustig lachst du mich an,

stellst du auch grimm dich und gram!

Heiaho, haha,

haheiaha!

Durch Glut und Hammer

glückt' es mir;

mit starken Schlägen

streckt' ich dich:

nun schwinde die rote Scham;

werde kalt und hart, wie du kannst.

Heiaho! Heiaho!

Heiahohoho!

Heiah!

(Er schwingt den Stahl und stösst ihn in den Wassereimer. Er lacht bei dem Gezisch laut auf.)

(Während Siegfried die geschmiedete Schwertklinge in dem Griffhefte befestigt, treibt sich Mime mit der Flasche im Vordergrunde umher)

MIME

Den der Bruder schuf,

den schimmernden Reif,

in den er gezaubert

zwingende Kraft,

das helle Gold,

das zum Herrscher macht, -

ihn hab' ich gewonnen!

Ich walte sein! -

(Er trippelt, während Siegfried mit dem kleinen Hammer arbeitet und schleift und feilt, mit zunehmender Vergnügtheit lebhaft umher.)

Alberich selbst,

der einst mich band,

zur Zwergenfrone

zwing' ich ihn nun;

als Niblungenfürst

fahr' ich darnieder;

gehorchen soll mir

alles Heer!

Der verachtete Zwerg,

wie wird er geehrt! -

Zu dem Horte hin drängt sich

Gott und Held:

(mit immer lebhafteren Gebärden)

vor meinem Nicken

neigt sich die Welt,

vor meinem Zorne

zittert sie hin! -

Dann wahrlich müht sich

Mime nicht mehr:

ihm schaffen andre

den ew'gen Schatz.

Mime, der kühne,

Mime ist König,

Fürst der Alben,

Walter des Alls!

Hei, Mime! Wie glückte dir das!

Wer hätte wohl das gedacht!

SIEGFRIED

(hat während der letzten Absätze von Mimes Lied mit den letzten Schlägen die Nieten des Griffheftes geglättet und fasst nun das Schwert)

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Jetzt haftest du wieder im Heft.

Warst du entzwei,

ich zwang dich zu ganz;

kein Schlag soll nun dich mehr zerschlagen.

Dem sterbenden Vater

zersprang der Stahl,

der lebende Sohn

schuf ihn neu:

nun lacht ihm sein heller Schein,

seine Schärfe schneidet ihm hart.

(das Schwert vor sich schwingend)

Notung! Notung!

Neidliches Schwert!

Zum Leben weckt' ich dich wieder,

tot lagst du

in Trümmern dort,

jetzt leuchtest du trotzig und hehr.

Zeige den Schächern

nun deinen Schein!

Schlage den Falschen,

fälle den Schelm! -

Schau, Mime, du Schmied: -

(Er holt mit dem Schwert aus)

so schneidet Siegfrieds Schwert!

(Er schlägt auf den Amboss, welcher von oben bis unten in zwei Stücke zerspaltet, so dass er unter grossem Gepolter auseinander fällt. Mime, welcher in höchster Verzückung sich auf einen Schemel geschwungen hatte, fällt vor Schreck sitzlings zu Boden. Siegfried hält jauchzend das Schwert in die Höhe. - Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug
Vorspiel und Erste Szene

Tiefer Wald.
Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo er eine kleine Hochebene bildet; von da senkt er sich nach hinten, der Höhle zu, wieder abwärts, so dass von dieser nur der obere Teil der Öffnung dem Zuschauer sichtbar ist. Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felsenwand. - Finstere Nacht, am dichtesten über dem Hintergrunde, wo anfänglich der Blick des Zuschauers gar nichts zu unterscheiden vermag.

ALBERICH

(an der Felsenwand zur Seite gelagert, düster brütend)

In Wald und Nacht

vor Neidhöhl' halt' ich Wacht:

es lauscht mein Ohr,

mühvoll lugt mein Aug'. -

Banger Tag,

bebst du schon auf?

Dämmerst du dort

durch das Dunkel her?

(Aus dem Walde von rechts her erhebt sich ein Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von ebendaher.)

Welcher Glanz glitzert dort auf?

Näher schimmert

ein heller Schein; -

es rennt wie ein leuchtendes Ross,

bricht durch den Wald

brausend daher. -

Naht schon des Wurmes Würger?

Ist's schon, der Fafner fällt?

(Der Sturmwind legt sich wieder; der Glanz verlischt.)

Das Licht erlischt, -

der Glanz barg sich dem Blick:

Nacht ist's wieder.

(Der Wanderer tritt aus dem Wald und hält Alberich gegenüber an.)

ALBERICH

Wer naht dort schimmernd im Schatten?

WANDERER

Zur Neidhöhle

fuhr ich bei Nacht: -

wen gewahr' ich im Dunkel dort?

(Wie aus einem plötzlich zerreissenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt.)

ALBERICH

(erkennt den Wanderer, fährt erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut aus)

Du selbst lässt dich hier sehn?

Was willst du hier?

Fort, aus dem Weg!

Von dannen, schamloser Dieb!

WANDERER

(ruhig)

Schwarz-Alberich,

schweifst du hier?

Hütest du Fafners Haus?

ALBERICH

Jagst du auf neue

Neidtat umher?

Weile nicht hier,

weiche von hinnen!

Genug des Truges

tränkte die Stätte mit Not.

Drum, du Frecher,

lass sie jetzt frei!

WANDERER

Zu schauen kam ich,

nicht zu schaffen:

wer wehrte mir Wand'rers Fahrt?

ALBERICH

(lacht tückisch auf)

Du Rat wütender Ränke!

Wär' ich dir zulieb

doch noch dumm wie damals,

als du mich Blöden bandest,

wie leicht geriet' es,

den Ring mir nochmals zu rauben!

Hab' acht! Deine Kunst

kenne ich wohl;

doch wo du schwach bist,

blieb mir auch nicht verschwiegen.

Mit meinen Schätzen

zahltest du Schulden;

mein Ring lohnte

der Riesen Müh',

die deine Burg dir gebaut.

Was mit den Trotzigen

einst du vertragen,

des Runen wahrt noch heut'

deines Speeres herrischer Schaft.

Nicht du darfst,

was als Zoll du gezahlt,

den Riesen wieder entreissen:

du selbst zerspelltest

deines Speeres Schaft;

in deiner Hand

der herrische Stab,

der starke, zerstiebte wie Spreu!

WANDERER

Durch Vertrages Treuerunen

band er dich

Bösen mir nicht:

dich beugt' er mir durch seine Kraft;

zum Krieg drum wahr' ich ihn wohl!

ALBERICH

Wie stolz du dräust

in trotziger Stärke,

und wie dir's im Busen doch bangt! -

Verfallen dem Tod

durch meinen Fluch

ist des Hortes Hüter: -

wer wird ihn beerben?

Wird der neidliche Hort

dem Niblungen wieder gehören?

Das sehrt dich mit ew'ger Sorge!

Denn fass' ich ihn wieder

einst in der Faust,

anders als dumme Riesen

üb' ich des Ringes Kraft: -

dann zittre der Helden

heiliger Hüter!

Walhalls Höhen

stürm' ich mit Hellas Heer:

der Welt walte dann ich!

WANDERER

(ruhig)

Deinen Sinn kenn' ich wohl;

doch sorgt er mich nicht.

Des Ringes waltet,

wer ihn gewinnt.

ALBERICH

Wie dunkel sprichst du,

was ich deutlich doch weiss!

An Heldensöhne

hält sich dein Trotz,

(höhnisch)

die traut deinem Blute entblüht.

Pflegtest du wohl eines Knaben,

der klug die Frucht dir pflücke,

(immer heftiger)

die du nicht brechen darfst?

WANDERER

Mit mir nicht,

hadre mit Mime:

dein Bruder bringt dir Gefahr;

einen Knaben führt er daher,

der Fafner ihm fällen soll.

Nichts weiss der von mir;

der Niblung nützt ihn für sich.

Drum sag' ich dir, Gesell:

tue frei, wie dir's frommt!

(Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde.)

Höre mich wohl,

sei auf der Hut!

Nicht kennt der Knabe den Ring;

doch Mime kundet' ihn aus.

ALBERICH

(heftig)

Deine Hand hieltest du vom Hort?

WANDERER

Wen ich liebe,

lass' ich für sich gewähren;

er steh' oder fall',

sein Herr ist er:

Helden nur können mir frommen.

ALBERICH

Mit Mime räng' ich

allein um den Ring?

WANDERER

Ausser dir begehrt er

einzig das Gold.

ALBERICH

Und dennoch gewänn' ich ihn nicht?

WANDERER

(ruhig nähertretend)

Ein Helde naht,

den Hort zu befrei'n;

zwei Niblungen geizen das Gold;

Fafner fällt,

der den Ring bewacht: -

wer ihn rafft, hat ihn gewonnen. -

Willst du noch mehr?

Dort liegt der Wurm:

(er wendet sich nach der Höhle)

warnst du ihn vor dem Tod,

willig wohl liess' er den Tand. -

Ich selber weck' ihn dir auf.

(Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein)

Fafner! Fafner!

Erwache, Wurm!

ALBERICH

(in gespanntem Erstaunen, für sich)

Was beginnt der Wilde?

Gönnt er mir's wirklich?

(Aus der finstern Tiefe des Hintergrundes hört man Fafners Stimme durch ein starkes Sprachrohr.)

FAFNER

Wer stört mir den Schlaf?

WANDERER

(der Höhle zugewandt)

Gekommen ist einer,

Not dir zu künden:

er lohnt dir's mit dem Leben,

lohnst du das Leben ihm

mit dem Horte, den du hütest?

(Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu)

FAFNER

(stimme)

Was will er?

ALBERICH

(ist dem Wanderer zur Seite getreten und ruft in die Höhle)

Wache, Fafner!

Wache, du Wurm!

Ein starker Helde naht,

dich heil'gen will er bestehn.

FAFNER

(stimme)

Mich hungert sein.

WANDERER

Kühn ist des Kindes Kraft,

scharf schneidet sein Schwert.

ALBERICH

Den goldnen Reif

geizt er allein:

lass mir den Ring zum Lohn,

so wend' ich den Streit;

du wahrest den Hort,

und ruhig lebst du lang'!

FAFNER

(stimme)

Ich lieg' und besitz': -

(gähnend)

lasst mich schlafen!

WANDERER

(lacht auf und wendet sich dann wieder zu Alberich)

Nun, Alberich, das schlug fehl.

Doch schilt mich nicht mehr Schelm!

Dies eine, rat' ich,

achte noch wohl:

(vertraulich zum ihm tretend)

Alles ist nach seiner Art:

an ihr wirst du nichts ändern. -

Ich lass' dir die Stätte,

stelle dich fest!

Versuch's mit Mime, dem Bruder:

der Art ja versiehst du dich besser.

(zum Abgange gewendet)

Was anders ist, -

das lerne nun auch!

(Er verschwindet im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell.)

ALBERICH

(blickt dem davonjagenden Wanderer nach)

Da reitet er hin,

auf lichtem Ross;

mich lässt er in Sorg' und Spott.

Doch lacht nur zu,

ihr leichtsinniges,

lustgieriges

Göttergelichter!

Euch seh' ich

noch alle vergehn!

Solang' das Gold

am Lichte glänzt,

hält ein Wissender Wacht: -

Trügen wird euch sein Trotz!

(Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. Die Bühne bleibt leer. Morgendämmerung.)

Zweite Szene

Bei anbrechendem Tage treten Mime und Siegfried auf. Siegfried trägt das Schwert in einem Gehenke von Bastseil. Mime erspäht genau die Stätte; er forscht endlich dem Hintergrunde zu, welcher - während die Anhöhe im mittleren Vordergrunde später immer heller von der Sonne beleuchtet wird - in finstrem Schatten bleibt; dann bedeutet er Siegfried.

MIME

Wir sind zur Stelle!

Bleib hier stehn!

SIEGFRIED

(setzt sich unter einer grossen Linde nieder und schaut sich um)

Hier soll ich das Fürchten lernen?

Fern hast du mich geleitet:

eine volle Nacht im Walde

selbander wanderten wir.

Nun sollst du, Mime,

mich meiden!

Lern' ich hier nicht,

was ich lernen muss,

allein zieh' ich dann weiter:

dich endlich werd' ich da los!

MIME

(setzt sich ihm gegenüber, so dass er die Höhle immer noch im Auge behält)

Glaube, Liebster!

Lernst du heut' und hier

das Fürchten nicht,

an andrem Ort,

zu andrer Zeit

schwerlich erfährst du's je. -

Siehst du dort

den dunklen Höhlenschlund?

Darin wohnt

ein greulich wilder Wurm:

unmassen grimmig

ist er und gross;

ein schrecklicher Rachen

reisst sich ihm auf;

mit Haut und Haar

auf einen Happ

verschlingt der Schlimme dich wohl.

SIEGFRIED

(immer unter der Linde sitzend)

Gut ist's, den Schlund ihm zu schliessen:

drum biet' ich mich nicht dem Gebiss.

MIME

Giftig giesst sich

ein Geifer ihm aus:

wen mit des Speichels

Schweiss er bespeit,

dem schwinden wohl Fleisch und Gebein.

SIEGFRIED

Dass des Geifers Gift mich nicht sehre,

weich' ich zur Seite dem Wurm.

MIME

Ein Schlangenschweif

schlägt sich ihm auf:

wen er damit umschlingt

und fest umschliesst,

dem brechen die Glieder wie Glas!

SIEGFRIED

Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren,

halt' ich den Argen im Aug'. -

Doch heisse mich das:

hat der Wurm ein Herz?

MIME

Ein grimmiges, hartes Herz!

SIEGFRIED

Das sitzt ihm doch,

wo es jedem schlägt,

trag' es Mann oder Tier?

MIME

Gewiss, Knabe,

da führt's auch der Wurm.

Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an?

SIEGFRIED

(bisher nachlässig ausgestreckt, erhebt sich rasch zum Sitz)

Notung stoss' ich

dem Stolzen ins Herz!

Soll das etwa Fürchten heissen?

He, du Alter!

Ist das alles,

was deine List

mich lehren kann?

Fahr' deines Wegs dann weiter;

das Fürchten lern' ich hier nicht.

MIME

Wart' es nur ab!

Was ich dir sage,

dünke dich tauber Schall:

ihn selber musst du

hören und sehn,

die Sinne vergehn dir dann schon!

Wenn dein Blick verschwimmt,

der Boden dir schwankt,

im Busen bang

dein Herz erbebt:

(sehr freundlich)

dann dankst du mir, der dich führte,

gedenkst, wie Mime dich liebt.

SIEGFRIED

Du sollst mich nicht lieben!

Sagt' ich dir's nicht?

Fort aus den Augen mir!

Lass mich allein:

sonst halt' ich's hier länger nicht aus,

fängst du von Liebe gar an!

Das eklige Nicken

und Augenzwicken,

wann endlich soll ich's

nicht mehr sehn,

wann werd' ich den Albernen los?

MIME

Ich lass' dich schon.

Am Quell dort lagr' ich mich;

steh' du nur hier;

steigt dann die Sonne zur Höh',

merk' auf den Wurm:

aus der Höhle wälzt er sich her,

hier vorbei

biegt er dann,

am Brunnen sich zu tränken.

SIEGFRIED

(lachend)

Mime, weilst du am Quell,

dahin lass' ich den Wurm wohl gehn:

Notung stoss' ich

ihm erst in die Nieren,

wenn er dich selbst dort

mit weggesoffen.

Darum, hör' meinen Rat,

raste nicht dort am Quell;

kehre dich weg,

so weit du kannst,

und komm' nie mehr zu mir!

MIME

Nach freislichem Streit

dich zu erfrischen,

wirst du mir wohl nicht wehren?

(Siegfried wehrt ihn hastig ab.)

Rufe mich auch,

darbst du des Rates, -

(Siegfried wiederholt die Gebärde mit Ungestüm.)

oder wenn dir das Fürchten gefällt.

(Siegfried erhebt sich und treibt Mime mit wütender Gebärde zum Fortgehen.)

(im Abgehen für sich)

Fafner und Siegfried -

Siegfried und Fafner -

O brächten beide sich um!

(Er verschwindet rechts im Wald)

SIEGFRIED

(streckt sich behaglich unter der Linde aus und blickt dem davongehenden Mime nach)

Dass der mein Vater nicht ist,

wie fühl' ich mich drob so froh!

Nun erst gefällt mir

der frische Wald;

nun erst lacht mir

der lustige Tag,

da der Garstige von mir schied

und ich gar nicht ihn wiederseh'!

(Er verfällt in schweigendes Sinnen)

Wie sah mein Vater wohl aus? -

Ha, gewiss wie ich selbst!

Denn wär' wo von Mime ein Sohn,

müsst' er nicht ganz

Mime gleichen?

Grade so garstig,

griesig und grau,

klein und krumm,

höckrig und kinkend,

mit hängenden Ohren,

triefigen Augen

fort mit dem Alp!

Ich mag ihn nicht mehr seh'n.

(Er lehnt sich tiefer zurück und blickt durch die Baumwipfel auf. Tiefe Stille. Waldweben.)

Aber - wie sah

meine Mutter wohl aus?

Das kann ich

nun gar nicht mir denken! -

Der Rehhindin gleich

glänzten gewiss

ihr hell schimmernde Augen,

nur noch viel schöner! -

Da bang sie mich geboren,

warum aber starb sie da?

Sterben die Menschenmütter

an ihren Söhnen

alle dahin? -

Traurig wäre das, traun!

Ach, möcht' ich Sohn

meine Mutter sehen! -

Meine Mutter -

ein Menschenweib!

(Er seufzt leise und streckt sich tiefer zurück. Grosse Stille. - Wachsendes Waldweben. Siegfrieds Aufmerksamkeit wird endlich durch den Gesang der Waldvögel gefesselt. Er lauscht mit wachsender Teilnahme einem Waldvogel in den Zweigen über ihm.)

Du holdes Vöglein!

Dich hört' ich noch nie:

bist du im Wald hier daheim? -

Verstünd' ich sein süsses Stammeln!

Gewiss sagt' es mir was, -

vielleicht von der lieben Mutter?

Ein zankender Zwerg

hat mir erzählt,

der Vöglein Stammeln

gut zu verstehn,

dazu könnte man kommen.

Wie das wohl möglich wär'? -

(Er sinnt nach. Sein Blick fällt auf ein Rohrgebüsch unweit der Linde)

Hei! Ich versuch's;

sing' ihm nach:

auf dem Rohr tön' ich ihm ähnlich!

Entrat' ich der Worte,

achte der Weise,

sing' ich so seine Sprache,

versteh' ich wohl auch, was es spricht.

(Er eilt an den nahen Quell, schneidet mit dem Schwerte ein Rohr ab und schnitzt sich hastig eine Pfeife daraus. Währenddem lauscht er wieder)

Es schweigt und lauscht: -

so schwatz' ich denn los!

(Er bläst auf dem Rohr. Er setzt ab, schnitzt wieder und bessert. Er bläst wieder. Er schüttelt mit dem Kopfe und bessert wieder. Er wird ärgerlich, drückt das Rohr mit der Hand und versucht wieder. Er setzt lächelnd ganz ab)

Das tönt nicht recht;

auf dem Rohre taugt

die wonnige Weise mir nicht. -

Vöglein, mich dünkt,

ich bleibe dumm:

von dir lernt sich's nicht leicht! -

(Er hört den Vogel wieder und blickt zu ihm auf)

Nun schäm' ich mich gar

vor dem schelmischen Lauscher:

er lugt und kann nichts erlauschen. -

Heida! So höre

nun auf mein Horn.

(Er schwingt das Rohr und wirft es weit fort)

Auf dem dummen Rohre

gerät mir nichts. -

Einer Waldweise,

wie ich sie kann,

der lustigen sollst du nun lauschen.

Nach liebem Gesellen

lockt' ich mit ihr:

nichts Bessres kam noch

als Wolf und Bär.

Nun lass mich sehn,

wen jetzt sie mir lockt:

ob das mir ein lieber Gesell?

(Er nimmt das silberne Hifthorn und bläst darauf. Im Hintergrunde regt es sich. - Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben; er bricht durch das Gesträuch und wälzt sich aus der Tiefe nach der höheren Stelle vor, so dass er mit dem Vorderleibe bereits auf ihr angelangt ist, als er jetzt einen starken, gähnenden Laut ausstösst.)

SIEGFRIED

(sieht sich um und heftet den Blick verwundert auf Fafner)

Haha! Da hätte mein Lied

mir was Liebes erblasen!

Du wärst mir ein saub'rer Gesell!

FAFNER

(hat beim Anblick Siegfrieds auf der Höhe angehalten und verweilt nun daselbst)

Was ist da?

SIEGFRIED

Ei, bist du ein Tier,

das zum Sprechen taugt,

wohl liess' sich von dir was lernen?

Hier kennt einer

das Fürchten nicht:

kann er's von dir erfahren?

FAFNER

Hast du Übermut?

SIEGFRIED

Mut oder Übermut -

was weiss ich!

Doch dir fahr' ich zu Leibe,

lehrst du das Fürchten mich nicht!

FAFNER

(stösst einen lachenden Laut aus)

Trinken wollt' ich:

nun treff' ich auch Frass!

(Er öffnet seinen Rachen und zeigt die Zähne)

SIEGFRIED

Eine zierliche Fresse

zeigst du mir da,

lachende Zähne

im Leckermaul!

Gut wär' es, den Schlund dir zu schliessen;

dein Rachen reckt sich zu weit!

FAFNER

Zu tauben Reden

taugt er schlecht:

dich zu verschlingen,

frommt der Schlund.

(Er droht mit dem Schweife)

SIEGFRIED

Hoho! Du grausam

grimmiger Kerl!

Von dir verdaut sein,

dünkt mich übel:

rätlich und fromm doch scheint's,

du verrecktest hier ohne Frist.

FAFNER

(brüllend)

Pruh! Komm,

prahlendes Kind!

SIEGFRIED

Hab' acht, Brüller!

Der Prahler naht!

(Er zieht sein Schwert, springt Fafner an und bleibt herausfordernd stehen. Fafner wälzt sich weiter auf die Höhe herauf und sprüht aus den Nüstern auf Siegfried. Dieser weicht dem Geifer aus, springt näher zu und stellt sich zur Seite. Fafner sucht ihn mit dem Schweife zu erreichen. Siegfried, welchen Fafner fast erreicht hat, springt mit einem Satze über diesen hinweg und verwundet ihn an dem Schweife. Fafner brüllt, zieht den Schweif heftig zurück und bäumt den Vorderleib, um mit dessen voller Wucht sich auf Siegfried zu werfen; so bietet er diesem die Brust dar; Siegfried erspäht schnell die Stelle des Herzens und stösst sein Schwert bis an das Heft hinein. Fafner bäumt sich vor Schmerz noch höher und sinkt, als Siegfried das Schwert losgelassen und zur Seite gesprungen ist, auf die Wunde zusammen.)

SIEGFRIED

Da lieg', neidischer Kerl!

Notung trägst du im Herzen.

FAFNER

(mit schwächerer Stimme)

Wer bist du, kühner Knabe,

der das Herz mir traf?

Wer reizte des Kindes Mut

zu der mordlichen Tat?

Dein Hirn brütete nicht,

was du vollbracht.

SIEGFRIED

Viel weiss ich noch nicht,

noch nicht auch, wer ich bin.

Mit dir mordlich zu ringen,

reiztest du selbst meinen Mut.

FAFNER

Du helläugiger Knabe,

unkund deiner selbst,

wen du gemordet

meld' ich dir.

Der Riesen ragend Geschlecht,

Fasolt und Fafner,

die Brüder - fielen nun beide.

Um verfluchtes Gold,

von Göttern vergabt,

traf ich Fasolt zu Tod:

der nun als Wurm

den Hort bewachte,

Fafner, den letzten Riesen,

fällte ein rosiger Held. -

Blicke nun hell,

blühender Knabe:

der dich Blinden reizte zur Tat,

berät jetzt des Blühenden Tod!

(ersterbend)

Merk', wie's endet! -

Acht' auf mich!

SIEGFRIED

Woher ich stamme,

rate mir noch;

weise ja scheinst du,

Wilder, im Sterben:

rat' es nach meinem Namen: -

Siegfried bin ich genannt.

FAFNER

Siegfried!...

(Er seufzt, hebt sich und stirbt)

SIEGFRIED

Zur Kunde taugt kein Toter. -

So leite mich denn

mein lebendes Schwert!

(Fafner hat sich im Sterben zur Seite gewälzt. Siegfried zieht ihm jetzt das Schwert aus der Brust: dabei wird seine Hand vom Blute benetzt: er fährt heftig mit der Hand auf.)

Wie Feuer brennt das Blut!

(Er führt unwillkürlich die Finger zum Munde, um das Blut von ihnen abzusaugen. Wie er sinnend vor sich hinblickt, wird seine Aufmerksamkeit immer mehr von dem Gesange der Waldvögel angezogen.)

SIEGFRIED

Ist mir doch fast,

als sprächen die Vöglein zu mir!

Nützte mir das

des Blutes Genuss?

Das seltne Vöglein hier,

horch, was singt es nur?

STIMME EINES WALDVOGELS

(aus den Zweigen der Linde über Siegfried)

Hei! Siegfried gehört

nun der Niblungen Hort!

O, fänd' in der Höhle

den Hort er jetzt!

Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,

der taugt' ihm zu wonniger Tat:

doch möcht' er den Ring sich erraten,

der macht' ihn zum Walter der Welt!

SIEGFRIED

(hat mit verhaltenem Atem und verzückter Miene gelauscht)

Dank, liebes Vöglein,

für deinen Rat!

Gern folg' ich dem Ruf!

(Er wendet sich nach hinten und steigt in die Höhle hinab, wo er alsbald gänzlich verschwindet)

Dritte Szene

Mime schleicht heran, scheu umherblickend, um sich von Fafners Tod zu überzeugen. - Gleichzeitig kommt von der anderen Seite Alberich aus dem Geklüft; er beobachtet Mime genau. Als dieser Siegfried nicht mehr gewahrt und vorsichtig sich nach hinten der Höhle zuwendet, stürzt Alberich auf ihn zu und vertritt ihm den Weg.

ALBERICH

Wohin schleichst du

eilig und schlau,

schlimmer Gesell?

MIME

Verfluchter Bruder,

dich braucht' ich hier!

Was bringt dich her?

ALBERICH

Geizt es dich, Schelm,

nach meinem Gold?

Verlangst du mein Gut?

MIME

Fort von der Stelle!

Die Stätte ist mein:

was stöberst du hier?

ALBERICH

Stör' ich dich wohl

im stillen Geschäft,

wenn du hier stiehlst?

MIME

Was ich erschwang

mit schwerer Müh',

soll mir nicht schwinden.

ALBERICH

Hast du dem Rhein

das Gold zum Ringe geraubt?

Erzeugtest du gar

den zähen Zauber im Reif?

MIME

Wer schuf den Tarnhelm,

der die Gestalten tauscht?

Der seiner bedurfte,

erdachtest du ihn wohl?

ALBERICH

Was hättest du Stümper

je wohl zu stampfen verstanden?

Der Zauberring

zwang mir den Zwerg erst zur Kunst.

MIME

Wo hast du den Ring?

Dir Zagem entrissen ihn Riesen!

Was du verlorst,

meine List erlangt es für mich.

ALBERICH

Mit des Knaben Tat

will der Knicker nun knausern?

Dir gehört sie gar nicht,

der Helle ist selbst ihr Herr!

MIME

Ich zog ihn auf;

für die Zucht zahlt er mir nun:

für Müh' und Last

erlauert' ich lang meinen Lohn!

ALBERICH

Für des Knaben Zucht

will der knickrige

schäbige Knecht

keck und kühn

wohl gar König nun sein?

Dem räudigsten Hund

wäre der Ring

geratner als dir:

nimmer erringst

du Rüpel den Herrscherreif!

MIME

(kratzt sich den Kopf)

Behalt' ihn denn:

und hüt' ihn wohl,

den hellen Reif!

Sei du Herr:

doch mich heisse auch Bruder!

Um meines Tarnhelms

lustigen Tand

tausch' ich ihn dir:

uns beiden taugt's,

teilen die Beute wir so.

(Er reibt sich zutraulich die Hände)

ALBERICH

(mit Hohnlachen)

Teilen mit dir?

Und den Tarnhelm gar?

Wie schlau du bist!

Sicher schlief' ich

niemals vor deinen Schlingen!

MIME

(ausser sich)

Selbst nicht tauschen?

Auch nicht teilen?

Leer soll ich gehn?

Ganz ohne Lohn?

(kreischend)

Gar nichts willst du mir lassen?

ALBERICH

Nichts von allem!

Nicht einen Nagel

sollst du dir nehmen!

MIME

(in höchster Wut)

Weder Ring noch Tarnhelm

soll dir denn taugen!

Nicht teil' ich nun mehr!

Gegen dich doch ruf' ich

Siegfried zu Rat

und des Recken Schwert;

der rasche Held,

der richte, Brüderchen, dich!

(Siegfried erscheint im Hintergrund)

ALBERICH

Kehre dich um!

Aus der Höhle kommt er daher!

MIME

(sich umblickend)

Kindischen Tand

erkor er gewiss. -

ALBERICH

Den Tarnhelm hält er!

MIME

Doch auch den Ring!

ALBERICH

Verflucht! - Den Ring! -

MIME

(hämisch lachend)

Lass ihn den Ring dir doch geben!

Ich will ihn mir schon gewinnen.

(Er schlüpft mit den letzten Worten in den Wald zurück)

ALBERICH

Und doch seinem Herrn

soll er allein noch gehören!

(Er verschwindet im Geklüfte)

(Siegfried ist mit Tarnhelm und Ring während des letzteren langsam und sinnend aus der Höhle vorgeschritten: er betrachtet gedankenvoll seine Beute und hält, nahe dem Baume, auf der Höhe des Mittelgrundes wieder an)

SIEGFRIED

Was ihr mir nützt,

weiss ich nicht;

doch nahm ich euch

aus des Horts gehäuftem Gold,

weil guter Rat mir es riet.

So taug' eure Zier

als des Tages Zeuge,

es mahne der Tand,

dass ich kämpfend Fafner erlegt,

doch das Fürchten noch nicht gelernt!

(Er steckt den Tarnhelm sich in den Gürtel und den Reif an den Finger. - Stillschweigen. - Wachsendes Waldweben. - Siegfried achtet unwillkürlich wieder des Vogels und lauscht ihm mit verhaltenem Atem)

STIMME DES WALDVOGELS

Hei! Siegfried gehört

nun der Helm und der Ring!

O, traute er Mime,

dem treulosen, nicht!

Hörte Siegfried nur scharf

auf des Schelmen Heuchlergered'!

Wie sein Herz es meint,

kann er Mime verstehn:

so nützt' ihm des Blutes Genuss.

(Siegfrieds Miene und Gebärde drücken aus, dass er den Sinn des Vogelgesanges wohl vernommen. Er sieht Mime sich nähern und bleibt, ohne sich zu rühren, auf sein Schwert gestützt, beobachtend und in sich geschlossen, in seiner Stellung auf der Anhöhe bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes)

MIME

(schleicht heran und beobachtet vom Vordergrunde aus Siegfried)

Er sinnt und erwägt

der Beute Wert: -

weilte wohl hier

ein weiser Wand'rer,

schweifte umher,

beschwatzte das Kind

mit list'ger Runen Rat?

Zwiefach schlau

sei nun der Zwerg;

die listigste Schlinge

leg' ich jetzt aus,

dass ich mit traulichem

Truggerede

betöre das trotzige Kind.

(er tritt näher an Siegfried heran und bewillkommt diesen mit schmeichelnden Gebärden)

Willkommen, Siegfried!

Sag', du Kühner,

hast du das Fürchten gelernt?

SIEGFRIED

Den Lehrer fand ich noch nicht!

MIME

Doch den Schlangenwurm,

du hast ihn erschlagen?

Das war doch ein schlimmer Gesell?

SIEGFRIED

So grimm und tückisch er war,

sein Tod grämt mich doch schier,

da viel üblere Schächer

unerschlagen noch leben!

Der mich ihn morden hiess,

den hass' ich mehr als den Wurm!

MIME

(sehr freundlich)

Nur sachte! Nicht lange

siehst du mich mehr:

zum ew'gen Schlaf

schliess' ich dir die Augen bald!

Wozu ich dich brauchte,

(zärtlich)

hast du vollbracht;

jetzt will ich nur noch

die Beute dir abgewinnen.

Mich dünkt, das soll mir gelingen;

zu betören bist du ja leicht!

SIEGFRIED

So sinnst du auf meinen Schaden?

MIME

(verwundert)

Wie sagt' ich denn das? -

Siegfried! Hör doch, mein Söhnchen!

Dich und deine Art

hasst' ich immer von Herzen;

(zärtlich)

aus Liebe erzog ich

dich Lästigen nicht:

dem Horte in Fafners Hut,

dem Golde galt meine Müh'.

(als verspräche er ihm hübsche Sachen)

Gibst du mir das

gutwillig nun nicht, -

(als wäre er bereit, sein Leben für ihn zu lassen)

Siegfried, mein Sohn,

das siehst du wohl selbst,

(mit freundlichem Scherze)

dein Leben musst du mir lassen!

SIEGFRIED

Dass du mich hassest,

hör' ich gern:

doch auch mein Leben muss ich dir lassen?

MIME

(ärgerlich)

Das sagt' ich doch nicht?

Du verstehst mich ja falsch! -

(Er sucht sein Fläschchen hervor. - Er gibt sich die ersichtlichste Mühe zur Verstellung)

Sieh', du bist müde

von harter Müh';

brünstig wohl brennt dir der Leib:

dich zu erquicken

mit queckem Trank

säumt' ich Sorgender nicht.

Als dein Schwert du dir branntest,

braut' ich den Sud;

trinkst du nun den,

gewinn' ich dein trautes Schwert,

und mit ihm Helm und Hort.

(er kichert dazu)

SIEGFRIED

So willst du mein Schwert

und was ich erschwungen,

Ring und Beute, mir rauben?

MIME

(heftig)

Was du doch falsch mich verstehst!

Stamml' ich, fasl' ich wohl gar?

Die grösste Mühe

geb' ich mir doch,

mein heimliches Sinnen

heuchelnd zu bergen,

und du dummer Bube

deutest alles doch falsch!

Öffne die Ohren,

und vernimm genau:

Höre, was Mime meint! -

(wieder sehr freundlich, mit ersichtlicher Mühe)

Hier nimm und trinke die Labung!

Mein Trank labte dich oft:

tat'st du wohl unwirsch,

stelltest dich arg:

was ich dir bot, -

erbost auch - nahmst du's doch immer.

SIEGFRIED

(ohne eine Miene zu verziehen)

Einen guten Trank

hätt' ich gern:

wie hast du diesen gebraut?

MIME

(lustig scherzend, als schildere er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten soll)

Hei! So trink nur,

trau' meiner Kunst!

In Nacht und Nebel

sinken die Sinne dir bald:

ohne Wach' und Wissen

stracks streckst du die Glieder.

Liegst du nun da,

leicht könnt' ich

die Beute nehmen und bergen:

doch erwachtest du je,

nirgends wär' ich

sicher vor dir,

hätt' ich selbst auch den Ring.

Drum mit dem Schwert,

das so scharf du schufst,

(mit einer Gebärde ausgelassener Lustigkeit)

hau' ich dem Kind

den Kopf erst ab:

dann hab' ich mir Ruh' und auch den Ring!

(Er kichert wieder)

SIEGFRIED

Im Schlafe willst du mich morden?

MIME

(wütend ärgerlich)

Was möcht' ich? Sagt' ich denn das?

(Er bemüht sich, den zärtlichsten Ton anzunehmen)

Ich will dem Kind

(mit sorglichster Deutlichkeit)

nur den Kopf abhau'n!

(mit dem Ausdruck herzlicher Besorgtheit für Siegfrieds Gesundheit)

Denn hasste ich dich

auch nicht so sehr,

und hätt' ich des Schimpfs

und der schändlichen Mühe

auch nicht so viel zu rächen:

(sanft)

aus dem Wege dich zu räumen,

darf ich doch nicht rasten:

wie käm' ich sonst anders zur Beute,

da Alberich auch nach ihr lugt?

(Er giesst den Saft in das Trinkhorn und führt dieses Siegfried mit aufdringlicher Gebärde zu)

Nun, mein Wälsung!

Wolfssohn du!

Sauf', und würg' dich zu Tod:

Nie tust du mehr 'nen Schluck!

(Siegfried holt mit dem Schwert aus. Er führt, wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden. Man hört Alberichs höhnisches Gelächter aus dem Geklüfte.)

SIEGFRIED

Schmeck' du mein Schwert,

ekliger Schwätzer!

(Er henkt, auf den am Boden Liegenden blickend, ruhig sein Schwert wieder ein)

Neides Zoll

zahlt Notung:

dazu durft' ich ihn schmieden.

(Er rafft Mimes Leichnam auf, trägt ihn auf die Anhöhe vor den Eingang der Höhle und wirft ihn dort hinein.)

In der Höhle hier

lieg' auf dem Hort!

Mit zäher List

erzieltest du ihn:

jetzt magst du des wonnigen walten! -

Einen guten Wächter

geb' ich dir auch,

dass er vor Dieben dich deckt.

(Er wälzt mit grosser Anstrengung den Leichnam des Wurmes vor den Eingang der Höhle, so dass er diesen ganz damit verstopft)

Da lieg' auch du,

dunkler Wurm!

Den gleissenden Hort

hüte zugleich

mit dem beuterührigen Feind:

so fandet beide ihr nun Ruh'!

(Er blickt eine Weile sinnend in die Höhle hinab und wendet sich dann langsam, wie ermüdet, in den Vordergrund. Es ist Mittag. Er führt sich die Hand über die Stirn)

Heiss ward mir

von der harten Last!

Brausend jagt

mein brünst'ges Blut;

die Hand brennt mir am Haupt. -

Hoch steht schon die Sonne:

aus lichtem Blau

blickt ihr Aug'

auf den Scheitel steil mir herab. -

Linde Kühlung

erkies' ich unter der Linde!

(Er streckt sich unter der Linde aus und blickt wieder die Zweige hinauf)

Noch einmal, liebes Vöglein, -

da wir so lang

lästig gestört, -

lauscht' ich gerne deinem Sange:

auf dem Zweige seh' ich

wohlig dich wiegen;

zwitschernd umschwirren

dich Brüder und Schwestern,

umschweben dich lustig und lieb!

Doch ich - bin so allein,

hab' nicht Brüder noch Schwestern:

meine Mutter schwand,

mein Vater fiel:

nie sah sie der Sohn!

Mein einz'ger Gesell

war ein garstiger Zwerg;

Güte zwang

uns nie zu Liebe;

listige Schlingen

warf mir der Schlaue;

nun musst' ich ihn gar erschlagen!

(Er blickt schmerzlich bewegt wieder nach den Zweigen auf)

Freundliches Vöglein,

dich frage ich nun:

gönntest du mir

wohl ein gut Gesell?

Willst du mir das Rechte raten?

Ich lockte so oft,

und erlost' es mir nie:

Du, mein Trauter,

träfst es wohl besser,

so recht ja rietest du schon.

Nun sing'! Ich lausche dem Gesang.

STIMME DES WALDVOGELS

Hei! Siegfried erschlug

nun den schlimmen Zwerg!

Jetzt wüsst' ich ihm noch

das herrlichste Weib:

auf hohem Felsen sie schläft,

Feuer umbrennt ihren Saal:

durchschritt' er die Brunst,

weckt' er die Braut,

Brünnhilde wäre dann sein!

SIEGFRIED

(fährt mit jäher Heftigkeit vom Sitze auf)

O holder Sang!

Süssester Hauch!

Wie brennt sein Sinn

mir sehrend die Brust!

Wie zückt er heftig

zündend mein Herz!

Was jagt mir so jach

durch Herz und Sinne?

Sag' es mir, süsser Freund!

(er lauscht)

STIMME DES WALDVOGELS

Lustig im Leid

sing' ich von Liebe;

wonnig aus Weh

web' ich mein Lied:

nur Sehnende kennen den Sinn!

SIEGFRIED

Fort jagt mich's

jauchzend von hinnen,

fort aus dem Wald auf den Fels! -

Noch einmal sage mir,

holder Sänger:

werd' ich das Feuer durchbrechen?

Kann ich erwecken die Braut?

(Siegfried lauscht noch mal.)

STIMME DES WALDVOGELS

Die Braut gewinnt,

Brünnhilde erweckt

ein Feiger nie:

nur wer das Fürchten nicht kennt!

SIEGFRIED

(lacht auf vor Entzücken)

Der dumme Knab',

der das Fürchten nicht kennt,

mein Vöglein, der bin ja ich!

Noch heute gab ich

vergebens mir Müh,

das Fürchten von Fafner zu lernen:

nun brenn' ich vor Lust,

es von Brünnhilde zu wissen!

Wie find' ich zum Felsen den Weg?

(Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran.)

(jauchzend)

So wird mir der Weg gewiesen:

wohin du flatterst

folg' ich dem Flug!

(Er läuft dem Vogel, welcher ihn neckend einige Zeitlang unstet nach verschiedenen Richtungen hinleitet, nach und folgt ihm endlich, als dieser mit einer bestimmten Wendung nach dem Hintergrunde davonfliegt.)

Dritter Aufzug
Erste Szene

Wilde Gegend.
Am Fusse eines Felsenberges, welcher links nach hinten steil aufsteigt. - Nacht, Sturm und Wetter, Blitz und heftiger Donner, welch letzterer dann schweigt, während Blitze noch längere Zeit die Wolken durchkreuzen.

WANDERER

(schreitet entschlossen auf ein gruftähnliches Höhlentor in einem Felsen des Vordergrundes zu und nimmt dort, auf seinen Speer gestützt, eine Stellung ein, während er das Folgende dem Eingange der Höhle zu ruft)

Wache, Wala!

Wala! Erwach'!

Aus langem Schlaf

weck' ich dich Schlummernde wach.

Ich rufe dich auf:

Herauf! Herauf!

Aus nebliger Gruft,

aus nächtigem Grunde herauf!

Erda! Erda!

Ewiges Weib!

Aus heimischer Tiefe

tauche zur Höh!

Dein Wecklied sing' ich,

dass du erwachest;

aus sinnendem Schlafe

weck' ich dich auf.

Allwissende!

Urweltweise!

Erda! Erda!

Ewiges Weib!

Wache, erwache,

du Wala! Erwache!

(Die Höhlengruft erdämmert. Bläulicher Lichtschein: von ihm beleuchtet steigt mit dem Folgenden Erda sehr allmählich aus der Tiefe auf. Sie erscheint wie von Reif bedeckt: Haar und Gewand werfen einen glitzernden Schimmer von sich.)

ERDA

Stark ruft das Lied;

kräftig reizt der Zauber.

Ich bin erwacht

aus wissendem Schlaf:

wer scheucht den Schlummer mir?

WANDERER

Der Weckrufer bin ich,

und Weisen üb' ich,

dass weithin wache,

was fester Schlaf umschliesst.

Die Welt durchzog ich,

wanderte viel,

Kunde zu werben,

urweisen Rat zu gewinnen.

Kundiger gibt es

keine als dich;

bekannt ist dir,

was die Tiefe birgt,

was Berg und Tal,

Luft und Wasser durchwebt.

Wo Wesen sind,

wehet dein Atem;

wo Hirne sinnen,

haftet dein Sinn:

alles, sagt man,

sei dir bekannt.

Dass ich nun Kunde gewänne,

weck' ich dich aus dem Schlaf!

ERDA

Mein Schlaf ist Träumen,

mein Träumen Sinnen,

mein Sinnen Walten des Wissens.

Doch wenn ich schlafe,

wachen Nornen:

sie weben das Seil

und spinnen fromm, was ich weiss. -

Was frägst du nicht die Nornen?

WANDERER

Im Zwange der Welt

weben die Nornen:

sie können nichts wenden noch wandeln.

Doch deiner Weisheit

dankt' ich den Rat wohl,

wie zu hemmen ein rollendes Rad?

ERDA

Männertaten

umdämmern mir den Mut:

mich Wissende selbst

bezwang ein Waltender einst.

Ein Wunschmädchen

gebar ich Wotan:

der Helden Wal

hiess für sich er sie küren.

Kühn ist sie

und weise auch:

was weckst du mich

und frägst um Kunde

nicht Erdas und Wotans Kind?

WANDERER

Die Walküre meinst du,

Brünnhild', die Maid?

Sie trotzte dem Stürmebezwinger,

wo er am stärksten selbst sich bezwang:

was den Lenker der Schlacht

zu tun verlangte,

doch dem er wehrte

- zuwider sich selbst -,

allzu vertraut

wagte die Trotzige,

das für sich zu vollbringen, -

Brünnhild' in brennender Schlacht.

Streitvater

strafte die Maid:

in ihr Auge drückte er Schlaf;

auf dem Felsen schläft sie fest:

erwachen wird

die Weihliche nur,

um einen Mann zu minnen als Weib.

Frommten mir Fragen an sie?

ERDA

(ist in Sinnen versunken und beginnt erst nach längerem Schweigen)

Wirr wird mir,

seit ich erwacht:

wild und kraus

kreist die Welt!

Die Walküre,

der Wala Kind,

büsst' in Banden des Schlafs,

als die wissende Mutter schlief?

Der den Trotz lehrte,

straft den Trotz?

Der die Tat entzündet,

zürnt um die Tat?

Der die Rechte wahrt,

der die Eide hütet, -

wehret dem Recht,

herrscht durch Meineid? -

Lass mich wieder hinab! -

Schlaf verschliesse mein Wissen!

WANDERER

Dich, Mutter, lass' ich nicht ziehn,

da des Zaubers mächtig ich bin. -

Urwissend

stachest du einst

der Sorge Stachel

in Wotans wagendes Herz:

mit Furcht vor schmachvoll

feindlichem Ende

füllt' ihn dein Wissen,

dass Bangen band seinen Mut.

Bist du der Welt

weisestes Weib,

sage mir nun:

wie besiegt die Sorge der Gott?

ERDA

Du bist - nicht

was du dich nennst!

Was kamst du, störrischer Wilder,

zu stören der Wala Schlaf?

WANDERER

Du bist - nicht,

was du dich wähnst!

Urmütter-Weisheit

geht zu Ende:

dein Wissen verweht

vor meinem Willen.

Weisst du, was Wotan will?

(Langes Schweigen.)

Dir Unweisen

ruf' ich ins Ohr,

dass sorglos ewig du nun schläfst!

Um der Götter Ende

grämt mich die Angst nicht,

seit mein Wunsch es will!

Was in des Zwiespalts wildem Schmerze

verzweifelnd einst ich beschloss,

froh und freudig

führe frei ich nun aus.

Weiht' ich in wütendem Ekel

des Niblungen Neid schon die Welt,

dem herrlichsten Wälsung

weis' ich mein Erbe nun an.

Der von mir erkoren,

doch nie mich gekannt,

ein kühnester Knabe,

bar meines Rates,

errang des Niblungen Ring:

liebesfroh,

ledig des Neides,

erlahmt an dem Edlen

Alberichs Fluch;

denn fremd bleibt ihm die Furcht.

Die du mir gebarst,

Brünnhild',

weckt sich hold der Held:

wachend wirkt

dein wissendes Kind

erlösende Weltentat. -

Drum schlafe nun du,

schliesse dein Auge;

träumend erschau' mein Ende!

Was jene auch wirken,

dem ewig Jungen

weicht in Wonne der Gott.

Hinab denn, Erda!

Urmütterfurcht!

Ursorge!

Hinab! Hinab,

zu ewigem Schlaf!

(Nachdem Erda bereits die Augen geschlossen hat und allmählich tiefer versunken ist, verschwindet sie jetzt gänzlich; auch die Höhle ist jetzt wiederum durchaus verfinstert. Monddämmerung erhellt die Bühne, der Sturm hat aufgehört.)

Zweite Szene

(Der Wanderer ist dicht an die Höhle getreten und lehnt sich dann mit dem Rücken an das Gestein derselben, das Gesicht der Szene zugewandt.)

WANDERER

Dort seh' ich Siegfried nahn. -

(Er verbleibt in seiner Stellung an der Höhle. Siegfrieds Waldvogel flattert dem Vordergrunde zu. Plötzlich hält der Vogel in seiner Richtung ein, flattert ängstlich hin und her und verschwindet hastig dem Hintergrunde zu.)

SIEGFRIED

(tritt rechts im Vordergrunde auf und hält an)

Mein Vöglein schwebte mir fort!

Mit flatterndem Flug

und süssem Sang

wies es mich wonnig des Wegs:

nun schwand es fern mir davon!

Am besten find' ich mir

selbst nun den Berg:

wohin mein Führer mich wiess,

dahin wandr' ich jetzt fort.

(Er schreitet weiter nach hinten)

WANDERER

(in seiner Stellung an der Höhle verbleibend)

Wohin, Knabe,

heisst dich dein Weg?

SIEGFRIED

(hält an und wendet sich um)

Da redet's ja:

wohl rät das mir den Weg. -

(Er tritt dem Wanderer näher)

Einen Felsen such' ich,

von Feuer ist der umwabert:

dort schläft ein Weib,

das ich wecken will.

WANDERER

Wer sagt' es dir,

den Fels zu suchen?

Wer, nach der Frau dich zu sehnen?

SIEGFRIED

Mich wies ein singend

Waldvöglein:

das gab mir gute Kunde.

WANDERER

Ein Vöglein schwatzt wohl manches;

kein Mensch doch kann's verstehn.

Wie mochtest du Sinn

dem Sang entnehmen?

SIEGFRIED

Das wirkte das Blut

eines wilden Wurms,

der mir vor Neidhöhl' erblasste:

kaum netzt' es zündend

die Zunge mir,

da verstand ich der Vöglein Gestimm'.

WANDERER

Erschlugst den Riesen du,

wer reizte dich,

den starken Wurm zu bestehn?

SIEGFRIED

Mich führte Mime,

ein falscher Zwerg;

das Fürchten wollt' er mich lehren:

zum Schwertstreich aber,

der ihn erschlug,

reizte der Wurm mich selbst;

seinen Rachen riss er mir auf.

WANDERER

Wer schuf das Schwert

so scharf und hart,

dass der stärkste Feind ihm fiel?

SIEGFRIED

Das schweisst' ich mir selbst,

da's der Schmied nicht konnte:

schwertlos noch wär' ich wohl sonst.

WANDERER

Doch, wer schuf

die starken Stücken,

daraus das Schwert du dir geschweisst?

SIEGFRIED

Was weiss ich davon?

Ich weiss allein,

dass die Stücke mir nichts nützten,

schuf ich das Schwert mir nicht neu.

WANDERER

(bricht in ein freudig gemütliches Lachen aus)

Das - mein' ich wohl auch!

(Er betrachtet Siegfried wohlgefällig)

SIEGFRIED

(verwundert)

Was lachst du mich aus?

Alter Frager!

Hör' einmal auf;

lass mich nicht länger hier schwatzen!

Kannst du den Weg

mir weisen, so rede:

vermagst du's nicht,

so halte dein Maul!

WANDERER

Geduld, du Knabe!

Dünk' ich dich alt,

so sollst du Achtung mir bieten.

SIEGFRIED

Das wär' nicht übel!

Solang' ich lebe,

stand mir ein Alter

stets im Wege;

den hab' ich nun fortgefegt.

Stemmst du dort länger

steif dich mir entgegen, -

sieh dich vor, sag' ich,

(mit entsprechender Gebärde)

dass du wie Mime nicht fährst!

(Er tritt noch näher an den Wanderer heran)

Wie siehst du denn aus?

Was hast du gar

für 'nen grossen Hut?

Warum hängt er dir so ins Gesicht?

WANDERER

(immer ohne seine Stellung zu verlassen)

Das ist so Wand'rers Weise,

wenn dem Wind entgegen er geht.

SIEGFRIED

(immer näher ihn betrachtend)

Doch darunter fehlt dir ein Auge!

Das schlug dir einer

gewiss schon aus,

dem du zu trotzig

den Weg vertratst?

Mach dich jetzt fort,

sonst könntest du leicht

das andere auch noch verlieren.

WANDERER

Ich seh', mein Sohn,

wo du nichts weisst,

da weisst du dir leicht zu helfen. -

Mit dem Auge,

das als andres mir fehlt,

erblickst du selber das eine,

das mir zum Sehen verblieb.

SIEGFRIED

(der sinnend zugehört hat, bricht jetzt unwillkürlich in helles Lachen aus)

Zum Lachen bist du mir lustig! -

Doch hör', nun schwatz' ich nicht länger:

geschwind, zeig' mir den Weg, -

deines Weges ziehe dann du;

zu nichts andrem

acht' ich dich nütz':

drum sprich, sonst spreng' ich dich fort!

WANDERER

(weich)

Kenntest du mich,

kühner Spross,

den Schimpf spartest du mir!

Dir so vertraut,

trifft mich schmerzlich dein Dräuen.

Liebt' ich von je

deine lichte Art, -

Grauen auch zeugt' ihr

mein zürnender Grimm.

Dem ich so hold bin,

Allzuhehrer,

heut' nicht wecke mir Neid:

er vernichtete dich und mich!

SIEGFRIED

Bleibst du mir stumm,

störrischer Wicht?

Weich' von der Stelle,

denn dorthin, ich weiss,

führt es zur schlafenden Frau.

So wies es mein Vöglein,

das hier erst flüchtig entfloh.

(Es wird schnell wieder ganz finster.)

WANDERER

(in Zorn ausbrechend und in gebieterischer Stellung)

Es floh dir zu seinem Heil!

Den Herrn der Raben

erriet es hier:

weh' ihm, holen sie's ein!

Den Weg, den es zeigte,

sollst du nicht ziehn!

SIEGFRIED

(tritt mit Verwunderung in trotziger Stellung zurück)

Hoho! Du Verbieter!

Wer bist du denn,

dass du mir wehren willst?

WANDERER

Fürchte des Felsens Hüter!

Verschlossen hält

meine Macht die schlafende Maid:

wer sie erweckte,

wer sie gewänne,

machtlos macht' er mich ewig!

Ein Feuermeer

umflutet die Frau,

glühende Lohe

umleckt den Fels:

wer die Braut begehrt,

dem brennt entgegen die Brunst.

(Er winkt mit dem Speere nach der Felsenhöhe)

Blick' nach der Höh'!

Erlugst du das Licht?

Es wächst der Schein,

es schwillt die Glut;

sengende Wolken,

wabernde Lohe

wälzen sich brennend

und prasselnd herab:

ein Lichtmeer

umleuchtet dein Haupt:

(Mit wachsender Helle zeigt sich von der Höhe des Felsens her ein wabernder Feuerschein.)

bald frisst und zehrt dich

zündendes Feuer. -

Zurück denn, rasendes Kind!

SIEGFRIED

Zurück, du Prahler, mit dir!

(Er schreitet weiter, der Wanderer stellt sich ihm entgegen.)

Dort, wo die Brünste brennen,

zu Brünnhilde muss ich dahin!

WANDERER

Fürchtest das Feuer du nicht,

(den Speer vorhaltend)

so sperre mein Speer dir den Weg! -

Noch hält meine Hand

der Herrschaft Haft:

das Schwert, das du schwingst,

zerschlug einst dieser Schaft:

noch einmal denn

zerspring' es am ew'gen Speer!

(Er streckt den Speer vor)

SIEGFRIED

(das Schwert ziehend)

Meines Vaters Feind!

Find' ich dich hier?

Herrlich zur Rache

geriet mir das!

Schwing' deinen Speer:

in Stücken spalt' ihn mein Schwert!

(Er haut dem Wanderer mit einem Schlage den Speer in zwei Stücken; ein Blitzstrahl fährt daraus nach der Felsenhöhe zu, wo von nun an der bisher mattere Schein in immer helleren Feuerflammen zu lodern beginnt. Starker Donner, der schnell sich abschwächt, begleitet den Schlag. Die Speerstücken rollen zu des Wanderers Füssen. - Er rafft sie ruhig auf.)

WANDERER

(zurückweichend)

Zieh hin! Ich kann dich nicht halten!

(Er verschwindet plötzlich in völliger Finsternis)

SIEGFRIED

Mit zerfocht'ner Waffe

wich mir der Feige?

(Die wachsende Helle der immer tiefer sich senkenden Feuerwolken trifft Siegfrieds Blick)

Ha! Wonnige Glut!

Leuchtender Glanz!

Strahlend nun offen

steht mir die Strasse. -

Im Feuer mich baden!

Im Feuer zu finden die Braut -

Hoho! Hahei!

Jetzt lock' ich ein liebes Gesell!

(Siegfried setzt sein Horn an und stürzt, seine Lockweise blasend, sich in das wogende Feuer, welches sich, von der Höhe herabdringend, nun auch über den Vordergrund ausbreitet. Siegfried, den man bald nicht mehr erblickt, scheint sich nach der Höhe zu entfernen. Hellstes Leuchten der Flammen. Danach beginnt die Glut zu erbleichen und löst sich allmählich in ein immer feineres, wie durch die Morgenröte beleuchtetes Gewölk auf.)

Dritte Szene

Das immer zarter gewordene Gewölk hat sich in einen feinen Nebelschleier von rosiger Färbung aufgelöst und zerteilt sich nun in der Weise, dass der Duft sich gänzlich nach oben verzieht und endlich nur noch den heiteren, blauen Tageshimmel erblicken lässt, während am Saume der nun sichtbar werdenden Felsenhöhe - ganz die gleiche Szene wie im dritten Aufzug der "Walküre" - ein morgenrötlicher Nebelschleier haften bleibt, welcher zugleich an die in der Tiefe noch lodernde Zauberlohe erinnert. - Die Anordnung der Szene ist durchaus dieselbe wie am Schlusse der "Walküre": im Vordergrunde, unter der breitästigen Tanne, liegt Brünnhilde in vollständiger, glänzender Panzerrüstung, mit dem Helm auf dem Haupte, den langen Schild über sich gedeckt, in tiefem Schlafe.

SIEGFRIED

(gelangt von aussen her auf den felsigen Saum der Höhe und zeigt sich dort zuerst nur mit dem Oberleibe: so blickt er lange staunend um sich)

Selige Öde

auf sonniger Höh'! -

(Er steigt vollends herauf und betrachtet, auf einem Felsensteine des hinteren Abhanges stehend, mit Verwunderung die Szene. Er blickt zur Seite in den Tann und schreitet etwas vor)

Was ruht dort schlummernd

im schattigen Tann? -

Ein Ross ist's,

rastend in tiefem Schlaf!

(Langsam näher kommend, hält er verwundert an, als er noch aus einiger Entfernung Brünnhildes Gestalt wahrnimmt)

Was strahlt mir dort entgegen?

Welch glänzendes Stahlgeschmeid?

Blendet mir noch

die Lohe den Blick?

(Er tritt näher hinzu)

Helle Waffen!

Heb' ich sie auf?

(Er hebt den Schild ab und erblickt Brünnhildes Gestalt, während ihr Gesicht jedoch noch zum grossen Teil vom Helm verdeckt ist)

Ha! In Waffen ein Mann: -

wie mahnt mich wonnig sein Bild! -

Das hehre Haupt

drückt wohl der Helm? -

Leichter würd' ihm,

löst' ich den Schmuck.

(Vorsichtig löst er den Helm und hebt ihn der Schlafenden vom Haupte ab: langes lockiges Haar bricht hervor. Siegfried erschrickt)

Ach! Wie schön!

(Er bleibt in den Anblick versunken)

Schimmernde Wolken

säumen in Wellen

den hellen Himmelssee;

leuchtender Sonne

lachendes Bild

strahlt durch das Wogengewölk!

(Er neigt sich tiefer zu der Schlafenden hinab)

Von schwellendem Atem

schwingt sich die Brust: -

brech' ich die engende Brünne?

(Er versucht mit grosser Behutsamkeit die Brünne zu lösen)

Komm, mein Schwert,

schneide das Eisen!

(Er zieht sein Schwert, durchschneidet mit zarter Vorsicht die Panzerringe zu beiden Seiten der ganzen Rüstung und hebt dann die Brünne und die Schienen ab, so dass nun Brünnhilde in einem weichen weiblichen Gewande vor ihm liegt. Er fährt erschreckt und staunend auf)

Das ist kein Mann! -

(Er starrt mit höchster Aufgeregtheit auf die Schlafende hin)

Brennender Zauber

zückt mir ins Herz;

feurige Angst

fasst meine Augen:

mir schwankt und schwindelt der Sinn!

(Er gerät in höchste Beklemmung)

Wen ruf' ich zum Heil,

dass er mir helfe? -

Mutter! Mutter!

Gedenke mein! -

(Er sinkt, wie ohnmächtig, an Brünnhildes Busen. Langes Schweigen. Dann fährt er seufzend auf)

Wie weck' ich die Maid,

dass sie ihr Auge mir öffne? -

Das Auge mir öffne?

Blende mich auch noch der Blick?

Wagt' es mein Trotz?

Ertrüg' ich das Licht? -

Mir schwebt und schwankt

und schwirrt es umher!

Sehrendes Sehnen

zehrt meine Sinne;

am zagenden Herzen

zittert die Hand! -

Wie ist mir Feigem? -

Ist dies das Fürchten? -

O Mutter! Mutter!

Dein mutiges Kind!

Im Schlafe liegt eine Frau: -

die hat ihn das Fürchten gelehrt! -

Wie end' ich die Furcht?

Wie fass' ich Mut? -

Dass ich selbst erwache,

muss die Maid mich erwecken! -

(Indem er sich der Schlafenden von neuem nähert, wird er wieder von zarteren Empfindungen an ihren Anblick gefesselt. Er neigt sich tiefer hinab)

Süss erbebt mir

ihr blühender Mund. -

Wie mild erzitternd

mich Zagen er reizt! -

Ach! Dieses Atems

wonnig warmes Gedüft!

(wie in Verzweiflung)

Erwache! Erwache!

Heiliges Weib!

(Er starrt auf sie hin)

Sie hört mich nicht. -

(gedehnt mit gepresstem, drängendem Ausdruck)

So saug' ich mir Leben

aus süssesten Lippen, -

sollt' ich auch sterbend vergeh'n!

(Er sinkt, wie ersterbend, auf die Schlafende und heftet mit geschlossenen Augen seine Lippen auf ihren Mund. - Brünnhilde schlägt die Augen auf. Siegfried fährt auf und bleibt vor ihr stehen. Brünnhilde richtet sich langsam zum Sitze auf. Sie begrüsst mit feierlichen Gebärden der erhobenen Arme ihre Rückkehr zur Wahrnehmung der Erde und des Himmels.)

BRÜNNHILDE

Heil dir, Sonne!

Heil dir, Licht!

Heil dir, leuchtender Tag!

Lang war mein Schlaf;

ich bin erwacht.

Wer ist der Held,

der mich erweckt'?

SIEGFRIED

(von ihrem Blicke und ihrer Stimme feierlich ergriffen, steht wie festgebannt)

Durch das Feuer drang ich,

das den Fels umbrann;

ich erbrach dir den festen Helm:

Siegfried heiss' ich,

der dich erweckt'.

BRÜNNHILDE

(hoch aufgerichtet sitzend)

Heil euch, Götter!

Heil dir, Welt!

Heil dir, prangende Erde!

Zu End' ist nun mein Schlaf;

erwacht, seh' ich:

Siegfried ist es,

der mich erweckt!

Zusammen

SIEGFRIED

(in erhabenste Verzückung ausbrechend)

O Heil der Mutter,

die mich gebar;

Heil der Erde,

die mich genährt!

Dass ich das Aug' erschaut,

das jetzt mir Seligem lacht!

BRÜNNHILDE

(mit grösster Bewegtheit)

O Heil der Mutter,

die dich gebar!

Heil der Erde,

die dich genährt!

Nur dein Blick durfte mich schau'n,

erwachen durft' ich nur dir!

(Beide bleiben voll strahlenden Entzückens in ihren gegenseitigen Anblick verloren.)

BRÜNNHILDE

O Siegfried! Siegfried!

Seliger Held!

Du Wecker des Lebens,

siegendes Licht!

O wüsstest du, Lust der Welt,

wie ich dich je geliebt!

Du warst mein Sinnen,

mein Sorgen du!

Dich Zarten nährt' ich,

noch eh' du gezeugt;

noch eh' du geboren,

barg dich mein Schild:

so lang' lieb' ich dich, Siegfried!

SIEGFRIED

(leise und schüchtern)

So starb nicht meine Mutter?

Schlief die minnige nur?

BRÜNNHILDE

(lächelnd, freundlich die Hand nach ihm ausstreckend)

Du wonniges Kind!

Deine Mutter kehrt dir nicht wieder.

Du selbst bin ich,

wenn du mich Selige liebst.

Was du nicht weisst,

weiss ich für dich;

doch wissend bin ich

nur - weil ich dich liebe! -

O Siegfried! Siegfried!

Siegendes Licht!

Dich liebt' ich immer;

denn mir allein

erdünkte Wotans Gedanke

der Gedanke, den ich nie

nennen durfte;

den ich nicht dachte,

sondern nur fühlte;

für den ich focht,

kämpfte und stritt;

für den ich trotzte

dem, der ihn dachte;

für den ich büsste,

Strafe mich band,

weil ich nicht ihn dachte

und nur empfand!

Denn der Gedanke -

dürftest du's lösen! -

mir war er nur Liebe zu dir!

SIEGFRIED

Wie Wunder tönt,

was wonnig du singst;

doch dunkel dünkt mich der Sinn.

Deines Auges Leuchten

seh' ich licht;

deines Atems Wehen

fühl' ich warm;

deiner Stimme Singen

hör' ich süss:

doch was du singend mir sagst,

staunend versteh' ich's nicht.

Nicht kann ich das Ferne

sinnig erfassen,

wenn alle Sinne

dich nur sehen und fühlen!

Mit banger Furcht

fesselst du mich:

du Einz'ge hast

ihre Angst mich gelehrt.

Den du gebunden

in mächtigen Banden,

birg meinen Mut mir nicht mehr!

(Er verweilt in grosser Aufregung, sehnsuchtsvollen Blick auf sie heftend)

BRÜNNHILDE

(wendet sanft das Haupt zur Seite und richtet ihren Blick nach dem Tann)

- Dort seh' ich Grane,

mein selig Ross:

wie weidet er munter,

der mit mir schlief!

Mit mir hat ihn Siegfried erweckt.

SIEGFRIED

(in der vorigen Stellung verbleibend)

Auf wonnigem Munde

weidet mein Auge:

in brünstigem Durst

doch brennen die Lippen,

dass der Augen Weide sie labe! -

BRÜNNHILDE

(deutet ihm mit der Hand nach ihren Waffen, die sie gewahrt)

Dort seh' ich den Schild,

der Helden schirmte;

dort seh' ich den Helm,

der das Haupt mir barg:

er schirmt, er birgt mich nicht mehr!

SIEGFRIED

Eine selige Maid

versehrte mein Herz;

Wunden dem Haupte

schlug mir ein Weib: -

ich kam ohne Schild und Helm!

BRÜNNHILDE

(mit gesteigertem Wehmut)

Ich sehe der Brünne

prangenden Stahl:

ein scharfes Schwert

schnitt sie entzwei;

von dem maidlichen Leibe

löst' es die Wehr: -

ich bin ohne Schutz und Schirm,

ohne Trutz ein trauriges Weib!

SIEGFRIED

Durch brennendes Feuer

fuhr ich zu dir!

Nicht Brünne noch Panzer

barg meinen Leib:

nun brach die Lohe

mir in die Brust.

Es braust mein Blut

in blühender Brunst;

ein zehrendes Feuer

ist mir entzündet:

die Glut, die Brünnhilds

Felsen umbrann,

die brennt mir nun in der Brust!

O Weib, jetzt lösche den Brand!

Schweige die schäumende Glut!

(Er hat sie heftig umfasst: sie springt auf, wehrt ihm mit der höchsten Kraft der Angst, und entflieht nach der anderen Seite.)

BRÜNNHILDE

Kein Gott nahte mir je!

Der Jungfrau neigten

scheu sich die Helden:

heilig schied sie aus Walhall!

Wehe! Wehe!

Wehe der Schmach,

der schmählichen Not!

Verwundet hat mich,

der mich erweckt!

Er erbrach mir Brünne und Helm:

Brünnhilde bin ich nicht mehr!

SIEGFRIED

Noch bist du mir

die träumende Maid:

Brünnhildes Schlaf

brach ich noch nicht.

Erwache, sei mir ein Weib!

BRÜNNHILDE

(in Betäubung)

Mir schwirren die Sinne,

mein Wissen schweigt:

soll mir die Weisheit schwinden?

SIEGFRIED

Sangst du mir nicht,

dein Wissen sei

das Leuchten der Liebe zu mir?

BRÜNNHILDE

(vor sich hinstarrend)

Trauriges Dunkel

trübt meinen Blick;

mein Auge dämmert,

das Licht verlischt:

Nacht wird's um mich.

Aus Nebel und Grau'n

windet sich wütend

ein Angstgewirr:

Schrecken schreitet

und bäumt sich empor!

(Sie birgt heftig die Augen mit beiden Händen)

SIEGFRIED

(indem er ihr sanft die Hände von den Augen löst)

Nacht umfängt

gebund'ne Augen.

Mit den Fesseln schwindet

das finstre Grau'n.

Tauch' aus dem Dunkel und sieh: -

sonnenhell leuchtet der Tag!

BRÜNNHILDE

(in höchster Ergriffenheit)

Sonnenhell

leuchtet der Tag meiner Schmach! -

O Siegfried! Siegfried!

Sieh' meine Angst!

(Ihre Miene verrät, dass ihr ein anmutiges Bild vor die Seele tritt, von welchem ab sie den Blick mit Sanftmut wieder auf Siegfried richtet)

Ewig war ich,

ewig bin ich,

ewig in süss

sehnender Wonne, -

doch ewig zu deinem Heil! -

O Siegfried! Herrlicher!

Hort der Welt!

Leben der Erde!

Lachender Held!

Lass, ach lass,

lasse von mir!

Nahe mir nicht

mit der wütenden Nähe!

Zwinge mich nicht

mit dem brechenden Zwang,

zertrümmre die Traute dir nicht! -

Sahst du dein Bild

im klaren Bach?

Hat es dich Frohen erfreut?

Rührtest zur Woge

das Wasser du auf,

zerflösse die klare

Fläche des Bachs:

dein Bild sähst du nicht mehr,

nur der Welle schwankend Gewog'! -

So berühre mich nicht,

trübe mich nicht!

Ewig licht

lachst du selig dann

aus mir dir entgegen,

froh und heiter ein Held! -

O Siegfried!

Leuchtender Spross!

Liebe dich,

und lasse von mir:

vernichte dein Eigen nicht!

SIEGFRIED

Dich lieb' ich:

o liebtest mich du!

Nicht hab' ich mehr mich:

o, hätte ich dich! -

Ein herrlich Gewässer

wogt vor mir;

mit allen Sinnen

seh' ich nur sie,

die wonnig wogende Welle:

Brach sie mein Bild,

so brenn' ich nun selbst,

sengende Glut

in der Flut zu kühlen;

ich selbst, wie ich bin,

spring' in den Bach: -

o, dass seine Wogen

mich selig verschlängen,

mein Sehnen schwänd' in der Flut!

Erwache, Brünnhilde!

Wache, du Maid!

Lache und lebe,

süsseste Lust!

Sei mein! Sei mein! Sei mein!

BRÜNNHILDE

(sehr innig)

O Siegfried! Dein -

war ich von je!

SIEGFRIED

(feurig)

Warst du's von je,

so sei es jetzt!

BRÜNNHILDE

Dein werd' ich

ewig sein!

SIEGFRIED

Was du sein wirst,

sei es mir heut'!

Fasst dich mein Arm,

umschling' ich dich fest;

schlägt meine Brust

brünstig die deine;

zünden die Blicke,

zehren die Atem sich;

Aug' in Auge,

Mund an Mund:

dann bist du mir,

was bang du mir warst und wirst!

Dann brach sich die brennende Sorge,

ob jetzt Brünnhilde mein?

(Er hat sie umfasst)

BRÜNNHILDE

Ob jetzt ich dein? -

Göttliche Ruhe

rast mir in Wogen;

keuschestes Licht

lodert in Gluten:

himmlisches Wissen

stürmt mir dahin,

Jauchzen der Liebe

jagt es davon!

Ob jetzt ich dein? -

Siegfried! Siegfried!

Siehst du mich nicht?

Wie mein Blick dich verzehrt,

erblindest du nicht?

Wie mein Arm dich presst,

entbrennst du mir nicht?

Wie in Strömen mein Blut

entgegen dir stürmt,

das wilde Feuer,

fühlst du es nicht?

Fürchtest du, Siegfried,

fürchtest du nicht

das wild wütende Weib?

(Sie umfasst ihn heftig)

SIEGFRIED

(in freudigem Schreck)

Ha! -

Wie des Blutes Ströme sich zünden,

wie der Blicke Strahlen sich zehren,

Wie die Arme brünstig sich pressen, -

kehrt mir zurück

mein kühner Mut,

und das Fürchten, ach!

Das ich nie gelernt, -

das Fürchten, das du

mich kaum gelehrt:

das Fürchten, - mich dünkt -

ich Dummer vergass es nun ganz!

(Er hat bei den letzten Worten Brünnhilde unwillkürlich losgelassen)

BRÜNNHILDE

(im höchsten Liebesjubel wild auflachend)

O kindischer Held!

O herrlicher Knabe!

Du hehrster Taten

töriger Hort!

Lachend muss ich dich lieben,

lachend will ich erblinden,

lachend lass uns verderben

lachend zu Grunde gehn!

Zusammen

BRÜNNHILDE

Fahr' hin, Walhalls

leuchtende Welt!

Zerfall in Staub

deine stolze Burg!

Leb' wohl, prangende

Götterpracht!

End' in Wonne,

du ewig Geschlecht!

Zerreisst, ihr Nornen,

das Runenseil!

Götterdämm'rung,

dunkle herauf!

Nacht der Vernichtung,

neble herein! -

Mir strahlt zur Stunde

Siegfrieds Stern;

er ist mir ewig,

ist mir immer,

Erb' und Eigen,

ein' und all':

leuchtende Liebe,

lachender Tod!

SIEGFRIED

Lachend erwachst

du Wonnige mir:

Brünnhilde lebt,

Brünnhilde lacht!

Heil dem Tage,

der uns umleuchtet!

Heil der Sonne,

die uns bescheint!

Heil dem Licht,

das ser Nacht enttaucht!

Heil der Welt,

der Brünnhilde lebt!

Sie wacht, sie lebt,

sie lacht mir entgegen.

Prangend strahlt

mir Brünnhildes Stern!

Sie ist mir ewig,

ist mir immer,

Erb' und Eigen,

ein' und all':

leuchtende Liebe,

lachender Tod!

(Brünnhilde stürzt sich in Siegfrieds Arme.)

(Der Vorhang fällt.)

Ende.

Generazione pagina: 04/06/2017
Pagina: ridotto, rid
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Locandina Erster Aufzug Vorspiel und Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene Zweiter Aufzug Vorspiel und Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene Dritter Aufzug Erste Szene Zweite Szene Dritte Szene